Edition der Faulhaber-Tagebücher beginnt

Michael (von) Faulhaber (1869-1952) war eine der Schlüsselfiguren des bayerischen und deutschen Katholizismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zunächst Theologieprofessor wurde er 1910 Bischof von Speyer und 1917 Erzbischof von München und Freising, letzteres bis zu seinem Tod. Seit 1921 war er Kardinal. Sein Wirken fällt damit in die Zeit von Monarchie, Erstem Weltkrieg, Revolution und Räterepublik, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und den ersten Nachkriegsjahren bis in die frühe Bundesrepublik Deutschland. Faulhaber polarisierte schon Zeitgenossen und bis heute ist er Ziel heftiger, oft auch unsachlicher Kritik.

Daher dürfte die heute, am 15. Oktober 2013, angekündigte Edition seiner Tagebücher von großem wissenschaftlichen Wert sein und zahlreiche neue Erkenntnisse zu Faulhabers Biographie und zur bayerischen (Kirchen-)geschichte erwarten lassen. Faulhaber führte seit 1911 Tagebücher (Besucherbücher), ergänzt durch Gesprächsnotizen.

Diese Unterlagen standen der Forschung bisher nur eingeschränkt zur Verfügung, da sie Faulhabers letzter Privatsekretär, Johannes Waxenberger, nach dem Tod des Erzbischofs an sich genommen hatte. Erst 2010 gelangten die Tagebücher und weitere Unterlagen an das Erzbischöfliche Archiv in München. Doch noch ein zweiter Grund behinderte bisher die Auswertung der Tagebücher – sie sind fast durchgängig in Gabelsberger-Kurzschrift geschrieben. Gabelsbergers Kurzschrift war zwar um 1900 eines der am weitesten verbreiteten Kurzschriftsysteme; mit der Einführung der deutschen Einheitskurzschrift 1924 verlor sie jedoch an Bedeutung und ist heute kaum mehr bekannt.

Die Edition der Tagebücher erfolgt in Zusammenarbeit des Instituts für Zeitgeschichte in München und des Lehrstuhls Kirchengeschichte, Prof. Hubert Wolf, Münster, als DFG-Projekt, das auf auf zwölf Jahre angelegt ist. Erfreulich ist die Ankündigung, dass die Edition auch online erfolgen soll.

Links:

- Pressemitteilung des Erzbistums München und Freising vom 15. Oktober 2013

- Statement von Archivleiter Dr. Peter Pfister mit Hintergrundinformationen zur Überlieferungsgeschichte und zur Quelle

- Gemeinsame Pressemitteilung des Instituts für Zeitgeschichte und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, Münster

 

 

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/413

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aventinus recensio Nr. 39 [30.09.2013]: Vom Scheitern der Demokratie — Die Pfalz am Ende der Weimarer Republik, hrsg. v. Gerhard Nestler / Stefan Schaupp / Hannes Ziegler, Karlsruhe 2010 [=Skriptum 1 (2011) 2]

Nach knapp 80 Jahren beschäftigt das Ende der ersten deutschen Republik die Historikerzunft noch immer. Einer der neuesten Beiträge des letzten Jahres ist ein Sammelband über das Scheitern der Republik in der bayerischen Pfalz. http://bit.ly/16CXw1k

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4708/

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aussichten Nr. 36 [30.06.2012]: Neue Einträge bei aussichten-online.net; Digest 01.05.2013-30.06.2013

rücksichten: Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 http://www.aussichten-online.net/2013/05/4355/ Andreas C. Hofmann 8:13pm May 10 Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/tid-31070Am 10. Mai 1933 ließen die Nationalsozialisten zehntausende unliebsame Bücher – vor allem die jüdischer Autoren – öffentlich verbrennen. Es war der Höhepunkt einer widerlichen Kampagne, die deutsche Studenten initiiert hatten. …………………………………………. Bettenworth, Anja: Gastmahlszenen in der […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4559/

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Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Die Gedenkstätte Bullenhuser Damm erinnert an 20 Kinder und rund 28 Erwachsene, die in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 im Keller eines ehemaligen Schulgebäudes ermordet wurden. Die jüdischen Kinder, die zwischen 4 und 12 Jahre alt waren, wurden getötet, um zu vertuschen, dass sie zu medizinischen Experimenten im KZ Neuengamme missbraucht worden waren. Der Arzt Dr. Kurt Heißmeyer hatte im Juni 1944 Tuberkulose-Versuche zunächst mit bis zu 100 erwachsenen Häftlingen des KZ Neuengamme begonnen. Im Herbst 1944 forderte er aus dem KZ Auschwitz Kinder für eine Ausweitung der Experimente an.

Je zwei Häftlingsärzte und -pfleger wurden für deren Betreuung ausgewählt. Heißmeyer ließ an den Kindern, 10 Jungen und 10 Mädchen, ähnliche Versuche wie zuvor an den Erwachsenen durchführen. Als das KZ Neuengamme ab April 1945 aufgelöst wurde, da sich die Alliierten Hamburg näherten, wurden die 20 Kinder und ihre vier Betreuer am Abend des 20. April 1945 in das in einem kriegszerstörten Stadtteil gelegene und kurz zuvor geräumte Außenlager des KZ Neuengamme am Bullenhuser Damm gebracht. Hier wurden sie von SS-Männern ermordet. In derselben Nacht erhängten die gleichen SS-Männer sechs sowjetische Häftlinge aus dem KZ Neuengamme sowie weitere Häftlinge aus dem nahe gelegenen Außenlager Spaldingstraße. Die Gründe für diese Morde und auch die Namen dieser Häftlinge konnten bisher nicht geklärt werden.

Gedenkstätte und Ausstellung – Räume mit unterschiedlicher Funktion

Die aus einer privaten Initiative erwachsene Gedenkstätte erinnert seit 1980 an diese Taten. 2011 wurde eine neue, erweiterte Dauerausstellung von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme entwickelt, die das Designbüro „hellauf“ optisch ungewöhnlich gestaltet hat. Jugendliche und Erwachsene sollen dazu eingeladen werden, sich aktiv mit der Geschichte des Ortes, den Biografien der Opfer und den dort stattgefundenen Verbrechen zu befassen.

Häufig sind Besucherinnen und Besucher von der Atmosphäre in den ehemaligen Taträumen beeindruckt. Durch eine räumliche Erweiterung wurde eine Entzerrung der beiden Funktionen einer Gedenkstätte möglich: Der „Lernort“ wurde vom eigentlichen Gedenkort getrennt, um so eine intensivere und damit nachhaltigere Beschäftigung mit Hintergründen, Biografien und Auswirkungen der Tat in weniger „emotional belasteten“ Ausstellungsräumen zu ermöglichen. Die „Taträume“ sollten dagegen im Hinblick auf den Eindruck von Authentizität und als Zeichen der Sprachlosigkeit gegenüber der Tat weitgehend leer bleiben.

Bilder, Texte und Symbole erzählen die Geschichte

Die Ausstellung gibt auf großen zweisprachigen Thementafeln einen Überblick über den Ort und die Geschehnisse. Neben kurzen Einführungstexten sind erläuternde historische Dokumente und Fotografien wie auf einem Archivtisch angeordnet, um den Konstruktionscharakter von Geschichte anzudeuten.

Den Mittelpunkt des ersten Ausstellungsraumes bilden aber 24 farbige Kästen in Form von Koffern, in denen die Biografien der namentlich bekannten Opfer erzählt werden. Diese stehen auf einem geschwungenen Podest, der sich deutlich gegen den kantigen Kellerraum abhebt. In diesen symbolischen Koffern werden mit der Hilfe von Erinnerungsfotos und Dokumenten Geschichten aus dem Leben dieser Menschen, die vor ihrer Deportation in Polen und Jugoslawien, Frankreich, den Niederlanden oder Italien lebten, erzählt.

Neben den Tafeln für den Überblick über die Geschehnisse einerseits und den biografischen Zugängen andererseits gibt es zusätzlich im zweiten Ausstellungsraum die Möglichkeit zu einer individuellen Vertiefung zu eigenen Fragestellungen. Was waren das für Experimente? Was passierte mit den Tätern? Wie wurde in der Nachkriegszeit in Hamburg an diese Verbrechen erinnert? Wie konnten die Namen der hier ermordeten Menschen herausgefunden werden? Welche Nachwirkungen sind in den Familien der Opfer bis in die Gegenwart zu spüren? Schubladen und Türen laden ein, diese zu öffnen und sich mit den dahinter liegenden Quellensammlungen interpretierend zu beschäftigen. Interviews mit Zeitzeugen können angewählt und angesehen werden. Durch eine reflexive und differenzierte Beschäftigung mit einem speziellen Aspekt aus der Geschichte des Nationalsozialismus kann, so ist der Wunsch, auch an diesem besonderen Ort der Umgang mit Geschichte erlernt werden.

Die erste Stimme den Opfern

An den Besuch der Ausstellung schließt sich der Rundgang durch die „Taträume“ an. Eine Zuordnung der Kellerräume zum Tathergang kann nur auf Grundlage der Aussagen erfolgen, die die Täter vor Gericht abgegeben haben. Zitate aus solchen Aussagen, die zum Nachdenken anregen sollen, wurden an die Wände aufgebracht. Um aber den Familien der Opfer die erste Stimme in der Ausstellung zu geben, verweist gleich im Eingangsbereich der Gedenkstätte ein in die Sprachen der an diesem Ort ermordeten Menschen übersetztes Zitat der Mutter der hier getöteten Kinder Eleonora und Roman Witoński auf die Wichtigkeit des Erinnerns und Berichtens.

Dem Bedürfnis, ein Zeichen des Respekts und der Erinnerung für die Opfer an diesem Ort zurück zu lassen, kommt auch der Rosengarten der Gedenkstätte entgegen. Dieser wurde bereits in den 1980er Jahren von der Vereinigung „Kinder vom Bullenhuser Damm“ initiiert. Dort besteht auch heute noch die Möglichkeit, eine Rose im Andenken an die Opfer zu pflanzen oder niederzulegen.

Hinweise:

Gedenkstätte Bullenhuser Damm

Bullenhuser Damm 92 (Eingang über Schulhof)

20539 Hamburg

S-Bahnhof Rothenburgsort

Öffnungszeiten: So, 10-17 Uhr

 

Führungen für Gruppen (deutsch, englisch) nach Vereinbarung unter Tel. 040-4281310 (Museumsdienst Hamburg)

Führungen für Einzelbesucher siehe Programm der KZ-Gedenkstätte Neuengamme (www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de)

Ausstellung zweisprachig (deutsch, englisch), barrierefreier Zugang

Begleitbuch: Iris Groschek, Kristina Vagt: „Dass du weißt, was hier passiert ist…“ Medizinische Experimente im KZ Neuengamme und die Morde am Bullenhuser Damm. Bremen 2012 (Edition Temmen, 164 Seiten, 19.90 Euro)

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=772

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«Die Quellen sprechen» – Projekt des Bayrischen Rundfunks

Uns erreicht eine Mitteilung von der Pressestelle des bayerischen Rundfunks bezüglich eines interessanten Projekts, das wir gerne unserer geschätzten Leserschaft empfehlen wollen: “Der Bayerische Rundfunk hat in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte ein Langzeitprojekt zur Holocaust-Dokumentation gestartet. Schauspieler und Zeitzeugen lesen Hunderte von ausgewählten Dokumenten zur Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten. Historiker erläutern die politischen […]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6637

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Ein Jahr „Netz und Werk“ – Geschichtswissenschaft zwischen E-Journal und Blogosphäre

  Telse Först und Anton F. Guhl Vor einem Jahr, zum Februar 2012, ging „Netz und Werk“ als einer der Gründungsblogs des deutschsprachigen Hypotheses-Netzwerkes online. Inzwischen sind zwölf Artikel gepostet. In der Spitze haben über 900 verschiedene Besucher bis zu 14.000 … Weiterlesen    

Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/1686

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FES: Texte und Dokumente zu Erinnerung und Demokratie der Online-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung

http://www.fes-online-akademie.de/modul.php?md=2&c=texte Im Rahmen ihres politischen Weiterbildungsauftrages stellt die Online-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung Materialien und Texte insbesondere zur deutschen Zeitgeschichte, aber auch zur Geschichte der Arbeiterbewegung  zur Verfügung.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/01/3790/

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Wie sollen Rentenzahlungen zur Beschäftigung in Ghettos erfolgen? Eine Stellungnahme von Stephan Lehnstaedt

Dr. Stephan Lehnstaedt, DHI Warschau
Am 10. Dezember 2012 fand im Sozialausschuss des Bundestages eine vielbeachtete Anhörung statt. Verhandelt wurden Anträge der Bundestagsfraktion von SPD, Bündnis90/Die Grünen und der Linken. Hiermit sollen Rentenzahlungen für die Arbeit in den Ghettos während des Zweiten Weltkrieges gesichert werden. Dr. Stephan Lehnstaedt, Historiker am Deutschen Historischen Institut Warschau, war als Sachverständiger zur Anhörung geladen. Wir dokumentieren hier seine schriftliche Stellungnahme, die sich in der Ausschussdrucksache 17(11)1022neu ab S. 37 findet. 

Stellungnahme von Dr. Stephan Lehnstaedt, Deutsches Historisches Institut Warschau, zur Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des 17. Deutschen Bundestags am 10. Dezember 2012.

Inhalt:

1. Arbeitsbedingungen in nationalsozialistischen Ghettos

2. Die Umsetzung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus
Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) durch Rentenversicherer und Justiz

3. Ghettoarbeit und Ghettorenten aus Sicht der Überlebenden

4. Das ZRBG und die Bundesministerien

Zusammenfassung

  • Die Juden, die während des Zweiten Weltkriegs in den deutschen Ghettos gearbeitet haben, haben dies in der weit überwiegenden Mehrzahl aus eigenem Willensentschluss und gegen Entlohnung getan, allerdings unter allgemeinen äußeren Bedingungen von Zwang, Verfolgung und Holocaust. In vielen Fällen wurden sogar Rentenbeiträge abgeführt.
  • Rentenversicherer und Sozialgerichtsbarkeit haben diese historischen Gegebenheiten bis 2009 weitgehend ignoriert. Mit dieser Einstellung gegenüber fachwissenschaftlichen Erkenntnissen konstruierten sie auf laienhafter Basis ein verzerrtes Bild der historischen Wirklichkeit. Im so entstandenen Schema hatten die Erfahrungen von zehntausenden Antragstellern keinen Platz, die Kläger wurden dadurch systematisch benachteiligt. Eine zusätzliche Ungleichbehandlung entstand dadurch, dass Überlebende aus Israel bei der DRV Rheinland weniger Erfolg hatten als die aus den USA bei der DRV Nord.
  • Bundesregierung und Ministerialverwaltung haben diese Praxis auch gegen starke nationale wie internationale Kritik verteidigt, weil sie keine Schieflage eingestehen wollten und vor allem nicht bereit waren, die höheren Kosten einer nicht systematisch benachteiligenden ZRBG-Auslegung zu tragen.
  • Paradoxerweise argumentieren alle in die Umsetzung des ZRBG involvierten Seiten mit dem Willen des Bundestags: Ministerium und Rentenversicherer verteidigten damit die harte Auslegung, Opfervertreter und die parlamentarische Opposition ihre Forderungen nach kulanteren Regelungen. Nach sieben Jahren Ghettorenten gab 2009 das Bundessozialgericht eine eindeutige Interpretation vor, die eine klare Abkehr von der bisherigen Anwendung des ZRBG darstellte – und legte damit u.a. aufgrund neuerer historischer Erkenntnisse einmal mehr fest, was der Bundestag 2002 gewollt haben könnte. Die restriktive Praxis von Rentenversicherern und Sozialgerichten wurde dabei eindeutig verworfen und als falsch gekennzeichnet.
  • Nach § 44 SGB X ist eine Korrektur dieser rechtswidrigen Praxis zum Nachteil der jüdischen Ghettoarbeiter aber nur für die zurückliegenden vier Jahre möglich. Deshalb werden den Überlebenden, denen bis 2002 jegliche Renten für Ghettoarbeit verwehrt wurden, seit 2009 die vollständigen Renten verwehrt. Die Antragsteller hatten erwartet, im Rahmen des ZRBG für tatsächlich geleistete Arbeit eine Rente zu erhalten wie andere Beschäftigte auch, und nicht bloß eine Entschädigung oder Wiedergutmachung, deren einziger Grund darin bestand, dass sie Opfer gewesen waren. Doch die erhoffte Gleichstellung von jüdischen und deutschen Arbeitern blieb aus.

1. Arbeitsbedingungen in nationalsozialistischen Ghettos

Arbeit heißt Leben! Diese Gleichung galt während des Zweiten Weltkriegs für die allermeisten jüdischen Insassen nationalsozialistischer Ghettos, denn die nicht Arbeitenden waren fast nie in der Lage, sich selbst mit dem Überlebensnotwendigen zu versorgen. Aus der Perspektive der deutschen Besatzer waren diejenigen, die keiner Beschäftigung nachgingen, schlicht unnütze Esser und daher nicht nur einem Arbeitszwang ausgesetzt, sondern fielen auch als erste den Deportationen in die Vernichtungslager zum Opfer. Arbeit nahm daher einen, wenn nicht sogar den zentralen Platz im Leben der Juden in den Ghettos ein und bestimmte zu einem großen Teil die Ökonomie dieser Einrichtungen.

Diese Kausalitäten in der ersten Phase des Holocaust schienen lange Zeit so offensichtlich, dass sie keiner näheren Untersuchung wert waren, weshalb sich neuere Studien beispielsweise nur der Ausbeutung der Juden in Lagern widmeten.[1] Ansonsten dominierte in Deutschland die Auseinandersetzung mit den nichtjüdischen Zwangsarbeitern, die zu Millionen in der Industrie des Reiches eingesetzt worden waren, während die deutsche Geschichtswissenschaft überhaupt erst in den letzten Jahren begann, sich mit Ghettos zu beschäftigen,[2] wobei wesentliche Impulse von den – wenigen – Sozialrichtern ausgingen, die für ihre Entscheidungen in ZRBG-Verfahren Gutachten in Auftrag gaben.

Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Wissensgrundlage keineswegs besonders umfassend und die konkreten Fragen zur Ghettoarbeit oft nur schwer zu beantworten waren. Neben vereinzelten synthetisierenden Überblicksdarstellungen lagen lediglich für die besetzten polnischen Gebiete gewisse Erkenntnisse vor, die vor allem Forscher des Warschauer Jüdischen Historischen Instituts (Żydowski Instytut Historyczny) in den 1950er und 1960er Jahren vorgelegt hatten.[3] Neuere Untersuchungen waren weit weniger hilfreich, weil sich beispielsweise die in den letzten Jahren überaus ertragreiche Forschung zu den nationalsozialistischen Tätern nicht oder nur sehr peripher mit den Bedingungen in den Ghettos beschäftigt hatte.

Angesichts dessen begann eine intensive Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur, zudem fuhren manche Gutachter sogar in osteuropäische Archive; Ende 2009 waren so in der zentralen Datenbank der Sozialgerichtsbarkeit (www.sozialgerichtsbarkeit.de) rund 200 Expertisen gespeichert. Darin konnte beispielsweise ganz grundlegend die Frage geklärt werden, was denn überhaupt ein Ghetto ist; die Rentenversicherer waren zunächst nur von rund 400 Ghettos in Osteuropa ausgegangen, aber die zu diesem Zeitpunkt bereits weit fortgeschrittenen Editionen zweier Ghetto-Enzyklopädien des US Holocaust Memorial Museums und der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem[4]  verwiesen diese Zahl schnell ins Reich der Mythen: Tatsächlich existierten rund 1150 Orte, für die man von einem Ghetto sprechen kann.

Zwar ist dieser Begriff keineswegs eindeutig besetzt, er hatte teilweise zeitgleich mehrere Bedeutungen und war außerdem im Laufe der Jahrhunderte einem semantischen Wandel ausgesetzt.[5] Während des Zweiten Weltkriegs definierte sich der Begriff zunächst über den Sprachgebrauch, der ein Gebiet als Ghetto, „Wohngebiet der Juden“, „Jüdisches Wohnviertel“ oder, z.B. auf Polnisch, als „dzielnica żydowska“ beschrieb. Darüber hinaus kennzeichnet Martin Dean, Herausgeber der Enzyklopädie des US Holocaust Memorial Museums, ein Ghetto als (1) einen separierten, explizit begrenzten Wohnbezirk, in dem Juden leben mussten und der ihnen in einem Vorgang der „Ghettoisierung“ zugewiesen worden war; (2) Nichtjuden durften dort nicht wohnen, während (3) den Juden das Verlassen unter Strafe untersagt war.[6]

Diese historische Definition war auch unter Juristen kaum umstritten. Ebenfalls akzeptiert war schnell, dass es längst nicht nur geschlossene, also mit einer Mauer oder einem Zaun umfasste Ghettos gab, sondern auch solche, in denen diese Elemente fehlten und demzufolge ein „offenes Ghetto“ gegeben war. Wesentlich komplexer war die Frage, was denn unter einem „eigenen Willensentschluss“ zu verstehen sei, den das ZRBG als rentenrechtliche Regelung unabdingbar erforderte – um damit eine Abgrenzung zur Zwangsarbeit zu schaffen, für die in den zurückliegenden Jahren die Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ Zahlungen geleistet hatte. Direkt mit diesem Problem verbunden war das „Entgelt“, welches die ehemaligen Ghettoarbeiter erhalten haben mussten, um sich nun für eine Rente zu qualifizieren.

Für beide Gesichtspunkte hatte die Geschichtswissenschaft vor den Gutachten für die Sozialgerichtsbarkeit keine gesicherten Erkenntnisse. In den wenigen Untersuchungen, in denen auf das Leben in Ghettos eingegangen wurde, war meist recht pauschal von „Zwang“ die Rede, der, von den allgemeinen Umständen der Inhaftierung ausgehend, genauso für die Arbeit gegolten habe.[7] Doch eine derartig undifferenzierte Sichtweise war für die durchaus artifizielle Betrachtung im Rahmen des ZRBG wenig nützlich. Tatsächlich herrschte in den Ghettos keineswegs immer nur unbezahlte Zwangsarbeit vor. Ganz im Gegenteil konnten die Gutachten vielfältige Arbeitsformen beschreiben, die Arbeitsbataillone, willkürliche Verhaftungen und Verschleppung in Arbeitslager – aber auch freiwillige Meldungen hierfür –, „shops“ der Judenräte und der Besatzer und sogar fortgesetzte Beschäftigungsverhältnisse beinahe wie vor dem Krieg umfassten. Und diese Varianten ergaben sich in unterschiedlich großen Ghettos mit je eigenen Rahmenbedingungen in verschiedenen besetzten Gebieten Osteuropas. Im Grunde war jedes Ghetto ein Sonderfall, der einzeln beschrieben werden musste und seine eigenen Spezifika aufwies. Dessen ungeachtet gab es zahllose wiederkehrende Phänomene, die sich besonders in der regionalen Unterteilung der deutschen Herrschaft spiegelten.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass es aus Sicht der deutschen Besatzer durchaus rational war, die Juden zu bezahlen: Indem die Arbeitsämter etwa im Generalgouvernement (also dem nicht ins Reich eingegliederten Teil Polens, in dem etwa 2 Millionen Juden in insgesamt 342 Ghettos lebten) auf freiwillige Beschäftigungsverhältnisse setzten, maximierten sie den Nutzen für die deutsche Kriegswirtschaft, einfach weil Menschen, die aus eigenem Willensentschluss arbeiten, motivierter als Zwangsarbeiter sind. Der Leiter der Arbeitsverwaltung im Generalgouvernement, Dr. Max Frauendorfer, erklärte, dass es nur mit der Lohnzahlung möglich sei, „die Arbeitsfähigkeit der Juden zu erhalten, den nötigen Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen und Krankheiten und Seuchen zu vermeiden“[8] Von Mitte 1940 an bis Mitte 1942 waren 80 bis 90 Prozent der arbeitenden Juden weitgehend aus eigenem Willensentschluss und gegen Entlohnung in Form von Bargeld oder Nahrungsmitteln tätig. Das galt insbesondere für Frauen und Kinder, die weder der Lagerarbeit noch dem Dienst in den Arbeitsbataillonen unterlagen.[9] Die Arbeitsverhältnisse der Ghettoinsassen waren im Gebiet Ostoberschlesien tendenziell besser, im Warthegau und auch in den besetzten Teilen der Sowjetunion – mit der Ausnahme Litauens – schlechter.[10]

Für eine Generalisierung der Ghettoarbeit im Sinne des ZRBG lässt sich dennoch feststellen, dass der „eigene Willensentschluss“ in den allermeisten Fällen gegeben war: Arbeit zu haben stellte ein Privileg dar. Das galt nicht für die Arbeitslager, in denen die Bedingungen hart und die Todesraten hoch waren, aber doch für die Ghettos; selbst die Arbeitsbataillone, in denen niedere und schwere, aber entlohnte Hilfstätigkeiten ausgeübt wurden, konnten oft auf Freiwillige zurückgreifen. Von echter „Freiwilligkeit“ kann selbstverständlich nicht die Rede sein, vielmehr waren die Juden wegen der deutschen Hunger- und Beraubungspolitik gezwungen, jegliche Möglichkeit, etwas Essen zu erhalten, wahrzunehmen. Und da die Beschäftigungen in den Ghettos und selbst in den Lagern und Arbeitsbataillonen beinahe immer eine Gegenleistung in Form von Nahrungsmitteln beinhalteten – was die Gutachten klar zeigen –, waren sie begehrt, denn für Geld konnten Juden in den Ghettos nichts kaufen. Die Juden hatten also ein Interesse daran, eine Arbeit zu suchen. Und da es fast immer viel weniger Arbeitsplätze als Bewerber gab, war eine Stelle ein wertvolles Privileg. Die „Entlohnung“ mochte nicht angemessen sein sondern eher eine Ausbeutung dar, sie mochte oft über die Judenräte und nicht direkt von den Arbeitgebern ausgegeben worden sein, aber sie machte doch den Unterschied zwischen Überleben und Verhungern aus. Ihr Wert war insofern kaum hoch genug zu veranschlagen, und entsprechend begehrt war Arbeit, die später zudem über den längeren Verbleib im Ghetto oder die schnellere Deportation in die Vernichtungslager entschied. Hinzuweisen ist auch darauf, dass zumindest im besetzten Polen (also im Generalgouvernement, Warthegau und Ostoberschlesien) für die jüdischen Arbeiter regulär und regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge für die jüdischen Arbeiter an die damaligen Rentenkassen gezahlt wurden – selbst für die Arbeit in Zwangsarbeitslagern.
2. Die Umsetzung des ZRBG durch Rentenversicherer und Justiz

Die eben geschilderten historischen Bedingungen waren so weder 1997, zum Zeitpunkt des grundlegenden Urteils des Bundessozialgerichts am Beispiel des Ghettos Litzmannstadt, noch 2002, bei der Verabschiedung des ZRBG im Bundestag, im wissenschaftlichen Diskurs präsent. Dies gilt in weit größerem Maße für die nichtfachliche Öffentlichkeit, zu der auch die Ministerialverwaltungen, die Deutsche Rentenversicherung und die Sozialgerichtsbarkeit gezählt werden muss. Als das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in den Jahren 1997 und 2002 für den Deutschen Bundestag das ZRBG vorbereitete und dazu auch Rücksprache mit den Rentenversicherern hielt, wurden keine Historiker in das Verfahren eingebunden. Wie eine Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz in die Akten des BMAS zeigt, entstanden deshalb groteske Fehlannahmen über den zu erwartenden Umfang des ZRBG, die in dieser Form auch dem Bundestag als Entscheidungsgrundlage unterbreitet wurden: Die Schätzung über die zu erwartende Zahl der Antragsteller lag um den Faktor 100 zu niedrig: statt schlussendlich 70.000 Antragstellern rechnete das BMAS gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestags Ende 2001 mit nur 700 Antragstellern, obwohl in internen Papieren auch Zahlen von bis zu 6.000 Antragstellern kursierten.[11]

Da der Zwangscharakter der Ghettos so offensichtlich erschien, waren Bundes- und Landesministerien sowie die Rentenversicherer höchst überrascht von den rund 70.000 Anträgen, die nach der Verabschiedung des Gesetzes gestellt wurden. Doch anstatt nun bei Wissenschaftlern Erkundigungen über die Arbeitsbedingungen in Ghettos einzuziehen, entwickelte die Deutsche Rentenversicherung ohne fachliche Beratung eigene pseudohistorische Kriterien, nach denen die Anträge zu bearbeiten waren, und gab dafür im September 2002 Anweisungen zur Bearbeitung von ZRBG-Fällen heraus. Auf 36 DIN-A5 Seiten sowie einem längeren Anhang, der einzelne Ghettos auflistete, wurde dort eine eigene Interpretation zu Arbeit in Ghettos vorgelegt, die auch eine Übersicht zu den Verhältnissen in den deutsch besetzten Gebieten Osteuropas enthielt. Im Januar 2006 erfuhr der Text eine Überarbeitung und Erweiterung.[12] Er diente als Grundlage für sämtliche Verwaltungsentscheidungen bis zu den Urteilen des Bundessozialgerichts von Juni 2009.

Die beiden Arbeitsanweisungen von 2002 und 2006 weisen in Bezug auf die Rezeption des historischen Forschungsstands keine Fortschritte auf. Andererseits beruhen die teilweise sehr weit reichenden Interpretationen der Rentenversicherung auf insgesamt nur acht fachwissenschaftlichen Büchern, davon vier Nachschlage- bzw. Überblickswerke. Zwar sind diese allesamt als Standardwerke zu bezeichnen, doch das älteste von ihnen ist von 1990, die zwei neuesten von 1999. Bedenkt man den Druckzyklus historischer Werke, so ist die Grundlage für die Entscheidungen der Rentenversicherung der Forschungsstand von Anfang 1998. Gleichwohl gilt selbst dies nur mit Einschränkungen, Referenz für das Reichskommissariat Ukraine sind lediglich drei Überblicksdarstellungen von 1990, 1991 bzw. 1993.

Die Auswertung der von der Rentenversicherung herangezogenen Werke geschah offensichtlich nicht durch einen Historiker, der auch eine fachliche Einordnung und Beurteilung hätte vornehmen können. So blieben zahlreiche einschlägige Studien unberücksichtigt, die gerade zu den speziellen Fragen von Ghettoisierung oder Arbeit weit detaillierter Auskunft geben als die vier Nachschlage- bzw. Überblickswerke, die die Rentenversicherung verwendet. So erklären sich zahllose Irrtümer, unzulässige Analogien und Pauschalisierungen bzw. Fehlinterpretationen. Die mangelhafte Auseinandersetzung mit den damaligen Gegebenheiten setzt sich in einem unkritischen Umgang mit den Sekundärquellen fort. Das Bild, das die Rentenversicherung in ihren Arbeitsanweisungen von der nationalsozialistischen Judenpolitik in Osteuropa zeichnet, entspricht nicht dem aktuellen historischen Forschungsstand, und entsprach ihm auch nicht zum Zeitpunkt der Entstehung der Anweisungen. Die Grundlage für das Verwaltungshandeln war eine laienhafte, ohne fachhistorische Anleitung durchgeführte Auswertung von lediglich acht unsystematisch zusammengestellten Werken.

Grundlage für die individuelle Entscheidungsfindung waren Fragebögen, die die Überlebenden auszufüllen hatten. Zwar ist dies aus Gründen der Operationalisierung bei vielen tausend Anfragen verständlich, doch die fachliche Kritik durch erfahrene Psychologen zeigt, dass die Gestaltung der Fragebögen kaum geeignet war, valide Daten zu erhalten,[13] schon alleine, weil sich Erinnerungen kaum in die starren Schemata von Vordrucken pressen lassen. Verwirrend war beispielsweise die Frage zum Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses, bei dem die Optionen „freiwillig“, „durch Vermittlung“ und „durch Zuweisung“ gegeben sind: Viele Überlebende kreuzten alle drei Punkte an, weil sie sich an den Judenrat mit der Bitte um eine Arbeit gewandt hatten, dieser ihnen einen Arbeitgeber vermittelte, wo schließlich eine konkrete Aufgabe zugewiesen wurde. Dieser vollkommen übliche und historisch auch kaum anders denkbare Vorgang führte indes regelmäßig zur Ablehnung des Antrags.

Relevant für die Bearbeitung der einzelnen Anträge waren ferner Dokumente aus den früheren Entschädigungsverfahren der Überlebenden (nach dem Bundesentschädigungsgesetz – BEG). Sie wurden in der weit überwiegenden Mehrzahl gegen die Antragsteller ausgelegt, weil sie angeblich im Widerspruch zu den Angaben im ZRBG-Verfahren rund 50 Jahre später stünden. Doch die Annahme, Angaben im Entschädigungsverfahren seien für ZRBG-relevante Sachverhalte wegen des kürzeren Abstandes zu den strittigen Zeiten größerer Beweiswert beizumessen als Angaben im ZRBG-Verfahren selbst, kann historisch-quellenkritischen, aber auch schlicht logischen Maßstäben nicht standhalten: In den BEG-Verfahren wurden andere Sachverhalte ermittelt, vor allem Schäden an Freiheit und Gesundheit, wobei man sich auf ein Minimum an relevanten Angaben beschränkte. Das verdeutlicht die Tatsache, dass in den BEG-Akten dem eigentlichen Verfolgungsschicksal in der Regel nur wenige Zeilen gewidmet sind.

Die Vorstellungen, die hinter der Argumentation der deutschen Rentenversicherer standen, beschränken sich auf ein weitgehend eindimensionales, von ihnen selbst geschaffenes Bild einer Ghettowelt. Sie konstruierten ihre eigene Geschichte der Ghettos, die durch andauernde Wiederholung perpetuiert wurde – und lehnten dementsprechend über 90 Prozent aller Anträge ab. Wie erfolgreich die Versicherer mit ihrem Vorgehen waren, zeigt die Überprüfung ihres Handelns durch die Sozialgerichtsbarkeit. Auch hier bestand bis Mitte 2009 kaum Aussicht auf eine erfolgreiche Klage gegen die Verwaltungsbescheide.

Blickt man auf das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, das als zweite Instanz für Kläger aus Israel zuständig war, wird deutlich, dass die Kläger in etwas mehr als 17 Prozent aller dort eingegangenen ZRBG-Fälle zumindest einen Teilerfolg erzielen konnten (zum Vergleich: die Erfolgsquote in Rentensachen außerhalb des ZRBG liegt etwa bei 27 Prozent).[14] Den Überlebenden gelang es nicht, ihre Ansprüche glaubhaft zu machen, weil an der Plausibilität ihrer Angaben gezweifelt wurde. Über 60 Jahre nach dem Ende ihrer Verfolgung konnten sie auch keine Dokumente mehr präsentieren, die ihr Vorbringen stützen könnten – denn es war schlechterdings unmöglich, irgendwelche Schriftstücke durch Ghetto, Lager und Vernichtung, durch DP-Camp und Auswanderung hindurch aufzubewahren. Die Überlebenden hatten keine andere Möglichkeit, als ihren ZRBG-Antrag ausschließlich durch eine nachträgliche Aussage zu untermauern. Selbstverständlich müssen sie bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken und sie tragen auch die Beweislast. Letztere schließt indes nicht die Amtsermittlungspflicht von Behörden und Gerichten aus. Wie in allen Fällen nach dem Sozialgerichtsgesetz muss die Verwaltung die relevanten Tatsachen von sich aus ermitteln, wobei sie nicht an das Vorbringen oder an Beweisanträge der Antragsteller gebunden ist. Angesichts dieser Grundsätze sticht ins Auge, dass insbesondere zwei Ermittlungsansätze kaum genutzt wurden: die persönliche Anhörung der Kläger und der Sachverständigenbeweis.

Trotz der enormen Bedeutung von Aussagen für die Urteile waren die im Ausland lebenden, durchweg betagten Antragsteller dadurch benachteiligt, dass in den Verfahren in der Regel keine Anhörung stattfand, weil dazu – wenn überhaupt – eine Anreise der hoch betagten Holocaustüberlebenden zum Gerichtsstandort erwartet wurde, die dazu nur selten bereit oder in der Lage waren. So wurden nur schriftlich niedergelegte Einlassungen herangezogen bzw. die Rechtsanwälte befragt. In mehr als einem Urteil war sogar davon die Rede, dass eine Anhörung des Klägers nichts zum konkreten Fall beitragen würde, da die Fakten ja bekannt seien.[15]

Ein ähnliches Problem ergab sich bei der Hinzuziehung von Sachverständigen. Die Verfahren haben durchweg historische Tatsachen zum Gegenstand, aber es wurde auf die Einholung historischer Sachverständigengutachten in der Regel verzichtet. Damit schrieben sich die Gerichte selbst die für die Bewertung historischer Tatsachen erforderliche Sachkunde zu. Das Bundessozialgericht hat demgegenüber in mehreren zum ZRBG ergangenen Entscheidungen[16] betont, ein Gericht müsse bei der Beurteilung historischer Tatsachen nicht nur darlegen, woher es die von ihm selbst behauptete besondere historisch-wissenschaftliche Sachkunde erlangt hat, sondern auch, wie weit diese nach Inhalt und Umfang reicht. Es genüge nicht, mitzuteilen, welche Unterlagen hinzugezogen worden sind, wenn nicht dargestellt werde, über welche speziellen Kenntnisse das Gericht verfügt, die es ihm seiner Ansicht nach erlauben, den historisch-wissenschaftlichen Wert der beigezogenen Unterlagen, ihre fachwissenschaftliche Stichhaltigkeit, die fachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der jeweils berücksichtigten Quellen sowie die Bewertung durch die verschiedenen Autoren zu beurteilen: „Auch die Lektüre umfangreicher historischer, zum Teil sogar wissenschaftlicher Veröffentlichungen, macht aus dem Leser im Regelfall keinen Sachverständigen der historischen Wissenschaft“.[17]

Das Urteil blieb indes folgenlos und wurde von den allermeisten Sozial- und Landessozialgerichten ignoriert, Historiker nur in Ausnahmefällen als Gutachter hinzugezogen – und die Vorstellungen der Richter über die Ghettoarbeit blieben entsprechend weit von der historischen Realität entfernt.[18] Dass in einem nationalsozialistischen Ghetto tatsächlich ein eigener Willensentschluss zur Arbeit und sogar eine Arbeitsentlohnung stattfanden, erschien angesichts der sonst bekannten Tatsachen über die Judenvernichtung eher unwahrscheinlich; das allgemeine Wissen über Ghettos ist fast ausschließlich mit Zwang assoziiert. Nur selten ist in den Urteilen eine Loslösung von diesem in der Bundesrepublik tradierten Bild zu beobachten. Es war für die meisten Richter kaum vorstellbar, dass im Ghetto überhaupt etwas aus freiem Willen geschah.

Für die ZRBG-Praxis bedeutete all das, dass ausschließlich Versicherungen und Justiz die Bedeutung bestimmter Begrifflichkeiten festlegten; davon abweichende Varianten führen beinahe automatisch zu einer Ablehnung des Klagebegehrens. Der Diskurs über die Ghettoarbeit, wie er von Verwaltung und Sozialgerichtsbarkeit geführt wurde, schuf eine eigene Wirklichkeit, die mit dem historischen Geschehen nichts gemein hatte. Die tatsächlichen Erfahrungen der Überlebenden hatten darin keinen Platz.

3. Ghettoarbeit und Ghettorenten aus Sicht der Überlebenden

Für die meist hoch betagten Antragsteller waren die ZRBG-Verfahren nur schwer zu begreifen. Sie hatten den Holocaust mit knapper Not überlebt und die Schrecken des Nationalsozialismus am eigenen Leib erfahren. Angesichts der mehrjährigen Verfolgung im Zweiten Weltkrieg, die eine permanente Ausnahmesituation voller Zwang darstellte, war auch in der subjektiven Wahrnehmung beinahe alle Arbeit „Zwangsarbeit“, zumal sie – gemessen an normalen Maßstäben – völlig unzureichend entlohnt wurde. Insbesondere in Nachkriegsaussagen wird der Terminus „Zwangsarbeit“ daher universell zur Benennung von Tätigkeiten während der nationalsozialistischen Verfolgung genutzt. Weder in der Perspektive der damaligen Ghettoinsassen noch der der heutigen Überlebenden, wie sie uns in überlieferten Nachkriegsaussagen zur Verfügung steht, spielte es eine Rolle, dass „Arbeitspflicht“ und „Arbeitszwang“ verschiedene Bedeutungen und Bedingungen implizierten, die aber beispielsweise nichts mit „Zwangsarbeit“ etwa in Lagern zu tun hatten. Hinzu kommt, dass nicht einmal die nationalsozialistischen Behörden und die Judenräte ihre unterschiedlichen Begriffe für die Arbeitsformen konsequent verwendeten, sondern sie häufig vermischten, was auch dem zeitlichen Wandel der Konnotationen geschuldet war.

Wenn also in den erwähnten BEG-Akten häufig von „Zwangsarbeit“ berichtet wird, steht dies nicht im Widerspruch zur später postulierten „Arbeit aus eigenem Willensentschluss“: Der seinerzeit gängige Begriff von Zwangsarbeit, wie er von Überlebenden der Shoah verwendet wird, zielte zuvorderst auf die allgemeine Zwangssituation des Ghettos ab. Einer Aussage in den Entschädigungsakten, in der der Terminus „Zwangsarbeit“ oder die Formulierung „zur Arbeit gezwungen“ vorkommt, ist nicht der Vorzug gegenüber anderen Aussagen oder Informationen zu geben, weil sie „zeitnäher“ getätigt worden ist. Bei dieser Argumentation wird von falschen Voraussetzungen ausgegangen, nämlich von der Existenz einer klaren, dem Alltagsverständnis zugänglichen begrifflichen Unterscheidung von erzwungenen und „freien“ Arbeitsverhältnissen. Der Münchener Historiker Jürgen Zarusky hat es als kafkaesk bezeichnet, dass die Anträge häufig daran scheiterten, dass die Überlebenden vor „vier oder fünf Jahrzehnten keine Antwort auf Fragen gegeben haben, die ihnen nicht gestellt wurden, und Begriffe nicht benutzt haben, die es noch nicht gab“.[19]

Dass die Glaubwürdigkeit der Kläger in den Urteilen oftmals anhand der Aktenlage abgetan wurde, war für die Überlebenden demütigend, zumal sich Vertreter der Bundesrepublik für ihr ganzes Schicksal nur selten interessiert haben.[20] Für sie schien gerade das ZRBG ein innovatives Gesetz zu sein, weil es ihnen endlich einen Anspruch zubilligte, der auf einer „normalen“, tatsächlich erbrachten Leistung beruhte: Sie erhielten eine Arbeitsrente wie andere Arbeiter auch, nicht bloß eine Entschädigung oder Wiedergutmachung, deren einziger Grund darin bestand, dass sie Opfer gewesen waren und – im Unterschied zu vielen Angehörigen – überlebt hatten. Die Zahlungen im Rahmen des BEG waren natürlich notwendig, denn viele Holocaustüberlebende sind nicht wohlhabend, weil sie während eines entscheidenden Abschnitts ihres Erwerbslebens unter deutscher Verfolgung litten und häufig seelische und körperliche Schäden davontrugen; sie sind daher auf das Geld angewiesen. Aber das ZRBG ist eben keine moralische Wiedergutmachung – und es ist sowieso fraglich, ob, und wenn ja, in wieweit der Horror des Holocaust „entschädigt“ oder „wieder gut gemacht“ werden kann – sondern schlicht eine Gleichbehandlung. Noach Flug, der 2011 verstorbene Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees und Vorsitzender der Organisation der Holocaust-Überlebenden in Israel, hat das ZRBG einmal als die Aufhebung der Nürnberger Gesetze bezeichnet,[21] denn damit würden Juden nicht mehr nur wegen ihrer Opfereigenschaft Geld aus Deutschland bekommen; die Ghettorenten stellten also – zumindest in der Theorie – eine Gleichstellung von jüdischen und deutschen Arbeitern dar.

4. Das ZRBG und die Bundesministerien

Mit dem ZRBG hat der Bundestag 2002 ein Gesetz beschlossen, das den ehemaligen Ghettoarbeitern die Möglichkeit einer Rente einräumte. Bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes wurden die Antragsteller von Rentenversicherern und Sozialgerichten indes systematisch benachteiligt, da historische Gegebenheiten ignoriert und die Perspektive der Überlebenden falsch interpretiert wurden. Die Aufsichtsbehörden in den Landes- und Bundesministerien waren über den Umfang der Ablehnungen genau informiert. Zweifel auch des BMAS, ob denn eine sachgemäße Behandlung der Einzelfälle gewährleistet sei, wiesen die Rentenversicherer allerdings zurück. Das Ministerium war andererseits aber auch nicht an einer Klarstellung des Gesetzes interessiert – die Auslegung durch die Rentenversicherer würden die Gerichte überprüfen, und dabei sei von einer Bestätigung auszugehen.[22]

Änderungswünsche wies die Bundesregierung zurück. Den Überlebenden weiter entgegen zu kommen, würde „Fiktionsregelungen“ schaffen und „der gesetzlichen Rentenversicherung Aufgaben zuweisen, die keinerlei Bezug mehr zur Versichertengemeinschaft haben“.[23] Tatsächlich war die Bundesregierung im August 2006 sogar der Ansicht, die hohe Ablehnungsquote resultiere aus der Unkenntnis der Antragsteller in Bezug auf die komplexe rechtliche Materie – und machte die Überlebenden damit indirekt für die geringen Bewilligungsquoten selbst verantwortlich.[24]

Versicherer und Verwaltung beriefen sich bei dieser Haltung stets auf eine Überprüfung, der die Rentenversicherung Rheinland unterzogen worden war und deren Abschlussbericht Anfang 2005 dem Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherheit vorgelegen hatte. Ausgehend von einer Dienstaufsichtsbeschwerde der Berliner Rechtsanwältin und Opfervertreterin Simona Reppenhagen hatte das Arbeits- und Sozialministerium Nordrhein-Westfalen knapp hundert Einzelfälle überprüft – allerdings unter Rückgriff ausschließlich auf Material der Rentenversicherer – und deren Auslegung bestätigt.[25] Damit attestierte sich die Verwaltung selbst ein tadelloses Verhalten im Rahmen der Gesetzesnormen und –intentionen.

Allerdings hatte die Bundesregierung Anfang 2006 gegenüber Israel eine Zusage gegeben, bei den Ghettorenten die Leistungen für die Holocaust-Überlebenden zu verbessern. Immer dringlichere Nachfragen, dieses Versprechen einzuhalten, brachten nach eineinhalb Jahren Wartezeit eine gewisse Bewegung in die verfahrene Situation. Im Sommer 2007 kamen Arbeits- und Finanzministerium zusammen, um über eine Anerkennungsleistung zu verhandeln. Sehr deutlich war ihnen die beinahe schizophrene Situation bewusst, nach der die Rente, die nach Argumentation der Bundesregierung vollkommen im Sinne des Gesetzgebers umgesetzt würde, eine zusätzliche Zahlung erforderte, diesmal allerdings als Wiedergutmachung. Fraglich war, was denn eigentlich anerkannt werden sollte: Die Haftzeit war durch das Bundesentschädigungsgesetz längst berücksichtigt; für Zwangsarbeit gab es die Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“, und für sonstige Arbeit aus eigenem Willensentschluss gab es Renten. Eine Regelungslücke konnte eigentlich nicht existieren.

Trotzdem war das Bundesarbeitsministerium selbst 2008 weder willens noch in der Lage, von der offiziellen Linie der Bundesregierung abzuweichen. So äußerte man zwar für die „Absicht, den Menschen zu helfen, [...] volles Verständnis“, aber der Gesetzgeber sei bereits 2002 „an die Grenzen dessen gegangen, was in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich ist. Die Bundesregierung hat deshalb mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass eine Novellierung des ZRBG nicht vorgesehen ist und eine Lösung außerhalb des ZRBG gesucht werde“.[26] Doch Anfang 2009 konnte sich nicht einmal das BMAS dem weiter wachsenden öffentlichen und außenpolitischen Druck noch länger entziehen. Zunächst intern plädierte das zuständige Referat dafür, eine Arbeitsgruppe mit Angehörigen von Ministerium und Versicherungen sowie israelischen Fachleuten und Vertretern der Conference on Jewish Material Claims against Germany (Claims Conference, JCC) einzurichten – offiziell mit der Absicht, eine einheitlichere Umsetzung des ZRBG zu erreichen. Dabei müsse einerseits der Eindruck vermieden werden, der Bund wolle den selbstverwalteten Versicherern Kompetenzen entziehen, andererseits aber „die nachdrückliche politische Erwartung des BMAS an die Träger deutlich werden, nicht nur – wie schon bisher – zu gemeinsamen Auslegungsrichtlinien zu kommen, sondern auch in Anwendung der Richtlinien zu möglichst einheitlichen Anerkennungsquoten, die sich an den bei der Anwendung des ZRBG ‚großzügigeren’ RV-Trägern orientieren.“[27] Deutlicher konnten Ministerialbeamte kaum formulieren, dass die Ghettorenten-Praxis nicht ihren Erwartungen entsprach.

Widerstand dagegen regte sich einmal mehr von Seiten des Bundesfinanzministeriums, das Präzedenzwirkungen und damit einhergehende finanzielle Belastungen ebenso fürchtete wie eine Revision der stillschweigenden Übereinkunft, die Ghettorenten als Erfolg zu deklarieren, der keiner Nachbesserung bedürfe. Nach sieben Jahren ZRBG und eineinhalb Jahren Anerkennungsrichtlinie, was „eine gewisse Befriedung der unterschiedlichen Gruppen“ bewirkt hätte, sei die Idee daher „unglücklich“; das BMAS solle überprüfen, ob diese Maßnahme „wirklich angezeigt“ sei.[28]

Die Rentenversicherer sahen ebenfalls keine Notwendigkeit für eine Kontrolle ihres Handelns und zeigten sich überrascht, dass das Bundesarbeitsministerium „entgegen sonst herrschender Meinung“ die Ansicht vertrete, ursächlich für die große Ablehnungsquote sei die Verwaltungspraxis und nicht das Gesetz selbst. Gleichzeitig musste die DRV Rheinland aber einräumen, tatsächlich durchaus restriktiver zu entscheiden, als ihre Kollegen in Hamburg. Man selbst orientiere sich an den Vorgaben der Gerichte – wenn restriktive Auslegungen akzeptiert würden, bestehe kein Grund, die eigene Praxis zu ändern; demgegenüber hätten die Kollegen in Hamburg akzeptiert, dass die dortigen Gerichte eine klägerfreundlichere Auslegung vornähmen und würden selbst entsprechend handeln.[29]

Möglich war dies, weil die verschiedenen Senate des Bundessozialgerichts vor 2009 keine einheitliche Interpretation des ZRBG vorgelegt hatten. Der 13. Senat hatte 2004 eine recht enge Auslegung gefordert, die im Wesentlichen das Vorhandensein einer tatsächlichen Versicherungspflicht für die Ghettoarbeiter sowie einen dafür notwendigen Vertragsabschluss verlangte.[30] Eine gegenläufige Auffassung des 4. Senats,[31] der bereits Ende 2006 eine großzügigere Interpretation des ZRBG durchzusetzen versuchte, war nicht auf Akzeptanz gestoßen. Der vom 4. Senat angerufene Große Senat des Bundessozialgerichts, der für die Klärung interner Auslegungsunterschiede zuständig ist, entschied in der Sache aus formellen Gründen nicht. Der Verweis auf die Meinung des 4. Senats diente aber dennoch manchen Richtern als Referenz für eine klägerfreundliche Spruchpraxis.

Das Sozialgericht München berief sich z.B. darauf, vor allem aber die Sozialgerichtsbarkeit in Hamburg, wo die Rentenversicherung Nord für Kläger u.a. aus den USA, und damit für die nach Israel zweitgrößte Überlebendengruppe zuständig ist. Die Richter am dortigen Sozialgericht waren es, die 2005 erstmals historische Gutachten bei Frank Golczewski anforderten. Nach eigenen Angaben veränderte sich der Umgang mit den ZRBG-Fällen ab diesem Zeitpunkt.[32] Seriöse Schätzungen der beteiligten Parteien belaufen sich auf 30 bis 40 Prozent für die Kläger erfolgreiche Fälle vor dem Urteil des Bundessozialgerichts im Juni 2009, wobei davon über zwei Drittel durch Anerkenntnis oder Vergleich zustande kamen.[33] Die regionalen Unterschiede beeinträchtigten indes die Gleichbehandlung der Antragsteller. Damit hatten Herkunft, sozialer Status und örtliche Nähe des Verfolgten in hohem Maße Auswirkung auf dessen Erfolgsaussichten.

Diese regionalen Unterschiede machen deutlich, wie pragmatisch letztlich das Vorgehen der Rentenversicherer war, und zeigen ferner, welch entscheidende Rolle die Sozialgerichtsbarkeit einnahm. Ganz offensichtlich waren klägerfreundlichere Deutungen, als sie in Nordrhein-Westfalen vorgenommen wurden, anderswo möglich. Weitere Auseinandersetzungen in dieser durchaus unangenehmen Lage blieben den Ministerien vor allem deshalb erspart, weil das Bundessozialgericht in seiner wegweisenden Entscheidung Mitte 2009 eine eindeutige Kehrtwende der bisherigen Ghettorenten-Auslegung anordnete.

In Berlin setzte unmittelbar darauf das große Rechnen ein. Besonders das Bundesfinanzministerium erwies sich als Widerpart gegen großzügigere Regelungen für die Überlebenden. Man fürchtete steigende Ausgaben und Präzedenzwirkungen, die auch andere Opfergruppen nach Geld verlangen lassen könnten. In einer internen Besprechung zwischen Finanz- und Arbeitsministerium hieß es im Sommer 2009: „Minister Steinbrück habe die Weisung gegeben, strikt auf Begrenzung der finanziellen Auswirkungen zu achten.“[34] Doch schon bei der Konzipierung des ZRBG vor 2002 waren für sämtliche Überlegungen stets Kostenfragen zentral gewesen.[35]

Nach 2002 haben sich die Bundesministerien nicht mit den Auslegungsfragen des ZRBG beschäftigt und verteidigten stets den eingeschlagenen restriktiven Weg, selbst wenn für die außenpolitische Rechtfertigung eine durchaus absurde „Anerkennungsleistung“ notwendig war. Erst als 2008 Opfergruppen und die israelische Regierung immer lauter protestierten und sogar das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen der DRV Rheinland Zügel anlegte, fingen in Berlin Planungen an, die ZRBG-Praxis zu reformieren – erneut gegen den Widerstand des Bundesfinanzministeriums. Aber auch in der Frage der Rückwirkung legte das BMAS kein besonderes Engagement an den Tag und wartete die nächste Entscheidung des Bundessozialgerichts ab. So erwies sich die Exekutive vorwiegend als hinhaltender Verteidiger einer Politik, die nicht vom Gedanken einer Gleichbehandlung jüdischer Arbeiter in der Rentenversicherung, sondern von den Finanznöten des Staates bestimmt wurde. Auch im Rahmen der Ghettorenten war die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen lediglich eine von den Umständen diktierte Pflicht, die viele Probleme und Fehler aus dem 20. Jahrhundert wiederholte.


[1] Wolf Gruner, Der Geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden. Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 1983-1943, Berlin 1996; erweitert u.d.T.: Jewish Forced Labor Under the Nazis. Economic Needs and Racial Aims, 1938-1944, New York 2006.

[2] Vgl. die Forschungsüberblicke bei: Christoph Dieckmann / Babette Quinkert, Einleitung, in: Im Ghetto 1939-1945. Neue Forschungen zu Alltag und Umfeld, hg. v. Christoph Dieckmann / Babette Quinkert, Göttingen 2009, S. 9-29; Dieter Pohl, Ghettos im Holocaust. Zum Stand der historischen Forschung, in: Ghettorenten. Entschädigungspolitik, Rechtsprechung und historische Forschung, hg. v. Jürgen Zarusky, München 2010, S. 39-50.

[3] Vgl. etwa Tatiana Berenstein, Praca przymusowa Żydów w Warszawie w czasie okupacji hitlerowskiej, in: Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego 45/46 (1963), S. 42–93; dies., Praca przymusowa ludności żydowskiej w dystrykcie Galicja, in: ebd. 69 (1969), S. 3-46; Adam Rutkowski, Hitlerowskie obozy pracy dla Zydów w dystrykcie radomskim, in: ebd. 17-18 (1956), S. 106-128.

[4]  The Yad Vashem Encyclopedia of the Ghettos During the Holocaust, hg. v. Guy Miron, Jerusalem 2009; The United States Holocaust Memorial Museum Encyclopedia of Camps and Ghettos 1933-1945. Volume II: Ghettos in German-Occupied Eastern Europe, hg. v. Martin Dean, Bloomington 2012.

[5] Dan Michman, Angst vor den „Ostjuden“. Die Entstehung der Ghettos während des Holocaust, Frankfurt 2011. Die folgende Charakterisierung auf S. 164-166.

[6] Dean, USHMM Encyclopedia of Camps and Ghettos, Volume II, Part A, S. XLIII.

[7] Vgl. etwa Gruner, Der Geschlossene Arbeitseinsatz, a.a.O.

[8] Archiwum Państwowe Lublin, Amt des Distrikts Lublin / 906. Protokoll über die Judeneinsatzbesprechung am 6.8.1940, vom 9.8.1940.

[9] Stephan Lehnstaedt, Die deutsche Arbeitsverwaltung im Generalgouvernement und die Juden, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), S. 409-440, hier S. 438f.

[10] Für eine Einordnung vgl. ders., Geschichte und Gesetzesauslegung. Zu Kontinuität und Wandel des bundesdeutschen Wiedergutmachungsdiskurses am Beispiel der Ghettorenten, Osnabrück 2011, S. 29-48.

[11] Bundesarchiv (künftig: BA), B 149 / 194039, unpaginiert (gesehen im BMAS im Dezember 2011). Sprechzettel für die 102. Sitzung des Haushaltsausschusses am 17.4.2002. Noch im Oktober 2003 waren die Rentenversicherer nicht in der Lage, auch nur eine ungefähre Schätzung über die Gesamtzahl der Antragsteller abzugeben: LVA Rheinprovinz, Az. IV Ausl. 445/03 (gesehen im MAIS NRW). LVA Rheinprovinz an Landesversicherungsamt NRW, 22.10.2003.

[12] Vgl. „Gemeinsame Arbeitsanweisungen LVA Rheinprovinz“ vom 6.9.2002 bzw. vom 6.1.2006. Abgedruckt in: Lehnstaedt, Geschichte und Gesetzesauslegung. a.a.O., S. 134-163.

[13] Kristin Platt, Bezweifelte Erinnerung, verweigerte Glaubwürdigkeit. Überlebende des Holocaust in den Ghettorenten-Verfahren, München 2012, S. 124-144.

[14] Schreiben des LSG NRW an den Verfasser, 18.3.2010.

[15] Statt vieler: SG Düsseldorf, S 22 R 327/05, Urteil vom 17.10.2006.

[16] BSG, B 13 R 28/06 R, Urteil vom 26.7.2007; BSG, B 4 R 29/06 R, Urteil vom 14.12.2006.

[17] BSG, B 4 R 29/06 R, Urteil vom 14.12.2006.

[18] Stephan Lehnstaedt, Ghetto-„Bilder“. Historische Aussagen in Urteilen der Sozialgerichtsbarkeit, in: Ghettorenten. Entschädigungspolitik, Rechtsprechung und historische Forschung, hg. v. Jürgen Zarusky, München 2010, S. 89-100, hier S. 98ff.

[19] Jürgen Zarusky, Hindernislauf für Holocaustüberlebende. Das „Ghettorentengesetz“ und seine Anwendung, in: Die Tribüne 47 (2008), S. 155-161, hier S. 159f.

[20] Vgl. „Geld nur gegen Geschichtsverfälschung? Zwangsarbeiterrichtlinie empört Holocaustüberlebende“, in: Jüdische Zeitung, Februar 2008, S. 2.

[21] Vortrag Noach Flugs auf der Tagung „’Ghettorenten’ und historische Forschung, Institut für Zeitgeschichte München, 9.4.2008. Vgl. auch Noach Flug, Shoah und Entschädigung, in: Zarusky (Hg.), Ghettorenten, a.a.O., S. 79-88.

[22] Exemplarisch: BMAS-Az. 43754/40, 41, 42. VDR an BMAS, 30.1.2003, auf Zeichen IVb1-43/2344 des BMAS.

[23] BMAS-Az. 43754/25. BMAS an MAIS NRW, 24.11.2004.

[24] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/1955, 26.6.2006.

[25] Deutscher Bundestag, GS-Ausschussdrucksache 0825, 28.2.2005.

[26] BMAS-Az. 43754/93-96. BMAS an Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, 21.10.2008.

[27] BMAS-Az. IVb 1 – 43754/103. Internes Schreiben des BMAS an den Minister, 9.4.2009.

[28] BMAS-Az. 43754/103. Bundesfinanzministerium (Minister) an BMAS, 28.4.2009. BMF-Az.: V B 4 – O 1473/08/10001.

[29] DRV Rheinland, Vermerk vom 31.3.2009, ohne Az. (gesehen im MAIS NRW). Handschriftlicher Vermerk: „Vertraulich“.

[30] BSG, B 13 RJ 59/03, Urteil vom 7.10.2004. In diesem Sinne auch BSG, B 13 RJ 370/04, Urteil vom 20.7.2005; B 13 RJ 28/06, Urteil vom 26.7.2007.

[31] BSG, B 4 R 29/06, Urteil vom 14.12.2006.

[32] Schreiben von Annett Wittenberg, Richterin am SG Hamburg, an den Verfasser, 3.3.2010.

[33] Eine unvollständige Liste mit 231 Anerkenntnissen bzw. Vergleichen liegt dem Autor vor.

[34] Gedächtnisprotokoll zur Ressortbesprechung, 16.6.2009, Aktenzeichen des Bundesfinanzministeriums: IV B 4 – O 1473/06/10001:002, sowie Klemm/2009/0412321/Caster.

[35] BA, B 149 / 194038, unpaginiert (gesehen im BMAS im Dezember 2011). Entwurf über ein Ghettorentengesetz), 13.12.2001; ebenda, B 149 / 194032. Internes Schreiben BMAS, 20.12.2001.

Dr. Stephan Lehnstaedt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut Warschau

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1614

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Das Projekt „Stolpertonsteine“ Hamburg

von Marek Schossek -

Auf den kleinen Messingplatten stehen Namen und Daten: Elizabeth Lange, geb. 7.7.1900, gestorben am 28.1.1944 im KZ Fuhlsbüttel; Jonny Rummel, geb. 15.12.1924, erschossen am 8.2.1945 in Königsberg. Die Gedenksteine begegnen uns überall in Hamburg vor den Häusern, in denen diese Menschen einst gewohnt haben.

Sie zeugen von den Verbrechen, die an ihnen verübt wurden. Gemeint sind die Stolpersteine. Wir nehmen sie sicherlich an den meisten unserer täglichen Wege gar nicht mehr wahr. Und doch wird wohl jeder von uns hin und wieder über die Steine geistig stolpern und sich fragen:  “Was für Geschichten haben diese Menschen wohl gehabt?”

Die Vertonung der Stolpersteine

Seit 1995 erinnert der Kölner Künstler Günter Demnig mit den Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus. Eine seiner Intentionen ist es, den ,in den Konzentrationslagern zu Nummern degradierten Opfern, ihre Namen zurückzugeben. Dass heute noch etwas mehr möglich ist, zeigen aktuell die beiden Studentinnen Marta Werner und Sarah Dannhäuser. Mit ihrem Projekt der „Stolpertonsteine“ haben sie die Biographien von 20 Opfern vertont. Die Idee kam den beiden angehenden Medienwissenschaftlerinnen, während eines Seminars. In neun Monaten und in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung, sowie dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. sind die „Stolpertonsteine“ entstanden.

Die beiden betonen, dass es ihnen wichtig ist, neben dem neuen Zugang zu den Biographien auch die verschiedenen Schicksale zu zeigen. Die 20 Biographien, die momentan über die Internetseite www.stolpersteine-hamburg.de und der Smartphone App (“Stolpersteine in Hamburg”) abrufbar sind, wurden mit ehrenamtlichen Sprechern aufgenommen. Unter ihnen Persönlichkeiten wie der Moderator Carlo von Tidemann oder der Schauspieler Tim Kreuer. Gelesen werden dabei nicht nur die Lebensläufe, sondern auch persönliche Aufzeichnungen der Opfer und ihrer Familien. Durch die Untermalung mit passenden Umgebungsgeräuschen werden die gelesenen Passagen zu kleinen Hörspielen. So hört man z.B. bei einer in einer Bar spielenden Szene die passenden Hintergrundgeräusche. Durch den Hörspielcharakter gewinnen die Stolpertonsteine eine Dimension, die die erwähnte Intention Demnigs übertrifft. Die Opfer gewinnen nicht mehr nur ihre Namen, sie bekommen einen Teil ihrer Geschichte zurück.

Es braucht nur Zeit und ein Smartphone

Im Augenblick ruht das Projekt der Studentinnen, die beiden arbeiten gerade an ihren Master-Abschlüssen. Es soll aber nach Möglichkeit weiter geführt werden. Material gibt es noch mehr als genug. Seit 2002 wurden in Hamburg 4326 privat finanzierte Stolpersteine verlegt. Es liegen noch gut 250 weitere Anträge auf Patenschaften vor. Und seit dem Herbst 2006 haben Forscher des Projektes “Biographische Spurensuche”, mehr als 1000 Biografien zu den in der Stadt gesetzten Stolpersteinen, erarbeitet. Dieses von den begleitenden Instituten geleitete Projekt, liefert die Grundlage für die von Marta Werner und Sarah Dannhäuser bisher produzierten „Stolpertonsteine“.

Die Frage nach der Geschichte der Opfer auf den Stolpersteinen, lässt sich jetzt einfacher beantworten. Wir brauchen nur noch ein Smartphone und etwas Zeit, Zeit um uns die Geschichten von diesen Menschen anzuhören. Menschen wie: Josef Schupp, geb. 11.3.1893, hingerichtet am 11.10.1944 im KZ Sachsenhausen, Heinrich Habitz GEN.“ Liddy Barcroff“ geb. 19.8.1908, gestorben am 6.1.1943 KZ Mauthausen.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=666

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GcjZ: 60 Jahre in Hamburg

von Carina Seebur - 

Die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Hamburg feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass findet vom 13. bis 24. November eine kostenlose Ausstellung in der Rathausdiele des Hamburger Rathauses statt. Die Ausstellung „60 Jahre in Hamburg – Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ wurde von Studierenden der Universität Hamburg entwickelt und realisiert. Im Zuge dieses Ausstellungsprojekts entstand eine enge Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Weitere Unterstützer der Ausstellung sind das Erzbistum Hamburg, die jüdische Gemeinde Hamburg, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, die Evangelisch-Reformierte Kirche in Hamburg, die Liberale Jüdische Gemeinde sowie der Lions-Club Hamburg-Walddörfer.

Ein Blick in die Ausstellung „60 Jahre in Hamburg – Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ in der Rathausdiele
des Hamburger Rathauses / Foto: Carina Seeburg
 
 

In mehreren Monaten der Vorbereitung erarbeiteten die Studierenden alle Bereiche der Ausstellung – von der Recherche über die Konzeption bis hin zur Gestaltung. Alle Texte wurden zudem auch  ins Englische und ins Russische übertragen. Die Ausstellung begleitende Audioguides wurden ebenfalls in drei Sprachen eingesprochen.

Das Arbeitsergebnis ist eine 42 Tafeln umfassende Ausstellung, die seit Dienstag zu besichtigen ist. Der Senat der Stadt Hamburg würdigte die Eröffnung der Ausstellung mit einem Empfang im Bürgermeistersaal des Rathauses. Dabei wurden mehrere Reden und Ansprachen gehalten.

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Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz hielt anlässlich der Ausstellungseröffnung eine Rede vor den rund 150 geladenen
Gästen / Foto: Carina Seeburg
 
 

Bürgermeister Olaf Scholz betonte: „Was sich so schnörkellos christlich-jüdische Zusammenarbeit nennt, bezeichnet einen Grundgedanken, dessen gesellschaftlicher Wert nicht hoch genug einzuschätzen ist: das Zusammenwirken von Angehörigen beider Religionen im Geist des Respekts und der Toleranz. […] Trotzdem ist der Alltag der jüdischen Gemeinden in Deutschland noch längst kein ganz normaler – solange unsere Synagogen Polizeischutz und Videokameras brauchen. Dessen sollten sich alle hier Lebenden stets bewusst sein und, wo immer es angebracht ist, aufstehen gegen den rechten Ungeist.“ Weiter erinnerte Olaf Scholz daran, die gegenseitige Toleranz nicht nur auf die christliche und die jüdische Religion zu beziehen: „Mehr als hundert Religionsgemeinschaften gibt es in Hamburg. Wir tolerieren es nicht, wenn unter dem Deckmantel politischer oder religiöser Bekenntnisse Hass geschürt wird – weder gegen Juden noch gegen Christen oder Andersgläubige.“ Die Ausstellung – 60 Jahre in Hamburg – zeige, dass eine tolerante Gesellschaft nicht von alleine entstehe, sondern erarbeitet werden wolle: „durch Dialog und Aufklärung, den unverstellten Blick auf die gemeinsame Geschichte, durch die Bereitschaft zum offenen aufeinander Zugehen.“

Grußworte des Projektteams an die Gäste

Neben Olaf Scholz richteten auch zwei Studenten des Projektteams, Daniela Göbel und Jonas Stier, im Namen der Studierenden ein Grußwort an die geladenen Gäste und gaben den Anwesenden einen Einblick in den Arbeitsprozess der vergangenen Monate: „Zu Beginn des Projekts herrschte bei uns große Unklarheit darüber, was von uns verlangt werden würde. Was sollte gezeigt werden? Welchen Umfang würden wir liefern? Wie würde das Projekt finanziert? Welches sind unsere eigenen Erwartungen und welche Erwartungen würden an uns gestellt werden? […] Nach einem ersten Treffen mit dem Projektausschuss der GCJZ wurden unsere Fragen in soweit geklärt, als dass wir keine Einschränkungen zu erwarten hatten. […] Der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit möchten wir daher dafür danken, dass sie uns in unserer wissenschaftlichen Arbeit nicht nur freie Hand gelassen, sondern vielmehr dazu ermutigt hat, sowohl eigene inhaltliche als auch gestalterische Schwerpunkte zu setzen.“

„Dieses Projekt sprengte den durchstrukturierten Stundenplan von uns Bachelorstudierenden […] nun sind wir sehr stolz, dass wir Ihnen ein so umfangreiches Projekt präsentieren können“, so Daniela Göbel in ihrer Ansprache.

Rien van der Vegt, geschäftsführender Vorsitzender der GCJZ, beschrieb das Arbeitsergebnis des studentischen Projektteams mit den Worten: „Das ist eine sehr schöne Ausstellung geworden, zu einem wichtigen Thema Hamburger Zeitgeschichte. Alle, denen das Zusammenleben verschiedener Menschen in Hamburg wichtig ist, lade ich herzlich ein, sich diese Ausstellung anzuschauen.“

GCJZ – 60 Jahre in Hamburg aktiv für gegenseitigen Respekt und Toleranz

Ausstellungslogo

Am 12. Mai 1952 wurde die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Hamburg gegründet. Von Beginn an machte es sich die Hamburger GCJZ zur Aufgabe, „Christen und Juden im Dialog zusammenzuführen und sich aktiv und entschieden gegen Antisemitismus, Rassismus und jegliche Art der Diskriminierung zu positionieren.“

Seither kommen in der GCJZ und in von ihr initiierten Veranstaltungen regelmäßig Menschen jüdischen und christlichen Glaubens zusammen. Die Arbeit der GCJZ reicht von zahlreichen Veranstaltungen wie Tagungen, Reisen, Gesprächsrunden und Debatten bis hin zur aktiven Integrationsarbeit jüdischer Zuwanderer.

Die Ausstellung „60 Jahre in Hamburg – Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ blickt auf sechs Jahrzehnte GCJZ in Hamburg zurück. Die Geschichte der Hamburger GCJZ wurde in der Arbeit des Projektteams aufmerksam und kritisch betrachtet.

Begleitet wird die Ausstellung von einem Rahmenprogramm, das eine Synagogenbesichtigung sowie den Vortrag „Der bedrohte Friede – Nach 60 Jahren der Annäherung von Christen und Juden“ von Dr. Siegfried von Kortzfleisch, mit einschließt.

Projektteam: v.l. oben: Patrick Grabowski, Marcel Anders, Matis Schick, Josephine Lesniak, Amelie Berking, Annika Linsner,
Maximilian Thinnes, Lisbeth Dorothee Cordes, Miriam Braun, Jonas Stier. V.l. unten: Anna Krystyna Kienitz, Carina Seeburg,
Anna Baade, Daniela Göbel, Filiz Kaba, Kathrin Klein
 

AUSSTELLUNG

60 Jahre in Hamburg – Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit

13. bis 24. November 2012

Rathausdiele, Rathausmarkt 1, 20095 Hamburg

Mo.-Fr. 7 – 19 Uhr, Sa. 10-17 Uhr

Nähere Informationen sowie mp3-Dateien der Audioguides zur Ausstellung finden Sie unter:

www.zusammen-in-hamburg.de

Ausstellungsplakat

 

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=533

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