Tagungsankündigung (Uni Gießen): Hier und jetzt und anderswo. Situativität in medial vermittelten Kontexten (12./13.04.2013)

Ein großer Teil der qualitativen Sozialforschung hat sich vom methodologischen Individualismus der Umfrageforschung abgewendet und einen methodologischen Situatio­nismus implizit oder explizit in sein Zentrum gerückt. Damit wird ein starker Akzent auf das ‚Hier und Jetzt’ des Sozialen, seine Hiesigkeit und … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4424

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Deutscher Bundestag: Kleine Anfrage zur Mustererkennung

In einer Presseaussendung des Deutschen Bundestags (“Linke legt Kleine Anfrage zur Mustererkennung vor”) wird von einer aktuellen Kleinen Anfrage der Partei Die Linke berichtet. In der Kleinen AnfrageForschungen zum Einsatz automatisierter Mustererkennung und Biometrie zum Aufspüren von sogenanntem bedrohlichem Verhalten“ werden in einem umfangreichen 48-Punkte-Fragenkatalog die von der deutschen Bundesregierung geförderten Verbundprojekte im Bereich der “Mustererkennung” kritisch hinterfragt. Ich bin schon sehr auf die Beantwortung gespannt!

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5403

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Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm erinnert an 20 Kinder und rund 28 Erwachsene, die in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 im Keller eines ehemaligen Schulgebäudes ermordet wurden. Die jüdischen Kinder, die zwischen 4 und 12 Jahre alt waren, wurden getötet, um zu vertuschen, dass sie zu medizinischen Experimenten im KZ Neuengamme missbraucht worden waren. Der Arzt Dr. Kurt Heißmeyer hatte im Juni 1944 Tuberkulose-Versuche zunächst mit bis zu 100 erwachsenen Häftlingen des KZ Neuengamme begonnen. Im Herbst 1944 forderte er aus dem KZ Auschwitz Kinder für eine Ausweitung der Experimente an.

Je zwei Häftlingsärzte und -pfleger wurden für deren Betreuung ausgewählt. Heißmeyer ließ an den Kindern, 10 Jungen und 10 Mädchen, ähnliche Versuche wie zuvor an den Erwachsenen durchführen. Als das KZ Neuengamme ab April 1945 aufgelöst wurde, da sich die Alliierten Hamburg näherten, wurden die 20 Kinder und ihre vier Betreuer am Abend des 20. April 1945 in das in einem kriegszerstörten Stadtteil gelegene und kurz zuvor geräumte Außenlager des KZ Neuengamme am Bullenhuser Damm gebracht. Hier wurden sie von SS-Männern ermordet. In derselben Nacht erhängten die gleichen SS-Männer sechs sowjetische Häftlinge aus dem KZ Neuengamme sowie weitere Häftlinge aus dem nahe gelegenen Außenlager Spaldingstraße. Die Gründe für diese Morde und auch die Namen dieser Häftlinge konnten bisher nicht geklärt werden.

Gedenkstätte und Ausstellung – Räume mit unterschiedlicher Funktion

Die aus einer privaten Initiative erwachsene Gedenkstätte erinnert seit 1980 an diese Taten. 2011 wurde eine neue, erweiterte Dauerausstellung von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme entwickelt, die das Designbüro „hellauf“ optisch ungewöhnlich gestaltet hat. Jugendliche und Erwachsene sollen dazu eingeladen werden, sich aktiv mit der Geschichte des Ortes, den Biografien der Opfer und den dort stattgefundenen Verbrechen zu befassen.

Häufig sind Besucherinnen und Besucher von der Atmosphäre in den ehemaligen Taträumen beeindruckt. Durch eine räumliche Erweiterung wurde eine Entzerrung der beiden Funktionen einer Gedenkstätte möglich: Der „Lernort“ wurde vom eigentlichen Gedenkort getrennt, um so eine intensivere und damit nachhaltigere Beschäftigung mit Hintergründen, Biografien und Auswirkungen der Tat in weniger „emotional belasteten“ Ausstellungsräumen zu ermöglichen. Die „Taträume“ sollten dagegen im Hinblick auf den Eindruck von Authentizität und als Zeichen der Sprachlosigkeit gegenüber der Tat weitgehend leer bleiben.

Bilder, Texte und Symbole erzählen die Geschichte

Die Ausstellung gibt auf großen zweisprachigen Thementafeln einen Überblick über den Ort und die Geschehnisse. Neben kurzen Einführungstexten sind erläuternde historische Dokumente und Fotografien wie auf einem Archivtisch angeordnet, um den Konstruktionscharakter von Geschichte anzudeuten.

Den Mittelpunkt des ersten Ausstellungsraumes bilden aber 24 farbige Kästen in Form von Koffern, in denen die Biografien der namentlich bekannten Opfer erzählt werden. Diese stehen auf einem geschwungenen Podest, der sich deutlich gegen den kantigen Kellerraum abhebt. In diesen symbolischen Koffern werden mit der Hilfe von Erinnerungsfotos und Dokumenten Geschichten aus dem Leben dieser Menschen, die vor ihrer Deportation in Polen und Jugoslawien, Frankreich, den Niederlanden oder Italien lebten, erzählt.

Neben den Tafeln für den Überblick über die Geschehnisse einerseits und den biografischen Zugängen andererseits gibt es zusätzlich im zweiten Ausstellungsraum die Möglichkeit zu einer individuellen Vertiefung zu eigenen Fragestellungen. Was waren das für Experimente? Was passierte mit den Tätern? Wie wurde in der Nachkriegszeit in Hamburg an diese Verbrechen erinnert? Wie konnten die Namen der hier ermordeten Menschen herausgefunden werden? Welche Nachwirkungen sind in den Familien der Opfer bis in die Gegenwart zu spüren? Schubladen und Türen laden ein, diese zu öffnen und sich mit den dahinter liegenden Quellensammlungen interpretierend zu beschäftigen. Interviews mit Zeitzeugen können angewählt und angesehen werden. Durch eine reflexive und differenzierte Beschäftigung mit einem speziellen Aspekt aus der Geschichte des Nationalsozialismus kann, so ist der Wunsch, auch an diesem besonderen Ort der Umgang mit Geschichte erlernt werden.

Die erste Stimme den Opfern

An den Besuch der Ausstellung schließt sich der Rundgang durch die „Taträume“ an. Eine Zuordnung der Kellerräume zum Tathergang kann nur auf Grundlage der Aussagen erfolgen, die die Täter vor Gericht abgegeben haben. Zitate aus solchen Aussagen, die zum Nachdenken anregen sollen, wurden an die Wände aufgebracht. Um aber den Familien der Opfer die erste Stimme in der Ausstellung zu geben, verweist gleich im Eingangsbereich der Gedenkstätte ein in die Sprachen der an diesem Ort ermordeten Menschen übersetztes Zitat der Mutter der hier getöteten Kinder Eleonora und Roman Witoński auf die Wichtigkeit des Erinnerns und Berichtens.

Dem Bedürfnis, ein Zeichen des Respekts und der Erinnerung für die Opfer an diesem Ort zurück zu lassen, kommt auch der Rosengarten der Gedenkstätte entgegen. Dieser wurde bereits in den 1980er Jahren von der Vereinigung „Kinder vom Bullenhuser Damm“ initiiert. Dort besteht auch heute noch die Möglichkeit, eine Rose im Andenken an die Opfer zu pflanzen oder niederzulegen.

Hinweise:

Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Bullenhuser Damm 92 (Eingang über Schulhof)

20539 Hamburg

S-Bahnhof Rothenburgsort

Öffnungszeiten: So, 10-17 Uhr

 

Führungen für Gruppen (deutsch, englisch) nach Vereinbarung unter Tel. 040-4281310 (Museumsdienst Hamburg)

Führungen für Einzelbesucher siehe Programm der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de)

Ausstellung zweisprachig (deutsch, englisch), barrierefreier Zugang

Begleitbuch: Iris Groschek, Kristina Vagt: „Dass du weißt, was hier passiert ist…“ Medizinische Experimente im KZ Neuengamme und die Morde am Bullenhuser Damm. Bremen 2012 (Edition Temmen, 164 Seiten, 19.90 Euro)

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=772

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Links zur Bibliothek des Klosters Strahov stellt Klaus Graf auf Archivalia zusammen, darunter den Eintrag im Fabian-Handbuch: http://fabian.sub.uni-goettingen.de/?Strahover_Bibliothek(Prag) das Strahov-Evangeliar (Evangeliarium Strahoviense): http://www.manuscriptorium.com/apps/main/en/index.php?request=show_tei_digidoc&docId=set031101set1171 das 40-Gigapixel-Panorama im Netz: http://www.360cities.net/gigapixel/strahov-library.html Erwin Anton Weyrauch, Geschichte des königlichen Prämonstratenser Chorherren-Stiftes Strahow, Prag 1863: http://books.google.de/books?id=mcfkMhDbwAQC     “Die österreichischen Klosterbibliotheken – Museen oder Wissenswelten?” – Der Vortrag von Helga Penz vom 12. März 2013 beim 5. Kongress Bibliothek & Information, Leipzig, ist online: http://www.opus-bayern.de/bib-info/volltexte//2013/1393/pdf/Penz_Klosterbibliotheken.pdf (via http://archiv.twoday.net/stories/326205015/)   Darauf, dass die Bibliothek des Klosters Reisach nicht im Fabian-Handbuch aufgenommen ist, weist Klaus Graf in Archivalia hin: http://archiv.twoday.net/stories/326201858/   Die [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3029

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Tagungsankündigung: Groupes cathédraux et complexes monastiques : le phénomène de la pluralité des sanctuaires à l’époque carolingienne

Groupes cathédraux et complexes monastiques : le phénomène de la pluralité des sanctuaires à l’époque carolingienne

 

Date:                               19 avril 2013

Lieu:                                Institut historique allemand, 8, rue du Parc-Royal, 75003 Paris

Links:                              www.dhi-paris.fr

http://www.dhi-paris.fr/de/home/veranstaltungen/veranstaltungen.html

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=21201

Langue:                           français

Responsable:                 Marie-Laure Pain

L’ensemble de la communauté scientifique s’accorde à reconnaître en la période carolingienne des temps féconds et prospères. Pour cela, il suffit de constater le nombre de monastères et de cathédrales érigés ou reconstruits sous les règnes de Charlemagne et de Louis le Pieux et qui ont donné lieu à de riches études archéologiques, architecturales, liturgiques (etc…). Pourtant, il est une question qui mériterait une attention particulière: le phénomène de la pluralité des sanctuaires au sein des groupes cathédraux et des complexes monastiques.

Dans cette table-ronde les intervenants seront amenés à s’interroger sur les origines de cette configuration architecturale et liturgique. Quelle part de nouveautés fut apportée? Qu’en est-il des emprunts aux productions mérovingiennes voir paléochrétiennes? Il conviendra, bien évidemment, d’aborder la question de la fonctionnalité, de la liturgie et, plus simplement, de l’architecture et de la topographie de ces édifices. Enfin, il s’agira d’établir, autant que faire se peut, des comparaisons et des liens entre ces différents complexes.

19 avril 2013

09h00            Accueil des participants

09h15           Ouverture par Rolf Grosse (Paris)

09h30           Introduction par Marie-Laure Pain (Nanterre)

 

Section du matin

Présidence : Jean-Pierre Caillet (Nanterre)

09h45

Michaël Wyss (Saint-Denis) : L’ensemble monumental de l’abbaye de Saint-Denis aux temps mérovingien et carolingien

Marie-Laure Pain (Nanterre) : L’abbaye de Saint-Riquier : églises et liturgie

 

10h45           Pause

 

11h00

Cécile Coulangeon (Nanterre) : L’abbaye Saint-Pierre et Saint-Paul de Ferrières-en-Gâtinais. Un complexe monastique à deux églises à l’époque carolingienne

Géraldine Mallet (Montpellier) : Les abbatiales « carolingiennes » de la zone nord orientale des Pyrénées

Nicolas Reveyron (Lyon) : Les deux églises de Cluny : un héritage carolingien, marqueur de l’ecclésiologie clunisienne

 

12h30                                    Pause déjeuner

 

Section de l’après-midi 

Présidence : Rolf Große (Paris)

14h00

Jean Terrier (Genève) : Le groupe épiscopal de Genève autour du haut Moyen Âge

Claire de Bigault de Cazanove (Paris I/Est – Frankfurt/Main) : Les différentes communautés autour de l’évêque de Freising

 

15h00           Pause

 

15h15

Jacques Le Maho (Caen) : Groupes ecclésiaux de Normandie, topographie et fonctions : autour de deux études de cas, la cathédrale de Rouen (IVe-IXe) et le monastère de Jumièges (VIIe-IXe)

Christian Sapin (Auxerre) : Entre groupe cathédraux et ensemble monastique, l’exemple d’Auxerre au milieu du IXe siècle

Pascale Chevalier (Clermont-Ferrand) : L’évolution du groupe épiscopal de Poreč (Croatie) au haut Moyen Âge

 

16h45           Jean-Pierre Caillet (Nanterre) : Conclusion

17h30           Fin de la table ronde

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/743

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Vom weltweit größten Watson-Tutorial

Anfang der Woche fand in Darmstadt im beeindruckenden Hörsaal im “Alten Maschinenhaus” ein Tutorial zu den Hintergründen des Computer-Jeopardy!-Spielers Watson von IBM statt. Eingeladen hatte Chris Biemann vom Fachbereich Informatik der Uni Darmstadt, erschienen waren der Dozent Alfio Massimiliano Gliozzo (IBM Research) sowie mehr als 130 interessierte Zuhörer, welche die Veranstaltung dann auch zum “biggest Watson-Tutorial wordwide so far” machten.

Watson ist eine von IBM entwickelte und auf spezieller Hardware umgesetzte Software, der es im Frühjahr 2011 gelungen ist, das Spiel Jeopardy! gegen die bis dahin erfolgreichsten (menschlichen) Kandidaten zu gewinnen. Dieses Ereignis hatte ich damals hier im Blog aufgegriffen, als Paradebeispiel dafür, was man in meinem Fach Informationsverarbeitung bzw. Computerlinguistik so alles anstellen kann. Für uns war diese Meldung eine echte Sensation, weil sie viel unvorhergesehener kam als der Sieg von Deep Blue (dem ungleich berühmteren Schachprogramm, ebenfalls von IBM entwickelt) über den Schachweltmeister Garry Kasparov 14 Jahre zuvor. Weshalb aber wurde das Schachproblem viel früher als das Jeopardy!-Problem gelöst? Lösen heißt hier: Gegen die ausgewiesen besten Menschen in dem Spiel zu gewinnen.

IBM Watson

Watson bei IBM: Eine zimmergroße Maschine. Bild: Clockready CC-BY-SA-3.0

Schach – so unendlich groß die Zahl der möglichen Spiele auch sein mag (selbst Deep Blue konnte bei weitem nicht alle möglichen Züge analysieren) – ist ein rein mathematisches Problem. Es gibt eine begrenzte Menge an Zuständen, die in eine ebenfalls begrenzte Anzahl von Folgezuständen überführt werden können. Menschen waren dem Computer lange überlegen, weil sie Muster in Schachspielen erkennen konnten, die sie mögliche Gewinnstrategien entwerfen ließen. Die ersten Schachcomputer hatten dann auch eine erbärmliche Performance. Später schlugen sie Anfänger, irgendwann Hobbyspieler und am Ende dann eben auch den amtierenden Weltmeister (Deep Blue 1997). Letzteres allerdings auch erst im zweiten Versuch, das erste Aufeinandertreffen hatte Kasparov 1996 noch für sich entschieden. Nebenbei: Der auf gewisse Weise entthronte Weltmeister unkte nach der Niederlage 1997, Deep Blue hätte zwischendurch Hilfestellungen durch Menschen bekommen. Der Vorwurf wurde nie wirklich aufgeklärt, weil IBM keine Untersuchung zuließ und Deep Blue dann auch demontierte. Insgesamt sind lediglich 12 Partien des Rechners öffentlich bekannt – jeweils 6 in den Jahren 1996 und 1997, sämtlich mit Kasparov als Gegner. Da aber in der Zwischenzeit Deep Fritz, ein Programm, um das sehr viel weniger Geheimhaltungs-Popanz gemacht wurde, 2006 den damaligen Weltmeister Wladimir Kramnik mit 4:2 schlug, zweifelt niemand mehr ernsthaft daran, dass Computer in der Lage sind, Menschen jederzeit im Schach zu schlagen.

Der Sieg von Watson über Ken Jennings und Brad Rutter kam dagegen gewissermaßen aus dem Nichts. Nie zuvor hatte jemand versucht, eine Maschine in einem Spiel wie Jeopardy! einzusetzen, wo es darum geht die zugehörigen Fragen zu sehr trickreich formulierten Antworten herauszufinden (also schlicht ein umgedrehtes Frage-Antwort-Spiel). Um ein Beispiel zu geben:

Antwort: “Aufgezeichnete Sachverhalte oder Gedanken, bisweilen mit Tagebuchcharakter, die auf einer Webseite zu finden sind.”

Die dazu passende Frage wäre: “Was ist ein Blog?”

Die Themenkomplexe, aus denen die Antworten stammen, sind dabei nicht eingegrenzt, sollten aber die Zuschauer interessieren – schließlich handelt es sich um eine Fernsehshow, die von den Einschaltquoten lebt. Man benötigt also ein breites Wissen, um in dem Spiel zu bestehen. Dieses dürfte zwar tatsächlich vollständig oder zumindest in großen Teilen irgendwo hinterlegt sein, wo es auch für Computer zugänglich ist – im Zweifelsfall eben in der Wikipedia. Die drei größten Herausforderungen bestehen aber darin,

  1. Die Antworten richtig zu interpretieren, um eine Ahnung davon zu bekommen, wonach überhaupt gefragt wird.
  2. Eine Wissensbasis so zu gestalten, dass interpretierte Antworten auf mögliche Fragen abgebildet werden können.
  3. Aus möglichen Fragen diejenige auszuwählen, die als die passenste erscheint.

Um gut Schach spielen zu können, genüge es, Mathematik zu beherrschen; Jeopardy! aber gründe in der menschlichen Kognition, sagte Gliozzo. Statt wohldefinierter Zustände in begrenzter Zahl hat man es mit prinzipiell unendlich vielen Ausdrücken zu tun, die auch noch verschiedene Bedeutungen tragen können. Die Antworten, mit denen ein Jeopardy!-Kandidat konfrontiert wird sind genauso wie der größte Teil des verfügbaren Wissens in menschlicher Sprache hinterlegt und damit ambig, kontextabhängig und teilweise implizit.

Welche Ansätze IBM dabei verfolgte, die Aufgabe anzugehen und erfolgreich zu gestalten, war Thema des Workshops und Gliozzo gelang es aus meiner Sicht wirklich gut, dieses ansprechend und informativ darzulegen. Insgesamt bestand der Vortrag aus vier etwa zweistündigen Blöcken, einer Art eingedampften Form eines Kurses, den Gliozzo auch an der New Yorker Columbia Universität anbietet. Zwischendurch wurden immer wieder von IBM produzierte Filme zu Watson, der Jeopardy!-Challenge und der Zukunft des Systems gezeigt, die aus unterrichtstechnischen Gründen angebracht waren (inmitten des sehr anspruchsvollen Stoffs konnte man sich mal zurücklehnen und konsumieren), die auf mich als europäischen Wissenschaftler mitunter aber etwas überproduziert und pathetisch wirkten (Dan Ferrucci, Leiter des Watson-Projekts mit Tränen in den Augen und so, auf der IBM-Seite kann man sich selbst ein Bild davon machen).

Sehr gut hat mir die Live-Demo gefallen, eine Art simuliertes Spiel Watson gegen Vortragspublikum. Dabei zeigte sich auch, dass die Maschine mit denen eigens für das europäische Publikum ausgewählten Fragen offensichtlich nicht besonders gut zurecht kam. So war Watsons Vermutung, wo nach dem Schengen-Abkommen keine Kontrollen mehr stattfinden: passport. Erst danach folgte das korrekte borders, witzigerweise dicht gefolgt von Austria.

In den einzelnen Sessions ging Gliozzo auf die Teilbereiche (I) DeepQA-Architecture, (II) Natural Language Processing Components, (III) Structured Knowledge Components und (IV) Adaption to the Medical Domain ein. Die Klammer um das Ganze war ein Diagramm, das die Performances von Jeopardy!-Gewinnern und Watson, ausgestattet mit bestimmten Komponenten zeigte. War die Maschine anfangs noch meilenweit von einer Performance entfernt, auch nur ein einziges der historischen Jeopardy-Spiele zu gewinnen, sah man, dass die Zuschaltung der nacheinander erläuterten Komponenten immer weitere Fortschritte brachte. Das war als roter Vortragsfaden schon ziemlich genial. Detailliert berichte ich davon vielleicht mal an anderer Stelle. Schließen möchte ich mit einer Reihe von Aspekten, die ich aus dem Tutorial mitnehmen durfte:

  1. Watson versteht nicht. Er gleicht Muster ab und führt eine unglaubliche Anzahl von Bewertungsfunktionen durch. Die Entwickler haben eine Unzahl verschiedener Techniken gegeneinander evaluiert und diejenigen, welche sich in Tests als erfolgreich herausstellten, im System behalten.
  2. IBM hat nicht gezaubert oder vorher unbekannte Techniken entwickelt, sondern einfach nur bekanntes miteinander kombiniert. Gliozzo ist auf so gut wie jeden Schritt aus einem anfangs völlig undurchschaubar komplizierten Workflow-Diagramm eingegangen (natürlich nicht immer im Detail) und meinte am Ende so in etwa: “Jetzt kann das jeder von euch nachbauen. Viel Spaß!” Dabei unterschlug er allerdings nicht, dass eine selbstgebaute Antwortmaschine wahrscheinlich Tage für die Lieferung der Frage benötigen würde, was Watson auf seiner speziellen Hardware (3000 Prozessorkerne, 15 TeraByte RAM) in unter 3 Sekunden schaffen musste (ansonsten hätte er gegen seine menschlichen Konkurrenten keine Chance gehabt).
  3. Watson ist eine Maschine, um Jeopardy! zu gewinnen. Die ersten Versuche, ihn einzusetzen, um bspw. Mediziner bei der Diagnose oder der Behandlung von Krankheiten zu unterstützen, waren eher ernüchternd. Nachdem viel Arbeit in die Adaption gesteckt wurde, konnten zwar Fortschritte erzielt werden, man hat es aber weiterhin mit einer domänenspezifischen Anwendungen zu tun. IBM ist das klar und sucht deshalb nach neuen Lösungen.
  4. Offenbar war den Entwicklern vorher nicht klar, ob Watson die Challenge tatsächlich für sich entscheiden würde – man ging von einer 50% Chance aus. Im oben erwähnten Diagramm sah man, dass Jennings in vielen historischen Spielen eine deutlich bessere Performance hinlegte, als Watson am Ende seiner Jeopardy!-Entwicklung. Watson ist also – im Gegensatz zu Schachcomputern – weiterhin schlagbar.

Soweit meine (erste) Nachlese zum Watson-Tutorial. Vielleicht kann ich demnächst nochmal auf die Gesamtarchitektur oder einzelne Komponenten des Systems eingehen. Ich hoffe, mir ist es einigermaßen geglückt, auszudrücken, dass ich die Veranstaltung für wirklich gelungen hielt und möchte hier die Gelegenheit ergreifen, mich herzlich beim Organisator Chris Biemann zu bedanken. Falls so etwas noch einmal stattfinden sollte, kann ich jedem NLP-, Machine Learning- und Knowledge Engineering-Interessieren mit bestem Gewissen raten, daran teilzunehmen!

 

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/865

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Archive 2.0 auf dem 65. Westfälischen Archivtag

 

Auf dem 65. Westfälischen Archivtag in Münster wurde der Bereich Archiv 2.0 zwar nicht explizit thematisiert, wohl aber an etwas versteckter Stelle angesprochen – und zwar auf dem Diskussionsforum “Verzeichnest du noch oder gefällst du schon? Archive als Anbieter digitaler Dienstleistungen”. Im Folgenden sei mein eigenes Impulsreferat dokumentiert:

 

„Diese Verzeichnung gefällt mir! Das Archiv 2.0 als Anbieter digitaler Dienstleistungen“

Am 13. März 2013 stieg weißer Rauch über der sixtinischen Kapelle in Rom auf und ein neuer Papst war gewählt worden.

Schornstein Sixtinische Kapelle

Was hat das zu tun mit uns als Archiven oder gar unserem heutigen Archivtag?

Vielleicht soviel, dass es ein Archivar war, der das „Habemus Papam“ verkündete, nämlich der Kardinalprotodiakon Jean-Louis Tauran, der von 2003 bis 2007 das Vatikanische Geheimarchiv leitete. Es war das Schweizerische Bundesarchiv, das diese Nachricht publik machte.

Vielleicht aber auch soviel, dass Päpste – oder besser: der schriftliche Nachlass päpstlichen Handelns – für die allermeisten Archive kein unbekanntes Thema sind. Vielerorts bilden Papsturkunden den Grundbestand der Alten Abteilungen, lässt sich mittelalterliche Geschichte insbesondere durch Papsturkunden rekonstruieren. Aus Anlass der Papstwahl berichtete beispielsweise das Österreichische Staatsarchiv über die Tagebücher des Erzbischofs von Wien, der 1655 nach Rom reiste um am damaligen Konklave teilnahm. Im Vergleich dazu brandaktuell war die Mitteilung des Stadtarchivs Linz am Rhein, dass in seinen Beständen die Erteilung des apostolischen Segens an die Bürger der Stadt direkt nach der Wahl des nunmehr emeritierten Papstes im Jahr 2005 vorhanden sei.

Und auch die us-amerikanischen National Archives nahmen das Ereignis zum Anlass, auf eine umfangreiche Fotosammlung zu den Begegnungen von Päpsten und Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte zu verweisen.

Warum sind diese Informationen für uns heute interessant? Weil alle diese Archive ihre Rolle als digitale Dienstleister ernst genommen haben und ihre Nutzer mit aktuellen archivnahen Informationen versorgt haben – und gemacht haben sie das über den in diesem Fall wohl bequemsten virtuellen Weg: nämlich über das soziale Netzwerk Facebook.

Papst Österreichisches Staatsarchiv

 

Papst US National Archives

Das „gefällt mir“ kann ich da als Nutzer sagen – und ich bezweifle, dass auch nur eins der genannten Archive für diese nette kleine tagesaktuelle Aufmerksamkeit irgendwie seine Kernaufgaben vernachlässigt hätte. Das ist es nämlich, was die Leitfrage unserer Diskussion hier impliziert: „Verzeichnest du noch oder gefällst du schon?“

Hier scheinen zwei Aspekte gegeneinander zu stehen

  • Auf der einen Seite die eigentliche Arbeit eines Archivs, seine Kernaufgaben (wofür hier die Verzeichnung sinnbildlich steht): eine anspruchsvolle, eine fordernde, bisweilen eine mühselige, vielleicht auch ungeliebte Arbeit; ist ein laufender Meter Verzeichnungsarbeit geschafft, warten schön die nächsten fünf. Dank und Lob für eine erfolgreiche Verzeichnungsarbeit erhält man nicht.
  • Ganz anders dagegen dieses ominöse „gefällst du schon?“: Gefallen, wollen wir das? Wir sind doch das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft. Wir erinnern an Geschichte, an Politik, an Herrscher, an wichtige Geschehnisse, an mitunter schreckliche Untaten. Wir sind seriös, wir sind staatstragend, wir sind eine Behörde. Da müssen wir doch keinem gefallen. Und außerdem sind wir Monopolisten: Wer unsere Dokumente einsehen will, der muss schließlich zu uns kommen, egal ob wir ihm gefallen oder nicht. Und letztendlich: Bei Facebook wissen wir doch alle: das ist bloß Spielerei, irgendwas für Teenies und allenfalls noch für Studenten, da kann ja jeder alles reinschreiben und morgen kann das alles wieder weg sein, außerdem steht da sowieso nichts Wichtiges, denn das Wichtige wird nämlich gedruckt.

Dieser Gegensatz aber scheint mir an den gegenwärtigen und vor allem an den zukünftigen Arbeitsrealitäten von Archiven vorbeizugehen:

  • Die archivische Arbeit wird sich zunehmend in den digitalen Raum verlagern, durch Digitalisate, durch Online-Publikationen, durch virtuelle Lesesäle – entsprechend notwendig wird es sein, die Strukturen zu besitzen, um diese digitalen Inhalte zu bewerben und direkt den Interessenten zuzuleiten
  • Die technischen Mittel für einen virtuellen Auftritt – für die Präsentation von Archivalien und Beständen, für Kommunikation und Interaktion mit den Nutzern, für den fachlichen Austausch mit den Kollegen – stehen längst bereit: Soziale Netzwerke, Sharing-Plattformen, Blogs, Micro-Blogs, Foren, Wikis u.v.a.m.
  • Wir Archivare müssen nur bereit sein, diese technischen Mittel zu nutzen – oder wie es ein niederländischer Kollege (wo sie uns in diesen Belangen tatsächlich Lichtjahre voraus sind) formulierte: „It’s not about technology, it’s about attitude!“

Archives Cantal

Zu den Möglichkeiten, einer archivischen Nutzung von sozialen Medien (= Archiv 2.0) möchte ich schließlich 4 Thesen formulieren:

1) Die Nutzung von sozialen Medien ist für einen wachsenden Teil der Bevölkerung alltägliche Normalität. Die deutschen Archive haben noch keine Antwort auf diese neue Mediennutzung gefunden und stehen der Entwicklung weitgehend passiv gegenüber.

2) Die archivische Nutzung von sozialen Medien erlaubt eine unkomplizierte und unmittelbare Vermittlung archivischer Anliegen: Präsentation von Archiv und Beständen, Kommunikation und Interaktion mit den Nutzern, Mitteilung von Neuigkeiten, Publikationen, Veranstaltungen u.v.a.m.

3) Die archivische Nutzung von sozialen Medien erlaubt einen intensivierten fachlichen Austausch ohne auf punktuelle Ereignisse wie Archivtage oder auf persönliche berufliche Netzwerke angewiesen zu sein. Fragen und Probleme können unkompliziert und unmittelbar unter Einbeziehung aller Interessenten thematisiert werden.

4) Die archivische Nutzung von sozialen Medien verlangt einen Bewusstseinswandel: weg von hierarchischem, beständeorientiertem, reaktivem Denken und hin zu kommunikativem, kollaborativem, nutzerorientiertem Denken.

Andernorts funktioniert der archivische Umgang mit den sozialen Medien bereits – daran könnten wir uns ein Beispiel nehmen!

(Bastian Gillner)

 

 

 

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/592

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Europa wächst durch den Austausch seiner Vergangenheit

Der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg veröffentlichte in seiner letzten Ausgabe am vergangenen Freitag, 15. März 2013 (S. 31), einen Bericht über die Entwicklung vier grenzüberschreitender Projekte basierend auf Studien zur gemeinsamen Vergangenheit der Bewohner des Oberrheins: das „Netzwerk Geschichtsvereine am Oberrhein“, „Netzwerk Museen 2014“, das Ausstellungsprojekt „Menschen im Krieg. 1914 bis 1918 am Oberrhein“ und „Archivum Rhenanum“. Wir freuen uns sehr über diese Entwicklung.

Staatsarchiv_Artikel

Quelle: http://archives.hypotheses.org/278

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