Kleiner Versuch über Romangattungen

Ich arbeite an der Erstellung eines Romankorpus, das längere, deutschsprachige Erzähltexte von 1500 bis 1930 versammelt. Das Kernkorpus umfasst ca. 450 Romane, größtenteils deutschsprachige Originalromane, aber rd. 1/8 sind Übersetzungen, vor allem aus dem Englischen, Französischen und Russischen. Hinzu kommt ein größeres Korpus von zur Zeit rd. 1500 Texten (diese Zahl ist wirklich nur eine Schätzung, da die Texte noch zu sichten sind). Das Kernkorpus soll mit relativ ausführlichen Metadaten, etwa Druckort, Verlag, Originalsprache, Erzählform, Epoche und eben auch zur Gattung versehen werden. Die meisten dieser Angaben sind unproblematisch, Erzählform und Gattung sind es nicht. Schon die Kategorisierung eines längeren Prosatextes als Roman erweist sich als als andere als trivial, aber darum soll er hier nicht gehen. Sondern hier handelt es sich um die Frage nach Formen der Roman, nach den Gattungen der Gattung Roman.

Ein erster Lösungsversuch sah so aus: Da ich vermeiden wollte, dass die Gattungszuschreibungen ad hoc von mir vergeben werden, habe ich eine Hilfskraft beauftragt, aus einer Liste von Roman-Nachschlagewerken und Literaturgeschichten die Zuschreibungen herauszusuchen und ohne Vereinheitlichung zu notieren. Das Ergebnis war recht interessant (besten Dank Herr Weimer!). Da gab es Einträge wie „Briefroman::Künstler- und Liebesroman in Briefform::monologischer Briefroman“ (die Doppelpunkte trennen verschiedene Zuschreibungen) oder „Entwicklungsroman mit autobiographischen Zügen::Schelmenhafter Zeit- und Entwicklungsroman::Entwicklungs- und Zeitroman::Schelmenroman“ oder „Familienroman::moralisch-didaktischer Roman::Ich-Erzählung::Briefroman::aufklärerisch-bürgerlicher Roman“. Man kann dahinter ohne Probleme den Werther, den Simplizismus oder die Schwedische Gräfin erkennen.

Allerdings ist ein Begriff wie ‘monologischer Briefroman’ wohl keine Gattungsbezeichnung, vielmehr wird die Gattungsbezeichnung ‘Briefroman’ gemeinsam mit dem deskriptiven ‘monologisch’ zur Beschreibung verwendet. Viele der Begriffe scheinen eng verwandt zu sein, z.B. „Zeitroman::Gegenwartsroman::Gesellschaftsroman“. Dann finden sich Begriffe wie „Großroman“ oder „Altersroman“, die überhaupt keine Gattungsbegriffe im herkömmlichen Sinne sind, sondern lediglich klassifizieren und dabei manchmal auch bewerten. Leider zeigte sich außerdem, dass nur rd. 250 der Texte auf diese Weise beschrieben werden konnten; für die anderen 150 fanden sich in den Darstellungen keine Gattungsbezeichnungen.

Der nächste Schritt war die Vereinheitlichung der so zusammengetragenen Begriffe. Um für eine quantitative Auswertung brauchbar zu sein, geht es weniger um eine individualisierte Beschreibung des Einzelwerks, sondern um die Zuschreibung zu allgemeineren Kategorien, die es dann erlauben zu prüfen, ob man mit dieser Gruppe regelhaft Textmerkmale verbinden kann. Für diese Vereinheitlichung, aber auch für die Frage nach der Klassifizierung der übrigen 150 Texte wäre es nützlich auf eine existierende Systematik von Gattungsbegriffen zurückgreifen zu können. Die literaturwissenschaftliche Forschung scheint diese Frage bislang nicht systematisch verfolgt zu haben.

Eine erste Annäherung könnte über die Verwendung des Begriffs Roman in Zusammensetzungen geschehen. Dafür wäre eine Liste aller Komposita mit dem Wort ‘Roman’ ein guter Anfang. Die größte Menge an zugänglichen Sprachdaten bietet zur Zeit Google mit den Quellen für die N-Gramm-Suche. Für die Romankomposita habe ich die 1-grams verwendet (Version 20120701). Die Daten liegen in dieser Form vor: „Quasselbude_NOUN 1956 11 10“, wobei die Angabe der Wortklasse, die erst in der zweiten Version des Korpus hinzugekommen ist, nur teilweise vorliegt. Die erste Zahl bezeichnet das Jahr, die zweite die Anzahl der Vorkommen des Wortes und die dritte die Anzahl der Bände, in denen das Wort vorkommt.

Nach der Extraktion der Komposita, der Vereinfachung des Materials auf den Nominativ und einer manuellen Sichtung ergab dies eine Liste mit rd. 424 Einträgen vom „Alltagsroman“ über den „Haremsroman“ und den „Nichtroman“ bis zum „Zigeunerroman“. Zu jedem Begriff gibt es außerdem eine Frequenzangabe (Häufigkeit im ganzen Korpus). Die Zahl 424 ist cum grano salis zu nehmen, da man einige Einträge zusammenfassen konnte, z.B. „Debutroman“ und „Debütroman“ oder „Desillusionierungsroman“ und „Desillusionsroman“ oder sogar „Gegenwartroman“ und „Gegenwartsroman“.

Diese Liste ergibt keine Liste der Gattungsbezeichnungen und trotz ihrer Länge schon gar nicht eine vollständige. Einige der Begriffe sind keine Gattungsbezeichnungen, wenn man darunter „die als ge- und bewußte Normen die Produktion und Rezeption von Texten bestimmenden ‘historischen Textgruppen’“ versteht (Klaus Hempfer: „Gattung“ in: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1, de Gruyter 1997, S. 651 ), sondern haben eine andere Funktion, z.B. „Debütroman“,“Emigrationsroman“,“Hauptroman“ oder „Lieblingsroman“. Einige beziehen sich außerdem auf einen einzigen Text (z.B. „Rosenroman“ oder „Josephsroman“). Die Liste enthält also Begriffe, die keine Gattungsnamen sind und andererseits gibt es noch mehr Bezeichnungen für Gattungen, die aber nicht als Kompositum aufgebaut sind, nämlich in der Verbindung von ADJ + NOUN, also z.B. „sozialer Roman“, „psychologischer Roman“, „philosophischer Roman“ usw. Diese sind in der ersten Fassung der Liste nicht enthalten.

Mit wenig Aufwand kann man aus den Daten, die ja die Verwendungshäufigkeit der Begriffe enthalten, ein Wordle erstellen, indem man einen Text generiert, der die Begriffe anteilig zu ihrer absoluten Häufigkeit enthält. Das Ergebnis sieht so aus:

romangattungen1

Leider ist ‘Kriminalroman’ so dominant, dass die anderen Begriffe sehr schnell in unlesbarer Kleinschreibung verschwinden. Wenn wir ihn aus dem Bild entfernen, ergibt sich diese informationsreichere Übersicht:

romangattungen2

Das ist hübsch. Und es ist ein erster Schritt auf dem Weg eines Überblicks über die Gattungsbegriffe für den Roman. Aber natürlich hat es nur einen eingeschränkten analytischen Wert. Die Ursachen für die hohe Frequenz eines Worts können sehr unterschiedlich sein. Die große Häufigkeit des ‘Kriminalromans’ etwa ergibt sich daraus, dass dies eine eingeführte paratextuelle Bezeichnung ist, die sich im Text findet (Meinem Wissensstand nach sind Titel und Untertitel Teil des Korpus). Der ‘Bildungsroman’ dagegen ist ein Begriff der Beschreibungssprache. Interessant sind Begriffe wie ‘Zeitroman’, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts in einer ganzen Reihe von Romantiteln finden, während er gegen Ende des Jahrhunderts häufiger in Texten über Romane zu finden ist.

Anders ausgedrückt: Die Analyse hat einen ersten Eindruck von der Häufigkeitsverteilung von Gattungsbegriffen ergeben, aber wir können nicht beurteilen, ob es sich hierbei um Begriffe der Objekt- oder Metasprache handelt. Das Problem könnte man möglicherweise lösen, wenn man in einem großen Bibliothekskatalog die Untertitel von Romanen systematisch unter der Perspektive auswertet, welche der hier aufgeführten Kategorien vorkommen. Das würde dann ihre Verwendung in der Objektsprache belegen. Außerdem könnte man, ausgehend von den Publikationsdaten der Romane überprüfen, ob ungefähr gleichzeitig die entsprechenden Begriffe geläufig sind, also Romanmetadaten und Ngramm-Daten abgleichen.

Ein weiteres Problem entsteht durch die Heterogenität der Gattungsbegriffe. Selbst wenn man die Begriffe aussondert, die offensichtlich keine Gattungen bezeichnen, bleibt eine Fülle von Begriffen übrig, die sich auf sehr unterschiedliche Aspekte beziehen, z.B. der inhaltsbezogene Begriff Abenteuerroman und der referenzbezogene Begriff Schlüsselroman. In dieser Form sind sie nur eingeschränkt tauglich für die Korrelierung mit den Ergebnissen von Clustering aufgrund von Textmerkmalen. Dieses Problem könnte durch eine genauere Analyse der Gattungsbegriffe gelöst oder zumindest mal aufgeräumt werden. Und wenn wir schon bei Zukunftsplänen sind: Die historische Information, wann welche Gattungsbegriffe häufiger zu finden sind, könnte man auch noch auswerten, aber das ist nicht ganz einfach zu visualisieren. So etwas ist noch zu unübersichtlich:

romangattungen3

(Link)

Insgesamt also noch ein weiter Weg zu einem brauchbaren Beschreibungssystem von Romangattungen, aber die Frequenzangaben helfen wohl bereits bei der Vereinfachung der vorliegenden Begriffe. Nun müssten noch die 150 anderen Texte zugeordnet werden. Hat jemand Evremont von Sophie Bernhardi gelesen und hätte einen Vorschlag zur Gattungszuordnung? Oder Bruno Willes Glasberg. Henriette von Paalzows Ste. Roche?

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2128

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“The Future of Historical Network Research”: Konferenz vom 13.-15.09. in Hamburg

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Seit kurzem sind Programm und Registrierung für die Tagung The Future of Historical Network Research (13.-15.09., Uni Hamburg) online. Die Sessions haben u.a. die Themen Information Conceptualisation and Visualisation, Linked Data and Ontological Methods und Overlaps between Network Analysis in the Digital Humanities zum Gegenstand. Träger sind NeDiMAH – Network for Digital Methods in the Arts and Humanities, die ESF – European Science Foundation und das CGG – Centre for Globalisation and Governance der Universität Hamburg.

Programm und Anmeldung: http://conference.historicalnetworkresearch.org/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2101

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Keine Forschung ohne (die richtige) Religion? Ein Fox-News-Interview und die Parallelen in Deutschland

Amerika diskutiert über das Interview eines Historikers. Der Rechtsaußen-Sender Fox News hat am 26. Juli ein Gespräch mit dem  Religionssoziologen Reza Aslan geführt. Das Interview sollte eigentlich um dessen neues Buch “Zealot” gehen. Darin untersucht Aslan die Jesus-Biographie und zeichnet die frühe Erinnerungsbildung um die Figur des “Erlösers” nach.1 Doch um das Buch ging es bei Fox News nur am Rande. Die Journalistin setzte gleich mit ihrer ersten Frage das Thema für die zehnminütige Unterhaltung: “Sie sind Muslim. Warum schreiben Sie dann ein Buch über das Christentum?” Aslan verwies auf seine wissenschaftliche Expertise und darauf, dass sein Glaube bei den Forschungen keine Rolle gespielt habe. Doch die Moderatorin hakte nach. Der Tenor: Kann, darf, soll ein Muslim ein Buch über das Christenum schreiben? Ist er dazu als Nicht-Christ überhaupt in der Lage, zumal er theologische Fundamente dekonstruiert? Tritt da nicht einer in ein Gebiet ein, dass nicht seines ist? Sind diese Bedenken nicht auch sehr deutsch? Sicher, etwas Vergleichbares wie Fox News gibt es in Deutschland nicht. Zudem verläuft der wissenschaftliche Riss weniger zwischen Muslimen und Christen, als vielmehr innerhalb der christlichen Konfessionen. Vergleichbar ist vielmehr eine andere Konstante in der deutschen Religionsgeschichtsforschung, die oft nicht gesagt wird und ebenso [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1435

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TextGrid-Verein offiziell eingetragen

Um die Tools und Services der Virtuellen Forschungsumgebung TextGrid (http://www.textgrid.de) auch über das Ende der Förderung durch das BMBF im Jahr 2015 hinaus anbieten zu können, aber auch, um eine langfristige Sicherung und Zugänglichkeit der bereits heute in TextGrid bearbeiteten und generierten Forschungsdaten zu gewährleisten, entwickeln seit 2012 Vertreter deutscher und europäischer Universitäten, Forschungsinstitute, Akademien und kommerzieller Unternehmen eine organisatorisch nachhaltige Rechtsform für TextGrid. Zum 17.07.2013 wurde der Verein „TextGrid – Verein zum nachhaltigen Betrieb einer digitalen Forschungsinfrastruktur in den Geisteswissenschaften e.V.“ (http://www.textgrid-verein.de/index.html) beim Registergericht Mannheim eingetragen (Reg. Nr. VR 700598) und kann nun offiziell seine Tätigkeit aufnehmen kann.

Der Verein dient der persistenten Sicherstellung des fachwissenschaftlich nachhaltigen Gebrauchs der Angebote der TextGrid-VFU in einer heterogenen, stetig wachsenden Community wissenschaftlicher Nutzerinnen und Nutzer. Hierzu wird derzeit unter Zuhilfenahme starker Partner ein Finanzierungs- und Organisationskonzept entwickelt. Der Verein stellt außerdem eine geeignete Körperschaft zur Beteiligung an künftigen Verbundvorhaben und Ausschreibungen dar, um das Profil von TextGrid durch Anpassungen und Neuentwicklungen auch weiterhin zu vervollständigen. In beständigem Dialog mit Wissenschaftsorganisationen und Politik bietet der Verein eine Schnittstelle für das Zusammenkommen der Protagonisten auf dem Gebiet der Digital Humanities, die somit eingeladen sind, ihre Anforderungen, Fähigkeiten und Interessen zu bündeln und den künftigen Entwicklungsweg innovativer geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung gemeinsam zu gehen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1992

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FES: Jahresberichte der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 2008 ff.

http://www.ebert-gedenkstaette.de/pb/,Lde/Startseite/Service/Rueckschau.html Die Jahresberichte der Stiftung geben Einblicke in die vielfältige Stiftungsarbeit, welche über Ausstellungen und Vorträge bis hin zu Publikationen und Forschungsarbeit reicht. Die Berichte dokumentieren detailliert sämtliche Aktivitäten der Stiftung, welche die facettenreiche Persönlichkeit und das damit verbundene Wirken Friedrich Eberts aufzeigen.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4571/

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Online-Umfrage zu den Schwierigkeiten beim Zugriff auf Holocaust Archivalien

Die International Holocaust Remembrance Alliance (ehemals Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance, and Research) hat eine Online-Umfrage zu den Schwierigkeiten beim Zugriff auf Holocaust-Archivalien gestartet. Das Ziel der Umfrage ist die Identifizierung der Probleme und zukünftige Lösungsmöglichkeiten.

Die Umfrage ist in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch verfügbar und sollte nur wenige Minuten im Anspruch nehmen.

Wir bitten die Befragten, möglichst ausführliche Antworten zu geben.

Wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, besuchen Sie bitte http://www.holocaustremembrance.com/focus/archives oder E-Mail: ihra.survey@gmail.com

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1889

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Tagungsbericht: “Automatic Pattern Recognition and Historical Handwriting Analysis”

Ein wesentlicher Bestandteil historischer Forschung ist die Interpretation primären Quellenmaterials. Hier spielen insbesondere Handschriften oft eine entscheidende Rolle. Der seit Jahren stetig anwachsende Bestand digitalisierter historischer Schriftzeugnisse lässt inzwischen auch Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten für derartige Dokumente zu, welche mit händischen Verfahrensweisen nur unter erheblichem Aufwand zu denken wären. Ein in Erlangen veranstalteter Workshop zum Thema “Automatische Mustererkennungsverfahren und Analyse historischer Handschriften” stellte nun eine Reihe von Techniken vor, mit denen Schrift- und Layoutanalysen für handschriftliches Material unternommen werden können. Ein detaillierter Bericht zur Konferenz kann hier abgerufen werden.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1862

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Document Engineering und Digital Humanities

Dokumente aller Art spielen seit jeher in den Geisteswissenschaften eine zentrale Rolle, sowohl als Untersuchungsgegenstand als auch zur Dokumentation von Forschungsergebnissen. Entsprechend beschäftigen sich auch die Digital Humanities mit Dokumenten, insbesondere digitalen Dokumenten. Neben den »traditionellen« geisteswissenschaftlichen Fragen stellen sich dabei auch neue Fragen, z. B. zur Codierung, Auszeichnung und Verarbeitung von Texten, bei denen technische und geisteswissenschaftliche Aspekte interagieren. Anne Baillot hat in einem Blogbeitrag mit dem Titel »Encoding IS conceptualizing« einige schöne Beispiele dafür genannt; die Diskussionen auf TEI-L sind eine unerschöpfliche Quelle weiterer Beispiele.

In der Informatik ist Document Engineering das Gebiet, in dem man sich mit Systemen zur Repräsentation und Verarbeitung von Dokumenten in allen Formen und Medien beschäftigt. Leider gibt es bislang nur wenige Berührungspunkte zwischen Document Engineering und Digital Humanities – eigentlich seltsam, denn wir hätten hier einerseits Leute, die sehr hohe Ansprüche an die Erstellung, Verarbeitung und Darstellung digitaler Dokumente stellen (man denke hier nur etwa an verschiedene, sich überlappende Auszeichnungsebenen) und andererseits Leute, die daran arbeiten, den Stand der Technik in eben diesem Bereich voranzubringen.

Daher möchte ich an dieser Stelle auf eine Konferenz hinweisen, die im DH-Umfeld erst wenigen bekannt ist, aber für Leute, die sich mit Dokumenten, XML, TEI usw. beschäftigen, sehr interessant ist, und die auch eine sehr gute Möglichkeit darstellt, mit den Informatikern, die in diesem Bereich arbeiten, ins Gespräch zu kommen: das ACM Symposium on Document Engineering, kurz DocEng.

Proceedings), aber auch andere Beiträge — z. B. zu XML, OCR, Suchverfahren — waren für Forscher in den DH relevant.

Ich bin sicher, dass es auch bei DocEng 2013 wieder einiges für DH-Forscher zu entdecken geben wird. DocEng 2013 findet vom 10. bis zum 13. September in Florenz statt; am 10. finden die Workshops DChanges 2013: First International Workshop on (Document) Changes: Modelling Detection, Storage and Visualization, DH-CASE 2013: Collaborative Annotations in Shared Environments: Metadata, Vocabularies and Techniques in the Digital Humanities (explizit DH!) und Reimagining Digital Publishing for Technical Documents statt. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass sowohl DH als auch Document Engineering von einem verstärkten Austausch nur profitieren können. Und vielleicht es auch mal eine erfrischende Abwechslung zur »Was-sind-eigentlich-die-Digital-Humanities-Nabelschau« …

Ganz besonders möchte ich aber noch Doktoranden auf ProDoc@DocEng hinweisen, das erste doctoral consortium bei DocEng. Dabei können Doktoranden ihr Dissertationsprojekt (das natürlich einen Bezug zu Document Engineering haben muss) vorstellen und bekommen Feedback von einem Panel erfahrener Forscher und vom Publikum. Das Ziel von ProDoc@DocEng ist es, Doktoranden dabei zu helfen, ihre Forschungsfrage zu formulieren, die richtigen Ansätze und Methoden zu wählen und ganz allgemein auf neue Ideen zu kommen.

Ein doctoral consortium ist eine außergewöhnliche Gelegenheit, um Rückmeldungen von den führenden Forschern zu seinem Dissertationsprojekt zu bekommen und gleichzeitig an der Konferenz zu lernen, wie der aktuelle Forschungsstand im Bereich Document Engineering ist und wertvolle Kontakte zu knüpfen — eine sehr gute Voraussetzung, um dann bei einem der nächsten Symposia selbst ein Paper bei der Hauptkonferenz vorstellen zu können.

Die Frist für Einreichungen zu ProDoc@DocEng läuft noch bis zum 28. Juni. Die Details finden sich im Call for Submissions. Doktoranden, die für ProDoc@DocEng angenommen wurden, können sich auch um Student Travel Awards bewerben.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1814

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Die „Musici“-Datenbank ist online

Seit dem 24. Mai 2013 ist die Musici-Datenbank online, welche Informationen zu europäischen Musikern in Italien zwischen 1650 und 1750 enthält. Zahlreiche Musiker reisten in dieser Epoche aus den unterschiedlichsten europäischen Regionen nach Italien, um zu musizieren, zu komponieren oder sich ausbilden zu lassen. Für viele von Ihnen war die Italienreise eine wichtige Stufe für die zukünftige Karriere in der Heimat.

Die Adresse der Datenbank lautet: http://www.musici.eu/database

Eine ausführliche Darstellung der Datenbank findet sich im Webmagazin digiversity.net.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1797

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Die Wahrnehmung von Feinden und Fremden in den Chroniken des Jakob Unrest

1000 Worte Forschung: Dissertation (Mittelalterliche Geschichte) FU Berlin

Im späten 15. Jh. verfasste der Kärntener Kleriker Jakob Unrest drei Chroniken in frühneuhochdeutscher Sprache. Fern der akademischen Welt der Höfe und Universitäten schilderte er, was das Reich, die Welt, insbesondere aber seine Heimatregion bewegte. Seine Aufzeichnungen stellen eine wichtige, in manchen Bereichen die einzige, Quelle für das Geschehen in Kärnten in dieser Zeit dar.

Die drei von Unrest verfassten Chroniken erfuhren eine sehr unterschiedliche Rezeptions- und Überlieferungsgeschichte. Sein bei weitem umfangreichstes Werk ist die Österreichische Chronik, die Unrest bis an sein Lebensende fortführte, die in der Frühen Neuzeit jedoch offenbar kaum Beachtung fand. Sie ist nur in zwei Handschriften erhalten, beides Abschriften aus dem 16. Jahrhundert, von denen die eine, die Hannoveraner Handschrift (Hannover, Niedersächs. Landesbibl. N. XIII, 783.) erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt wurde, die andere, die Wiener Handschrift (Nationalbibl. Wien, cod. lat. n. 8007.) gar erst 1923 durch Karl Grossmann, der die Österreichische Chronik für die Monumenta Germaniae Historica edierte[1].

Die größte Rezeption unter seinen Werken erfuhr unmittelbar nach Unrests Tod vielmehr die Kärntener Chronik, der von der modernen Geschichtswissenschaft lange Zeit nur ein geringer literarischer und historiographischer Wert beigemessen wurde. Im auffälligen Gegensatz zu den anderen Chroniken gelangte sie in der Frühen Neuzeit zu weiter Verbreitung und ist heute noch in 22 Handschriften erhalten[2]. Sie wurde zum Vorbild und Ausgangspunkt einer Kärntner Landesgeschichtsschreibung, was wohl mit ihrer Instrumentalisierung zu legitimatorischen Zwecken zusammenhängt. Mit der Wiederentdeckung der Österreichischen Chronik und ihrer ersten Veröffentlichung im Druck 1724 begann allerdings die Beachtung für die Kärntner Chronik im gleichen Maße zu schwinden, wie das Interesse an der Österreichischen Chronik zunahm[3].

Bis heute eher wenig beachtet wurde die Ungarische Chronik. Sie ist in denselben Handschriften erhalten wie die Österreichische Chronik, in der Hannoveraner Handschrift allerdings nur als Bruchstück, so dass sie bis ins 20. Jh. nicht in voller Länge bekannt war und erst 1974 vollständig ediert wurde. Sie behandelt Leben und Taten der ungarischen Herrscher von Attila bis Matthias Corvinus und ist eine der ältesten bekannten Darstellungen ungarischer Geschichte in deutscher Sprache[4].

Unrest griff auf nur wenige andere Geschichtswerke zurück, wohl aber in hohem Maße auf Flugschriften, Gerüchte und andere kursierende Nachrichten sowohl aus Italien als auch aus dem Reich, die seine Hauptquelle für weiter entfernte Ereignisse bilden. Inhaltlich gilt Unrests Hauptaugenmerk jedoch seinem unmittelbarem Umfeld, der Region Kärnten und den habsburgischen Nachbarländern.

Dabei ist seine Leitlinie die Dynastiegeschichte, in der Ungarischen Chronik die Abfolge der ungarischen Könige, in der Österreichischen die der Habsburger. Dadurch, dass er nach einer kurzen Vorgeschichte, die die Lücke zur Chronik der 95 Herrschaften schließt, als deren Fortsetzer er sich verstand, Gegenwartschronistik betreibt, liegt der Schwerpunkt seiner Darstellung allerdings eindeutig auf der Herrschaft Kaiser Friedrichs III.

Die Kärntener Chronik enthält zwar nur wenig eigene Hinzufügungen Unrests und ist im Wesentlichen aus Versatzstücken aus anderen Geschichtswerken gebildet, doch ist sie durchaus absichtsvoll konstruiert. So wird in ihr durch die Rückverlegung des Zeremoniells der Herzogseinsetzungen auf dem Fürstenstein am Zollfeld bei Maria Saal eine Kontinuität des Herzogtums Kärntens behauptet[5].

Innerhalb dieses Rahmens liegt die eigentliche Stärke seiner Darstellungen im Bereich der Regionalgeschichte, wobei auch eigenes Erleben eine große Rolle spielen dürfte. Über Türkeneinfälle, Ungarnkriege und Bauernaufstände berichtet Unrest aus erster Hand. Immer wieder greift er dabei verbreitete Feindbilder seiner Zeit auf, die pejorative Darstellung des Fremden und Anderen nimmt einen wichtigen Stellenwert in seiner Darstellung ein. Stets ist der Anlass eine Abweichung des als Norm Empfundenen, so die vom Christentum im Falle der religiös begründeten Ablehnung von Juden und Häretikern. Unrest bedient sich antijüdischer Topoi, die im ausgehenden Mittelalter stark an Vehemenz zunahmen, und kolportiert auch die weitverbreiteten Ritualmordvorwürfe. Häretiker sind für ihn vor allem die Hussiten, die er als eine ansteckende, die Rechtgläubigkeit gefährdende Seuche beschreibt.

Soziale Aspekte sind der Grund für die Ablehnung der Schweizer oder ‚aufständischer’ Bauern, die Unrest häufig gleichsetzt. Hier ist es die Abweichung von der idealen Gesellschaftsordnung, die für Unrest noch immer der mittelalterliche Ständestaat ist, welche ihre Ausgrenzung begründet. Dabei ergeben sich jedoch durchaus Nuancen zwischen bäuerlicher Selbstvertretung, legitimem Widerstand und Rebellion.

Ein wiederum anderes Bild offenbart sich in Unrests Darstellung christlicher Feinde, die aus politischen Gründen als Gegner gesehen werden. Dies sind vor allem Venezianer, Franzosen, Burgunder und Ungarn, deren Bild starken Schwankungen unterworfen ist. Diese Feindschaften wechselten mit den politischen Konstellationen, wobei Unrest sich meist auf der Seite der Habsburger positioniert, wenn auch nicht völlig unkritisch. Ansonsten scheint oft die Haltung der jeweiligen Mächte den Türken gegenüber, die für ihn das Fremde und Feindliche schlechthin sind, der ausschlaggebende Faktor zu sein. Einem Vorkämpfer gegen die Türken, wie es beispielsweise Matthias Corvinus in seinen Augen ist, kann Unrest auch Feindschaft zu Habsburg und Kärnten vergeben.

Ziel der Dissertation ist es, die von Jakob Unrest wiedergegebenen Fremdwahrnehmungen zu analysieren und in ihrer Beziehung zueinander und zu seinem geistigen Umfeld begreifbar zu machen. Durch den vergleichenden Ansatz soll auch die Wahrnehmung und Darstellung von Fremdheit in der Geisteswelt der Zeit weiter erhellt werden. Es soll untersucht werden, inwieweit die in der zeitgenössischen ‚Öffentlichkeit’ dominierenden Diskurse Unrests Schaffen beeinflussten und inwieweit er diese Tendenzen zu instrumentalisieren und im Sinne seiner eigenen Ziele einzusetzen verstand. Dabei soll insbesondere der Frage nach der Konstruktion von Identität durch die Konstruktion von Alterität nachgegangen werden.

Ausgehend von der These eines bewussten Einsatzes dieser Motive soll die Untersuchung der dabei angewandten Methoden und der angestrebten Ziele der Darstellung ein besseres Verständnis von Unrests Welt- und Geschichtsbild und der Historiographie seiner Zeit ermöglichen.

Im engen Zusammenhang damit soll der Umgang Unrests mit seinen Vorlagen erhellt werden. Die Verarbeitung von Quellen, die eigentlich ursprünglich einem anderen, teilweise wohl gar einem propagandistischen Zweck dienten, ist wesentlicher Teil seines Schaffens.

Das Verhältnis von Reproduktion, Instrumentalisierung und eigenem Schaffen soll zur Erhellung des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Historiographie und der Rolle des Geschichtsschreibers im späten Mittelalter beitragen.

[1] Jakob Unrest, Österreichische Chronik (MGH SS rer. Germ. N.S.11), Hannover/ Leipzig 1957, S.1-238.

[2] Vollständige Liste der Handschriften bei Grossmann: Jakob Unrests Österreichische Chronik, S. XIV.

[3] Jakob Unrest, Kärntner Chronik, in: Simon Friedrich Hahn (Hg.): Collectio monumentorum veterum et recentium ineditorum I, Braunschweig 1724, S.479-536.

[4] Jakob Unrest, Ungarische Chronik, in: Armbruster, Adolf, Jakob Unrests Ungarische Chronik, in: Revue Roumaine d’Histoire 13 (3) (1974), S.481-508., vgl. auch Krones, Jakob Unrests Bruchstück, S. 339-355.

[5] Vgl. hierzu insbesondere Moeglin, Jean-Marie, Jakob Unrests Kärntner Chronik als Ausdruck regionaler Identität, in: Peter Moraw (Hg.), Regionale Identität und soziale Gruppen im deutschen Mittelalter (ZHF Beiheft 14). Berlin, 1992, S. 165-191.

 

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/1348

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