Individuum und Netzwerk: Favoriten und Adelsparteien im höfischen Umfeld

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“) Der Favorit tritt zumeist als Individuum auf. Er bewegt sich in einem System, in dem Höflinge um die Gunst und Zuneigung des Herrschers konkurrieren und auf Ämter und…

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6212

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Freund und Favorit: Begriffliche Reflexionen zu zwei Bindungstypen an spätmittelalterlichen Höfen

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“)1

Am Anfang der folgenden Überlegungen steht eine Irritation: Sie resultiert aus der Bourdieu’schen Theorie von der Existenz unterschiedlicher Kapitalformen – des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals –, die im sozialen Miteinander mehr oder weniger konvertierbar sein sollten und vom Individuum zur sozialen Positionierung eingesetzt werden können. Zur Erklärung der sozialen Dynamik spätmittelalterlicher Höfe ist dieses Modell gleichermaßen einleuchtend und hilfreich.2 Es weist aber mindestens eine Bruchstelle auf: So gut es viele (wenn auch nicht alle) Prozesse und Strategien des Handelns im höfischen Kontext erklärt, ist die Dynamik erst einmal angelaufen, so lässt es doch die Frage nach dem Eintritt in das Spiel offen. Woher kommt das Kapital, das Bewegung über die ständige Konvertierung hinaus ermöglicht? Oder anders gefragt: Wie gelingt Neuankömmlingen der Eintritt?

Eine mögliche Antwort bietet die Ressource des ‚Gefallens‘, die man auch als ‚emotionales Kapital‘ fassen könnte und die zwei Typen der sozialen Nahbeziehung verbindet, welche oft analytisch getrennt werden. Mit der folgenden knappen Skizze möchte ich diese Trennung kritisch hinterfragen, die dem ‚Freund‘ den ‚Favoriten‘3 gegenübergestellt – denn das ‚Gefallen‘ oder die ‚positive emotionale Zuwendung‘ scheint ja sowohl bei der Freundschaft wie beim Favoritentum von großer Bedeutung zu sein. Dabei will ich nicht verschweigen, dass die Rolle der Emotionen für die spätmittelalterliche Freundschaft recht umstritten ist4, während für den Favoriten – oder zumindest eine seiner Spielarten – Philippe Contamine ausdrücklich formulierte: „Le mignon doit plaire.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6130

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Hof, Herr und Herrschaft. Eine Frage des Vertrauens

Höfe, weltliche wie geistliche, königliche, fürstliche, gräfliche oder herrliche, waren in all ihren politischen, kulturellen, sozialen, auch ökonomischen Aspekten die wesentlichen Herrschaftszentren1 der vormodern-vorstaatlichen Anwesenheitsgesellschaften2. Je nach Forschungsperspektive können sie in verfassungs-, rechts-, sozial-, kommunikations- oder kulturgeschichtlicher Hinsicht als symbolisch-repräsentativer oder textlicher Zusammenhang interpretiert werden3 oder als hierarchisch strukturierte Ordnung, dabei stets sowohl strukturell wie personell, formal wie informell4 auf den jeweiligen Herrn orientiert5. Der in der Einleitung dieser Blog-Reihe zitierte Walter Map nimmt vor allem die personelle Orientierung wahr und deutet diese kritisch als Ausdruck des Bestrebens, einem Einzigen zu gefallen6. Walter Map markiert mit seinen Worten treffend die Beobachtung, dass sich die Stellung des einzelnen Höflings nach seiner Nähe zum Herrn bestimmt habe. Zeitgenössisch, umgangssprachlich, aber auch in der Forschung wird diese Stellung insbesondere dann, wenn sie durch eine intensive Nahbeziehung zum Herrn hervorgehoben und ausgezeichnet ist und damit bereits in der Zeit prominent greifbar, ganz unterschiedlich angesprochen. Bekannt ist die interessengeleitete Abqualifizierung solch Personals7. So nennt etwa der sogenannte ‚Oberrheinische Revolutionär‘ den engen Kreis um Kaiser Maximilian schmorotzer, die nechst bim bett des Herrn sind8, der Chronist Wilhelm Rem bezeichnet sie als laurbůben9 und hebt Maximilians Diener Matthäus Lang als huorenjäger hervor10. Die Forschung hat sich v.a. der meist synonym und ohne analytische Trennschärfe verwendeten Begriffe des ‚Günstlings‘ und ‚Favoriten‘ bedient, dabei aber die nicht nur umgangssprachlich gegebenen pejorativen Implikationen kaum vermeiden können11, zumal schon in der Überlieferung jene abwertenden Äußerungen, recht häufig schlicht durch Neid motiviert, angeboten werden.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6172

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Das Deutsche Studienzentrum in Venedig

Palazzo Barbarigo della Terrazza, vom Canal Grande aus gesehen (Foto: Claudia Schmitz-Esser)

Palazzo Barbarigo della Terrazza
(Foto: Claudia Schmitz-Esser)

Do seindt wir kummen in daß mer unndt sendt gefahren biß gen Venedig. Daß ist ein wohl erbauwen statt, unndt die gassen sein der mehrer theil wasser, daß get mit der flut ab unndt an, unndt kann fast in die häuser fahren unndt gehn.

(Aus dem Bericht des Pfalzgrafen Ottheinrich über seine Reise ins Heilige Land von 1521)

Die großen Städte unserer Gegenwart entwerfen stets neue Visionen unserer Zukunft: New York, Tokyo, London und Shanghai stehen in einem steten Wettstreit um architektonische Lösungen und scheinen gemeinsam mit zahlreichen anderen Großstädten zwischen Delhi und Abu Dhabi um Lösungen zu ringen, wohin die moderne Welt sich entwickelt. Das Staunen über die technischen Möglichkeiten der Moderne, über das Höher, Weiter und Tiefer in Wüste und Meer, begeistert viele Reisende von heute. Als Mediävist träumt man hingegen von einer Stadt, die bei ihren Zeitgenossen dieselben Ambitionen weckte: Venedigs enorme Altstadt besticht bis heute durch ihre für vormoderne Verhältnisse geradezu unglaubliche Größe. Die verwinkelten Gassen der Markusstadt lassen stets neue Entdeckungen zu, die abseits der stets umfangreicher werdenden Touristenströme noch immer neue Erkenntnisse zur Vergangenheit der Lagune ermöglichen. So kann man hier beispielsweise in einem Hinterhof im Sestiere San Polo eine Darstellung eines oströmischen Kaisers auf einem hochmittelalterlichen Steintondo finden, dessen einzige kunsthistorische Parallele, ein ganz ähnlicher Tondo, zur berühmten byzantinischen Sammlung von Dumbarton Oaks gehört.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6096

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Graphdatenbanken für Historiker. Netzwerke in den Registern der Regesten Kaiser Friedrichs III. mit neo4j und Gephi

Inhaltsverzeichnis

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5995

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Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte (Jacobus de Vitriaco: Historia Occidentalis, deutsch), 9

[Fortsetzung des Übersetzungsprojekts]

Neuntes Kapitel

Über den Magister Johannes von Nivelles und andere Prediger

Nachdem der genannte Kämpfer Christi1also gestorben war, der es auf sich genommen hatte, in heiligem Streit die Welt zu bewachen, und der die teilweise dunklen Gegenden durch das Licht der Wahrheit erleuchtet hatte, begannen viele, durch den Eifer der Liebe entzündet und durch sein Beispiel angetrieben, zu predigen und zu lehren. Sie erzogen viele zur Gerechtigkeit und entrissen durch heilige Aufmunterungen die Seelen der Sünder aus dem Rachen des Leviathans. Die wichtigsten der Namen unter diesen waren, Sternen am Himmel gleich: der verehrungswürdige Pater und Magister Stephanus, Erzbischof von Canterbury,2der Magister Galterus von London,3 der Magister Robertus von Chorcon, der später Kardinal wurde,4 (Adam,) der Zisterzienserabt von Perseigne,5 der Magister Albericus von Laon,6 der später Erzbischof von Reims wurde und sich von einem Fluss in ein Bächlein verwandelte.7 Weiterhin der Magister Johannes von Liro und sein Gefährte, der Magister Johannes von Nivelles, ein demütiger und ehrfurchtsvoller Mann und geschmückt mit den Perlen aller Tugenden.8Dazu noch viele weitere, deren Namen eingeschrieben sind ins Buch des Lebens,9und die, indem sie auf dem Acker des Herrn treu und besonnen arbeiteten, die Bestien aus den Felshöhlen und Bergen jagten, und die Fische aus dem See des Schmutzes und den Stricken und Netzen des Elends herauszogen.

D O W N L O A D

(PDF/A-Version)

Empfohlene Zitierweise: Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte 9, übers. von Christina Franke, mit Anmerkungen von Björn Gebert, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 27. April 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5735 (ISSN 2197-6120).

  1. Gemeint ist Fulko von Neuilly (†1202), vgl. Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte 6, übers. von Christina Franke, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 8. Juni 2014, http://mittelalter.hypotheses.org/3879 (ISSN 2197-6120) sowie Jakob von Vitry: Okzidentale Geschichte 8, übers. von Christina Franke, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 16. November 2014, http://mittelalter.hypotheses.org/4687 (ISSN 2197-6120).
  2. Stephen Langton (†1228): Studium in Paris in den 1180er Jahren, Schüler von Petrus Cantor, später Lehrer in Paris; bedeutender Theologe, Verfasser zahlreicher Werke; päpstlicher delegierter Richter 1205/6, Kardinalpresbyter von S. Crisogono 1206; Wahl zum Erzbischof von Canterbury auf Betreiben von Papst Innocenz III. 1206 in Rom, Konsekration 1207 gegen den Widerstand des englischen Königs, daraufhin Exil bis 1213 in Frankreich, v.a. in der Zisterzienserabtei Pontigny; Mitwirkung bei der Entstehung der Magna Carta Libertatum 1215; Suspendierung durch den Papst 1215; Zwangsaufenthalt an der Kurie 1215-1218; Translation von Reliquien Thomas Beckets nach Canterbury 1220. Lit.: Folkestone Williams: Lives of the English Cardinals. Including historical notices of the papal court, from Nicholas Breakspear (Pope Adrian IV.) to Thomas Wolsey, Cardinal Legate, 1, London 1868, S. 205-48; Klaus Ganzer: Die Entwicklung des auswärtigen Kardinalats im hohen Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Kardinalkollegiums vom 11. bis 13. Jahrhundert, Tübingen 1963 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 26), S. 153-9; John W. Baldwin: Masters, Princes and Merchants. The social views of Peter the Chanter and his circle, Bd. 1: Text, Princeton, NJ 1970, S. 25-31; Werner Maleczek: Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216, Wien 1984 (Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom, Abhandlungen 6), S. 164-6; Daniel Baumann: Stephen Langton. Erzbischof von Canterbury im England der Magna Carta (1207-1228), Leiden [u.a.] 2009 (Studies in Medieval and Reformation Traditions 144).
  3. Walter, Archidiakon von London: als solcher nachweisbar 1212-1214; von Papst Innocenz III. 1213 zur Kreuzzugspredigt in England beauftragt. Quellen und Lit.: August Potthast: Regesta Pontificum Romanorum. Inde ab a. post Christum natum MCXCVIII ad a. MCCCIV, Bd. 1, Berlin 1874, Nr. 4727 (S. 410f.); Early Charters of the Cathedral Church of Saint Paul, London, ed. Marion Gibbs, London 1939 (Camden Series 3,58), Nr. 255, 263, 307; Alfred John Andrea: Walter, archdeacon of London, and the Historia occidentalis of Jacques de Vitry, in: Church History 50 (1981), S. 141-51.
  4. Robert de Corson († 1219): Studium in Paris in den 1190er Jahren, Schüler von Petrus Cantor, ab 1200 Lehrer in Paris; verfasste einige theologische Werke; häufig päpstlicher delegierter Richter bis 1212; Kardinalpresbyter von S. Stefano in Monte Celio ab 1212; Legat in Frankreich 1213-1215; Prediger beim Albigenserkreuzzug und beim 5. Kreuzzug; Tod vor Damiette. Lit.: Marcel Dickson et Christiane Dickson: Le cardinal Robert de Courson. Sa vie, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du moyen âge Bd. 9 (1934), S. 53-142; Baldwin: Masters (wie Anm. 2), S. 19-25; Maleczek: Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 2), S. 175-9; Jörg Oberste: Zwischen Heiligkeit und Häresie. Bd. 1: Städtische Eliten in der Kirche des hohen Mittelalters, Köln [u.a.] 2003 (Norm und Struktur 17), S. 193-7.
  5. Adam von Perseigne (†1221): erst Regularkanoniker, dann Benediktiner, schließlich Zisterzienser und Abt von Perseigne (1188-1221); 1195 Disputation mit Joachim von Fiore in Rom; 1198 Beichtvater des engl. Königs Richard Löwenherz; predigte den 4. Kreuzzug; wurde besonders von Papst Innocenz III. mit wichtigen Aufträgen betraut, etwa 1208 mit der Vermittlung zwischen den Königen von England und Frankreich; verfasste Predigten, Briefe und einen Liber de mutuo amore ad sacras virgines. Quellen und Lit.: Radulphi de Coggeshall chronicon Anglicanum, in: Radulphi de Coggeshall chronicon Anglicanum, de expugnatione Terrae Sanctae libellus. Thomas Agnellus de morte et sepultura Henrici regis Angliae junioris. Gesta Fulconis filii Warini. Excerpta ex otiis imperialibus Gervasii Tileburiensis, ed. Joseph Stevenson, Joseph, New York, NY [u.a.] 1875 (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 66), S. 1-208, hier 130; Statuta Capitulorum Generalium Ordinis Cisterciensis. Ab anno 1116 ad annum 1786, ed. Joseph Maria Canivez, Bd. 1: Ab anno 1116 ad annum 1220, Louvain 1934 (Bibliothèque de la Revue Ecclésiastique 10), 1201.37 (S. 270); Louis Calendini: Art. “Adam de Perseigne”, in: Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques (künftig: DHGE), 1, Paris 1912, Sp. 488-90; Adam de Perseigne: Lettres, Texte latin, introd., trad. et notes par Jean Bouvet, Bd. 1, Paris 1960 (Sources chrétiennes 66 / Sources chrétiennes. Série des textes monastiques d’Occident 4), S. 7-29; The Historia Occidentalis of Jacques de Vitry. A critical edition, ed. John Frederick Hinnebusch, Fribourg 1972 (Spicilegium Friburgense 17), Appendix C, S. 254f. mit weiterer Literatur; Laurent Maillet: Les missions d’Adam de Perseigne, émissaire de Rome et de Cîteaux (1190-1221), in: Annales de Bretagne 120,3 (2013), S. 99-116; Klaus Graf: Der Zisterzienser Adam von Perseigne und das Speculum virginum, in: Ordensgeschichte. Ein interdisziplinäres Gemeinschaftsblog, 8. September 2013, http://ordensgeschichte.hypotheses.org/5570 (ISSN 2198-8315).
  6. Alberich von Laon bzw. von Humbert bzw. von Hautvilliers (†1218): Archidiakon von Paris; Erzbischof von Reims ab 1206/07; initiierte den gotischen Neubau der Kathedrale von Reims; nahm 1212 am Albigenserkreuzzug teil; brach auch zum 5. Kreuzzug auf; Tod in Pavia auf dem Rückweg vom Heiligen Land. Quellen und Lit.: Albrici monachi Triumfontium Chronicon, ed. P. Scheffer-Boichorst, in: MGH SS 23, 631-950, hier S. 887 (Ernennung zum Erzbischof von Reims), 889 (Teilnahme am Albigenserkreuzzug), 905 (Aufbruch ins Heilige Land), 907 (Tod in Pavia); Gallia Christiana, in provincias ecclesiasticas distributa, qua series et historiae archiepiscoporum, episcoporum et abbatum… / opera et studio Dionysii Sammarthani,… [deinde] monachorum Congregationis S. Mauri Ordinis S. Benedicti [deinde] condidit, 9: De provincia Remensi, ejusque metropoli ac suffraganeis Suessionensi, Laudunensi, Bellovacensi, Catalaunensi ac Noviomensi ecclesiis, Paris 1751, Sp. 104-107; Pierre-François Fournier: Art. “Albéric de Humbert”, in: DHGE 1, Paris 1912, Sp. 1409; The Historia Occidentalis, ed. Hinnebusch (wie Anm. 5), Appendix C, S. 257.
  7. Diese Formulierung Jakobs von Vitry spielt laut César Egasse du Boulay: Historia Universitatis Parisiensis, 2: Ab An. 1110 Ad Ann. 1200, Paris 1665, S. 724 und The Historia Occidentalis, ed. Hinnebusch (wie Anm. 5), Appendix C, S. 257 darauf an, dass er zuvor Armut gepredigt, nun aber kirchliche Würden angenommen hatte.
  8. Johannes von Liro († nicht vor 1220) und Johannes von Nivelles (†1233): Kanoniker im Bistum Lüttich (Liège) im engeren Umfeld (letzterer war zeitweise Dekan) des Lütticher Bischofs Hugues de Pierrepont (1200-1229); unterstützten gemeinsam mit Jakob von Vitry das frühe Beginentum im Bistum Lüttich sowie Regularkanonissen- und Zisterzienserinnenkonvente. J. von Nivelles wurde 1215/19 Regularkanoniker in Oignies; Papst Innocenz III. beauftragte ihn mit der Kreuzzugspredigt (1216), Honorius III. mit der Kreuzzugskollekte (1219). Quellen und Lit.: Thomae Cantipratani Bonum Vniversale De Apibus, ed. Georges Colvener, Douai 1627, S. 362, 529; Acta Sanctorum, quotquot toto orbe coluntur vel a catholicis scriptoribus celebrantur, quae ex Latinis et Graecis aliarumque gentium antiquis monumentis coll., digessit, notis illustr. Joannes Bollandus servata primigenia scriptorum phrasi, ed. Godefridus Henschenius et al. Junii, Bd. 4: Sanctos a die XVI ad XX colendos complexus, Editio novissima, curante Joanne Carnandet, Paris [u.a.] 1867, S. 195-7; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, ed. . von Leonard Ennen und Gottfried Eckertz, Bd. 2, Köln 1863, Nr. 50 (S. 60); Lettres de Jacques de Vitry (1160/1170-1240). Évêque de Saint-Jean-d’Acre, ed. Robert Burchard Constantijn Huygens, Leiden 1960, Nr. VI und VII, S. 123-53; Regesta Honorii Papae III, ex Vaticanis archetypis aliusque fontibus, ed. Petrus Pressutti, Bd. 1, Nr. 1972 (S. 326); Christine Renardy: Les Maîtres universitaires dans le diocèse de Liège. Répertoire biographique. 1140-1350, Paris 1981 (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège 232), S. 355-7, 361-3; William McDonnell: The Beguines and Beghards in Medieval Culture with Special Emphasis on the Belgian Scene, New York, NY 1954, S. 40-7; The Historia Occidentalis, ed. Hinnebusch (wie Anm. 5), Appendix C, S. 285f.; Jacques de Vitry: Histoire Occidentale / Historia Occidentalis (tableau de l’Occident au XIIIe siècle), trad. par Gaston Duchet-Suchaux; introd. et notes par Jean Longère, Paris 1997, S. 100, Anm. 1f.; Jörg Voigt: Beginen im Spätmittelalter. Frauenfrömmigkeit in Thüringen und im Reich, Köln [u.a.] 2012 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission in Thüringen. Kleine Reihe 32), S. 34-40.
  9. Ausführlich zum himmlischen liber vitae sowie den irdischen libri, ihren Schreibern und den eingeschriebenen Namen vgl. jetzt “Eure Namen sind im Buch des Lebens eingeschrieben”. Antike und mittelalterliche Quellen als Grundlage moderner prosopographischer Forschung, hrsg. von Rainer Berndt, Münster i.W. 2014 (Erudiri Sapientia 11).

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5735

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Vulkanisches Zwielicht. Ein Vorschlag zur Datierung des Kuwae-Ausbruchs auf 1464

Krater des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa, Indonesien. Quelle: Wikimedia Commons

Krater des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa, Indonesien. Quelle: Wikimedia Commons

Vor zweihundert Jahren brach Anfang April 1815 der indonesische Vulkan Tambora aus. Dieses Ereignis, und vor allem das darauf folgende Jahr ohne Sommer 1816 stoßen derzeit auf breites Interesse in den Medien: Unwiderstehlich scheint die Mischung von Vulkanasche, ‚Klimakatastrophe‘, Hunger, Missernten, blutroten Sonnenuntergängen und der Entstehung von Mary Shelleys „Frankenstein“. Vulkane ‚gehen‘ immer. Man darf gespannt sein, ob die jubiiäumsbedingten Treffen der klimatologischen Fachwelt und die damit verbundenen Publikationen das düstere Narrativ bestätigen oder relativieren werden.

In der Suche nach Superlativen für das breite Publikum geht oft unter, dass die Eruption des Tambora in ihrem klimatischen Impact mutmaßlich von zwei Vulkanausbrüchen in mittelalterlicher Zeit in beträchtlichem Umfang übertroffen worden sein dürfte: dem seit kurzem geographisch lokalisierten Ausbruch des Samalas auf der Insel Lombok (Indonesien) vermutlich im Jahr 1257, der größten Eruption des vergangenen Jahrtausends, und dem zweitgrößten Vulkanausbruch der letzten 1000 Jahre. Dieser wurde bisher häufig mit einer unterseeischen Caldera in Vanuatu in Verbindung gebracht, nach einem im Rahmen einer lange schon auf 1452 oder 1453 datierten Eruption verschwundenen Inselstück als Kuwae bezeichnet.[1] Obwohl die Lokalisierung umstritten ist (s.u.) soll im Folgenden weiter von der Kuwae-Eruption gesprochen werden, da sich nicht wie im Fall anderer ungeklärter Eruptionen einfach von einem 1452- bzw. 1458-event sprechen lässt, da auch die bisherige Datierung zunehmend fragwürdig scheint.

„unmistakable marks in world climate records“? Kuwae und der Fall von Konstantinopel

Indikator für den klimatischen Impact eines Vulkanausbruchs ist die Menge an Schwefeldioxid, die die Eruption bis in die Stratosphäre schleudert. Dort wandelt sichdas SO2 relativ rasch zu Sulfat-Aerosolen. Diese Schwebeteilchen reduzieren mutmaßlich die Sonneneinstrahlung und können einige Jahre lang um den Globus zirkulieren, für eine Abkühlung sorgen und so auch die meteorologischen Verhältnisse beeinflussen.[2] Rückschlüsse auf die in der Atmosphäre wirksame Menge an Sulfat-Aerosolen, die wiederum zur Klassifizierung des Ausbruchs dienen, ziehen Geowissenschaftler aus polaren Eisbohrkernen. Die dort nachweisbaren Sulfatschichten können allerdings mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht jahrgenau datiert werden: Vielmehr wurden bisher zur Feindatierung häufig historische Fakten – also aus in der Regel schriftlichen Quellen eindeutig belegte und datierbare Eruptionen – als sog. stratigraphische Marker herangezogen.[3] Ein Ereignis wie der Ausbruch des Tambora 1815 und die Wetterkapriolen im Folgejahr sind in der schriftlichen Überlieferung sehr dicht dokumentiert. Viel problematischer ist die Lage für den sehr großen Kuwae-Ausbruch Mitte des 15. Jahrhunderts.

Die historischen Fakten, die 1993 von dem US-Astronomen Kevin D. Pang in einem kurzen Abstract zur Datierung der Kuwae-Eruption angeführt wurden[4], sind – vorab gesagt – alles andere als die „unmistakable marks in world climate records“, die er präsentieren möchte. Zur globalen Verankerung der Datierung dienen ihm sehr pauschale Verweise auf besondere Kälte in Südchina im Jahr 1453/54, auf schlechte Weinernten in Deutschland sowie Ausfälle der Getreideernte in Schweden Mitte der 1450er und auf dendrochronologische Befunde aus Nordamerika, Europa und China. Dass die fraglichen Jahre tatsächlich als kühl und feucht gelten müssen, steht außer Frage. Dies gilt aber sowohl für Europa wie für China (s.u.) in den gesamten 1450er/60er Jahren. Es ist problemlos möglich, eine Handvoll Belege für Kälte und Feuchte sowie Ernteausfälle zu beinahe jedem beliebigen Jahr anzuführen.[5] Damit verlieren diese pauschal zugeordneten Belege ihre argumentative Kraft. Dasselbe gilt übrigens für dendrochronologische Befunde.[6] Entscheidend sind vielmehr spezifische Aussagen in Schriftquellen, die plausibel allein durch eine Aerosolwolke vulkanischen Ursprungs erklärt werden können. Diese meinte Pang in der älteren Literatur zum Fall Konstantinopels im Mai 1453 gefunden zu haben: „But the gardens in the city produced little at that season […] On the night of the full moon there was an eclipse and three hours of darkness […] the whole city [of Constantinople] was blotted out by a thick fog, a phenomenon unknown in those lands in May […] That night, when the fog had lifted, a strange light played about the Dome of the Hagia Sophia […] Lights, too, could be seen from the walls, glimmering in the distant countryside far behind the Turkish camp.“[7] Diese Belege, die Pang anführt und einer für ein breites Publikum gedachten Darstellung von Steven Runciman von 1965 entnimmt, halten keiner näheren Überprüfung stand. Der implizit als Argument für reduzierte Sonnenstrahlung angeführte agrarische Produktionsausfall konnte in keiner Form in den zeitgenössischen Quellen wiedergefunden werden.[8] Das unnatürliche Licht über der Kuppel der Hagia Sophia ist nach ausdrücklicher Erklärung der einzigen davon berichtenden Chronik der göttliche Schutz, der die Stadt verlässt.[9] Die Stürme und Starkniederschläge, per se schon alles andere als überzeugende Indikatoren für eine Aerosolwolke, finden sich im Kontext der Prozession

Staubschicht in der Atmosphäre nach Ausbruch des Pinatubo 1991. Quelle: Wikimedia Commons

Staubschicht in der Atmosphäre nach Ausbruch des Pinatubo 1991. Quelle: Wikimedia Commons

mit einer bisher die Stadt schützenden Marienikone, die im Mai 1453 hoch symbolisch ‚versagte‘.[10] Der beschriebene Nebel über Konstantinopel geht auf eine Passage bei dem mit deutlichem zeitlichen Abstand schreibenden Kritobulos von Imbros zurück, die keineswegs klar einen langanhaltenden, vulkanischen Trockennebel in großer Höhe erkennen lässt, ihre metaphysischen Bezüge aber deutlich macht.[11] Die für den 20. Mai 1453 berichtete,[12] tatsächlich aber für den 22. Mai anzusetzende, in Konstantinopel sichtbare partielle Mondfinsternis[13] zeichnete sich dadurch aus, dass der zunehmende Mond – Vollmond war für den 24. Mai zu erwarten – für vier Stunden nur in stark verminderter Form zu sehen war, einem dreitägigen Sichelmond gleich. Dabei war die Luft völlig klar und ungetrübt. Von einer außergewöhnlichen, dreistündigen Verdunkelung oder Verfärbung – die tatsächlich der Effekt einer durchziehenden Aerosolwolke sein kann[14] – ist im Bericht des Niccolò Barbaro keine Rede.[15] Die Lichter am Horizont hinter dem türkischen Lager, die die Verteidiger angeblich sahen und von denen sie hofften, es handele sich um ein ungarisches Entsatzheer[16], müssen keineswegs mit den Lichterscheinungen gleichzusetzen sein, die in Nordamerika nach dem Krakatauausbruch für falsche Feueralarme sorgten.

Der Quellenbefund wird von Pang also allerorten überdehnt: Nichts was als Beleg in historischen Quellen für den Durchzug einer Aerosolwolke herangezogen wird, ist dafür ein zwingender, oft noch nicht einmal ein plausibler Beleg. Steven Runciman ordnete die berichteten Naturerscheinungen eindeutig als Omen im Kontext des Untergangs der Stadt ein und betonte ihren metaphysischen Charakter, wie dies auch die jüngere Forschung getan hat.[17] Keines der angeführten Phänomene mit Ausnahme der partiellen Mondfinsternis lässt sich in mehreren, unabhängigen Quellen nachweisen. Die Datierung des Ausbruchs auf das Jahr 1452 – nach dem vom Tambora bekannten Muster, nach dem die Kältewelle und Feuchtigkeit mit gehörigem, viele Monate langem Abstand dem Eruptionsereignis folgte – sowie die Postulierung eines ‚Jahrs ohne Sommer‘ für 1453 ist damit hinfällig, soweit sie sich auf Pangs Ergebnisse bezieht. Trotzdem ist festzuhalten, dass viele Jahre alle geowissenschaftlichen, paläovulkanologischen und klimatologischen Untersuchungen auf Pangs Abstract als unhinterfragten Lieferanten ‚historischer Fakten‘ Bezug genommen haben – erkennbar ohne den kurzen Text je gelesen zu haben.[18] Die vollen Konsequenzen der hier plausibel gemachten Fehldatierung der Kuwae-Eruption auf 1452/53 für die Kalibrierung von Eisbohrkernen und anderen naturwissenschaftlichen Daten kann der Autor dieses Textes nicht kompetent einschätzen; völlig unbedeutend dürften sie aber nicht sein. Allerdings fällt auf, dass neuere geowissenschaftliche Publikationen die Rolle stratigraphischer Marker, die aus der schriftlichen Überlieferung gewonnen werden, für die Datierung von Eisbohrkernbefunden nicht klar benennen: Für Vulkaneruptionen in abgelegenen Weltgegenden wie Vanuatu sei die Gewinnung einer präzisen Chronologie durch die Befragung der zeitgenössischen Überlieferung wohl nicht möglich.[19] Entsprechend haben Eisbohrkernforscher in jüngster Zeit Neudatierungsversuche allein durch das Zählen der jährlichen Ablagerungsschichten in Eisbohrkernen unternommen (wobei sich nur ein kleiner Teil der Bohrungen für dieses independent layer counting eignet) und ordnen nun die Kuwae-Eruption ins Jahr 1458 ein.[20] Auch bei dieser präziseren Methode bleibt eine gewisse Unsicherheit in der Datierung von ca. 2 Jahren (Sigl et al.) oder im Extremfall bis zu 7 Jahren (Plummer et al.). Zur Bestimmung der Unsicherheit wird immer wieder auf durch historische Fakten klar belegte, jüngere Eruptionen zurückgegriffen, weil etwa Jahresschichten an den Übergängen zwischen einzelnen Eisbohrkernteilen fehlen könnten. Im Übrigen wird auch in diesen Publikationen auf die Ergebnisse von Pang Bezug genommen, die erklärt werden müssten.[21] Dass also ‚historische Fakten‘ durch diese verfeinerten Methoden völlig irrelevant geworden wären und die Datierung von Eisbohrkernen durch geowissenschaftliche Methoden wirkliche Jahrgenauigkeit herstellen könnten, ist nicht ersichtlich.

Kleiner Ausbruch eines Rinjani-Nebenkraters 1994. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Mount_Rinjani?uselang=de#/media/File:Rinjani_1994_cropped.PNG

Kleiner Ausbruch eines Rinjani-Nebenkraters 1994. Quelle: Wikimedia Commons

Dass „time marker“ aus narrativen Quellen nach wie vor eine fundamentale Rolle spielen[22], legenauch die jüngsten Befunde außerhalb der Eisbohrkernforschung nahe, die eine Identifizierung des für den sog. 1258-event verantwortlichen Vulkans erlaubt haben. Die genaue Datierung der Eruption des Samalas auf Mai 1257 beruht nach allem, was erkennbar ist, auf drei chronikalischen Belegstellen aus dem mittelalterlichen Europa. Mindestens eine dieser Datierungen ist falsch, berichtet die Chronik doch den zur Einordnung herangezogenen warmen Winter[23] für den Januar 1256 und nicht für den Jahresanfang 1258, wie behauptet.[24] Die zweite nordfranzösische Chronik ist in ihren Zeitangaben uneindeutig.[25] Nur ein Zitat aus der Chronik des Matthew Paris stützt den Datierungsversuch, der allerdings trotz der benannten Fehler – und damit eher zufällig – korrekt sein könnte.[26]

Alternativjahr 1464: „das die sun(n)e ir glaentz nit als claerlich hett, als sy dan(n) haben solt“

Das am Beispiel der Kuwae-Datierung durch Pang aufgezeigte Problem ist also virulent und kein Einzelfall. Es illustriert sehr deutlich die Bedeutung von Kooperationen zwischen Geschichts- und Geowissenschaftlern für gewisse Forschungen bzw. unterstreicht die fatalen Konsequenzen, wenn solche Zusammenarbeit unterbleibt. Doch kann man in narrativen Quellen des späten Mittelalters überhaupt spezifische Belege finden, die auf den Durchzug einer Aerosolwolke und wirklich nur darauf schließen lassen? Bei einer umfangreichen Recherche zu ungewöhnlichen Himmelsphänomenen in den 1460er Jahren[27] stieß der Autor auf einige sehr spezielle Befunde, die in diesem Kontext überaus relevant erscheinen und daher kurz vorgestellt werden sollen:

St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 646 f. 211v: Chronik von Konstanz des Gebhard Dacher, ad. ann. 1465.

St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 646 f. 211v: Chronik von Konstanz des Gebhard Dacher, ad. ann. 1465.

Ausgangspunkt war eine bemerkenswerte Charakterisierung des Jahres 1465 durch den Konstanzer Chronisten Gebhard Dacher, über das er schrieb, das die sun(n)e ir glaentz nit als claerlich hett, als sy dan(n) haben solt. […] Nun was sy vor das jar jn her zü mengem mal mit ir varb entstelt gewesen, yetz vast geluar, dan(n) rotuar, mit zirkeln, gestalt ain regenbogen, umgeben, ye das sy ir wùrkùng der frùchten halb das jar nit hett als andre jar.[28] Die hier sehr genau beschriebene, übers Jahr hin verminderte Sonnenstrahlung und der damit in Verbindung gebrachte, reduzierte Wuchs der Feldfrüchte ist ein sehr präzises Indiz für eine vulkanische Aerosolwolke. Allerdings ist mit einem Einzelbeleg nichts zu beweisen, besteht doch immer die Gefahr von Fehldatierung in der Überlieferung oder doch fiktionaler Berichte. Die weitere Suche brachte aber drei voneinander und vom Konstanzer Zitat erkennbar unabhängige Befunde aus dem nördlichen Mitteleuropa, die alle von (meist blauen) Verfärbungen und geringer Strahlkraft der Sonne sowie gelblicher Luft um ein ganz spezifisches Datum (13. September 1465) herum berichten.[29] Noch bemerkenswerter ist, dass auch südalpin zum ungefähr selben Datum aus vier verschiedenen Regionen Italiens Berichte vorliegen:[30] Eine Bologneser Chronik schildert einen besonders dunstigen September, in dem die milchweiße, manchmal blaue Sonne ohne Strahlkraft blieb wie der nächtliche Mond und den Wein nicht zum Reifen brachte.[31] Der römische Senatsschreiber Stefano Infessura erwähnt Veränderungen der Sonne am 14. September, die mal grün, mal blau, mal gelb erschien.[32] Ein Chronist aus dem umbrischen Gubbio berichtet ebenfalls, dass die Sonne zur Mittagszeit des 13. September blau wurde und so bis zum nächsten Tag blieb.[33] Doch das Potential zum Kronzeugen einer durchziehenden Aerosolwolke hat eindeutig der neapolitanische Notar Angelo de Tummulillis. Er berichtet, dass vom 8. September an die oberen Luftschichten so dunstig waren, dass die Sonne nach ihrem Aufgang wie der Mond wirkte und selbst um die Mittagszeit keine Schatten warf. Am 13. September wurde sie noch dunkler, am Morgen des 14. September erschien sie ganz gelblich wie hinter Nebeln, am Mittag von blauer Farbe. Mehr als zehn Tage konnte sie die hohen Nebel kaum durchdringen, dazu herrschte völlige Windstille und statt Wolken gab es nur den Dunst in der Höhe. Als nach über einer Woche ein leichter Wind aufkam, konnte dieser den Höhennebel nicht vertreiben.[34]

Die Schilderung durch Angelo de Tummulillis lässt an Präzision nichts zu wünschen übrig und deckt sich mit dem, was zu vulkanischen Trockennebeln nach der Tambora-Eruption bekannt ist.[35] Wie alle anderen genannten Autoren enthält er sich bei der Beschreibung der ihm unerklärlichen Himmelsphänomene bemerkenswerterweise metaphysischer Erklärungsversuche. Wie aber können die Berichte über eine blaue und grüne Sonne plausibel als Effekt einer Aerosolwolke erklärt werden? Im Kontext des Tambora-Ausbruchs wird nichts dergleichen berichtet. Eine Sammlung weltweiter Beobachtungen nach dem Ausbruch des Krakatau 1883 verweist hingegen durchaus auf Berichte aus Äquatornähe, dass dort eine Blau- und Grünfärbung der Sonne nach dem Ausbruch des Vulkans bemerkt wurde.[36] Auch alternative Erklärungen für die blaue Sonne müssen in Betracht gezogen werden: Im September 1950 war über Nordeuropa, v.a. in Schottland und Skandinavien, eine Blaufärbung der Sonne zu beobachten, die hypothetisch auf massive Waldbrände in Kanada zurückgeführt wurde.[37] Allerdings könnte auch bei diesem Ereignis ein in Japan lokalisierter Vulkanausbruch im Spiel gewesen sein, weil völlig unklar ist, ob die Rußpartikel eines Waldbrands die für einen Transport bis nach Europa notwendigen Höhen in der Atmosphäre erreichen können.[38]

An dieser Stelle ist zu betonen, von welchen Zufällen eine solche kohärente Beobachtungskette von Neapel bis Braunschweig abhängt: Voraussetzung ist ein wolkenloser Himmel an denselben Tagen in Regionen, die eigentlich von grundverschiedenen meteorologischen Mustern geprägt sind. Dies mag auch den Negativbefund für West- und Osteuropa erklären. Hinzu kommt die Anwesenheit eines Beobachters, der sich für Himmelsphänomene interessiert und diese brauchbar datiert und beschreibt.[39] Insofern sind sieben voneinander unabhängige, spezifische Quellenbelege schon ein zufriedenstellendes Ergebnis. Offen bleiben muss, ob im September 1465 nur ein Ausläufer einer Aerosolwolke in einem langen Streifen von Norddeutschland bis Süditalien sichtbar war. Nur eine Quelle, Gebhard Dacher, berichtet von dauerhaft eingeschränkter Strahlkraft der Sonne im Jahr 1465. Ein Bericht des uns bereits aus dem Kontext von 1453 bekannten Chronisten Kritobulos von Imbros schildert möglicherweise einen bereits früher erfolgten Durchzug eines ersten Teils der Kuwae-Aerosolwolke: In eben diesen Tagen aber wurde auch eine außergewöhnliche Himmelserscheinung beobachtet. Zur hohen Mittagszeit nämlich verfinsterte sich die Sonne, die ungetrübt und wolkenlos schien, in einem plötzlichen Wechsel und wurde dunkel, und ihr Aussehen veränderte sich, und sie nahm die Farbe von dunklem Kupfer an und wurde ganz und gar finster und schwarz, nicht in der gewohnten Weise wie bei Sonnenfinsternissen (denn es war keine Sonnenfinsternis damals), sondern auf eine andere noch nie dagewesene Art, gleichsam wie wenn ein Nebel oder eine dichte, dunkle Wolke sie überziehe und überschatte, und sie blieb so insgesamt drei Tage und ebenso viele Nächte lang, und es haben sie auch alle so gesehen.[40] Leider ist diese Beobachtung, die vermutlich in der nördlichen Ägais anzusiedeln ist, nicht sicher datierbar. Der Editor schlägt aus dem Kontext der Chronik heraus den Zeitraum Herbst/Winter 1464 vor; eine Sonnenfinsternis kann nachweislich nicht Ursache der Erscheinung sein.[41]

Der Befund aus der Ägais weist aber erstmals über die Grenzen des mittelalterlichen Europa hinaus: Denn bei einem globalen Ereignis wie der Kuwae-Eruption kann man auch weltweite Beobachtungen der Aerosolwolke und ihrer Effekte zumindest erhoffen. Allerdings stößt der Autor spätestens hier an die Grenzen seiner Fähigkeiten, zum einen wegen Sprachbarrieren, zum anderen in den Kenntnissen, wie mit schriftlicher Überlieferung aus dem muslimischen, indischen oder mittelamerikanischen Raum umgegangen werden muss. Nur ein instruktives Beispiel aus China mag zeigen, welche Potentiale in einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Mediävisten, Arabisten, Indologen, usw. schlummern dürften: Chinesische Klimahistoriker haben seit den 1980er Jahren die immense schriftliche Überlieferung ihres Landes nach meteorologisch relevanten Informationen von der frühesten Zeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts durchsucht und diese Ergebnisse publiziert.[42] Die Datensammlung für die 1460er Jahre zu interpretieren ist schwierig, werden die Befunde doch in einem sehr annalistischen Stil präsentiert.[43] Da so eine qualitative Einschätzung schwierig bis unmöglich wird, wurde ein simpler quantitativer Ansatz versucht, der Kategorien von Extremereignissen wie Fluten und Dürren in ein prozentuales Verhältnis setzt. Dadurch wurde klar, dass im großen geographischen Raum des mittelalterlichen China z.B. auch Trockenjahre eine für sich genommen beträchtliche Zahl an Fluten in manchen Landesteilen aufweisen können. Dasselbe gilt für extreme Temperaturen. Umso weniger ist es sinnvoll, hier Einzelereignisse wie kalte Winter, zufrierende Flüsse, etc. als Indikatoren herauszugreifen, wie Pang es für die 1450er Jahre getan hat. Erkennbar ist, dass nach einem feuchten Jahr 1460 die Jahre 1461 bis 1463 tendenziell trockener wurden.[44] Einen drastischen Wechsel verzeichnen dann die äußerst niederschlagsreichen Jahre 1464/65.[45] Im Februar 1464 wird ein – allerdings unspezifischer – Nebel für Bejing erwähnt.[46] Sehr viel aussagekräftiger sind Berichte über den Niederschlag von “schwarzer Hirse” in Zentralchina und “schwarzem Reis“ in Südchina im Juli 1464.[47] Innerhalb der vorliegenden chinesischen narrativen Quellen der 1460er Jahre gibt es keine vergleichbaren Berichte. Es ist sehr verlockend, diese beiden wiederum unabhängigen Textstellen als Umschreibungen für den Niederschlag von Vulkanasche des über 7000 km entfernten Kuwae zu verstehen. Allerdings wurde bei der (mutmaßlich kleineren) Tambora-Eruption Vulkanasche nur in einer Entfernung von bis zu 1300 km nachgewiesen.[48] Die Beantwortung der Frage, ob ein Niedergang feiner Vulkanasche auch in so großer Entfernung vom – geographisch ja umstrittenen[49] – Eruptionsort denkbar ist, kann kein Historiker leisten.

Fazit

Mindestens drei Schlussfolgerungen bieten sich abschließend an:

Erstens soll vor dem Rückgriff auf die Ergebnisse Pangs für die Diskussion um die Kuwae-Eruption Mitte des 15. Jahrhunderts nachdrücklich gewarnt werden. Sie sind nicht valide. Selbst wenn sie nicht mehr die zentrale Rolle für die Datierung als stratigraphische Marker spielen, wird auf sie doch immer wieder Bezug genommen, etwa in der Frage, ob es sich um zwei Eruptionen handelte: Arktische Eiskerne weisen gelegentlich zwei Eruptionssignale jeweils Mitte der 1450er und Anfang der 1460er auf; andere zeigen nur ein Signal.[50] Wenn weiterhin aufgrund der invaliden Beobachtungen von Pang ein Zwang zur Erklärung meteorologischer und optischer Phänomene im Jahr 1453 gesehen wird[51], gehen solche Interpretationen des Datenmaterials vermutlich von falschen Voraussetzungen aus.

Zweitens sollen die hier vorgestellten Belege diskutiert werden, und zwar nicht nur von Mediävisten und bewusst im eher informalen Rahmen eines Blogbeitrags: Ermöglichen die dargebotenen Befunde aus den Schriftquellen – vorausgesetzt ihre Interpretation als Effekte einer vulkanischen Aerosolwolke trifft zu – nicht eine ähnlich präzise, ja letztlich präzisere Datierung als das Schichtenzählen bei Eisbohrkernen? Anders als bei Frostringen in dendrochronologischen Befunden, die lokale Phänomene spiegeln und keineswegs zwingend mit Vulkaneruptionen erklärt werden müssen, können die vorlegten Auszüge aus narrativen Quellen so einfach nicht ohne Aerosolwolke erklärt werden. Schließen die naturwissenschaftlichen Datierungen eine Eruption im Jahr 1464 vollständig aus, wenn wir das Jahr 1453 schlicht vergessen und eine Grobeinordnung der Eruption(en) in die Mitte des 15. Jahrhunderts vornehmen, um dann die Diskussion neu zu führen?

Zweifellos hängt die Validität der hypothetischen Datierung auf 1464 von der Qualität der beigebrachten Schriftquellen ab. Der Autor hat hier nur einen kleinen Ausschnitt der erhobene Belege präsentiert, dafür aber ausschließlich solche, die seiner Ansicht nach kaum anders als mit Durchzug einer Aerosolwolke vulkanischen Ursprungs erklärt werden können. Um den hier formulierten Vorschlag einer Datierung der Kuwae-Eruption – oder unter welchem Namen dieser Ausbruch auch immer künftig firmieren wird – auf 1464 argumentativ zu erhärten, bräuchte es vergleichbar präzise und einschlägige Beobachtungen für die Jahre 1452/53 oder auch 1458-60. Eine ähnlich intensive Recherche wie für die 1460er Jahre steht für die 1450er noch aus. Außerdem wäre es fundamental, Alternativerklärungen für die blaue und grüne Sonne, die beschriebenen Höhennebel sowie die reduzierte Sonneneinstrahlung ausschließen zu können. Im Fall der hier vorgestellten Phänomene sind also auch Quellenbefunde aus der Nordhemisphäre relevant für Eruptionsereignisse der Südhemisphäre.[52] Allerdings muss die Überlieferung der außereuropäischen Gesellschaften noch gründlich von Fachleuten durchsucht werden. Dies kann ein Einzelner nicht leisten.

Drittens fokussiert der Beitrag ausdrücklich auf Aspekte, bei denen Geowissenschaftler von historischer Expertise profitieren können. Ausgespart blieb daher das, was Historiker für gewöhnlich eher interessieren würde: die zahlreichen Aussagen der narrativen Quellen zu meteorologischen Extremereignissen zwischen 1460 und 1470 sowie deren mutmaßlicher sozialer und ökonomischer Impact. Für Datierungsfragen sollten diese Beobachtungen, da nicht zwingend durch eine vulkanische Ursache erklärbar, ohne Beachtung bleiben. Der Autor hat sich ihnen an anderer Stelle gewidmet, mit dem substantiierten Eindruck, dass die meteorologischen Konsequenzen der Kuwae-Eruption viel weniger eindeutig dem Tambora-Modell folgen als bisher angenommen und generell die sozio-ökonomischen Folgen weniger harsch und apokalyptisch sind als vielfach angenommen.[53] Vielleicht liegt darin auch eine Erklärung, warum die Wachstumsringe von Bäumen nicht ‚adäquat‘ (d.h. stark) auf vulkanische Eruptionen reagieren:[54] Die vulkanische Abkühlung – so eine abschließende Hypothese im Gegensatz nicht nur zu Mann et al. 2012 – wird nicht unterschätzt, sie wird überschätzt. Aber das bedarf weiterer Forschung, von geowissenschaftlicher wie von geschichtswissenschaftlicher Seite.

Ausdrücklich erbittet der Autor Rückmeldung und Kritik zu seinen hier geäußerten Überlegungen, die genau zu diesem Zweck online gestellt wird. Bei der Recherche geriet er vielfach an die Grenze der eigenen Kompetenzen. Die geäußerte Kritik auch an Kollegen aus anderen Disziplinen erfolgt im Bewusstsein, wie schnell auch der Autor selbst bei diesem Thema zwar noch am wenigsten mit seinem Latein, aber doch mit seinem Verständnis komplexer Prozesse, die andere Fächer beschreiben, am Ende war. Ich erhoffe mir eine fruchtbare Diskussion, die ein wenig mehr Klarheit in das vulkanische Zwielicht bringt.

An English version of this article is upcoming.

Zitiervorschlag:

Martin Bauch: Vulkanisches Zwielicht. Ein Vorschlag zur Datierung des Kuwae-Ausbruchs auf 1464, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 10. April 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5697 (ISSN 2197-6120)

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Anmerkungen:
[1] Vgl. zuletzt Jeffrey B. Witter; Steven Self, The Kuwae (Vanuatu) eruption of AD 1452: potential magnitude and volatile release, in: Bulletin of Vulcanology 69 (2007), S. 301-318 mit weiterer Literatur.

[2] Jüngste Überblicke über den komplexen Mechanismus z.B. bei Anja Schmidt; Alan Robock, Volcanism, the atmosphere, and climate through time, Chap. 13, in: Volcanism and Global Environmental Change, ed. by Anja Schmidt, Кirsten E. Fristad, Linda T. Elkins-Tanton, (Cambridge University Press, Cambridge, 2015, S. 195-207, hier S. 198f.; Jihong Cole-Dai, Volcanoes and climate, in: Wiley Interdisciplinary Reviews: Climatic Change 1/6 2010, S. 824–839.

[3] Auf neuere, höhere Genauigkeit beanspruchende Datierungsmethoden der Eisbohrkernforscher wird weiter unten eingegangen.

[4] Kevin D. Pang, ‘Climatic impact of the mid-fifteenth century Kuwae caldera formation, as reconstructed from historical and proxy data’, in: Fall Meeting. American Geophysical Union, 1993, S. 106. Zur gewöhnlich falsch wiedergegebenen bibliographischen Angabe dieses Abstracts vgl. Anm. 18.

[5] Für die 1450er Jahre wird auf die klimageschichtliche Online-Datenbank tambora.org verwiesen. Obwohl ein Großteil der darin aufgenommen Daten sich als aus quellenkritischer Sicht gerade für das Mittelalter als problematisch erweist – v.a. die Aufnahme nicht zeitgenössischer Quellen ist zu nennen –, ist das Projekt perspektivisch doch sehr nützlich für die Sammlung meteorologisch relevanter Daten aus narrativen Quellen. Für die 1460er Jahre liegt eine Kompilation quellenkritisch zuverlässiger Belege durch den Autor vor, vgl. Martin Bauch, The day the sun turned blue. The redated Kuwae eruption in 1465 and its putative climatic impact – a globally perceived volcanic disaster in the Late Middle Ages?, in: Schenk, Gerrit J.  (Hg.), Historical Disaster Experiences. A Comparative and Transcultural Survey between Asia and Europe, Heidelberg 2015 (im Druck).

[6] Siehe Anm. 54.

[7] Steven Runciman, The Fall of Constantinople, Cambridge/Mass. 1965, S. 112, 121f.

[8] Die drei von Runciman angeführten Chronisten Niccolò Barbaro, Leonard von Chios und Giorgios Sphrantzes berichten im April und Mai 1453 nichts, was über normalen Nahrungsmittelmangel im Zug einer Belagerung hinausgeht (Vgl. La caduta di Costantinopoli. Le testimonianze dei contemporanei, a cura di Agostino Pertusi, S. 19-29, 129-153) Misswuchs oder Verweise auf reduzierte Sonneneinstrahlung finden sich nirgends. Dass landwirtschaftliche Flächen innerhalb der Stadtmauern im April/Mai wenig Essbares produzierten – und vielleicht meint Runciman nur das –, ist jahreszeitbedingt alles andere als ungewöhnlich.

[9] Il 21 maggio ci fu, a causa di nostri peccati, un tremendo presagio in città: la notte del venerdì tutta la città si illuminò, e le sentinelle, avendo visto ciò, corsero a vedere che cosa stava succedendo: pensavano che i turchi avessero incendiato la città e gridavano a gran voce. Radunatasi una gran folla, si vide che in cima, dalle finestre della Grande Chiesa di Santa Sofia, usciva un gran fuoco che circondò la base della cupola della chiesa per molto tempo e le fiamme riunitesi si trasformarono in un‘ unica gran fiamma, e ci fu come una luce indescrivibile e subito essa salì verso il cielo. Coloro che guardavano incominciarono a piangere amaramente rivolgendo l’invocazione: ‚Signore, abbi pieta!’. Quando quella luce raggiunse il cielo, si aprirono le porte del cielo e, accolta la luca, di nuovo si richiusero. […] [Am nächsten Tag erläutert der Patriarch dem byzantinischen Kaiser das Vorgefallene]: ‘Tu sai, imperatore, tutte le predizioni su questa città, e anche ora c’è stato un presagio tremendo: la luce indescrivibile, che operava già nella Grande Chiesa di Santa Sofia assieme ai più grandi sapienti e ai sommi sacerdoti ecumenici, così come anche l’angelo divino, che Dio aveva reso più forte durante il regno dell‘ imperatore Giustiniano per la conservazione della santa e grande chiesa e di questa città, questa notte se ne sono andati in cielo; e ciò significa che la grazia di Dio e la sua generosità ci hanno abbandonato [S. 283] e che Dio vuole consegnare la città nelle mani di nostri nemici‘. E così gli presentò quelle persone che avevano visto il prodigio; e come l’imperatore ebbe ascoltato quanto essi dicevano, cadde a terra come morto e senza parola per lungo tempo (Nestor Iskander, Racconto di Costantinopoli, in: La caduta di Costantinopoli. Le testimonianze dei contemporanei, a cura di Agostino Perusi, S. 261-298, hier S. 282f.)

[10] Bereits zu Beginn der Prozession war die Ikone von übernatürlichen Kräften zu Boden geworfen worden, so dass sie kaum wieder aufgehoben werden konnte. Doch damit nicht genug: Dann aber […] brach gleich darauf genau um die Mittagsstunde ein starkes Gewitter herein mit dunklem Gewölk, und es goß in Strömen und hagelte heftig, so daß die Priester und Träger der Ikone und die nachfolgende Menge es nicht aushalten und ihren Weg nicht weiter fortsetzen konnten, bedrängt und behindert durch die herabstürzenden Regenmassen und die Gewalt des Hagels. Auch wären viele der mitziehenden Kinder in Gefahr geraten, mitgerissen zu werden und zu ertrinken, fortgeschwemmt von dem starken und reißenden Wasserschwall, wenn nicht Männer sie sogleich ergriffen und mit Mühe der Gewalt des Wassers entrissen hätten. So unerhört und ungewöhnlich war die gewaltige Masse des Regens und jenes Hagels. Fraglos zeigte dies den unmittelbar bevorstehenden, totalen Untergang der Stadt an (Mehmet II. erobert Konstantinopel. Die ersten Regierungsjahre des Sultans Mehmet Fatih, des Eroberers von Konstantinopel 1453. Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros, Übersetzt, eingeleitet und erklärt v. Diether Roderich Reinsch [Byzantinische Geschichtsschreiber, 17], Graz; Wien; Köln 1986, S. 103).

[11] Tags darauf aber hüllte morgens eine tiefhängende Wolke die ganze Stadt vom Morgengrauen bis zum Abend ein. Dies zeigte zweifellos den Aus- und Rückzug der Gottheit aus der Stadt an und dass sie diese endgültig verließ und sich von ihr abwandte. Denn in eine Wolke gehüllt naht die Gottheit und entschwindet wieder (Ebd., S. 104)

[12] Pur ancora in questo zorno de vintido de mazo [20. Mai 1453], a una hora de note el parse uno mirabel segnal in zielo, el qual segno fo quel che dè ad intender a Costantin degno imperadore de Costantinopoli, che el suo degno imperio sì se aprossimava al finimento suo, come con efeto è stato. Questo segnal si fo de questa condition e forma: questa sera a un hora de notte levò la luna et havea hozi el suo tondo, levando questa luna la dovea levar tuta tonda, ma questa luna si levò come quela avesse abudo tre zorni, la qual puoco parea, e iera l’aiere sereno come un cristalo neto e mundo; questa luna si durò a questo muodo zerca hore quattro, e poi a puoco a puoco quela si se andò fazando el suo tondo, e a ore sie de note, tuta si fo compida de far el suo tondo. (Niccolò Barbaro, Giornale dell’assedio di Costantinopolo, in: Pertusi, La caduta di Costantinopoli [wie Anm. 9], S. 8-38, hier S. 26)

[13] http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEhistory/LEplot/LE1453May22P.pdf

[14] Richard A. Keen, Volcanic Aerosols and Lunar Eclipses, in: Science 222 (1983), S. 1011-1013.

[15] Hier scheint das Versäumnis bei Runciman zu liegen, der die venezianische Quelle irreführend paraphrasiert.

[16] Die wenig präzise Belegpraxis Runcimans macht es unmöglich, die dieser Behauptung zugrunde liegende Quellenstelle zu finden. Da aber die Beobachtung so oder so keine argumentative Kraft hat, wurde darauf verzichtet, umfänglich Editionen durchzugehen.

[17] Runciman, The Fall (wie Anm. 7), S. 121f.; Marios Philippides; Walter K. Hanak, The Siege and the Fall of Constantinople in 1453. Historiography, Topography and Military Studies, Farnham, 2011, S. 214-231.

[18] Die ausnahmlos anzutreffende bibliographische Angabe des in Anm. 4 genannten Abstracts von Pang verweist auf den Publikationsort „Eos. Transactions of the AGU 74 (1993), S. 106“. Die genannte Seitenzahl existiert in keinem der beiden Teilbände 74/9 und 74/10; natürlich findet sich auch Pangs Abstract nicht hier. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Angabe von Publikation zu Publikation übernommen, aber nie überprüft wurde.

[19] Michael Sigl et al., A new bipolar ice core record of volcanism from WAIS Divide and NEEM and implications for climate forcing of the last 2000 years, in: Journal of Geophysical Research, 118/3 (2013), S. 1151–1169, here S. 1152: “While many of the Icelandic eruptions back into the middle ages are associated with reliable eruption dates reported by historic witnesses, this is not true for the majority of eruptions that took place in remote areas of the tropics and the Southern Hemisphere […]. Nevertheless, two additional time markers from large stratospheric eruptions in the tropics are used as tie-points for development of ice core chronologies: an unknown eruption in 1258 […], the largest volcanic event of the last millennium, and the signal in 1452/1453 associated with the eruption of Kuwae in Vanuatu […], the largest volcanic event of the last millennium for most of the Antarctic ice core records. Various volcanic timescales in Antarctica were tied to this 15th century time marker.”

[20] Ebd., S. 1160f.; C.T. Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record from LawDome, East Antarctica, including a new perspective on the dating of the 1450s CE eruption of Kuwae, Vanuatu, in: Climate of the Past 8 (2012) S. 1929-1940, hier S. 1936f.

[21] Vgl. Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1163; Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1936f.

[22] “only volcanic signals from historically documented eruptions have been used to tie the absolute ages” (Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1153.

[23] Vgl. zum Auftreten warmer Winter in (Nord-)Europa unmittelbar nach großen Vulkaneruptionen Schmidt/Robock, Volcanisms (wie Anm. 1), S. 200 mit weiterer Literatur.

[24] Franck Lavigne et al., Source of the great A.D. 1257 mystery eruption

unveiled, Samalas volcano, Rinjani Volcanic

Complex, Indonesia, in: PNAS 110/42 (2013), pp. 16742-16747, here p. 1674. Viele inexakte Angaben fallen ins Auge: vom Titel der zitierten Chronik (recte: 1308) bis hin zur fehlenden Seitenzahl in der Edition (S. 131). Vom grundsätzlichen Problem, aus einer mit mindestens 60 Jahren Abstand zum Ereignis niedergeschriebenen Chronik exakte Angaben für das Jahr 1258 zu erwarten, ganz zu schweigen.

[25] Die Chronologie im von Lavigne et al. zitierten Text (S. 2) ist nicht so klar wie behauptet: Der Kontext der Textstelle in der Edition mit seinen Erwähnungen der Wahl Richards von Cornwall (13. Januar 1257) verweist eindeutig auf das Jahr 1257, wenn auch der isolierte Absatz zum warmen Winter tatsächlich, wenn auch keineswegs zwingend, auf das Folgejahr deuten könnte.

[26] Zu verweisen ist auf in Vorbereitung befindliche Artikel zu den Konsequenzen des Samalas-Ausbruchs für das mittelalterliche Europa einerseits durch Bruce Campbell (Belfast), andererseits durch den Autor. Darin werden weitere Belege für einen warmen Winter 1257/58 angeführt.

[27] Vgl. Bauch, The day the sun turned blue (wie Anm. 5). Zur Quellenbasis der Studie, deren datierungsrelevanter Teil hier präsentiert wird: Ein Großteil der wichtigsten edierten Chroniken, Tagebücher und anderer narrativer Quellen in Europa und dem Mittelmeergebiet wurden vom Autor für die Jahre 1460-1470 überprüft. Sie wurden durch Rückgriff auf das unverzichtbare Hilfsmittel der Encyclopedia of the Medieval Chronicle, ed. Graeme Dunphy, 2 Bde., Leiden 2010 ermittelt. Quellen in ungarischer, rumänischer, russischer, griechischer und arabischer Sprache wurden nicht ausgewertet, soweit keine Übersetzung ins Englische, Französische oder Deutsche vorlag. Von einer Gesamtzahl von 280 im Druck vorliegenden narrativen Quellen für die genannte Periode enthielten 181 keine relevanten Informationen zu Wetter, Hunger, Epidemien oder Himmelsphänomenen, 69 erbrachten Resultate. 31 Quellen konnten weder über Fernleihe noch online eingesehen werden.

[28] Die “Konstanzer Chronik” Gebhart Dachers: “By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vnd sachen …”; Codex Sangallensis 646, Edition und Kommentar, hg. v. Sandra Wolff, Ostfildern 2008, S. 696.

[29] Sog. „Sächsische Bilderchronik“ aus Braunschweig: Darna upp ein fridage vor des hiligen Crützes dage in dem rechten midden dage, do vvas de sunne so blauwe umme getzirkelt alse ein blauw korne blome, unde gaff nenye schyn van sick (Chronicon Brunsvicensium Picturatum dialecto saxonica conscriptum, in: Scriptores rerum Brunsvicensium illustrantium, Bd. 3, hg. v. Gottfried Wilhelm Leibniz, Hannover 1711, S. 277-425, hier S. 411); Soester Stadtbücher: Anno domini 1465. Up des hilgen Cruces avende Exaltacionis do was dey sunne an dem hemele so bla ind dey lucht so gelbleck, dat nummant en wuste, wo dat sin mochte, und dat dey rynck van der sunnen und dey schyn was alle blaewyt und was ok eyne wijle tydes roit und wyt (Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte. Dritter Band: Soest und Duisburg, Leipzig 1895 [Die Chroniken der deutschen Städte, 24], S. 51); Bericht einer Chronik aus der Gegend um Maastricht: Terstont doer noe op synte Cornelis avent off op der Heyligen Cruyts avent due scheyn die sonne also jemerlich inde also blodich, gelick doen hedde sy myt blode besmert off bestreken gewest. Inde dit waes al te jemerlick inde bedroft aen te syen. Inde dit duerde omtrent II dach (J. Habets [Hg.], Chronijck der Landen van Overmaas en der anngrenzende gewesten door eenen inwoner van Beek bij Maastricht, in: Publications de la Société Historique et Archéologique dans le Limbourg 7 (1870), S. 11-218, hier S. 22).

[30] Auf sie verweist erstmals Dario Camuffo, Silvia Enzi, Impact of the Clouds of Volcanic Aerosols in Italy During the Last 7 Centuries, in: Natural Hazards 11 (1995), S. 135-161, hier S. 140. Doch wird das Ereignis hier nicht direkt mit einem global wirksamen Ausbruch in Zusammenhang gebracht.

[31] El mese de settenbre [1465] fu chalinzoso, ché ‘l sole mostrava pocho spiandore, era de colore como è la notte la luna, cum colore azuro e smorto, l’ochio del sole biancho como latta; le uve non se possenno madurare bene, li vini bruschi. Questo durò infino adì 26 de settembre (Corpus Chronicorum Bononiensium. Bd. 4, hg. v. Albano Sorbelli, Città di Castello 1924, [RIS² 18/1-4], S. 341, Cronaca A, Cronaca B quasi identischer Bericht).

[32] Eodem anno [1465] a dì 14 di settembre, in die santae crucis, lo sole fece molte mutationi; quanno pareva verde e quanno azzurro et alcuna volta giallo, tutto lo dì (Diario della città di Roma di Stefano Infessura scribasenato, a cura di Oreste Tommassini, Roma 1890 [Fonti per la Storia d’Italia, 5], S. 69).

[33] A dí 13 de setembre [1465], che fo vènere, circa el mezo dí, el sole deventò celestro, et stecte cosí tucto el sabato, che fo a dí 14; e cosí ando sotto la sera.

[34] Sed in ipso mense septembris .XIIII. indictione infra octavam nativitatis beate virginis Marie totum aer sursum factum nubilosus et caliginosus per plures dies et noctes in tantum quod sol in ortu suo videbatur velut luna non radians, et in meridie non naturaliter set paulisper effundebat radios suos ita quod in oppositis vero faceret umbram, qui cum declinaret ad occasum aspicientibus latebat in totum. Sed eadem ebdomada die veneris .XIII. eiusdem magis oscuratus est et in sequenti die sabati .XIIII. in mane apparuit quasi inter nebulas intrusus crocei coloris usque ad sextam, ita quod vultus etiam hominum sese adspicientium viderentur eiusdem crocey coloris seu zallany; et circa meridiem usque ad vesperos dictus sol apparuit coloris azuri seu brevis parum radians inter nebulas vel caligines interpositas, et omni die in vesperis latebat quasi in totum, et hoc duravit quasi per decem dies cum silentio et tranquilitate aeris sine flatu alicuius venti, nec aliqua nubes apparebat super terram vel in montaneis nisi in aere, quasi caligines sine motu. Set postea ceperunt flare modicum venti super terram non expellentes tamen caligines in aere (Notabilia temporum di Angelo de Tummulillis da Sant’Elia, a cura di Costantino Corvisieri, Livorno 1890 [Fonti per la Storia d’Italia, 7], S. 134)

[35] Vgl. Richard B. Stothers, The Great Tambora Eruption in 1815 and Its Aftermath, in: Science 224/4654 (1984), S. 1191–1198, hier S. 1194f.

[36] Tom Simkin; Richard S. Fiske, Krakatau 1883. The Volcanic Eruption and its Effects, Washington, D.C.: Smithsonian Institute Press, 1983, pp. 154–159.

[37] Rudolf Penndorf, On the phenomenon of the colored sun, especially the “blue” sun of september 1950, Cambridge, MA: Air Force Cambridge Research Center, 1953; Anders Angström, The Blue Sun of September 1950, in: Tellus 3/3 (1951), S. 135-140 mit weiterer Literatur zum Phänomen der blauen Sonne.

[38] Ebd., S. 140.

[39] Der Befund kann sich auch ganz anders darstellen: In der „Chronik Friedrichs I. des Siegreichen“ (Berichtzeitraum 1452-1475) schreibt Matthias Kemnat zum Thema Von den cometen, hauven vnd irem vbel. Leider ist der Bericht nicht genau zu datieren. Die Kometen werden auf die Jahre 1456, 1469 und 1477 datiert; eine Einordnung der beschriebenen Sonnenverfärbung in die zweite Hälfte der 1460er Jahre wäre also auf jeden Fall denkbar: Auch soltu hie wissen vnd eben mercken, das zu der zeit, do keiser Friederich der dritt hoit regiert, haben zum dickern male erschienen vnd sint gesehen worden die cometen. Das sein stern mit langen schwentzen. Die sone ist vil tag blahe gesehen worden vnd ein creutz ist gesehen worden inn dem mone vnd vil anders wunders an dem himmel (Matthias von Kemnat, Chronik Friedrichs I. des Siegreichen, in: Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen. Erster Band: Matthias von Kemnat und Eikhart Artzt, hg. v. C. Hofmann, München 1862 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, 2), S. 1-141, hier: S. 87).

[40] Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros (wie Anm. 10), S. 277.

[41] Ebd., S. 327. Tatsächlich gibt es im ganzen Jahr 1464 bis 20. September 1465 keine Sonnenfinsternis, die im Gebiet des heutigen Griechenland und der Türkei hätte sichtbar sein können, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SE1401-1500.html

[42] De’er Zhang (ed), A compendium of Chinese Meteorological Records of the last 3,000 years, 4 vols., Nanjing 2004. Relevant ist hier Bd. 2 mit Quellen für die Ming-Dynastie (1368-1643).

[43] Meteorologische Ereignisse werden knapp beschrieben: „severe flood“, „long drought“, continuous rainfall”. Ob dies der kompilatorischen Arbeit der Herausgeber zu verdanken ist oder den Wortlaut der Originalquellen spiegelt, entzieht sich bereits der Kenntnis des Autors.

[44] 1460: 55% Hochwasser, 14% Dürre, 18% Dauerregen. – 1461: 38% Hochwasser, 29% Dauerregen, 22% Dürre. – 1462: 35% Hochwasser, 6% Dauerregen, 32% Dürre, 16% kein Schnee im Winter. – 1463: 33% Hochwasser, 29% Dauerregen, 33% Dürre. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Gesamtzahl aller berichteten meteorologischen Extremereignisse, ohne dass diese gewichtet werden könnten.

[45] 1464: 42% Hochwasser, 17% Dauerregen, 6% Dürre. – 1465: 47% Hochwasser, 15% Dauerregen, 14% Dürre.

[46] February 17th, there was great fog, vgl. De’er (ed): A compendium of Chinese Meteorological Records, Bd. 2, S. 705. Für die Übersetzung ins Englische danke ich sehr herzlich Xiangyu Kong (Hangzhou) und Prof. Dr. Mao Zheng Wei (Hangzhou) für die Vermittlung.

[47] Xiangfan (seit 2010: Xiangyang), Provinz Hubei: Black balls like millets fell in Xiangyang; Shunde, heute Teil der Stadt Foshan, Provinz Guangdong (bei Hongkong): In the 6th month summer [5. Juli – 2. August 1464], black rice fell in Shunde, vgl De’er (ed): A compendium of Chinese Meteorological Records, vol. 2, 710.

[48] Richard B. Stothers, The Great Tambora Eruption in 1815 and Its Aftermath, in: Science. 224/4654 (1984), S. 1191–1198, hier S. 1193f.

[49] Károly Németh, Shane J. Cronin, James D.L. White, Kuwae Caldera and Climate Confusion, in: The Open Geology Journal 1/2007, S. 7-11.

[50] Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1162.

[51] „historical accounts in Europe and China [Pang, 1993] suggest a volcanic eruption in late 1452/early 1453“ (Ebd., S. 1163); Historical evidence of unusual weather phenomena during 1453 also suggests an eruption took place at this time (Pang, 1993), but this historical evidence is primarily from the N[orthern] H[emisphere]” (Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1936).

[52] „Often it is difficult to obtain reliable dates for reference horizons beyond recent history, especially in the Southern Hemisphere (SH), as historical documentation of eruptions is poor“ (Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1930).

[53] Vgl. Bauch, The day the sun turned blue (wie Anm. 5), passim. Ähnliche Beobachtungen formulierte bisher mündlich Bruce M. Campbell, der wie der Autor dieses Beitrags eine Publikation zu den Konsequenzen des Samalas-Ausbruchs von 1257 vorbereitet.

[54] Michael Mann; Jose D. Fuentes; Scott Rutherford, Underestimation of volcanic cooling in tree-ring-based reconstructions of hemispheric temperatures, in: Nature Geoscience 5 (2012), S. 202-205.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5697

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Fiktion und Geschichte: Die angebliche Chronik Wenzel Grubers, Greisenklage, Johann Hollands Turnierreime und eine Zweitüberlieferung von Jakob Püterichs Ehrenbrief in der Trenbach-Chronik (1590)


Der ursprüngliche Beitrag (dort auch Nachträge) von Klaus Graf vom 10. Februar 2015 auf dem Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen wurde mit dem Abstract auf Archivalia zusammengeführt und wird hier geringfügig verändert und um eine pdf-Version ergänzt erneut publiziert.

Abstract:

Die nun auch online zugängliche sogenannte Trenbach-Chronik im Niederösterreichischen Landesarchiv St. Pölten (Signatur: HS StA 0327) ist eine prachtvoll illuminierte Handschrift von 1590, die einzige bekannte Überlieferung der im Wesentlichen im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts zusammengetragenen Familienchronik der bayerischen Adelsfamilie von Trenbach/Trenpeck. Sie war Teil eines genealogisch-historischen “Forschungsprojekts” des sehr auf humanistische Gelehrsamkeit Wert legenden Passauer Bischofs Urban von Trenbach (Amtszeit 1561-†1598), eines aufwändigen Unternehmens, zu dem auch die bemerkenswerte genealogische Inschriftenreihe von 1572 in der Passauer Trenbach-Kapelle zu zählen ist (auch handschriftlich verbreitet). Sicher haben Gelehrte aus seinem Umkreis (Johann Auer aus Kremsmünster und andere) den Bischof dabei unterstützt. Mindestens bis ins 13. Jahrhundert sind die genannten Familienmitglieder wohl alle unhistorisch. Anachronismen lassen den Schluss zu, dass die angeblich 1468/86 entstandene Chronik eines Scheyerner Benediktinermönchs Wenzel Gruber (nach Angaben der Trenbach-Chronik deren Hauptquelle) als Quellenfiktion gelten darf, also eine Fälschung darstellt. Von ihr wurden die Vorrede in der Trenbach-Chronik und die Passage über Hans von Trenbach (†1468) in Bd. 3 des Bayerischen Stammen-Buchs des Wiguleus Hund wiedergegeben. Die Chronikhandschrift überliefert mehrere literarische Verstexte in deutscher Sprache: Abschiedsverse des Hans von Trenbach (Inschrift in der Elisabethkapelle der Burg Burghausen), die dem gleichen Trenbacher in den Mund gelegte ‘Greisenklage’, Johann Hollands ‘Turnierreime’ und eine zweite handschriftliche Überlieferung von Jakob Püterichs ‘Ehrenbrief’ (1462).

Von der nicht nach dem vierten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts und sicher nicht von Hans von Trenbach verfassten ‘Greisenklage’ sind derzeit 17 Textzeugen, 16 Handschriften und ein Einblattdruck bekannt (neu nachgewiesen wurde München, BSB, Clm 7746). Für die Entstehung der angeblich von einem Herold Johann Holland stammenden ‘Turnierreime’ wurde ein Zeitrahmen von 1437 bis 1511 vorgeschlagen. Es gibt mindestens sieben Handschriften (neu: München, BSB, Cod. icon. 390) – die Überlieferung setzt erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein – und einen Druck (bei Wiguleus Hund). Die anspruchslosen Verse können sich nicht auf das Turnier von Schaffhausen 1392 beziehen, da dieses vom Herold Georg Rüxner, der an der Textgeschichte der Turnierreime beteiligt war, erfunden wurde. Das Reimpaargedicht sollte der sozialen Abgrenzung und Selbstvergewisserung des bayerischen Turnieradels dienen.

Besonders bemerkenswert ist aber die Überlieferung des für das literarische Leben des 15. Jahrhunderts so bedeutenden ‘Ehrenbriefs’ von Jakob Püterich von Reichertshausen, da bisher nur eine einzige Handschrift bekannt war, 1997 für die Bayerische Staatsbibliothek teuer erworben (Cgm 9220). Nach Angaben der Chronik wurde der ‘Ehrenbrief’ im Herrensitz St. Martin der Trenbacher aufgefunden, was auf die bekannten literarischen Interessen (ablesbar an ihrem Buchbesitz) von Ortolf dem Älteren und dem Jüngeren von Trenbach verweist. Die neue Handschrift war wohl die Vorlage der Münchner Handschrift und sollte einer wünschenswerten Neuausgabe des ‘Ehrenbriefs’ zugrunde gelegt werden. Zwischen Ehrenbrief und Turnierreimen steht eine – anscheinend unbekannte – kurze deutschsprachige Prosa-Aufzeichnung zur Schlacht von Giengen 1462 aus der Feder des bayerischen Küchenmeisters Stefan Lußnitzer.

Die Trenbach-Chronik und die von ihr überlieferten Texte enthalten in unterschiedlicher Weise literarische Stilisierungen und Inszenierungen. Die dadurch aufgeworfene Frage nach der Rolle der Literatur in der Adelskultur, die weder über- noch unterschätzt werden darf, muss differenziert beantwortet werden. Besonders dicht sind die Zeugnisse in Oberdeutschland in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Püterichs Ehrenbrief und weitere Zeugnisse lassen auf ein vergleichsweise kleines Netzwerk literaturbegeisterter Adeliger schließen. Mehr Aufmerksamkeit als bisher verdienen nicht nur deutsche und lateinische Verstexte von Adeligen und aus ihrem Umkreis, sondern auch die Fiktionen in den aristokratischen “Herkommens-Phantasien”. Der Begriff Phantasie empfiehlt sich für die kreativen, spielerischen und literarischen Aspekte historiographischer Fiktionen und literarischer Fälschungen.

Gliederung: Die Trenbach-Chronik im Niederösterreichischen Landesarchiv St. Pölten – Die Quellenfiktion Wenzel Gruber – Die Greisenklage – Johann Hollands Turnierreime – Jakob Püterichs Ehrenbrief (1462) – Stefan Lußnitzer: Aufzeichnung zur Schlacht von Giengen 1462 – Literarische Inszenierung, Fiktion, Fälschung, Phantasie – und die Lebenswelt – Zusammenfassung

Frühneuzeitliche Adelschroniken sind durchwirkt von Fiktionen. Seit dem Zeitalter Maximilians I. war die gelehrte Historiographie bemüht, möglichst alte und glanzvolle Ursprünge und eine möglichst lückenlose Stammreihe darzulegen. Überlieferungslücken wurden kreativ durch Erfindungen oder hypothetische Rekonstruktionen geschlossen. Für die “Epidemie an antik oder biblisch inspirierten Phantasie- oder Imaginationsgenealogien”1 hat Beat Rudolf Jenny schon 1959 den drastischen Begriff der “Herkommensseuche” gewählt.2 Das “Herkommen” war ein Schlüsselbegriff jenes vormodernen Geschichtsdiskurses.3 Die berühmteste aristokratische deutsche Familienchronik des 16. Jahrhunderts, die monumentale “Zimmerische Chronik”, ist reich gesättigt mit Fiktionen zur früh- und hochmittelalterlichen Geschichte.4 Ihr Autor Graf Froben Christoph von Zimmern hat die “komplette zimmerische Frühgeschichte zusammenfabuliert”, wobei es ihm, so Gerhard Wolf, um “Herrschaftslegitimation durch Traditionsfiktion” ging.5 “Fälschungen, Fiktionen, kombinatorische Erfindungen, historisierende Rückprojektionen haben in der frühen Neuzeit Konjunktur; Traditionen werden auf breiter Front erfunden oder zurechtgebogen”.6

Die Trenbach-Chronik im Niederösterreichischen Landesarchiv St. Pölten

Erst nach meinem ungedruckten Vortrag “Mittelalter-Rezeption, höfische Erinnerungskultur und retrospektive Tendenzen” (Rudolstadt 2001)7 wurde ich auf die Chronik eines Wenzel Gruber aufmerksam, die in der Trenbach-Chronik in der Handschriftensammlung des Ständischen Archivs im Niederösterreichischen Landesarchiv (Signatur: HS StA 0327) verwertet ist. In einem Beitrag “Greisenklage und Wenzel Gruber” zur Mailingliste Mediaevistik vom 27. November 20048 vermutete ich, es handle sich um eine Fiktion aus der Zeit um 1550. Ich stützte mich damals auf die Beiträge von Hans-Dieter Mück9 und Andreas Zajic,10 die gemeinsam mit Frieder Schanzes Verfasserlexikon-Artikel über Wenzel Gruber11 den einzigen brauchbaren Ansatzpunkt für eine quellenkundliche Beurteilung der Trenbach- und Gruber-Chronik bieten.12 In Wolfenbüttel referierte ich 2010 über “Codexmythen und Codexphantasien” (die Thematik des Rudolstädter Vortrags von 2001 teilweise wieder aufnehmend) und wiederholte – anhand des alten Teilabdrucks von 187213 – meine Einschätzung, dass die Chronik Wenzel Grubers eine Quellenfiktion sei. Die Handschrift wurde vor kurzem online gestellt. Zuvor konnte ich Reproduktionen nutzen, für deren liebenswürdige Vermittlung ich Volkhard Huth vom Institut für Personengeschichte in Bensheim sehr herzlich danken möchte.14 Bei der Lektüre bestätigte sich mein Verdacht, dass die Handschrift eine unbekannte zweite Überlieferung von Jakob Püterichs ‘Ehrenbrief’ darstellt.

Die in sauberer Kanzleischrift geschriebene Handschrift beeindruckt durch eine Vielzahl qualitätvoller farbiger Illustrationen, meist Wappen/Ahnenproben, aber auch Personenporträts, entweder nach Grabsteinen oder nach der Wirklichkeit gezeichnet.15 Der Titel “Khurtzer begriff des herkhommens, lebenns unnd thuen des allten, edln unnd rittermessigen geschlechts der Trenbeckhen von Trenbach etc.” enthält den erwähnten Schlüsselbegriff “Herkommen”. Es folgt eine Darlegung der komplexen Entstehungsgeschichte der Chronik: Um 1450 habe sie ein Mönch Wenzel Gruber, Kaplan des Hans von Trenbach, verfasst. Überarbeitungen stammten von dem Schulmeister zu Passau und Kremsmünster Johann Awer um 1550, danach gab es Korrekturen vom Pfarrer zu Lochen am Mattsee Hans Trenbeck. Schließlich habe der Passauer Maler und Bürger Leonhard Abent das Buch 1590 gemalt. Ab dem Jahr 1550 habe Bischof Urban von Trenbach die Chronik fortgesetzt. Darunter ist ein Handschriftenstempel des Bischofs zu sehen, links ein eingeklebter Porträtholzschnitt Urbans aus dem Jahr 1564.

Auf die Genese des Texts beziehen sich auch einige Hinweise in der Chronik. Die Einleitung, die auch ausdrücklich Rechenschaft ablegt über die Bearbeitung der Gruber-Chronik, ist datiert 1. Dezember 1552 (Bl. 11v), Grubers Vorrede wird als Ganzes zitiert, Bl. 25v sagt ein “Tertius corrector L. S.”, der Bearbeiter Grubers habe die Chronik bis 1552 geführt. Das alles für bare Münze zu nehmen, ist, wie ich meine, nicht ratsam. Eine genaue Datierung setzt ein intensives Durcharbeiten und Überprüfen des Texts voraus, was noch zu leisten ist. Schon in dem angeblich 1552 entstandenen Anfangsteil wird auf ein erst 1557 erschienenes Buch von Wolfgang Lazius Bezug genommen (Bl. 19r). Die am Schluss wiedergegebenen Turnierreime erhielt der Verfasser 1564 von Lazius aus Wien. Eines der Horoskope trägt die Jahreszahl 1574 (Bl. 237r). Man wird vorläufig annehmen dürfen, dass die Inhalte der Chronik im wesentlichen im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts zusammengetragen wurden. Gegen die Datierung der St. Pöltener Handschrift in das Jahr 1590, wie auf dem Titelblatt angegeben, spricht aus meiner Sicht nichts.

Wappen und Ahnenproben, auch gemalte Porträts, gehören zum typischen Bestand frühneuzeitlicher Familienchroniken. Humanistische Gelehrsamkeit ist ebenfalls nicht selten, aber es hat den Eindruck, als ob für den Verfasser der Trenbach-Chronik die Welt gelehrter Zitate in besonderem Maße zur aristokratischen Standeskultur gehörte. Neulateinische Poesie ist in der Chronik mehrfach vertreten, die mit Gelehrsamkeit prunkende Einleitung führt sogar italienische Verse an (der Abdruck 1872 hat diese Teile weggelassen). Bemerkenswert sind auch die Horoskope, die ab dem Anfang des 16. Jahrhunderts (Bl. 148r) immer wieder begegnen. Exkursartige Darstellungen gelten dem Adelsbegriff und der Wappenführung, der Existenz von Drachen (als Ehrenrettung der Angaben Grubers über einen Drachenkampf), dem Kampfrecht und dem Turnierwesen.

Spiritus rector der eingehenden Beschäftigung mit der Trenbacher Familiengeschichte war offenbar der 1525 geborene Passauer Bischof Urban von Trenbach, der dem Bistum von 1561 bis zu seinem Tod 1598 vorstand.16 Die Trenbach-Chronik darf nicht isoliert betrachtet werden, ist also einzubetten in die gelehrte Hofkultur Urbans, die jedoch noch näher erforscht werden müsste. Neben dem Programm der Passauer Tren(n)bach-Kapelle bietet sich das Material aus den Passauer Inschriftenbänden zum Vergleich an. Bischof Urban ließ 1581/83 sein Schloss Obernzell mit gelehrten mehrsprachigen Sprüchen und anderen anspruchsvollen Bildungsinhalten ausstatten. 1581 datiert sind Kartuschen der ehemaligen Schlosskapelle mit moralisch-religiösen Sprüchen, vor allem auf Latein, aber auch auf Griechisch, Hebräisch und Syrisch. Vor allem das Werk von Juan Luis Vives hat die entsprechenden Sentenzen geliefert. Auch das Gebälk im Festsaal trug 54 vergleichbare mehrsprachige Sprüche (ebenfalls vor allem nach Vives), ein Leitfaden für weisen Lebenswandel. Außergewöhnlich darf ein umfangreicher Päpstefries mit Wappen von 1583 genannt werden, der auf Befehl Bischof Urbans geschaffen wurde. Ein Kamin war ebenfalls mit lateinischen Sprüchen geschmückt.17 Demonstrativ lässt der Bischof polyglotte Gelehrsamkeit demonstrieren. Das gilt nicht weniger für den von Urban seiner Familie gestifteten Rotmarmor-Altar der Trenbachkapelle (am ehemaligen Passauer Domkreuzgang) von 1572, der Inschriften auf Latein, Griechisch und Hebräisch trägt.18

Höchst ungewöhnlich ist die genealogische Konzeption der vom Bischof für sein Geschlecht bestimmten Kapelle. Die 1572 datierte Scheingräberwand (offenbar nach dem Vorbild der Columbarien der römischen Katakomben) enthält 216 gemalte Inschriftentafeln mit 158 Gedenkinschriften für je ein Mitglied der Familie samt Wappen der Ehefrauen.19 Ursprünglich reichte die Reihe bis Hans Christoph von Trenbach (Nr. 165), doch wurden bis nach 1598 weitere Familienangehörige nachgetragen.

Die Bearbeiter des Passauer Inschriftenbandes kannten zwar Abschriften der Inschriftenfolge von 1572 in zwei handschriftlichen Passauer Inschriftensammlungen.20 Es ist ihnen jedoch entgangen, dass diese Trenbach-Genealogie von 1572 auch handschriftlich zirkulierte. Unter den Manuskripten des Historischen Vereins für Oberbayern im Stadtarchiv München findet sich das wappengeschmückte “Gedechtnus und begrebnus etlicher des alten und edlen Geschlechts der Trenbecken von Trenbach”.21 Helmut Freiherr von Tautphoeus veröffentlichte 1913 eine in seinem Besitz befindliche Handschrift “Gedechtnüs vnd begrebnüs Etlicher des Alten vnd Edlen Geschlechts der Trenbecken von Trenbach. A. D. MDLXXII.”22 Auch sie war mit Wappen geschmückt, der Wortlaut entspricht der Inschriftenfolge der Trenbach-Kapelle. Von Ritter Arnold von Trenbach 1160 bis Nr. 144 reicht diese Version.

Sowohl die Trenbach-Chronik in St. Pölten als auch die Genealogie von 1572 dokumentieren für den Passauer Bischof eine intensive Pflege der eigenen Familiengeschichte. Seinen Eltern spendierte er 1589 ein prachtvolles Grabdenkmal im Stift Reichersberg am Inn.23 Um gewisse Malerarbeiten auszuführen schickte er seinen Hofmaler Leonhard Abent 1591 nach Reichersberg. Dieser Passauer Bürger, der für die Ausstattung der Trenbach-Chronik verantwortlich zeichnet, ist von 1574 bis zu seinem Tode 1603 als Hofmaler bezeugt.24

Wer nach Ansicht des Bischofs das Familienwappen unbefugt führte, musste mit seinem erbitterten Widerstand rechnen. Er ging 1586 gegen einen Göttweiger Konventualen Laurentius Trennbeck, Pfarrer zu Unternalb, vor, der ein unehelicher Sohn einer Trenbacherin war. Er ließ ihm alle Petschaften, Wappenringe und Siegel abfordern und wiederholte seinen Befehl nochmals, als dies offenbar nichts fruchtete. Der Pfarrer sollte in Verwahrung genommen werden, bis er alle Gegenstände ausgeliefert hatte, “do er vnsers Alten Trenbeckischen namen und stammens adelichen Wappens sich mit vnfung missbraucht”.25

Ein genauer Vergleich der Genealogie von 1572 und der Trenbach-Chronik wäre nötig, aber schon ein flüchtiger Blick offenbart erhebliche Differenzen. Die Trenbach-Chronik listet Familienangehörige seit dem 10. Jahrhundert, während die Genealogie den Ritter Arnold als Spitzenahn nennt. Arnold erscheint mit der gleichen Jahreszahl 1160 zwar in der Trenbach-Chronik, wird aber nicht besonders hervorgehoben (Bl. 51r). Im ersten Stemma des Bandes Bl. 56v befindet sich sein Kreis unscheinbar am rechten Rand.

Mir erscheint es unwahrscheinlich, die gründlichen familiengeschichtlichen Recherchen und die demonstrative Vielsprachigkeit in der Chronik sowie auf den genannten Monumenten allein dem Bischof selbst zuzuschreiben (auch wenn dieser gelehrter Beiträger von Wiguleus Hund war, wie unten zu lesen ist). Anzunehmen ist die Mitarbeit von einem oder mehreren Gelehrten in seinem Umkreis. In Betracht käme der Kanoniker Lorenz Hochwart,26 der im sogenannten Trenbach-Codex (München, BSB, Clm 27085), einem bistumsgeschichtlich wichtigen historiographischen Sammelband aus der Anfangszeit Bischof Urbans, 1563 die Passauer Bischofschronik des Protestanten Kaspar Bruschius27 überarbeitete28. Aber Hochwart starb schon 1570. Ob man mehr über die auf der Titelseite genannten Beteiligten Johann Awer und Hans Trenbeck herausfindet, bleibt abzuwarten. Nicht sicher ist, ob es sich bei “L.S.” in “Tertius corrector L.S.” um Namensinitialen handelt.

Über Auer ist bisher nur ganz wenig bekannt. Sechs lateinische Verse “a Ioanne Auer ex Kremsmünster Artium candidato Vienne scriptum” auf den Tod Christophs von Trenbach29 1552 überliefert die Chronik (Bl. 218v). 1557 studierte Auer in Padua.30 1560 erschien in Wien von M. Johann Auer ein Gedicht zur Hochzeit von Johann Friedrich Hofmann von Grünbühel.31

Dem Verfasser der Trenbach-Chronik, der sich selbstbewusst als Ich-Erzähler präsentiert, kam es darauf an, die Beschäftigung mit den Ursprüngen des Geschlechts als gelehrtes Thema von Dignität darzustellen. Er gibt an, der Wiener Professor Wolfgang Lazius (dieser starb 1565)32 habe die Chronik Wenzel Grubers gelesen und sei davon zu einer etymologischen Spekulation inspiriert worden (Bl. 19v). Der aus Passau gebürtige Wiener Jurist Philipp Gundelius (gestorben 1567)33 habe – die Chronik suggeriert: nach der Lektüre Grubers – den fiktiven Trierer Stadtgründer Trebeta34 ins Spiel gebracht. Auf Bl. 23v steht ein kurzes lateinisches Carmen des Johannes Engerdus35 auf die Familie, das “Vencslaus monachorum ex ordine Gruber” hervorhebt. Von dem späteren Ingolstädter Rhetorik-Professor Engerdus, von dem auch lateinische Verse Bl. 43r-v über einen Drachenkampf stammen, weiß die ADB, er sei um 1565 in Passau von Urban von Trenbach dazu bewogen worden, zum Katholizismus zu konvertieren.36

Die Quellenfiktion Wenzel Gruber

Vor mir hat anscheinend niemand die Authentizität des Geschichtswerks Wenzel Grubers, der angeblichen Hauptquelle der Trenbach-Chronik, in Frage gestellt. Wohl aber hat der bedeutende bayerische Historiker Wiguleus Hund37 im bis 1830 ungedruckten dritten Teil seines “Bayrisch Stammen-Buchs” (Erstausgabe von Bd. 1 und 2 in Ingolstadt 1586/8638) erhebliche Zweifel an den Angaben Grubers angemeldet.39 Bischof Urban habe selbst die Chronik als falsch und irrig bezeichnet. Anhand seiner Recherchen zu anderen Familien kann Hund die Angaben Grubers nicht bestätigen. Bischof Urban habe ihm ein altes Stiftungsverzeichnis der Deutschordenskommende Gangkofen überlassen, das etliche Trenbeck-Stiftungen kenne, aber nichts von den genealogischen und Heirats-Nachrichten Grubers wisse. Hund, dessen Trenbeck-Passage 1582 datiert werden kann,40 lag offenbar eine frühere Version der Trenbach-Chronik vor, die den Bericht Grubers über Hans von Trenbach in Ich-Form enthielt. Hund teilt ihn glücklicherweise komplett einschließlich des abschließenden, angeblich von Hans von Trenbach verfassten Gedichts (‘Greisenklage’) mit. Die erhaltene Handschrift der Chronik von 1590 verarbeitet diese Angaben Grubers, ist aber keine wörtliche Wiedergabe und auch mehr als eine getreu dem Text bei Hund folgende Paraphrase ohne Erzähler-Ich. Vor der Wiedergabe der Greisenklage unterrichtet der Chronist Bl. 131r-v über den Lebensweg Grubers. Abweichungen sind auch bei den Anekdoten über Ortolf den Jüngeren zu konstatieren, die Hund offenbar ebenfalls aus seiner Version der Trenbach-Chronik hat.41 Hunds Fassung muss aber auch schon die gelehrten Kombinationen über die Ursprünge enthalten haben, denn er bezieht sich auf die erwähnte Äußerung von Wolfgang Lazius, die in der Chronik als Frucht der Lektüre Grubers dargestellt wird.

Was Hund über Bischof Urbans Kritik mitteilt, erstaunt, denn in der Trenbach-Chronik wird schonend mit der Vorarbeit Grubers umgegangen. Ein Urteil durfte sich der Prälat freilich durchaus erlauben, war er doch in der Lage, Hund eigenhändig genealogische Beiträge zu liefern.42 Der Weingartener Mönch Gabriel Bucelin spendete 1667 Urban von Trenbach, von dem er ein Manuskript zu den Ahaimern zur Verfügung hatte, hohes Lob.43 Auch Hund erwähnt bei dieser Familie die Zuarbeit des Bischofs in seinem Stammen-Buch.44

Hunds Fassung muss ebenso wie die überlieferte Chronik den Eindruck erweckt haben, dass die gesamte ältere Genealogie auf Wenzel Grubers Werk aus dem 15. Jahrhundert zurückgeht. Er stellt nämlich fest, dass im Turnierbuch (Georg Rüxners45) auf dem Zürcher Turnier 1165 Arnold Trenbeck erscheine, Gruber aber sage, Ulrich Trenbeck sei dabei getötet worden, woran Hund zweifelt: “Dauon finde ich daselbst oder Anderswo nichts”.46 In der Trenbach-Chronik wird vor allem im einleitenden Teil auf Gruber ausdrücklich Bezug genommen, sonst eher selten. Daher fehlt bei der Angabe über den Tod Ulrich Konrads von Trenbach auf dem Turnier von Zürich 1165 (Bl. 57v) ein ausdrücklicher Hinweis auf Gruber. Die Bearbeitungsprinzipien des Trenbach-Chronisten suggerieren aber, er habe Gruber höchst getreu wiedergegeben. Wer dieser Angabe Glauben schenken will, muss die Notiz zum Zürcher Turnier dann auch (ebenso wie Hund) Gruber zuweisen, womit – unter dieser Prämisse – der Fälschungsnachweis erbracht wäre: Denn eine Quelle des 15. Jahrhunderts kann unmöglich das von dem Herold Georg Rüxner47 erfundene und 1530 erstmals publizierte Turnier von Zürich kennen!

Historisch Interessierte konnten sich im bayerisch-österreichischen Raum in der frühen Neuzeit den ungedruckten dritten Teil von Hunds Stammen-Buch leicht verschaffen. Die Vita des Hans von Trenbach vermochte zu fesseln als Verbindung des mit einer Prise Abenteuer gewürzten Hoflebens und asketischer Frömmigkeit, was dem Erreichen eines biblischen Alters (115 Jahre!) nicht entgegenstand. In der 1733 erschienenen Fortsetzung von Anton Wilhelm Ertls “Relationes Curiosae Bavaricae” gilt der 25. Bericht dieser Person: “Der hochbetagte fromme Hofmann und Carthäuser Johann von Trennbach”.48 Erbaulich ausgewalzt wurde dieser Abschnitt von Alois Adalbert Waibel in den “Lebensblüthen für junge Freunde des Christenthums” (München 1829).49 Ebenfalls an die christliche Jugend richtete sich die Bearbeitung von Reding von Biberegg in den Stuttgarter “Jugendblättern” 1863: “Ein uralter Hofmeister”.50 Weniger fromm gerierten sich die Wiedergaben aus Hund in Lorenz von Westenrieders Baierisch-historischem Kalender für 1787,51 in Hormayrs Taschenbuch 1842 (“Der Kriegsheld, Hofmann und hundertjährige Layenbruder Hanns von Trennbach”)52 und im Oberbayerischen Archiv Jg. 12 (1851).53 Nach Westenrieder referierte 1816 Joseph von Obernberg in einem Reisebericht breit den Lebensweg des Adeligen.54

Großen Eindruck machten auch die sechs Verse, die Trenbach heimlich an die Tür der Elisabethkapelle im Schloss Burghausen geschrieben haben soll:55

Etwann het ich ein gewonnhait
wann ich außraydt
dass ich Gott vasst bath
Das ich widerkhum drat
Nun bit ich Gott inniclich sehr
das ich widerkhumb nimmermer

Ob es diese Inschrift – sie zählt noch heute zu den anerkannten Burghausener Sehenswürdigkeiten56 – damals tatsächlich gegeben hat, lässt sich nicht nachweisen. Wie die ‘Greisenklage’ nimmt sie das Thema Alter auf und verbindet es mit dem greisen Trenbach. Trenbach begab sich, weiß die Chronik, sofort zur Kartause, seine Abschieds-Inschrift ist also zugleich eine Absage an die Welt. In der heutigen Fassung stammt die Inschriftentafel aber aus dem 17. Jahrhundert und wurde offenkundig mit Angaben aus Hund ergänzt, kann also die Angaben der Chronik nicht bestätigen.57

Auch seriöse historische Darstellungen schrieben unkritisch nach, was ihnen Hund oder der auf Hund fußende Burghausener Stadthistoriker Johann Georg Bonifaz Huber 186258 über Hans von Trenbach präsentierten. Nie und nimmer glaube ich, dass Hans von Trenbach 115 Jahre alt wurde.59 Diese Nachricht findet sich sowohl im Gruber-Zitat bei Hund60 als auch in der – sicher von Bischof Urban autorisierten – Genealogie von 1572 (Nr. 51: Hans Trenbach zu Altenbeirn Ritter, Landhofmeister in Bayern obiit 1468, Laibruder zu Gaiming vixit annos 115). Trotz der von Hund angedeuteten Vorbehalte Bischof Urbans gegen Gruber akzeptierte er das offenkundig legendäre Alter.

Es wäre an der Zeit, das Abschreiben einzustellen und mit dem Überprüfen anhand archivalischer Quellen anzufangen. Positiv darf immerhin vermerkt werden, dass im Passauer Inschriftenband 2006 die Aussage, ein Hans von Trenbach sei Laienbruder in der Kartause Gaming gewesen, durch einen dortigen Nekrologeintrag verifiziert werden konnte.61 Auch im Zisterzienserkloster Raitenhaslach, wo eine Grablege des Geschlechts war, vermerkte man zum 25. Juli den Jahrtag eines adeligen Kartäuserkonversen Johannes (Tren?)bechk.62

Früher, als man historiographische Werke üblicherweise anhand der Faktenwahrheit bewertete, hätte man nicht gezögert, den Verfasser der Trenbach-Chronik dreistester Erfindungen hinsichtlich der älteren Genealogie der Familie zu beschuldigen. Mindestens bis zum 13. Jahrhundert scheinen alle Familienmitglieder und Heiratsverbindungen fiktiv zu sein. Um sie als tapfere Helden und Ritter beschreiben zu können, attestierte ihnen der Chronist gern die Teilnahme an bekannten Kriegszügen der deutschen Herrscher. Der angeblich 1160 bezeugte Spitzenahn Arnold der Trenbeck-Genealogie 1572 begleitete Friedrich Barbarossa auf einem Kriegszug in Italien. Die Familienangehörigen wurden also an passender Stelle in die Reichsgeschichte eingehängt. Solche genealogisch motivierten Fälschungen waren in der frühen Neuzeit nicht selten.63

Es liegt auf der Hand, dass für die Fiktionen erforderliche historische Kontext-Informationen in der Mitte des 16. Jahrhunderts aus gedruckter Literatur eher leicht zu beschaffen waren, im 15. Jahrhundert aber nur sehr schwer. Wer sich ein wenig mit der Adelsgeschichte auskennt, benötigt keinen detaillierten “Faktencheck”, um die kruden Erfindungen aufzudecken. Ohnehin versagt die mir bekannte Sekundärliteratur in Sachen Trenbach-Genealogie vor dem 15. Jahrhundert, und auch mit dem in Monasterium.net64 bereitgestellten Material sowie bei Online-Recherchen nach den später im Besitz der Familie befindlichen Herrensitzen (Schloss Sankt Martin im Innkreis und andere) kommt man nicht ohne weiteres über das 15. Jahrhundert zurück. Es kann natürlich nicht angehen, ohne nähere Prüfung jeden Träger des Namens Trenbach/Trenbeck der angeblich aus Ober- und Niedertrennbach bei Gangkofen zuzuweisen. Dass Hans-Dieter Mück die auf Wenzel Gruber zurückgeführte Ursprungsfiktion, die Familie sei um 900 aus Griechisch-Weissenburg in Ungarn nach Bayern eingewandert, als Faktum ausgibt, kann man nur mit Kopfschütteln lesen.65 Besonders umfangreich fiel die Bearbeitung der Familiengeschichte durch Johann Baptist Wittig im “Neuen Siebmacher” zum niederösterreichischen Adel aus,66 aber sie ist für die älteren Generationen völlig wertlos, da sie ohne Kritik (und ohne Belege) die Chronikangaben übernimmt. Es begegnet der 115-jährige Johann, aber auch der in Zürich 1165 gestorbene Ritter Ulrich, obwohl man 1918 längst hätte wissen können und müssen, dass dieses Turnier nie stattgefunden hat. Der Passauer Prälat Ludwig Heinrich Krick begann 1924 klugerweise erst mit dem 115-jährigen Hans dem Reichen und führte seine Stammtafel bis zum 1637 gestorbenen “ultimus stirpis” Hans Christoph, gibt aber keinerlei Nachweise.67

Hat der Trenbach-Chronist neben zahlreichen Familienmitgliedern auch Wenzel Gruber und seine Chronik erfunden? Die vielen Fiktionen, die im 16. eher als im 15. Jahrhundert verfügbares historisches Wissen voraussetzen, müssen stutzig machen. Aus dem Werkkomplex Gruber ausgerechnet die nicht vor 1530 denkbare Nachricht zum Zürcher Turnier herauszubrechen, um die Authentizität Grubers zu retten, erscheint methodisch verfehlt. Es gibt aber noch weitere Fälschungsindizien. Vergleichsweise wenig Gewicht hat das Argument, dass ein Wenzel Gruber, Benediktiner zu Scheyern, in anderen Quellen nicht dingfest gemacht werden kann. Das kann an Überlieferungsverlusten liegen oder einfach daran, dass noch nicht gründlich nach Gruber gesucht wurde. Immerhin hat sich ja niemand wirklich eingehend mit der Quellenkritik seiner Chronik beschäftigt. Frieder Schanze schrieb einen kurzen Lexikonartikel, Mück fokussierte sich auf die Greisenklage und Zajic ging es primär um die Verwertung von Grabdenkmälern durch den Chronisten. Wenzel Gruber hat einen für Altbayern sehr untypischen Vornamen, und ihm wird eine eher ungewöhnliche Vita zugeschrieben, teils in dem von Hund überlieferten Textbruchstück in Ich-Form, teils in der Vorrede (ebenfalls mit selbstbewusstem Ich), die in der Trenbach-Chronik wörtlich wiedergegeben wird. Nachdem er des Hofdienstes überdrüssig war, vermittelten ihm seine Herren, die von Trenbach, einen Dispens in Rom (aber er erscheint nicht in den einschlägigen kurialen Quellen68). In Salzburg zum Priester geweiht, wurde er 33 Jahre später nach dem Tod seines Herrn Hans von Trenbach (1468) auf Fürsprache von dessen Sohn Ortolf (dem Älteren) Mönch in Scheyern. Während Hans von Trenbach 18 Jahre in der Kartause Gaming lebte, hielt es Gruber kaum ein halbes Jahr dort aus. Mück schließt aus der Bezeichnung Margarethes von Österreich (gestorben 1486) als “meiner gned Frauen”,69 Gruber habe seine Chronik zwischen 1468 und 1486 geschrieben.70

Im 15. Jahrhundert muss eine solche selbstbewusste Redseligkeit, die das eigene Ich in den Chroniktext einbringt, erstaunen. Für die nähere Prüfung der Authentizität stehen nur diese beiden Textstücke, in denen Gruber als Ich spricht, zur Verfügung. Die weiteren ausdrücklichen Erwähnungen Grubers sind unergiebig; der “Fälschungsnachweis” anhand der Rüxner-Rezeption soll die jetzige Analyse nicht beeinflussen. Da Fälschungen mich in den letzten Jahren wiederholt beschäftigt haben,71 gestatte ich mir einige methodische Vorbemerkungen. Im Original vorliegende Quellen können mit naturwissenschaftlichen Verfahren untersucht werden.72 Bei abschriftlicher Überlieferung scheidet die äußere Quellenkritik jedoch aus. Die Formgebundenheit der mittelalterlichen Urkunde macht es leichter, ein Fälschungsverdikt zu belegen. Bei neuzeitlichen Quellenfälschungen, die nicht-urkundliche Texte betreffen, gibt es zwar auch oft Konstellationen, bei denen kein vernünftiger Zweifel möglich ist, aber eben auch das Gegenteil: Es bleibt bei einem “non liquet”, oder ein Konsens kann nicht erzielt werden.73 Weder eine sehr späte Überlieferung noch eine verschollene Vorlage rechtfertigen allein einen Fälschungsverdacht. 1868 publizierte Joseph Aschbach seine Überzeugung, die Werke der Nonne Hrotsvit von Gandersheim seien humanistische Fälschungen von Konrad Celtis und dessen Freunden – und blamierte sich damit.74 Wenn eine Quelle zu “interessant” erscheint, also wichtige unbekannte oder besonders farbige Details bietet, rechtfertigt dies zwar einen gewissen “Anfangsverdacht”, aber der Fälschungsvorwurf muss mit hinreichend starken Indizien untermauert werden. In problematischen Fällen wie dem des Rheingauer Privatgelehrten F. W. E. Roth (1853-1924)75 wird man sich damit begnügen müssen, die Beweislast umzukehren, also so viele gewichtige Verdachtsmomente aufzuhäufen, dass ein Forscher, der die von Roth angeführten, nicht mehr auffindbaren Quellen (z.B. Dokumente zu den Mainzer Meistersängern im 16. Jahrhundert) nicht ohne nähere Begründung verwerten darf. Einen “perfekten Mord” mag es nicht geben, aber je kürzer ein zu untersuchender Text ist, um so größer ist die Chance, dass der Fälscher Anachronismen vermeiden kann und aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden muss.76 Eine Unschuldsvermutung wie im Strafprozess gibt es bei Geschichtsquellen freilich nicht; ein Fälschungsfall darf immer wieder neu aufgerollt werden. Bei Wenzel Gruber bin ich zwar fest davon überzeugt, dass es seine Chronik im 15. Jahrhundert nicht gegeben hat, aber ich könnte durch den Fund eines entsprechenden Handschriftenfragments düpiert werden. Beweise im naturwissenschaftlichen Sinn sind dem Historiker ohnehin verwehrt. Wenn sich aber keine ernstzunehmenden Verteidiger Grubers finden, könnte mein Fälschungsverdacht (wenn er denn wahrgenommen und zitiert würde) womöglich – prinzipiell revisibles – Handbuchwissen werden.

In der Gruber-Chronik als Codexphantasie77 steckt eine weitere Codexphantasie, nämlich der Verweis auf ein altes Pergamentbüchlein, das Gruber leihweise von einem Komtur der Deutschordenskommende Gangkofen namens “Teuschessaw” aus Schwaben78 erhalten hatte und das offenbar eine Familienchronik darstellte, die auch die Heiratsverbindungen enthielt, also als Urquelle für die früh- und hochmittelalterliche Geschichte des Geschlechts die (aus heutiger Sicht fiktiven) Angaben der Trenbach-Chronik beglaubigen sollte. Die Komturliste Gangkofens im 15. Jahrhunderts bei Dieter J. Weiss vermag den von Gruber genannten Namen nicht zu bestätigen, weist aber zu große Lücken auf.79

Schon die Berufung auf einen solchen alten Pergamentcodex mit Blick auf die zusammenphantasierten Ahnen stützt die Vermutung einer Quellenfiktion. Natürlich könnte es sich um eine Fiktion Grubers handeln, der das alte Pergamentbüchlein erfunden haben könnte, aber bereits die Existenz einer bayerischen Adelschronik 1468/86 begegnet erheblichen Bedenken. Am Ausgang des Mittelalters begannen, so Steffen Krieb in einem “Studienhandbuch”, auch Angehörige des nichtfürstlichen Adels damit, “das Herkommen ihrer Familie in Chroniken schriftlich zu fixieren”.80 Jüngst hat Clemens Joos nochmals hervorgehoben, wie sehr das verstärkte Interesse am Herkommen beim schwäbischen Adel von den historisch-genealogischen Bestrebungen Maximilians I. bestimmt wurde.81 Darauf hatte schon Rudolf Seigel in einem nach wie vor grundlegenden Aufsatz 1981 aufmerksam gemacht.82 Schon Thomas Lirers 1485/86 in Ulm gedruckte “Schwäbische Chronik”, eine Sammlung fiktiver Chronikerzählungen83 hielt Seigel für einen frühen, “noch tastenden Versuch, Adelsgeschichte zu schreiben”.84 Als älteste südwestdeutsche Adelschronik nannte er (die nur in späterer Überlieferung greifbare) Chronik des Bligger Landschad von Steinach aus dem Jahr 1491.85 Für die Zeit um 1500 kann man in Oberdeutschland drei Männer namhaft machen, die ich als Väter der modernen Genealogie angesprochen habe: Ladislaus Sunthaim,86 Jakob Mennel87 und Matthäus Marschalk von Pappenheim.88 Eng standen die ersten beiden, etwas loser der adelige Augsburger Kanoniker Pappenheim mit Maximilian in Verbindung.89 Nach meiner bisherigen Quellenkenntnis setzt in anderen Regionen die Pflege der Chronistik durch niederadelige Familien erheblich später ein als in Oberdeutschland. Für Altbayern könnte man auf den gemalten Stammbaum des Degenhart Pfeffinger (1514) und seine Familienchronik von 1515 jeweils im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verweisen.90 1526 entstand die faszinierende Chronik des Hans von Herzheim im Stadtarchiv München.91 Vor diesem Hintergrund liegt die angenommene Entstehungszeit 1468/86 von Wenzel Grubers Chronik eindeutig zu früh. Dass ein Diener für erwiesene Gunst sich mit einem “Herkommen” revanchiert (so die Vorrede Grubers), erscheint mir sogar singulär zu sein.

Allerdings kann man der Herzheimer-Chronik entnehmen, dass es die offenbar zur Erklärung des Drachens im Familienwappen bestimmte Drachenkampf-Überlieferung schon am Anfang des 16. Jahrhunderts gegeben hat. Otto Titan von Hefner bezog sich 1862 auf eine eigene Handschrift dieser Chronik, die er 1506/30 datierte. Zum Trenbach-Wappen, dem er die Jahreszahl 1510 beigab, zitiert er die Beischrift: “Das wappen so her gößwein von trenbach pey einem Rom. kayser erlangt hat vmb das er ainen tragkhen allain in dem lant zu Preyssen erschlug.”92 In der Trenbach-Chronik erschlägt der Kriegsmann Geßwein Trenbeck von Geßwein einen Drachen auf einem Preußen-Feldzug Kaiser Ottos II. ca. 975. Da der Abschnitt für die Arbeitsweise des Chronisten bezeichnend erscheint, gehe ich etwas näher darauf ein. Aufgrund dieser tapferen Tat wird Geßwein zum Ritter geschlagen und darf das blutige Drachenhaupt im Wappen führen (Bl. 36r). Der Autor weiß zwar nicht, dass es damals überhaupt noch keine Wappen gab, aber wenigstens die Tatsache, dass quadrierte Wappen zu jener Zeit noch nicht in Gebrauch waren, ist ihm bewusst. Geßwein beteiligt sich auch an einem Sizilien-Feldzug Ottos II. (am Rand ist als Quelle Aventin vermerkt) und stirbt bei einer Schlacht vor Avignon im hohen Alter. Anschließend soll eine Mitteilung zu einer Seelen-Schmiede die Vertrautheit des Autors mit italienischen Traditionen demonstrieren. Ein Markgraf, den manche für einen von Brandenburg hielten, sei in eine Schmiede gekommen, wo verdammte Seelen geschmiedet wurden. Ihm werde es auch so ergehen, habe er erfahren, wenn er sich nicht bessere. Aus Reue habe der Markgraf dann sieben genannte Klöster bei Florenz gestiftet.93 Auf Bl. 38r findet sich eine außergewöhnlich qualitätvolle Miniatur: Geßwein kämpft in antikisierender Rüstung mit dem Drachen. Nun muss aber Wenzel Gruber in einem dreiseitigen gelehrten Exkurs “Von dem gewürm oder trackhen” in Schutz genommen werden, da man die Besorgnis haben könnte, Wenzel Gruber, der vor langen Jahren geschrieben habe, habe es “geticht oder aber auß gedichtem grundt nachgeschriben” (Bl. 39r). Unter den aus der gelehrten Literatur zusammengetragenen Drachen-Zeugnissen erscheint auch die Wiltener Drachenzunge des Helden Haymon, die dort in der Sakristei gezeigt werde.94 Es folgt eine kurze zitatschwangere Abhandlung “Vom gebrauch der wappen” (Bl. 40v-42v). Das Thema Drachenkampf wird nochmals von den erwähnten lateinischen Versen des Johannes Engerdus aufgegriffen, bevor eine von lateinischen Versen begleitete Wappenreihe diesen Abschnitt abschließt. Selbstverständlich beweist die Existenz der Trenbacher Drachen-Wappen-Überlieferung am Anfang des 16. Jahrhunderts nicht die Existenz der Chronik Grubers, aus der sie nach Angaben der Chronik stammen soll.

Besonderes Gewicht hat für mich das Argument, dass Wenzel Grubers Quellenliste in seiner Vorrede anachronistisch ist: “gestifften begrebnussen […], versiglten brieven, alten registern, geschrifften in tottnpüechern, auf alten und neuen grabstainen” (Bl. 2v).95 Ich spreche von einer Quellenliste des antiquarischen Typs, wenn humanistische Historiker eine Reihe von schriftlichen und Sachquellen-Typen aufführen, um ihre umfassende Recherche zu dokumentieren. Seit vielen Jahren habe ich auf solche Listen geachtet, die nach meinen Erfahrungen nicht schon am Anfang des 16. Jahrhunderts zum guten Ton von Chronikvorreden gehören. Abgesehen von einem rudimentären Vorläufer in Konrad Grünenbergs Wappenbuch in den 1480er Jahren – dort heißt es, er habe die Wappen aufgezeichnet aus alten (Turnier-)Blättern, Büchern und Gemälden der Gotteshäuser96 – kenne ich derzeit kein älteres Beispiel für die Verwendung der Quellenliste des antiquarischen Typs als Jakob Mennels Fürstliche Chronik (1518).97

Noch ein kurzer Blick auf das von Hund überlieferte Textstück über Hans von Trenbach. Seine Attraktivität für spätere Autoren resultiert in meinen Augen weniger aus der realen Biographie Trenbachs als aus der konsequenten Stilisierung seiner Vita. Das völlig unglaubwürdige Alter von 115 Jahren, die ihm in den Mund gelegte Greisenklage (dazu unten) und die Burghausener Abschiedsverse beziehen sich auf einen vorbildlichen Lebensweg. Im hohen Alter wendet sich Trenbach vom Hofleben ab, erkennt seine Hinfälligkeit und die Notwendigkeit, seinen Lebensabend fromm-asketisch in der Einsamkeit einer Kartause zu verbringen. Er bleibt trotzdem aktiv, unterstützt das Kloster und stirbt bei einem Reitunfall. Wie hart das Leben in Gaming ist, wird durch die Angabe unterstrichen, dass Wenzel Gruber es kaum ein halbes Jahr dort ausgehalten habe. Reale biographische Versatzstücke – der Aufenthalt eines Hans von Trenbach in Gaming ist ja durch Nekrologe belegt – werden souverän arrangiert, um das Herkommen der Familie über den frommen “Helden” aufzuwerten, aber auch um über das erbauliche “Exemplum” christliche Werte einzuschärfen.98 Wieviel Fiktion wirklich in der Trenbach-Vita steckt, bleibt noch anhand unabhängiger Quellen zu ermitteln. Aus meiner Sicht gehört ein solcher Erzähler eher in das 16. als in das 15. Jahrhundert. Dass Wenzel Gruber als enger Vertrauter des Adeligen wenige Jahre nach dessen Tod in dieser Weise mit der Vita seines Herrn jongliert hat, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber wenig wahrscheinlich.

Fromme Stilisierung begegnet in der Trenbach-Chronik auch bei dem Tod des Priesters Christoph von Trenbach, Urbans Bruder, 1552. Er stirbt mustergültig, indem er das Gesinde über ihre Tugenden und Laster belehrt und zum Guten ermahnt und sich selbst als nichtigen Madensack bezeichnet, der sich zu gern als gnädiger Herr titulieren ließ (Bl. 216r). Zum Priesterbild seines Bruders als eines herausragenden Vertreters der tridentinischen Erneuerung und der Gegenreformation passt diese Darstellung ausgezeichnet.

Als gesichert möchte ich festhalten: Die beiden Wenzel Gruber zugeschriebenen Textstücke weisen Merkwürdigkeiten auf, die klar die Frage nach ihrer Authentizität aufwerfen. Die Indizien für Anachronismen sind eher “weich” als “hart”, und es fehlt eine philologische Beurteilung, ob die Textteile sprachlich ins 15. Jahrhundert passen (ich habe Zweifel). Trotzdem erscheint mir die Beweislastumkehr geglückt: Wer künftig behauptet, Wenzel Grubers Chronik sei ein Text des 15. Jahrhunderts, sollte meine Argumente zu entkräften versuchen. Methodisch unabhängig von der “Beweisführung” anhand der Vorrede und der Vita des Hans von Trenbach habe ich ja oben bereits meine Überzeugung formuliert, dass die Rüxner-Rezeption nicht einfach, um Gruber zu “retten”, von den anderen genealogischen Fiktionen, die der Chronist ja implizit alle Gruber zuschreibt, isoliert werden darf. Wenn man dieses Argument akzeptiert, hat man einen vergleichsweise “harten” Fälschungsnachweis.

In den 1550er oder 1560er Jahren dürfte die Gruber-Chronik fabriziert worden sein. Glaubt man dem Chronisten, lag sie Wolfgang Lazius und zwei anderen Gelehrten vor. Terminus ante quem wäre der Tod des Lazius 1565. Spekulationen darüber sind müßig, was außer den beiden wörtlich wiedergegebenen Textstücken an Gruber-Text zu entwerfen gewesen wäre. Das genealogische Forschungsprojekt des Passauer Bischofs Urban von Trenbach war an sich ja schon sehr aufwändig. Es mussten zahlreiche Quellen und Grabstätten (für die Bilder!) gesichtet werden. Da ist es durchaus denkbar, dass im Zuge dieses Unternehmens nicht nur die vielen Phantasie-Ahnen aus dem Hut gezaubert wurden, sondern auch die Gruber-Chronik gefälscht. Der Zweck dieser Fälschung lässt sich mit dem Begriff der “Beglaubigung” beschreiben. Eine mit ganz wenigen Änderungen getreu wiedergegebene frühere Familienchronik (laut Titelblatt um 1450 geschrieben) eines späteren Benediktinermönchs, der als solcher nicht lügen darf, und die sich wiederum auf eine alte Pergamenthandschrift aus der Kommende Gangkofen beruft, soll die Wahrheit der Chronikangaben verbürgen. Eine solche Quellenfiktion ist keineswegs singulär.99

Wenn Hund die Distanz des Bischofs gegenüber Gruber richtig wiedergibt, ist es schon deshalb wenig wahrscheinlich, dass der Passauer Oberhirte in eigener Person für die Erfindungen und die Gruber-Quellenfiktion verantwortlich war. Urban von Trenbach hat sicher nicht als einziger in seiner genealogischen (Fälscher-)Werkstatt am Familien-Herkommen gedrechselt.

Die Greisenklage

Die ‘Greisenklage’ ist ein offenbar im 15. Jahrhundert verfasstes Reimpaargedicht, das in der Regel gut 50 Verse umfasst. Es stellt die Freuden der Jugend den Gebrechen des Alters gegenüber. Hans-Dieter Mück hat aufgrund des chronikalischen Zeugnisses von Wenzel Gruber, der die Verfasserschaft Hans von Trenbach 1467/68 zuschrieb, und einer Sichtung der ihm bekannten, 1468/69 einsetzenden Überlieferung Hans von Trenbach als Autor angesehen. Auf die Erstellung einer Handschriftenfiliation hatte Mück verzichtet, obwohl man daraus hätte ablesen können, ob die Trenbach-Version tatsächlich wie zu erwarten an der Spitze der Überlieferung steht. Wie ich bereits 2004 zeigte,100 scheitert die Verfasserzuschreibung schon an dem Umstand, dass ich aufgrund von Internetrecherchen zwei ältere Handschriften in St. Gallen (1430/36 von Friedrich Kölner in St. Gallen geschrieben) und Augsburg nennen konnte. Nach dem vierten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts kann der Text nicht entstanden sein.

Ebenso wie mein Beitrag 2010101, den ich mit Nachweisen von Handschriften-Digitalisaten aktualisiert habe, wurde mein Hinweis von 2004 von Mike Malm, der die Greisenklage für das DLL bearbeitete, ignoriert102 Daher fehlt – leider auch im Handschriftencensus (derzeit 13 Handschriften)103 – die von mir beigebrachte zweite Handschrift in der Stadt- und Staatsbibliothek Augsburg 2° Cod 307, Bl. 97rb aus dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts.104 Das DLL hat nur eine Handschrift mehr als der Handschriftencensus, nämlich eine Abschrift der Original-Handschrift des Zimmern’schen Vergänglichkeitsbuchs.105 Allerdings sollte man dann alle bekannten Abschriften des Vergänglichkeitsbuchs Wilhelm Werners von Zimmern und nicht nur eine einzige angeben.106 Es fehlt die Trenbach-Chronik (Bl. 132v), in der Bl. 133r wie in einigen anderen Handschriften ein Bild beigegeben ist: ein hinfälliger Greis, der hier Hans von Trenbach darstellen soll (Abbildung unten). Um die Überlieferungsübersicht nicht zu verzerren, empfiehlt es sich, sowohl beim Vergänglichkeitsbuch als auch bei dem Werkkomplex Trenbach-Chronik/Hunds Stammen-Buch und Ableitungen (z.B. bei Eckher, siehe unten) nur einen Textzeugen zu zählen.107 Bislang übersehen wurde München, Staatsbibliothek, Clm 7746, Bl. 91av aus der Zeit um 1450.108 Außer den Handschriften gibt es noch einen frühen Einblattdruck (in Augsburg), den man inzwischen um 1508/12 datiert.109 Demnach wären also derzeit 17 Textzeugen der ‘Greisenklage’ bekannt, nämlich 16 Handschriften (Zimmern und Trenbach/Hund jeweils als ein Zeuge gezählt) und ein Druck.

Joseph Mayer erwähnte 1862 unter den Sammlungen des historischen Vereins für die Oberpfalz ein (nicht datiertes) Bild Hans von Trenbachs mit den von ihm selbst verfassten Reimen auf der Rückseite110, und im Findbuch zu den Landschaftsakten des Ständischen Archivs im Oberösterreichischen Landesarchiv steht in Nr. 1577: “Epitaph auf Hans Trenbeckh. Verse. Originelle Grabschrift in deutschen Versen. Starb nach 48jährigem Witwerstand als Laienbruder zu Gaming im Jahre 1468, 115 Jahre alt”111. Vermutlich geht beides auf die Wiedergabe bei Hund zurück.

In der Trenbach-Chronik und in Hunds Wiedergabe112 wird die Greisenklage Hans von Trenbach in den Mund gelegt. Vor dem üblichen Textbeginn nennt sich der angebliche Verfasser:

Hannß Trenbeckh Layenbrueder haiß ich
Gott erbarme sich vber mich

Diese “literarische Inszenierung”, die bei Trenbach, wie gezeigt, in den Kontext des Greisen-Motivs und seiner Stilisierung als Vorbild gehört, hat eine eigentümliche Paralelle in der Minnereden-Überlieferung. Die Münchner Lohengrin-Handschrift Cgm 4871 (ursprünglich mit Cgm 4872 und Cgm 4873 zusammengebunden)113 wurde nach einem Schreibervermerk 1461 in Kammer am Attersee (Oberösterreich) von Johannes Fritz von Passau für Ortolf von Trenbach den Jüngeren geschrieben. Im Text von Peter Suchenwirts Minnerede ‘Die schöne Abenteuer’ wird der Name des Sprechers an zwei Stellen durch “hanns von Trenbach” bzw. “Trenbeckh” ersetzt.114 Es liegt nahe, in diesem Hans von Trenbach den Großvater Ortolfs zu sehen, also den vorbildlichen Helden bei “Wenzel Gruber” bzw. in der Trenbach-Chronik. Im Mittelpunkt des Textes115 steht die Begegnung des Sprechers mit den personifizierten Tugenden Minne und Ehre. Wann diese Textänderung, die nur im Cgm 4871 vorhanden ist, erfolgte, lässt sich nicht angeben. Sogar eine Autorvariante Suchenwirts ist denkbar. Damit käme man in die Zeit vor 1400. Um einen direkten Zusammenhang mit der bei Gruber vorgenommenen Stilisierung des Hans von Trenbach (gestorben 1468) erwägen zu können – die Minnerede thematisiert weltliche adelige Vorbildlichkeit und beklagt Missstände beim Adel – ist das 1461 datierte Zeugnis zu alt. Obwohl ich der Überzeugung bin, dass die Gruber-Chronik eine Quellenfiktion des 16. Jahrhunderts ist, könnte es durchaus sein, dass die Greisenklage – womöglich inspiriert durch das Vorbild der Suchenwirt-Minnerede – schon im 15. Jahrhundert mit Hans von Trenbach verbunden wurde. Mehr als eine bloße Möglichkeit ist das aber derzeit nicht.

Am 19. November 1818 wies Franz Hoheneicher dem Germanisten Johann Andreas Schmeller ein unbekanntes Gedicht des “Hanns von Trennbach” nach, das er in einer eigenhändigen Niederschrift des Freisinger Fürstbischofs Johann Franz Freiherr von Eckher (1649-1727)116 gefunden hatte.117 Er vermutete die Sammlung Eckhers inzwischen im Reichsarchiv oder in der Staatsbibliothek. Schmeller erkundigte sich beim Archiv, hatte aber zum Zeitpunkt seines Antwortbriefs an Hoheneicher am 18. Dezember 1818 noch keine Mitteilung dazu erhalten. Hoheneicher setzt das Gedicht ausdrücklich von dem kürzeren Gedicht aus Westenrieders Kalender (also der Greisenklage) ab. In der als Neubearbeitung von Hunds Stammen-Buch konzipierten genealogischen Sammlung Eckhers im Cgm 2268 Bd. 5 finde ich im Trenbach-Abschnitt nur die Greisenklage.118 Vielleicht hat Schmeller den Text später doch noch erhalten. In seinem Nachlass gibt es eine Schrift über Hans von Trenbach, die sich auf die Minnerede Suchenwirts zu beziehen scheint.119 Vermutlich hat Eckher demnach das Suchenwirt-Gedicht aus dem Cgm 4871 oder einer anderen Abschrift kopiert.

Johann Hollands Turnierreime

Eingeleitet vom Bildnis des Herolds Johann Holland in seinem Wappenrock (Bl. 306r) beschließt die leider unvollständige Wiedergabe der ‘Turnierreime’ des Johann Holland die Handschrift der Trenbach-Chronik (Bl. 306v bis Textabbruch Bl. 311v). Eingangs erfährt man, den Text habe der Wiener kaiserliche Leibarzt und Historiker Wolfgang Lazius am 9. September 1564 als Abschrift aus einem alten Pergamentbüchlein zugesendet. Nach einem Hinweis auf die Turnierbücher (Rüxners) und ihre Berücksichtigung in der “Cosmographei” des Sebastian Münster120 kündigt der Chronist Bl. 279r Püterichs Ehrenbrief und die Turnierreime (“aines alten heroldten gedicht in reimen”) an. Letztere will er von Lazius 1563 in Wien zur Abschrift erhalten haben. Überprüfbar ist diese Provenienz des Texts natürlich nicht. Eingedenk der genannten “Codexphantasien” kommt man nicht umhin, auch bei dem alten Pergamentbüchlein als Quelle ein Fragezeichen zu setzen.

2009 schrieb ich in meinem Rüxner-Aufsatz zu Hollands Turnierreimen: “Rüxner hatte seine Hände auch bei der Textgeschichte der Turnierreime des bayerischen Herolds Johann Holland im Spiel. Er fügte eine kurze eigenhändige ‘Antwort’ ebenfalls in Versen bei. Auch wenn es wohl zu weit ginge, in Rüxner den Fälscher der Turnierreime zu sehen, soll festgehalten werden, dass es keinerlei Beweis dafür gibt, dass die erst ab der Mitte des 16.Jahrhunderts in der Überlieferung erschienenen Turnierreime tatsächlich in die Zeit Sigmunds zurückgehen und tatsächlich von einem Herold Johann Holland stammen. Jakob Püterichs Ehrenbrief 1462 liefert auch keinen sicheren Terminus ante quem, da das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Texte nicht sicher zu klären ist. Fest steht nur, dass die Erwähnung des Turniers zu Schaffhausen 1392 nicht ursprünglich sein kann, denn dabei handelt es sich um eine Erfindung Rüxners, wie aus einem Vergleich der Namenslisten Rüxners mit den historischen Fakten hervorgeht. Es ist schlicht und einfach unzutreffend, wenn man heute noch liest, dass Rüxners Namenslisten ab der Mitte des 13. Jahrhunderts verlässlich seien”.121

Für Hellmut Rosenfeld, Verfasser des Artikels im Verfasserlexikon,122 wurde Johann Holland um 1390 in Eggenfeld geboren und war Herold und Wappendichter Herzog Ludwig des Bärtigen von Bayern-Ingolstadt (1365-1447): “Zusammen mit Herzog Ludwig kam er zu Kaiser Sigismund, nachdem dieser, von Zürich kommend, am 19. 7. 1415 Schaffhausen besucht und von dem dort 1392 veranstalteten Turnier gehört hatte. Auf Veranlassung des Kaisers bzw. dessen Kanzler Schlick verfaßte H. nunmehr eine gereimte Aufzählung des gesamten am Schaffhauser Turnier von 1392 beteiligten bayerischen Adels”.123 Abgesehen davon, dass Sigismund erst 1433 Kaiser wurde und der ins Auge gefasste Ereignisbezug unzutreffend ist, glaubt Rosenfeld zu naiv den Angaben des Textes. Die jüngere Forschung hat ihre liebe Not mit der Datierung und dem historischen Kontext des eher anspruchslosen Reimpaargedichts. Die Trenbach-Chronik datiert die Verse um 1424, eine Mutmaßung, die sich sicher nicht auf Informationen der Vorlage stützen kann. Martha Mueller, die in ihrer New Yorker Dissertation 1985 die maßgebliche Edition der Turnierreime Hollands vorgelegt hat,124 meinte, der Text könne “wohl kaum vor dem Todesjahr Schlicks (1449)” entstanden sein. Als Terminus ante quem sah sie die Entstehung des von den Turnierreimen abhängigen Ehrenbriefs 1462 an. 2005 kam Wim van Anrooij in einem für das Heroldswesen wichtigen, aber leider recht entlegen erschienenen Aufsatz auf den Zeitraum 1429/1433, als Kaspar Schlick125 Vizekanzler war. Leider begründet er nicht, wieso sich die Bezeichnung cantzeler “notwendigerweise” auf die Vizekanzlerschaft Schlicks 1429-1433 bezieht.126 Am gründlichsten hat sich Joachim Schneider 2003 bei seinen eindringlichen Quellenstudien zum bayerischen Turnieradel mit Hollands Versen beschäftigt.127 Für ihn war die Bezeichnung Schlicks als Kanzler ein eindeutiger Terminus post quem. Entscheidend für die Entstehung der Turnierreime war für ihn die politische Konstellation des Jahres 1434.128

Schneider hat das nur von Rüxner129 bezeugte Schaffhauser Turnier 1392 – endlich! möchte man sagen – in das Reich der Fiktion verwiesen.130 Wäre die nur von der Trenbach-Chronik (und der Münchner Ehrenbrief-Handschrift) gebotene Datierung 1392 – sie fehlt in Muellers Edition nach dem Cgm 1317 als Leithandschrift – keine spätere Interpolation in den Text der Turnierreime, so müsste man womöglich an das Erscheinungsdatum der Erstausgabe des Turnierbuchs 1530 als Terminus post quem denken. Rüxner selbst könnte natürlich auch schon früher das Turnier erfunden haben. Denkbar wäre aber auch, dass er sich von der Jahreszahl 1392 in Hollands Gedicht anregen ließ. Aber es gibt keinen Anhaltspunkt, dass die Lesart der Trenbach-Chronik ursprünglich ist.

Ein archivalischer Nachweis für das Turnier 1392 ist nicht zu finden. Im Katalog der Schaffhauser Turnier-Ausstellung 2014131 hat sich Peter Jezler meine Skepsis zu eigen gemacht, wenn er – über mich hinausgehend – schreibt, Rüxner habe, wie es scheine, “auch von ihm zitierte Quellen selbst geschaffen (Schaffhauser Turnierreime des Johann Holland)”.132 Dagegen bleibt Kurt Bänteli unkritisch der liebgewordenen lokalen Tradition133 verhaftet, wenn er annimmt, Rüxners Mitteilung zu 1392 könne einen wahren Kern haben, da es aus den folgenden Jahren glaubwürdige Nachrichten über Turniere in der Stadt gebe. Er nennt Quellenbelege für Turniere in den Jahren 1405, 1432, 1434 (?), 1435 und 1438.134

Schaut man sich die von Rüxner genannten Personen genau an, so wird man rasch zu dem Schluss kommen, dass anscheinend alles erfunden ist. Dem Schaffhauser Stadtchronisten Johann Jakob Rüeger teilte am 13. Dezember 1595 der Historiker Gottfried von Rammingen mit, die Jahreszahl im Turnierbuch zum Turnier in Schaffhausen müsse falsch sein, da mehrere anwesende Grafen nicht mehr am Leben gewesen seien.135 1931 stellte Eduard Geßler fest, bei Rüxner sei “sehr viel Unrichtiges und geradezu Unmögliches zu finden”. Die Fürstlichkeiten seien niemals in Schaffhausen gewesen, und die Vornamen der Schweizer Geschlechter nicht zu belegen.136 Den dritten Tanz des Turniers gab man, will Rüxner wissen, Herzog Stefan von Bayern, der mit der Gemahlin Markgrafs Rudolfs von Baden getanzt haben soll. Das muss der schon im Jahr zuvor (1391) verstorbene Rudolf VII. gewesen sein, der unverehelicht blieb. Rudolf selbst tanzte – offenbar postmortal – mit der Tochter Herzog Stephans von Bayern. Stephan III. hatte nur aus erster Ehe eine Tochter, die aber schon seit 1385 Königin von Frankreich war (Isabeau de Bavière). Landgraf Ludwig von Hessen nahm schon vor seiner Geburt (1402) am Schaffhauser Turnier teil und war damals bereits pränatal verheiratet. Genug! Wenn man eine authentische Namensliste des Bodensee-Adels aus jener Zeit benötigt (also der potentiellen Turnierer in Schaffhausen), kann man jenes Bündnis wegen Führung des Georgenbanners heranziehen, das am 24. Dezember 1392 über 400 Adelige zur Unterstützung des Hans von Bodman gegen die Böhmen vereinigte.137 Rüxner bietet gänzlich andere Vornamen! Auch für ihn gilt im Turnierbuch das Prinzip der Beweislastumkehr: Wer ihm hinsichtlich des Schaffhauser Turniers 1392 vertrauen möchte, muss das methodisch schlüssig belegen.

Auf welches Turnier in Schaffhausen sich Holland stattdessen bezog, lässt sich nicht sicher sagen. Schneider hat großen Scharfsinn darauf verwendet, Hollands Reimerei politisch zu interpretieren und auf ein möglicherweise 1434 in Schaffhausen stattgefundenes Turnier zu beziehen. Er zeigte, dass die frühere Lektüre des Textes, die von einem Zusammentreffen Ludwigs von Bayern und König Sigismunds ausging (Verse 9-18), nicht zwingend ist. Dann hätte der Herold und nicht der Bayernherzog den König getroffen. Aber auch bei dem von Schneider favorisierten Aufenthalt Sigismund im Mai 1434 in Schaffhausen gibt es ein Problem. Sigismund kam nämlich nicht von Zürich, wie Holland sagt.

Mir scheint es an der Zeit, von der “biographistischen” Deutung der Turnierreime abzurücken und sie stattdessen zuallererst als literarische Inszenierung zu begreifen. Ein Herold Johann Holland ist in den Quellen nicht greifbar. Es könnte sich auch um ein Pseudonym handeln138. Einen Herold Herzog Ludwigs von Bayern mit dem Amtsnamen Holland (er bezog sich auf die Herrschaft bzw. Ansprüche Bayerns auf Holland) gab es 1419, aber er trug den Vornamen Nikolaus.139 Der Geburtsort Eggenfelden, die Tätigkeit als bayerischer Herold, der aufgrund der sechs beherrschten Sprachen weitgereist zu sein vorgibt – nichts muss real gewesen sein. Der Rollen-Figur eines Herolds einen Katalog der turnierfähigen Geschlechter in den Mund zu legen bedeutete, den Geltungsanspruch der Liste zu erhöhen, da Herolde als der Wahrheit besonders verpflichtete Tugend-Richter, als “moralisch-soziale Kontrollinstanz”140 galten. Auf die Funktion, den Adel zu strafen, kommt der Holland-Text zweimal, vor und nach dem Turniererkatalog, zu sprechen (Verse 35-48, 426-428).141 Auf Turnieren tätige Herolde waren bei der Prüfung der Turnierfähigkeit ausgewiesene Experten und konnten die dafür zuständigen Turniergenossen beraten. Was Historikern Kopfschmerzen bereitet, die historische Situierung des Eingangsabschnitts der Turnierreime, erweist sich im literarischen Text als Realitätsfiktion einer “Rahmenerzählung”, die Glaubwürdigkeit herstellen soll.

Leider kommt auch die dem Text beigegebene Illustration nicht zu Hilfe. Die Heroldsdarstellung dürfte nämlich erst für die Trenbach-Chronik geschaffen worden sein. Schlüsse auf das Dienstverhältnis Hollands sind daher verfehlt. Die Chronikhandschrift lässt Holland einen goldenen Wappenrock mit großem zweiköpfigem Reichsadler tragen. Der Herzschild, ein ungekrönter silberner Löwe in Gold, soll wohl auf Herzog Ludwig anspielen.142 Abweichend davon setzt die Münchner Ehrenbrief-Handschrift Cgm 9220143 den österreichischen Bindenschild in den Herzschild. Anrooijs Vermutung, Holland sei den Habsburgern Albrecht II. oder Friedrich III. gepflichtet gewesen,144 geht zu weit. Priorität kommt der Trenbach-Handschrift zu (siehe unten), und auch deren Illustration ist keine vom Text unabhängige Quelle.

Vor Schlicks Erhebung zum Kanzler (1433) kann der Text der Turnierreime nicht entstanden sein. Das Präteritum (Vers 51: “Der konig hett ein cantzeler”) beziehe ich nicht auf den Tod Schlicks, sondern auf den Tod und das Ende der Regierungszeit Sigismunds 1437, mit dem auch Schlicks Kanzlerschaft vorerst endete. Damit wäre eine Datierung nicht vor 1437 gegeben. Möglich ist aber auch, dass der Text erst lange nach der Regierungszeit Sigismunds entstanden ist (und der Auftrag Schlicks fingiert145), denn die in der Forschung angenommene Abhängigkeit des Ehrenbriefs (1462) von den Turnierreimen halte ich nicht für gesichert. Einer hat den anderen benutzt, soviel steht aufgrund der großen Übereinstimmungen im Katalog des Turnieradels fest. Ich kann die komplizierten Ausführungen Muellers dazu nicht nachvollziehen,146 und halte es auch für methodisch unzulässig, textkritisch eine Abhängigkeit sicher anzunehmen, wenn man zum Vergleich nichts weiter in der Hand hat als die Namen der Adelsfamilien. Es ist durchaus denkbar, dass die Turnierreime vor 1462 entstanden sind, womöglich in Kontakt mit Püterich, aber das müsste in schlüssiger Weise abgesichert werden.

Damit kommen als Terminus ante quem nur die Daten der Überlieferungsgeschichte der Turnierreime in Betracht.147 Noch 1999 konnte Ulrich Montag nur auf die drei Münchner Handschriften verweisen,148 wovon die ehemals Herzogenburger Ehrenbrief-Handschrift der Editorin Mueller nicht zur Verfügung stand. 2003 griff Joachim Schneider Heinz Lieberichs Hinweis auf die Überlieferung in Brechtels Leublfing-Turnierbuch auf.149 Ich selbst konnte neben weiteren Handschriften der Leublfing-Turnierchronik eine Handschrift in den USA beitragen und kann nun die bislang unerkannte Überlieferung BSB München Cod.icon. 390 erstmals anzeigen.

Die Überlieferung setzt 1554 mit dem Münchner Cgm 1952 ein, eine Bearbeitung des Texts, bei der die Verse in anderer Reihenfolge Wappen in einem “Hofkleiderbuch” begleiten.150 Muellers Leithandschrift, der Cgm 1317, datiert zwar erst von 1560, enthält aber Bl. 137r einen 1511 datierten Vermerk, wonach von den Geschlechtern des Schaffhauser Turniers noch 76 am Leben seien.151 Die Turnierreime schließen mit einer kurzen gereimten kritischen Nachbemerkung gegen die Kritik an den Gelehrten “Also sagen die Roraffen” (Verse 438-443), die bei Wiguleus Hund dem Herold Georg Rüxner zugeschrieben wird (ebenso unter Bezugnahme auf Hund im Cgm 9220, S. 51f.). Hund hatte eine eigenhändige Abschrift Rüxners vorliegen.152 Rosenfeld vermutete, die Vorlage des Cgm 1317 von 1511 könnte Rüxners Abschrift gewesen sein.153 Am Ende von historischen Notizen (1024-1379) über die bayerischen Herzöge steht Bl. 137r: “Anno 1527 Vff dinstag sannt Calixtey tag, des 14 tag weinmonads Zoch mein Georg von mir” (Calixtus, 14. Oktober, fiel 1527 aber auf einen Montag).154 Ist das der Eintrag einer Mutter, deren Sohn Georg in die Fremde zog? Oder ist hier von einem anderen Abschied, nämlich dem Tod eines Georg, die Rede? Hat die Ehefrau Georg Rüxners damit womöglich sein Todesdatum eingetragen? Zu den Lebensdaten Rüxners, der nach 1526 nicht mehr sicher bezeugt ist, würde es passen.155 Aber diese Annahme scheint mir doch etwas sehr von Wunschdenken bestimmt.

Bislang nicht identifiziert wurde eine gute Überlieferung der Turnierreime in dem Wappenbuch des Heiligen Römischen Reiches des Nürnbergers Stephan Brechtel um 1554 bis 1568: BSB München Cod.icon. 390, S. 888-910.156 Der Text endet mit Vers 437, enthält also Rüxners Zusatz nicht.

Wiguleus Hund druckte die Turnierreime 1585 nach drei Vorlagen, einer im Besitz von Wolf Dieter von Maxlrain,157 einer nicht näher spezifizierten und einer von Georg Rüxner, die nach Hunds Angaben von den anderen stark abwich.158 Ob die gekürzte Fassung (Philadelphia, Rare Book and Manuscript Library der University of Pennsylvania, Ms. Codex 819, Bl. 170r-177r) von ca. 1601/12 eine Druckabschrift aus Hund sein könnte, bleibt zu prüfen.159 Gleiches gilt auch für die Turnierchronik der Freiherren von Leublfing 1617 des Regensburger Chronisten Johann Sigmund Brechtel.160 Von ihr kenne ich drei Überlieferungen: München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Nothaft-Archiv Literalien Nr. 1073; London, British Library, Ms. Egerton 1931; Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, P 10 Bü 462.

Die Ehrenbrief-Handschrift Cgm 9220 enthält Hollands Turnierreime S. 31-53. Leider ist die Überlieferung in der Trenbach-Chronik Bl. 306v-311v unvollständig. Letzter Vers des Grundstocks ist Vers 241, der Reklamant “Noch” verweist auf die fehlende Fortsetzung. Unter Vers 241 stehen noch zwei Verse, die aber ebenso wie weitere vergessene Reimpaare offenbar aus Hunds Abdruck von späterer Hand nachgetragen wurden. Solange die Münchner Ehrenbrief-Handschrift nicht online ist, muss der aus ihr gefertigte Abdruck bei Raimund Duellius161 sie ersetzen. Ob der in dieser Handschrift stehende Zusatz aus Hund zu Rüxners Anhang ursprünglich auch in der Trenbach-Chronik stand, lässt sich nicht sagen. Da Bischof Urban von Trenbach mit Hund nachweislich in Verbindung stand, könnte das durchaus der Fall gewesen sein. Notwendig ist eine solche Annahme aber nicht, denn Hunds Text lag seit 1585 auch gedruckt vor.

Zählt man die Brechtel-Chronik als einen einzigen Textzeugen, so ist derzeit von sieben Handschriften und einem Druck (Hund) auszugehen. Noch zu überprüfen bleibt, was es mit UB Innsbruck Cod. 95, Bl. 131r-141r auf sich hat, einer um 1546 entstandenen, reich illuminierten Chronikhandschrift zur bayerischen Geschichte. Während der neue Katalog von Walter Neuhauser 1987 zurückhaltend formuliert, die Turnierreime seien vom “Typus her” mit Hollands Text vergleichbar, trennt das alte Inventar der illuminierten Handschriften (1905) ein kurzes Gedicht “Ehrenhold” von den Versen “Die alten Edlen Geschlecht aus Bayrn, so Thurniersgenos gewesen sind”.162

Die Überlieferung der Turnierreime setzt also im Original in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein. Hinreichend gesichert erscheint aber die Existenz einer Handschrift schon 1511 (Vorlage von Cgm 1317). Für die Entstehungszeit des Gedichts wäre somit, nachdem die Datierung von Püterichs Ehrenbrief 1462 als Terminus ante quem eliminiert wurde, der Zeitraum von 1437 bis 1511 gewonnen. Eine nähere Eingrenzung erscheint mir zu hypothetisch. So sehr ich Sympathie für die Ansicht Joachim Schneiders aufbringen möchte, dass Hollands Turnierreime bei der Formierung des bayerischen Turnieradels als abgegrenzte Gruppe des “höheren” Adels eine Rolle gespielt haben, so wenig überzeugend begründbar erscheint mir eine genaue Verortung in diesem langfristigen sozialen Prozess. Die sparsamen Angaben des Textes zu historischen Details sind nicht belastbar, es kann sich auch um Fiktionen handeln, angefangen bei der Autor-Figur Johann Holland, Herold aus Eggenfelden.

Trotzdem lässt sich der “Sitz im Leben” des literarischen Werks angeben: die für Abgrenzung wie Selbstvergewisserung bestimmte Definition des bayerischen Turnieradels, an der, wie die Überlieferung zeigt, bis ins 17. Jahrhundert in Bayern ein lebhaftes Interesse bestand. Es ist wohl kein Zufall, dass die Überlieferung erst um die Mitte des 16. Jahrhundert einsetzt. Damals interessierte man sich offenbar besonders für die “alten bayerischen Turnierer”.163 Vor diesem Zeitpunkt kann man Hollands Turnierreimen soziale Relevanz nur hypothetisch zumessen. Dieser Überlieferungsbefund lässt das für die eine Datierung nicht nach 1462 sprechende Argument als nicht zwingend erscheinen, dass es für Püterich leichter gewesen sein muss, die Turnierreime in die Hand zu bekommen als für den Verfasser der Turnierreime Püterichs extrem seltenes Werk.164

Mit Blick auf die Rezeption meiner Skepsis im Schaffhauser Ausstellungskatalog 2014 möchte ich unterstreichen, dass eine Fälschung durch den Herold Georg Rüxner zwar nicht ausgeschlossen werden kann, dass es derzeit aber keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür gibt. Er müsste dann mit seiner kritischen Nachbemerkung nur so getan haben, als stamme der vorangehende Text von jemand anderem. Rüxner war aber in jedem Fall in die Textgeschichte der Turnierreime involviert.

Jakob Püterichs Ehrenbrief (1462)

Der 1469 gestorbene165 Jakob Püterich von Reichertshausen166 aus einer in den Landadel gewechselten Münchner Patrizierfamilie war, so Klaus Grubmüller, kein großer Dichter, aber eine “bedeutende Gestalt der deutschen Literaturgeschichte”.167 Der an die in Rottenburg am Neckar residierende Pfalzgräfin Mechthild168 adressierte ‘Ehrenbrief’ Püterichs ist ein “unschätzbares Zeugnis für die Spannungen und Kontraste in Kultur und Gesellschaft des 15. Jahrhunderts, für die Rolle der Literatur bei der Selbstvergewisserung sozialer Gruppen, für die Geschichte des literarischen Geschmacks, für ein beginnendes literaturgeschichtliches Bewusstsein: für die Entstehung der Literaturgeschichte aus dem Geiste der gesellschaftlichen Konkurrenz”.169. Diese rühmenden Worte Grubmüllers stehen in einem Heft der Patrimonia-Reihe der Kulturstiftung der Länder, das den Erwerb der vermeintlich unikalen Ehrenbrief-Handschrift für die Bayerische Staatsbibliothek und die Bayerische Landesstiftung (als Miteigentümerin des Cgm 9220 signierten Codex) im Jahr 1997 feiert und zugleich legitimiert. Der Kaufpreis ist wie in solchen Fällen üblich ein Arcanum, aber er dürfte sehr hoch gewesen sein. Man wird wohl an einen sechs- bis siebenstelligen Betrag zu denken haben.

Möglicherweise war der erworbene Sammelband aus Handschriften und Drucken zunächst im Besitz der Adelsfamilie Nothaft. Anfang des 18. Jahrhunderts befand er sich im Chorherrenstift St. Andrä an der Traisen. Raimund Duellius edierte den Ehrenbrief aus dieser Vorlage 1725 erstmals. Nach Aufhebung des Stifts St. Andrä 1783 gelangte der Band in das Chorherrenstift Herzogenburg. Signiert als Hs. 219 überstand er die Notzeit der Zwischenkriegszeit, als sich viele österreichische geistliche Institutionen gezwungen sahen, Kulturgüter in den Handel zu geben, und ist im Handschrifteninventar aus dem Jahr 1949 noch verzeichnet. Der übliche Ausfuhrstempel des Bundesdenkmalamts Wien ist nirgends zu entdecken, glaubt man den Beschreibungen.170 1964 oder früher muss das Stück ins Ausland verkauft worden sein, denn damals tauchte es im Zürcher Kunsthandel auf. Germanistische Interessenten wimmelten die Kanoniker mit der Angabe ab, die Handschrift sei nicht mehr “auffindbar”.171 1965 wurde sie Handschrift XV 10 des Kunstsammlerehepaars Irene und Peter Ludwig (Aachen). Auf Kosten der Stadt Köln aufwändig katalogisiert, sollte der erlesene Handschriftenbestand der Ludwigs in Köln eine dauernde Bleibe finden, aber Köln und die Ludwigs überwarfen sich und der Band landete mit den anderen Handschriften im Getty-Museum in Malibu. Um anderes zu finanzieren, trennte sich das Museum 1997 aber von einem Teil der Ludwig-Bestände172 und übergab sie dem bekannten Handschriftenhändler Jörn Günther, der sie überwiegend an Privatsammler verkaufte. Nachdem die Staatsbibliothek Berlin generös der Bayerischen Staatsbibliothek den Vortritt ließ, konnte diese die Püterich-Zimelie ihrem Bestand einverleiben.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die nüchterne Feststellung, dass die (früher Wiener, heute St. Pöltener) Handschrift der Trenbach-Chronik von 1590 auf Bl. 281r-299v Jakob Püterichs Ehrenbrief überliefert, als kleine altgermanistische Sensation. Angesichts der prachtvollen Ausstattung der Chronik dürfte im Handel erheblich mehr als für die Münchner Handschrift zu erzielen sein.

Es muss erstaunen, dass diese Zweitüberlieferung so lange unbemerkt geblieben ist. Schon 1872 sprach der Abdruck aus der Trenbach-Chronik von einem “Erelied” Bl. 267-299, dem bis Bl. 299-311 das Leben des Herolds Johann Holland folge.173 Max Voigt, immerhin ein Handschriftenbeschreiber für das Handschriftenarchiv, übernahm diese falschen Angaben 1924.174 Auch Hans-Dieter Mück nannte 1984 das Erelied und wusste von dem Vollbild des Herolds Hollands Bl. 306r.175 Wem die Überlieferungsgemeinschaft von Ehrenbrief und Hollands Turnierreimen aus dem ehemals Herzogenburger Sammelband vertraut ist, dem hätte der Verdacht kommen müssen, dass das “Erelied” (kein Terminus der Quelle!) in Wirklichkeit der Ehrenbrief ist (ich vermutete das jedenfalls, schon bevor ich Reproduktionen einsehen konnte).

“Hienachvolgendt lied genant der ernbrief hat weilanndt Jacob Pütrich von Reichertzhausen gemacht, ze ehrn weilend frauen Machthilden hertzogin zu Österreich unnd geborne pfaltzgrävin, in des von Laber gemainem thon”, lautet die Überschrift Bl. 281r. Es folgen genau wie in der Münchner Überlieferung176 die 148 Titurel-Strophen. Schon die Überschrift ist in dem St. Pöltener Textzeugen verständlicher: “ze ehrn weilend” gegenüber “zeweilln” im Cgm 9220.

Am Ende seines Abschnitts über das Turnierwesen teilt der Trenbach-Chronist etwas über die Provenienz seiner Vorlage mit: “Doch habe ich nit unnderlassen wellen, einen brief, der errnbrief genannt, so Jacob Pütrich, ein edlman, unnd teütsch poet, ime 1462 geschriben, unnd ich aus ainem gar alten puech, zu Sanndt Mörthen abgeschrieben, item auch aines alten heroldten gedicht in reimen verfasst, so mir D. Wolf Latius khay(serlicher) May(estat) historicus in Wien 1563 auß ainem alten pergameen büechlin abzuschreiben geben, in denen beyden der bayrisch adl, so tornierßgenoß, begriffen ist, hieherzusetzen” (Bl. 279r). Die Versdichtungen stammen also, glaubt man dem Chronisten, aus unterschiedlichen Quellen: Während der Ehrenbrief aus dem Trenbachschen Herrensitz St. Martin stammt, wurden die Turnierreime von Lazius vermittelt. In beiden Texten sind die Trenbach aufgeführt. Vermutlich deshalb hat der Chronist sie in sein Werk aufgenommen.

Nach eigenen Angaben hat also der Trenbach-Chronist die Kombination von Ehrenbrief und Turnierreimen hergestellt. Die beiden Porträts, die den Texten vorangestellt sind (Püterich und Holland) passen zum Ausstattungsprogramm der Chronik. Von daher erscheint es schlüssig, die Priorität der Konzeption der Trenbach-Chronik zuzubilligen und die Münchner Handschrift als davon abgeleitet anzusehen.

Ulrich Montag zufolge wurden die handschriftlichen Teile des Cgm 9220 aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert (als einziges datiertes Wasserzeichen nennt er eines von 1578) zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit den Drucken (Turnierbücher von Rüxner und Francolin 1578) vereinigt.177 Die Auszüge aus der Vorrede Hunds zu seinem Stammen-Buch S. 52-70 schließen es aus, dass dieser Handschriftenteil vor 1585 entstanden ist. Ob das noch nicht untersuchte Wappenbuch bayerischer und süddeutscher Geschlechter S. 71-106 versteckte Datierungsmöglichkeiten bietet, bleibt zu prüfen. Den Schriftcharakter der Münchner Handschrift schätze ich jünger als den der Trenbach-Chronik ein. Nichts spricht also dagegen, den Cgm 9220 nach der 1590 anzusetzenden Handschrift in St. Pölten zu datieren.

Ich habe stichprobenhaft den Wortlaut des Ehrenbriefs verglichen und sehe in der St. Pöltener Handschrift eindeutig den besseren Textzeugen.178 Vorerst wird man davon ausgehen dürfen, dass die St. Pöltener Handschrift der Münchner als Vorlage für Ehrenbrief und Turnierreime gedient hat. Eine bloße Kopie war der Cgm 9220 aber nicht, denn er weist einige durchaus anspruchsvolle Änderungen auf. Bereits erwähnt wurde eine Abweichung beim Porträt des Herolds Holland. Das Vollbild Püterichs ist in München ästhetisch erheblich ansprechender als in der Trenbach-Chronik. Die Münchner Handschrift hat im Ehrenbrief zudem die Verse abgesetzt und farbige Wappendarstellungen beigegeben.

Angesichts der notorischen Verständnisprobleme, die Püterichs Verse bereiten, wäre eine Neuedition des Ehrenbriefs (mit Übersetzung!) aufgrund der Trenbach-Chronik lohnend. Ob sich allerdings abgesehen von punktuellen Verbesserungen ein entscheidender Fortschritt ergibt, möchte ich bezweifeln.179 Die bisherigen Fehlleistungen der germanistischen Forschung bei der Identifizierung der von Püterich genannten Personen180 lassen wenig Hoffnung aufkommen, dass von germanistischer Seite auf Anhieb eine einigermaßen zuverlässige Recherche, die auf Archivstudien sicher nicht wird verzichten können, gelingen könnte. Angesichts der Prominenz des Werks ist zu befürchten, dass statt einer für die Allgemeinheit offenen Wiki-Edition als “work in progress” nur eine – heutzutage aus meiner Sicht absolut obsolete181 – gedruckte Edition in einer der renommierten Editionsreihen erscheinen wird, die zwar philologisch korrekt sein dürfte, aber hinsichtlich des historischen Kommentars mangelhaft. Ein solches Vorhaben bedarf zwingend der Zusammenarbeit von Germanisten und Historikern.

Man darf wohl sagen: Die Adelsfamilie von Trenbach hat Püterichs Ehrenbrief für die deutsche Literaturgeschichte “gerettet”, durch die Aufbewahrung in Trennbach-Herrensitzen und später (oder vielleicht auch von Anfang an) in St. Martin, wo der Trenbach-Chronist im 16. Jahrhundert eine Handschrift vorfand und den Text seinem Adels-Herkommen einverleibte. Andere Überlieferungsstränge sind nicht ersichtlich. Bis zum Druck durch Duellius 1725 gibt es anscheinend keinerlei Rezeptionszeugnisse des Ehrenbriefs.182

Natürlich kann man nur spekulieren, wieso der Trenbach-Chronist die alten Verstexte so geschätzt hat, dass er sie zur Gänze in sein Werk aufgenommen hat. Zu dem auf dem Titelblatt der Chronik genannten Johann Auer als Verfasser, der ja in Wien und Padua studiert hat, würden nicht nur die italienischen Bezüge in der Chronik, sondern auch der in Wien leicht mögliche Kontakt zu Wolfgang Lazius passen. Von Lazius, der einige Strophen des sonst damals so gut wie vergessenen Nibelungenliedes abdruckte,183 könnte er das Interesse an älterer deutscher Poesie gelernt haben.

Der Fundort St. Martin ist deshalb so faszinierend (daher scheue ich mich, die Angabe des Trenbach-Chronisten leichthin zur Fiktion und Codexphantasie zu erklären), weil in diesem Herrensitz eine der bestdokumentierten niederadeligen Bibliotheken des 15. Jahrhunderts184 zu vermuten ist: die von der Germanistik wiederholt185 besprochene Büchersammlung von Ortolf dem Älteren (gestorben 1475) und Ortolf dem Jüngeren von Trenbach (gestorben 1502). Auch wenn der Buchbestand der Trenbacher sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch nicht dauerhaft in St. Martin186 befunden haben mag, dürfte er später dort zusammengeflossen sein. Es handelt sich um zehn deutschsprachige Handschriften (in Alba Julia, München, Prag und Wien, davon fünf bereits online)187 und eine deutschsprachige Inkunabel (1488) in Wien.188 Hinzu kommt eine von mir nach Paul Needhams “IPI” nachgewiesene Inkunabel in Washington. Der deutschsprachige Augsburger Barlaam-Druck (um 1476)189 in der Rosenwald-Collection der Library of Congress Nr. 63190 kann nur Ortolf dem Jüngeren gehört haben, auch wenn man dessen Devise “nichts on ursach” vermisst. Angesichts eines so raren Bestandes ist die Versuchung groß, den Inhalten der Bücher möglichst viel über ihre “Gebrauchsfunktion” zu entnehmen. Schon die Studie von Bernd Weitemeier (2006), die sehr ausführlich die Trenbach-Bibliothek erörtert hat,191 ist, wie ich meine, der Gefahr der Überinterpretation der literarischen Interessen der Familie nicht ganz entgangen. Das Unbehagen verstärkt sich aber noch bei der Lektüre der Münchner Dissertation von Andreas Erhard (2009),192 die sich auf die Münchner Codices konzentriert. Über viele Seiten wird etwa “Der ideale geistlich-höfische Ritter Lohengrin als Leitfigur für den bayerischen Ritter Ortolf von Trenbach” traktiert, ohne dass es über die Tatsache hinaus, dass Ortolf (der Jüngere) die Handschrift 1461 schreiben ließ, konkrete Anhaltspunkte für die Gebrauchssituation gibt.

Vom Lohengrin existieren heute nur noch drei vollständige Handschriften (zwei davon in Heidelberg). Püterich rechnet ihn zu den Werken des von ihm verehrten Wolfram von Eschenbach (Ehrenbrief Str. 101). Der Lohengrin wurde von Ulrich Fuetrer193 in seinem ‘Buch der Abenteuer’, das für Herzog Albrecht IV. bestimmt war, verarbeitet, möglicherweise nach einer Handschrift Püterichs. Dass Ortolf von Trenbach Zugriff auf diesen seltenen Text hatte, legt den Schluss nahe, dass er (oder vielleicht auch sein Vater) mit Püterich in engerem Kontakt stand.194 Wenn die beiden Ortolfe Beziehungen zu Püterich und dem literaturaffinen Zirkel am Münchner Hof pflegten, würde dies gut den Umstand erklären, dass die Ehrenbrief-Handschrift ausgerechnet im Trenbach-Schloss St. Martin aufgefunden wurde.

Stefan Lußnitzer: Aufzeichnung zur Schlacht von Giengen 1462

Zwischen dem Ehrenbrief und Hollands Turnierreimen steht Bl. 301r-305v eine Aufzeichnung zur Schlacht von Giengen 1462, die man aufgrund ihrer Zeitstellung vielleicht als Mitüberlieferung des 1462 datierten Ehrenbriefs195 in der Vorlage des Trenbach-Chronisten aus St. Martin betrachten darf. Da Bl. 303r auch Thomas und Ortolf “Trenbekh” im Aufgebot genannt werden, könnte diese Quelle aber auch aus anderem Zusammenhang in das kleine Quellen-Dossier am Schluss der Chronik gelangt sein. Tertium comparationis, das die Aufzeichnung mit den beiden Listen des turnierfähigen Adels verbindet, ist die kriegerische Tüchtigkeit, haben die Trenbacher doch zu dem großartigen Sieg Herzog Ludwigs des Reichen beigetragen. Der Sieg des Bayernherzogs über Markgraf Albrecht Achilles in der Schlacht bei Giengen am 19. Juli 1462 im Rahmen des damaligen “Reichskriegs” wurde auf bayerischer Seite bejubelt, die Unterlegenen wurden geschmäht.196

Auf einen kurzen erzählenden Text, der den Sieg des Bayernherzogs mit Hilfe der Jungfrau Maria preist und an dessen Ende (Bl. 301v) sich der Küchenmeister des Herzogs “Steffan Lußnitzer” als Verfasser und Schlachtteilnehmer nennt, folgt die “geschicht” in Form einer detaillierten Schlachtaufstellung in Listenform mit Nennung der jeweiligen Anführer. Den Schluss bilden Angaben zum raisigen Zeug und zum Fußvolk. Ob dieser Text noch anderweitig, etwa in bayerischen archivalischen Quellen überliefert ist, vermag ich nicht zu sagen. Zumindest die mir zugängliche Literatur erwähnt ihn nirgends.197 Natürlich kann er mit den beiden Verstexten (Turnierreime, Ehrenbrief) nicht konkurrieren, aber als frühe historiographische Prosa-Aufzeichnung des Teilnehmers einer Schlacht verdient das Stück durchaus Beachtung. Es kann dem ganz kurzen deutschen Bericht des ebenfalls auf bayerischer Seite bei Giengen mitkämpfenden Hans Magensreitter (er wurde vor der Schlacht zum Ritter geschlagen) zur Seite gestellt werden.198

Literarische Inszenierung, Fiktion, Fälschung, Phantasie – und die Lebenswelt

Püterichs Ehrenbrief ist ein kunstvolles Gespräch mit Erzherzogin Mechthild, eine höfische Konversation, in der sich der bayerische Adelige selbstironisch gibt und sich über seine Vorlieben für die alten Bücher (die mittelhochdeutsche Klassik) lustig macht. Neben dem Preis Mechthilds bietet er einen langen Katalog der turnierfähigen bayerischen Geschlechter (seine eigene Familie gehörte nicht dazu, aber Püterich durfte gelegentlich an Turnieren teilnehmen) und Mitteilungen über Püterichs eigene Bibliothek (nicht weniger als 164 Bände!) sowie über das, was er anhand eines Verzeichnisses zur Bibliothek der verehrten Fürstin erfahren hatte. Diese besaß mindestens 94 Bücher, von denen er etliche nicht kannte. Während in Mechthilds Bibliothek auch zeitgenössische Literatur vorhanden war, bekannte Püterich, er schätze nur die alten Bücher, nicht die neuen (“doch nur die allten püecher, der neüen acht ich nit zu khainen stunnden”, Str. 123, Bl. 296r). Eine Münchner Hofclique führte ihn nach seinen Worten mit Hinweisen auf ein (nicht existierendes) gar altes Buch in die Irre, dem Püterich dann vergeblich nachjagte.

Seit Christelrose Rischers Studien 1973199 sieht man Püterichs Ehrenbrief vor allem als “literarische Inszenierung”. Püterich spielt eine artifiziell ausgestaltete Rolle: als Minne-Narr wie als bibliomaner Fan ritterlicher Altertümer. Er pilgert zum Grab seines großen Vorbilds Wolfram nach Wolframseschenbach und sucht bei Lüttich auch das Grab des berühmten Reisenden Johann von Mandeville auf. Sogar die sorgsam gebauten Strophen unterbricht er, um die Grabinschrift Mandevilles auf Latein und Deutsch wiederzugeben (nach Str. 133). Man ordnet Püterich oft einer sogenannten “Ritterrenaissance” zu,200 aber dann muss man sich klarmachen, dass das keine naive oder weltfremd romantische Haltung war.201 Retrospektive Suche nach Altertümern begann damals ausgesprochen modern zu werden.202 Ohnehin war das Rittertum seit dem 13. Jahrhundert “geprägt durch die ständige Verschränkung von Kontinuität und Revitalisierung”.203 Dies gilt auch für das Turnierwesen, das Püterich so am Herzen lag, dass er sein gebildetes Gespräch mit Mechthild mit einem vergleichsweise öden Katalog von bayerischen Adelsfamilien unterbrach.

Nichts deutet in der reichen archivalischen Überlieferung zu Püterich204 darauf hin, dass er als skurriler Sonderling wahrgenommen wurde. Er war einer der vertrautesten Räte seines Landesherrn und führte als vielbeschäftigter “Politiker” ein aktives Leben. Sein hartnäckiges juristisches Vorgehen gegen die Stadt Würzburg (eine “große Sache” für die Würzburger, die einmal deshalb sogar eine Bürgerversammlung einberufen mussten) wirkt ausgesprochen “modern”.205

Welchen Stellenwert besaß die schöne Literatur206 in der Adelskultur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit? Vor allem für den hohen Adel hat Karl-Heinz Spieß 1998 seine Skepsis formuliert: Angesichts der großen Anziehungskraft von Jagden, Turnieren und Festen sei die Beschäftigung mit Literatur nur eine von vielen Ausdrucksformen höfischen Daseins gewesen.207 Was den vermeintlichen “Musenhof” der Erzherzogin Mechthild betrifft, so hat insbesondere der Inszenierungscharakter von Püterichs Ehrenbrief Christine Wand-Wittkowski Argumente geliefert, die Annahme eines literarischen Zirkels der Fürstin als “Irrtum der Mediävistik” zu denunzieren. Gewisse Übertreibungen der Forschung zu kritisieren ist hilfreich und sinnvoll. Sie schüttet aber das Kind mit dem Bade aus208 und hat noch nicht einmal alle relevanten Quellen berücksichtigt. 1991 hatte Felix Heinzer auf ein wichtiges Zeugnis aufmerksam gemacht, das leider nur in Zusammenfassung durch Martin Crusius erhalten ist: ein 1468 entstandenes deutschsprachiges Reimpaargedicht ‘Pfauenherz’ (“Pfowenhertz”) eines Autors, der sich als Sohn des Dichters Hermann von Sachsenheim209 zu erkennen gibt (möglicherweise der Hirsauer Mönch Michael von Sachsenheim). Es rühmt die Tugenden Erzherzogin Mechthilds.210 Anscheinend hat die literaturwissenschaftliche Forschung keine Notiz von diesem Hinweis genommen.

Dieser Quellenfund tritt zu den anderen bemerkenswerten Zeugnissen für die besondere “Attraktivität” Mechthilds hinzu, die man natürlich immer auch so interpretieren kann, dass Mechthild bloße Projektionsfläche für die sie anbalzenden, teilweise schon etwas betagten Literaten war. Soweit man auf literarische Quellen angewiesen ist, ist es methodisch inzwischen ein Kinderspiel, alle historischen Referenzen durch Hinweis auf poetische Rollen-Spiele und Inszenierungen wegbrechen zu lassen. Hilfreich kann ein Blick in die Forschung zu Oswald von Wolkenstein sein. Die Frage nach “Oswalds Spiel mit der Literarisierung und Selbstinszenierung” ist ein ständiges Thema bei der aktuellen Auseinandersetzung mit seinem Werk.211 Vernünftig erscheint die Position von Manuel Braun: “Es kann heute […] nicht mehr darum gehen, biographische Aussagen, die man in den Liedern findet oder zu finden glaubt, einfach neben die Realität zu halten und sie dann entweder zu bestätigen und oder zu korrigieren. Es reicht aber auch nicht, gegen ein solches Vorgehen die Kunstfertigkeit der Texte auszuspielen. […] Vielmehr kommt es darauf an, möglichst genau zu beschreiben, wie die biographischen Elemente in den Liedern eigentlich funktionieren und diese so als Lebenskunst lesbar zu machen.”212

Einige Beispiele mögen zeigen, wie wenig das verstreute und ästhetisch eher anspruchslose Quellenmaterial zu adligen Autoren jenseits der bekannten Namen des 15. Jahrhunderts (Oswald von Wolkenstein, Hermann von Sachsenheim) geeignet ist, sichere Schlüsse zu ermöglichen. Der Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg, einer der wichtigsten Politiker in der Zeit König Sigismunds,213 schrieb eigenhändig zwei geistliche Reimpaargedichte nieder, eine Anrufung des Blutes Christi (1441), nach Frieder Schanze “wahrscheinlich von ihm selbst gedichtet”,214 und eine Version eines weit verbreiteten Glossengedichts über das Ave Maria. Dagegen ist der ihm in den Mund gelegte Zweizeiler in der Spruchsammlung des Augsburger Schreibers Konrad Bollstatter215 ganz sicher nicht sein literarisches Eigentum, sondern stammt aus dem Freidank-Korpus.216

Von Johannes Werner von Zimmern (gestorben 1496) überliefert die Zimmerische Chronik ein schwankhaftes Märe ‘Der enttäuschte Liebhaber’. Obwohl die Chronik “mehrfach zu Unrecht Mitglieder des Hauses Zimmern als Verfasser sonst anonym überlieferter Gedichte nennt” (also eine Parallele zur Greisenklage!), sah Frieder Schanze keinen Anlass, an der Autorschaft des nachgewiesenermaßen literarisch interessierten Adeligen zu zweifeln.217 Er spricht von “privaten und gesellschaftlichen Liebhabereien eines Dilettanten”,218 was die Frage aufwirft, was im Spätmittelalter der Begriff Dilettantismus meint.219 Die Zimmerische Chronik erwähnt auch einen Reimbriefwechsel mit dem befreundeten Adeligen Balthasar von Bühl und gibt einen Wappenspruch Balthasars auf Johannes Werner wieder.220 Die auf einer Adelsversammlung in Nürtingen zusammengekommenen Adeligen sandten Johannes Werner von Zimmern einen langen gereimten Brief, in dem sie sich über sein Ausbleiben beklagen, “wie der zeit ain geselligelicher geprauch gewest”.221 Es ist ohne weiteres denkbar, dass Froben Christoph von Zimmern auch diese Zeugnisse für aristokratische Literatur-Produktion erfunden hat. Selbst wer meinem Vorschlag einer Beweislastumkehr bei der Chronik der Grafen von Zimmern ablehnt, sollte wenigstens ein Fragezeichen hinsichtlich der Authentizität der wiedergegebenen adeligen Reimereien akzeptieren.

“Lieder Heinrichs Grafen von Wirtenberg” edierten 1849 Wilhelm Holland und Adelbert von Keller222 in einer Geburtstagsgabe für Joseph von Lassberg aus dem um 1470 entstandenen sogenannten ‘Königsteiner Liederbuch’ (Berlin, SB, Mgq 719). Paul Sappler, der Editor des stammbuchartigen Liederbuchs, hat aber erhebliche Zweifel geäußert an der Autorschaft des 1519 gestorbenen “verrückten” Grafen, der ab 1492 auf Hohenurach gefangen gehalten wurde.223 Es ließe sich wohl nicht entscheiden, ob die Nachschriften zu drei Liedern, die Heinrich nennen, auf seine Verfasserschaft hinweisen “oder ob sie lediglich bezeugen, daß er solche Lieder gesammelt, möglicherweise auch einmal als Liebesgruß verwendet hat”.224 Heinrich von Württemberg war aber ein durchaus gebildeter Mann, dessen literarische Interessen vor allem durch Bücher aus seinem Besitz belegbar sind.225

Richtig ist: Man sollte die literarischen Aktivitäten der Adeligen nicht überschätzen. Auch wenn man bescheidenes Versemachen mitzählt, hat sich vermutlich nur ein kleiner Kreis von Adeligen damit abgegeben. In den in großem Umfang erhaltenen Korrespondenzen der Adligen konnte man bislang so gut wie keine Hinweise auf Poetisches und ganz selten Hinweise auf Bücher entdecken. Fragen der Jagd und die Sorge um die Pferde hat Hoch- wie Niederadelige allemal mehr interessiert. Andreas Erhard hat in dem von ihm untersuchten deutschsprachigen bayerischen Handschriftenbestand der Bayerischen Staatsbibliothek aus dem 15. Jahrhundert gerade einmal zwei Werke der fiktionalen Literatur angetroffen: den Trenbachschen Lohengrin und eine Handschrift des ‘Friedrich von Schwaben’ von Hans III. von Herzheim (Cgm 5237).226 Freilich muss man mit dramatischen Überlieferungsverlusten rechnen: Von Püterichs so großer und erlesener Bibliothek sind gerade einmal zwei Handschriften einer Predigtsammlung als fromme Schenkung an das Münchner Püterich-Regelhaus erhalten geblieben (Cg, 305 und 306).227

Bei einer Untersuchung, die ich zu Rufnamen literarischer Provenienz, also solchen, die aus dem höfischen Epos stammen,228 vorbereite, konnte ich feststellen, dass es nur sehr wenige Belege gibt, bei denen man methodisch die früher allzu fahrlässig gehandhabte Annahme literarischer Einflüsse229 nachvollziehen kann. Am überzeugendsten ist der Quellenbefund in Bezug auf den bayerischen Adel in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Jakob Püterich nannte einen Sohn Gamuret und eine Tochter Orgeluse (den gleichen Vorname gab Bernhardin Stauff zu Ehrenfels seiner Tochter, bekannt als Argula von Grumbach230).231 “Schynatulander hab ich Hans Herzhamer auch des namens ain brueder gehabt”, schrieb Hans von Herzheim in die erwähnte Handschrift des ‘Friedrich von Schwaben’.232 Solche Belege dafür, wie bayerische Adelige die Literatur bewusst in ihre Lebenswelt einbezogen haben, sollte man nicht einfach beiseiteschieben.

Bei der Beurteilung der Relevanz der schönen Literatur für die adlige Lebenswelt – stets in Gefahr, über-, aber auch unterschätzt zu werden – kommt es offenbar auf Differenzierungen an: nach Zeitraum, nach ständischer bzw. sozialer Zugehörigkeit und nach Adelslandschaften. Für literarische Kennerschaft, wie sie am ausgeprägtesten Püterichs Ehrenbrief dokumentiert, sind die Zeugnisse in Oberdeutschland in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts am dichtesten. Für Schwaben genügt der Hinweis auf den Hof Mechthilds, Hermann von Sachsenheim und die Herren von Zimmern. In Tirol trug Anton von Annenberg (gestorben 1483/84) auf seinem Schloss Dornsberg im Vinschgau eine Bibliothek mit über 250 Handschriften und Drucken zusammen.233 In diese Zeit gehören auch Zeugnisse, die sich katalogartig vor allem mit der höfischen Artus-Literatur beschäftigen. Der von Ladislaus Sunthaim überlieferte ‘Spruch von den Tafelrundern’ könnte in den Umkreis des Münchner Hofs gehören.234 Um 1470 wurde eine Namenliste im Wiener Cod. 3406 notiert, die man als Notizen aus Püterichs Bibliothek ansah oder als Vorlage für das Schlussgedicht von Fuetrers ‘Lannzilet’.235 Ähnlichkeiten dieser Zeugnisse bestehen auch mit dem Namenskatalog des wohl im niederschwäbischen Raum zwischen 1314 und 1463 entstandenen ‘Friedrich von Schwaben’ (den Hans von Herzheim besaß). Man darf diesen Minne- und Aventiure-Roman mit Paul Sappler vielleicht in das 15. Jahrhundert rücken, “in Kreise kundig zurückschauender Literaturliebhaber wie Püterich von Reichertshausen”.236

Im deutschen Nordwesten verfügte die Blankenheimer Schlossbibliothek über einen singulären Schatz an Werken der höfischen Epik des 13. Jahrhunderts, doch dürfte der Bestandsaufbau erst ab 1471 unter Kuno von Manderscheid-Blankenheim (1444-1489) erfolgt sein.237 Hartmut Beckers vermutet, dass die literarischen Interessen von Wirich von Daun zu Oberstein (gestorben 1501)238 geweckt worden sind,239 den Püterich als ausgezeichneten Kenner der älteren Literatur rühmt (Ehrenbrief Str. 76). Solche Beziehungen lassen an ein literaturaffines adeliges Netzwerk in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts denken, das aber nur einen vergleichsweise kleinen Personenkreis umfasst haben dürfte.

Die hier besprochene Trenbach-Chronik führt in den von ihr überlieferten Verstexten ganz unterschiedlich gestaltete literarische Inszenierungen zusammen. Das artifizielle Kunstwerk des Ehrenbriefs steht neben der Reimerei des Herolds Holland, wobei es sich bei diesem Autor auch um ein Pseudonym handeln könnte. Womöglich ist erst viel später, als der Text mit seiner Situierung in der Zeit Sigismunds vorgibt, jemand in die Heroldsrolle geschlüpft, um mit der Autorität dieses Amtes den Kreis der bayerischen Turnier-Geschlechter zu definieren. Bei der Greisenklage und der Minnerede in der Lohengrin-Handschrift beschränkt sich die Inszenierung darauf, den Text einem Familienmitglied in den Mund zu legen. Die angeblichen Burghausener Abschiedsverse des Hans von Trenbach stehen im Kontext der Stilisierung240 seines vorbildlichen Lebens. Die Verse sind ebenso wie die Greisenklage in die Chronik des Wenzel Gruber integriert, die ich ja für eine Quellenfiktion halte. Diese Inszenierungen wären dann dem 16. Jahrhundert zuzurechnen, könnten aber natürlich ältere Vorläufer haben. Als erbauliche, in das Adels-Herkommen integrierte Exempla werte ich auch den Bericht über den Tod des Christoph von Trenbach und die Einbindung der Tradition der Seelen-Schmiede.

Welche anderen Exempla, rhetorischen Stilmittel und narrativen Techniken der Trenbach-Chronist verwendet, müsste genauer untersucht werden. Die integrierten Verstexte verweisen auf einen besonderen Geltungsanspruch der gebundenen Rede. Solche Texte, auch bescheidene Reimereien, wurden lange vernachlässigt, verdienen jedoch mehr Aufmerksamkeit. Sie müssten aus Adelschroniken oder auch dem adeligen Geschäftsschriftgut zusammengetragen und vergleichend analysiert werden, um das vielgestaltige Thema “Adelskultur und Literatur” weiter auszuleuchten. Dabei darf man auch die neulateinischen Verse, die sich ja auch in der Trenbach-Chronik finden, ohne dass ich mich näher darauf eingelassen hätte, nicht übergehen. Das anzunehmende “Teamwork” der Trenbach-Familienforschung im 16. Jahrhundert verweist darauf, dass Adelige bei literarischen Aktivitäten immer auch Helfer und Berater hatten. Auch hier besteht die Gefahr, den persönlichen Anteil der adeligen Männer (und Frauen!) entweder zu gering oder zu hoch zu veranschlagen.

Historiker und Literaturwissenschaftler sollten stärker interdisziplinär zusammenarbeiten, nicht nur wenn es um Texte aus dem Bereich der Adelskultur geht. Viele Adelshistoriker vernachlässigen die kulturellen Aspekte oder finden keinen rechten Zugang dazu, während Philologen die Ergebnisse der regional- und landesgeschichtlichen Forschung nicht zur Kenntnis nehmen: “Regionalia non leguntur” (Franz Staab).241

Wer sich mit Stilisierungen, Inszenierungen, Fiktionen und Fälschungen in Adelschroniken befasst, wird nicht übersehen können, dass diese in jedem Fall Ehre und Ruhm der Familie demonstrieren sollten, also im Dienst ihrer Legitimation standen. Durch konkrete Exempla tugendhaften und ritterlichen Verhaltens im Herkommen konnte die allgemein anerkannte Forderung, den Adel durch Tugend zu bewähren,242 narrativ aufgenommen werden. Nochmals Gerhard Wolf: “Herrschaftslegitimation durch Traditionsfiktion”. Der Begriff der Legitimation ist in manchen kunst- und literaturgeschichtlichen Zusammenhängen fast schon zur Leerformel geronnen, ein vorschnell appliziertes Etikett, das weitere Bemühungen erspart. Gern wird der tiefere Grund, der das jeweilige historiographische Werk veranlasst hat (“Causa scribendi”243), in Krisensituationen oder politischen Konstellationen gesucht. Aber greift das nicht zu kurz?244

Zu problematisieren ist der Begriff der Fälschung. Schon Beat Rudolf Jenny sprach klar aus, dass “sich praktisch keine scharfe Trennungslinie zwischen absichtlicher, sozusagen deliktischer Fälschung einerseits und Geschichtsergänzung bona fide andererseits ziehen läßt”.245 An anderer Stelle formuliert er angesichts einer eindeutigen Quellenmanipulation des Zimmern-Chronisten: “Quellenverbesserung ad maiorem familiae gloriam!”.246 Es ist sinnvoll und lehrreich, Fälschungen zu entdecken und zu diskutieren. Aber der Begriff der Fälschung reduziert ein Dokument auf das Urteil, das aus der Prüfung seiner Authentizität resultiert. Es gilt aber der Kreativität, der fiktionalen Inszenierung von Wirklichkeit und den “unterhaltsamen” Aspekten in historiographischen und literarischen Fälschungen Rechnung zu tragen. Mir erscheint der – keinesfalls abwertend gemeinte – Begriff “Phantasie” geeignet, das literarische Spiel, das sich mit solchen Fiktionen verbindet, zu bezeichnen.247 Betont wird so die schöpferische Imaginationskraft, die Werke nie ganz in ihren sozialen oder politischen Zwecken aufgehen lässt. Man schaut genauer hin, wenn man auf diesen kreativen Bedeutungsüberschuss – in der Romantik hätte man vielleicht von “Poesie” gesprochen – achtet und sich die “Herkommens-Phantasien” immer wieder von neuem vornimmt.

Es ging mir hier primär um die Bekanntmachung neuen Materials (getreu einem Motto Hermann Heimpels: “Die Überlieferung ist selbst Geschichte”248), ausgehend von der vorläufigen Auswertung der Trenbach-Chronik und der in ihr enthaltenen volkssprachlichen Dichtung; eine Einordnung in Forschungszusammenhänge war nur ansatzweise zu leisten. Es kann daher nichts schaden, wenn die Literaturwissenschaft mit dem ihr eigenen Analyse-Instrumentarium meine Ansichten kräftig gegen den Strich bürstet. Historikerinnen und Historiker mögen sich endlich gründlich der Geschichte der Familie Trenbach annehmen, was die Voraussetzung für die angemessene Beurteilung der Trenbach-Chronik als Geschichtsquelle wäre. In jedem Fall ist sie, soviel dürfte deutlich geworden sein, eine der spannendsten frühneuzeitlichen Adelschroniken, und mit der großartigen Online-Bereitstellung des Handschriftendigitalisats durch das Niederösterreichische Landesarchiv sind die besten Voraussetzungen gegeben, die Chronik “des allten, edln unnd rittermessigen geschlechts der Trenbeckhen von Trenbach” endlich aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken.

Zusammenfassung

Die nun auch online zugängliche sogenannte Trenbach-Chronik im Niederösterreichischen Landesarchiv St. Pölten (Signatur: HS StA 0327) ist eine prachtvoll illuminierte Handschrift von 1590, die einzige bekannte Überlieferung der im wesentlichen im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts zusammengetragenen Familienchronik der bayerischen Adelsfamilie von Trenbach/Trenpeck. Sie war Teil eines genealogisch-historischen “Forschungsprojekts” des sehr auf humanistische Gelehrsamkeit Wert legenden Passauer Bischofs Urban von Trenbach (Amtszeit 1561-†1598), eines aufwändiges Unternehmens, zu dem auch die bemerkenswerte genealogische Inschriftenreihe von 1572 in der Passauer Trenbach-Kapelle zu zählen ist (auch handschriftlich verbreitet). Sicher haben Gelehrte aus seinem Umkreis (Johann Auer aus Kremsmünster und andere) den Bischof dabei unterstützt. Mindestens bis ins 13. Jahrhundert sind die genannten Familienmitglieder wohl alle unhistorisch. Anachronismen lassen den Schluss zu, dass die angeblich 1468/86 entstandene Chronik eines Scheyerner Benediktinermönchs Wenzel Gruber (nach Angaben der Trenbach-Chronik deren Hauptquelle) als Quellenfiktion gelten darf, also eine Fälschung darstellt. Von ihr wurden die Vorrede in der Trenbach-Chronik und die Passage über Hans von Trenbach (†1468) in Bd. 3 des Bayerischen Stammen-Buchs des Wiguleus Hund wiedergegeben. Die Chronikhandschrift überliefert mehrere literarische Verstexte in deutscher Sprache: Abschiedsverse des Hans von Trenbach (Inschrift in der Elisabethkapelle der Burg Burghausen), die dem gleichen Trenbacher in den Mund gelegte ‘Greisenklage’, Johann Hollands ‘Turnierreime’ und eine zweite handschriftliche Überlieferung von Jakob Püterichs ‘Ehrenbrief’ (1462).

Von der nicht nach dem vierten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts und sicher nicht von Hans von Trenbach verfassten ‘Greisenklage’ sind derzeit 17 Textzeugen, 16 Handschriften und ein Einblattdruck bekannt (neu nachgewiesen wurde München, BSB, Clm 7746). Für die Entstehung der angeblich von einem Herold Johann Holland stammenden ‘Turnierreime’ wurde ein Zeitrahmen von 1437 bis 1511 vorgeschlagen. Es gibt mindestens sieben Handschriften (neu: München, BSB, Cod. icon. 390) – die Überlieferung setzt erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein – und einen Druck (bei Wiguleus Hund). Die anspruchslosen Verse können sich nicht auf das Turnier von Schaffhausen 1392 beziehen, da dieses vom Herold Georg Rüxner, der an der Textgeschichte der Turnierreime beteiligt war, erfunden wurde. Das Reimpaargedicht sollte der sozialen Abgrenzung und Selbstvergewisserung des bayerischen Turnieradels dienen.

Besonders bemerkenswert ist aber die Überlieferung des für das literarische Leben des 15. Jahrhunderts so bedeutenden ‘Ehrenbriefs’ von Jakob Püterich von Reichertshausen, da bisher nur eine einzige Handschrift bekannt war, 1997 für die Bayerische Staatsbibliothek teuer erworben (Cgm 9220). Nach Angaben der Chronik wurde der ‘Ehrenbrief’ im Herrensitz St. Martin der Trenbacher aufgefunden, was auf die bekannten literarischen Interessen (ablesbar an ihrem Buchbesitz) von Ortolf dem Älteren und dem Jüngeren von Trenbach verweist. Die neue Handschrift war wohl die Vorlage der Münchner Handschrift und sollte einer wünschenswerten Neuausgabe des ‘Ehrenbriefs’ zugrunde gelegt werden. Zwischen Ehrenbrief und Turnierreimen steht eine – anscheinend unbekannte – kurze deutschsprachige Prosa-Aufzeichnung zur Schlacht von Giengen 1462 aus der Feder des bayerischen Küchenmeisters Stefan Lußnitzer.

Die Trenbach-Chronik und die von ihr überlieferten Texte enthalten in unterschiedlicher Weise literarische Stilisierungen und Inszenierungen. Die dadurch aufgeworfene Frage nach der Rolle der Literatur in der Adelskultur, die weder über- noch unterschätzt werden darf, muss differenziert beantwortet werden. Besonders dicht sind die Zeugnisse in Oberdeutschland in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Püterichs Ehrenbrief und weitere Zeugnisse lassen auf ein vergleichsweise kleines Netzwerk literaturbegeisterter Adeliger schließen. Mehr Aufmerksamkeit als bisher verdienen nicht nur deutsche und lateinische Verstexte von Adeligen und aus ihrem Umkreis, sondern auch die Fiktionen in den aristokratischen “Herkommens-Phantasien”. Der Begriff Phantasie empfiehlt sich für die kreativen, spielerischen und literarischen Aspekte historiographischer Fiktionen und literarischer Fälschungen.

 

Bild: Greisenklage des Hans von Trenbach aus der Trenbachchronik: Niederösterreichisches Landesarchiv St. Pölten, HS StA 0327, Bl. 132v/133r. Quelle: Wikimedia Commons.

Zitiervorschlag:

Klaus Graf: Fiktion und Geschichte: Die angebliche Chronik Wenzel Grubers, Greisenklage, Johann Hollands Turnierreime und eine Zweitüberlieferung von Jakob Püterichs Ehrenbrief in der Trenbach-Chronik (1590), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 28. Februar 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5283 (ISSN 2197-6120)

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  1. Martin Wrede: Ohne Furcht und Tadel – Für König und Vaterland (2012), S. 126.
  2. Beat Rudolf Jenny: Graf Froben Christoph von Zimmern (1959), S. 26.
  3. Zu meiner Verwendung des Begriffs zusammenfassend: Klaus Graf: Ursprung und Herkommen. In: Geschichtsbilder und Gründungsmythen (2001), S. 23-36 (online).
  4. Von den Beiträgen in: Mäzene, Sammler, Chronisten. Die Grafen von Zimmern und die Kultur des schwäbischen Adels (2012) führt vor allem der von Clemens Joos die Forschung zu den Adelschroniken des 16. Jahrhunderts weiter. Dass sich auch schon Wilhelm Werner von Zimmern an den Fälschungen zur höheren Ehre der Familiengeschichte beteiligte, lege ich unter Berufung auf Befunde von Rolf Götz dar in meiner Rezension in Archivalia vom 15. September 2014. Chroniktext nach Barack in Wikisource.
  5. Gerhard Wolf in: Mäzene S. 138, 131.
  6. Klaus Graf: Adel als Leitbild – zur Geschichte eines Grundwerts in Spätmittelalter und früher Neuzeit. In: Gelungene Anpassung? (2005), S. 67-81 (online), hier S. 72. Ebd., S. 71 Anm. 22 hatte ich Literatur zu Adelschroniken zusammengestellt. Nachzutragen wären als besonders wichtige Beiträge Rolf Götz: Wege und Irrwege frühneuzeitlicher Historiographie (2007) und von Clemens Joos außer dem bereits genannten Beitrag von 2012: Herkommen und Herrschaftsanspruch. In: Grafen und Herren in Südwestdeutschland vom 12. bis ins 17. Jahrhundert (2006), S. 121-153. Vgl. jüngst auch die Literaturangaben bei Stephan Selzer: Adelige – Gruppen – Bilder. Eine Skizze zur zeichenhafter Verankerung von adeligem Herkommen und ritterlicher Leistung. In: Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart (2013), S. 58-84, hier S. 71f.
  7. Text: http://www.aedph-old.uni-bayreuth.de/2001/0431.html.
  8. http://www.aedph-old.uni-bayreuth.de/2004/0330.html.
  9. Hans-Dieter Mück: Zur Verfasserschaft der sog. ‘Greisenklage’. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 3 (1984/1985), S. 267-278 (hiernach zitiert als: Mück). Die gleichlautende etwas ältere Publikation gemeinsam mit Hans Ganser (in: Lyrik des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts, 1984) ist in Auszügen bei Google Books = GBS online.
  10. Andreas Zajic: “Zu ewiger gedächtnis aufgericht” (2004), S. 75-77. Ein Aufsatz von ihm 2002 in den Studia historica Brunensia 2002 ist online.
  11. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon = ²VL 3 (1981), Sp. 285f. Nur unwesentlich ergänzt: Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter 3 (2012), Sp. 992f. (Auszug GBS).
  12. Weitere Literaturangaben zur Chronik im Online-Findmittel des Archivs. Sie wurde vor allem in der Alchemie-Forschung wahrgenommen. Eine neuhochdeutschen Bearbeitung (nicht: Wiedergabe!) zu Christoph von Trenbach. Pfarrer in Kirchberg am Wagram (mit Porträt), bietet die heimatgeschichtliche Website: http://www.hf-kirchberg.at/index.php/kirchberg-am-wagram/einwohner-von-kirchberg/christoph-von-trenbach. Zu seinem Tod (Trenbach-Chronik Bl. 215r-218v) vgl. auch Rudolf Werner Soukup/Werner Mayer: Alchemistisches Gold (1997), S. 11 (Auszug GBS).
  13. Abdruck der Vorrede: Chronik der Herren Trenbeckhen von Trennbach. In: Heraldisch-genealogische Zeitschrift. Organ des […] Adler in Wien 2 (1872), S. 74-76 (und weitere Folgen), hier S. 74f. (GBS).
  14. Bis zur Abgabe des Manuskripts meines Wolfenbütteler Vortrags “Codexmythen und Codexphantasien” (Preprint in Archivalia vom 31. März 2013) lagen sie leider nicht vor (siehe die dortige Bemerkung). Die neu erstellten Digitalisate konnte ich auch auf dem Server des Archivs nutzen (Link zur Datenbank (Viewer nicht direkt verlinkbar, Tektonik: 05.03), wo sie öffentlich zugänglich sind.
  15. Zu bebilderten Geschlechterbüchern sind die eindringlichen Studien von Hartmut Bock maßgeblich, bequem zugänglich auch im Internet: http://www.hartmut-bock.de/Gattung/gattung.html.
  16. GND.
  17. Ramona Epp: Die Inschriften des Landkreises Passau bis 1650 (DI 80) (2011), Nr. 121-124. Zum Programm vgl. man auch den populären Artikel derselben Bearbeiterin in: Akademie aktuell 2011/4, S. 22f. mit Fotos u.a. einer altspanischen Inschrift (online).
  18. Christine Steininger u.a.: Die Inschriften der Stadt Passau bis zum Stadtbrand von 1662 (DI 67) (2006), Nr. 632. Abbildung auf Wikimedia Commons. Zu Bischof Urban und seiner Bautätigkeit vgl. zusammenfassend ebd., Nr. 722.
  19. Umfangreiche Dokumentation im eben genannten Inschriftenband Nr. 628 (S. 327-365).
  20. BSB München Clm 1302, S. 45-66; Cgm 1730, Bl. 1r-8v.
  21. Karger Findbucheintrag: DDB. Andere Angaben zur Provenienz im Jahresbericht für 1855 (GBS). In Regensburg (Prüfening oder Prüll) gab es bei der Säkularisation noch eine dritte Überlieferung, GBS.
  22. In: Familiengeschichtliche Blätter 11 (1913), S. 57f., 76, 103f., 117f.
  23. Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien 21 (1882), S. 47 (online).
  24. Ostbairische Grenzmarken 44 (2002), S. 32; Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank – Online.
  25. Theodor Wiedemann: Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns 3 (1882), S. 225f. (online); Hinweis bei Zajic.
  26. GND.
  27. Lateinische Carmina von ihm – GND – auf Christoph von Trenbach in der Trenbach-Chronik Bl. 216r-218v, das Gedicht “Christophorus cubat” gekürzt als Grabschrift überliefert, vgl. Steininger u.a. Nr. 540 ohne Berücksichtigung der (ansonsten durchaus als Quelle herangezogenen) Trenbach-Chronik.
  28. Markus Müller: Die spätmittelalterliche deutsche Bistumsgeschichtsschreibung (1998), S. 214f.; Steininger u.a.: Inschriften S. XXIV.
  29. GND.
  30. Arnold Luschin von Ebengreuth: Österreicher an italienischen Universitäten […] 1 (1886), S. 12 (MDZ). Nach Altman Kellner: Musikgeschichte des Stifts Kremsmünster (1956), S. 140, 145 war ein Johann Auer, der aus Ingolstadt kam, 1585 Kantor des Stifts.
  31. VD 16. Demnach: GND. Wohl identisch mit: GND.
  32. GND.
  33. GND.
  34. Zu ihm: Ilse Haari-Oberg: Die Wirkungsgeschichte der Trierer Gründungssage vom 10. bis 15. Jahrhundert (1994).
  35. GND.
  36. Wikisource.
  37. GND.
  38. Digitalisat e-rara.ch.
  39. Max Freiherr von Freyberg: Sammlung historischer Schriften und Urkunden 3 (1830), S. 717-738: Trenbeckhen (GBS), hier S. 719.
  40. Ebd., S. 723: “diß 1582 Jars”.
  41. Zu vergleichen ist Hund S. 729 mit Bl. 182v-183r, wo Hunds mittlere Anekdote fehlt. Zur Rolle von Anekdoten im 15. Jahrhundert vgl. auch Tomas Tomasek in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 19 (2012/2013), S. 443-451.
  42. J. A. S. [Johann Andreas Schmeller] in: Bayerische Annalen 22. Juni 1833, S. 548 (GBS), der sich wohl auf den Cgm 2298 bezieht, vgl. seinen Handschriftenkatalog.
  43. Pars quarta Germaniae topo-chrono-stemmato-graphicae […] (GBS).
  44. Stammenbuch 2 (1586), S. 48 (online).
  45. GND.
  46. Hund S. 719. Die Stelle über Arnold in der Erstausgabe Rüxners 1530, Bl. 134r: MDZ.
  47. Zu ihm vgl. Klaus Graf: Herold mit vielen Namen. Neues zu Georg Rüxner alias Rugen alias Jerusalem alias Brandenburg alias … In: Ritterwelten im Spätmittelalter (2009), S. 115-125 (online) und diverse Nachträge in Archivalia.
  48. S. 103-108 (GBS) mit Quellenangabe Hund.
  49. S. 132-137 (GBS). Nochmals in Waibels Tugend-Blüthen (1837), S. 26-28 (GBS).
  50. S. 217-220 (GBS).
  51. S. 278-285 (GBS) mit Kupferstich S. 285: Trenbach auf dem Pferd.
  52. S. 150-156 (GBS) wohl nach Freybergs Ausgabe.
  53. S. 77-79 (GBS).
  54. Joseph von Obernberg: Reisen durch das Königreich Baiern: Reisen über Anzing […] (1816), S. 252-259 (GBS).
  55. Trenbach-Chronik Bl. 130r; Hund S. 724f.
  56. So http://www.burghauserhochzeit.de/40591.html mit Erwähnung des Alters von 115 Jahren als Tatsache. Für Josef Hofmiller war der Vers 1928 die “größte Merkwürdigkeit” der inneren Burgkapelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/versuche-337/16.
  57. Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirks Oberbayern 3 (1905), S. 2482 (online). Die Inschrift wird wiedergegeben unter anderem in: Der Bayerische Volksfreund vom 13. Dezember 1827, S. 741 (GBS); Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 15 (1870), S. 296 (GBS); Friedrich Panzer: Lohengrinstudien (1894), S. 6 (online); Max Fürst: Biographisches Lexikon für das Gebiet zwischen Inn und Salzach (1901), S. 189f. (Artikel über Hans von Trenbeck); Deutsche Gaue 5 (1903), S. 77 mit Abbildung der Örtlichkeit (online); Führer durch Burghausen und seine Umgebung [1905?], S. 19 (online); Das Bayerland 18 (1907), S. 480 (online); Rudolf Werner Soukup: Chemie in Österreich Bd. 1 (2007), S. 260 (Auszug GBS).
  58. Johann Georg Bonifaz Huber: Geschichte der Stadt Burghausen in Oberbayern (1862), S. 89-91 (MDZ). Weiteres: Friedrich Töpfer: Geschichte der gräflich Törringischen Schlösser und Hofmarken Winhering, Frauenbühl, Burgfried, Arbing und Waldberg. In: Oberbayerisches Archiv 9 (1848), S. 147-196, hier S. 178-180 (GBS); August Kluckhohn: Ludwig der Reiche (1865), S. 27f. (MDZ); Sigmund Riezler: Geschichte Baierns 3 (1889), S. 370 (online); Des Ritters Hans Ebran von Wildenberg Chronik. Hrsg. von Friedrich Roth (1905), S. IX (online).
  59. Zu Altersrekorden, die in der Vormoderne nicht hinreichend sicher belegbar sind, vgl. die Seite „Ältester Mensch“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 15. Januar 2015, 00:04 UTC. Bei archivalischen Recherchen wird zu beachten sein, dass es durchaus mehrere, nicht sicher trennbare Angehörige der weitverzweigten Trenbach-Adelsfamilie gegeben haben kann, die den Namen Hans trugen.
  60. Hund S. 725: “bei 115 Jar alt”.
  61. Necrologium Gemnicensium. MGH Necrologia 5/2 (1913), S. 444 (online) zum 29. Juli: “Iohannes Trenbeck cv. baro de Bavaria”.
  62. MGH Necrologia 2 (1904), S. 273 (online).
  63. Vgl. Gerrit Walther und Klaus Graf: Genealogie. In: Enzyklopädie der Neuzeit. 4 (2006), Sp. 426-432.
  64. http://monasterium.net/.
  65. Mück S. 267. Angesichts der im Bereich der Adelsgeschichte häufig unterdurchschnittlich schlechten Wikipedia-Artikel wundert es nicht, wenn dort 1163 als Erstbeleg der Familie angegeben wird: Seite „Liste bayerischer Adelsgeschlechter“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. Januar 2015, 15:19 UTC.
  66. Der niederösterreichische landständische Adel S-Z (1918), S. 399-404. Ältere Literatur rezipierte natürlich ebenfalls die Chronik-Fiktionen: Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines Adels-Lexikon 9 (1870), S. 265 (GBS); Johann Friedrich Gauhe: Des Heil. Röm. Reichs Genealogisch-Historisches Adels-Lexicon 2 (1747), Sp. 1186 (GBS); Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon 45 (1745), Sp. 389 (online); ebenso zuvor Allgemeines historisches Lexikon 4 (1732), S. 810 (GBS) und Ausgabe 1714, S. 459 (GBS).
  67. Ludwig Heinrich Krick: 212 Stammtafeln adeliger Familien […] des Bistums Passau […] (1924), S. 428-431 Nr. 194.
  68. Repertorium Germanicum und Repertorium Poenitentiariae Germanicum: http://www.romana-repertoria.net/.
  69. Hund S. 723.
  70. Mück S. 268.
  71. Man wird bei dem Sichten der auf http://archiv.twoday.net/stories/96987511/ gelisteten Einträge feststellen, dass ich in einer Reihe von Fällen eigene “Fälschungsnachweise” erbracht habe. Bei einem nicht gefälschten Dokument (ich habe den Casus – es geht um einen von einem deutschen Herold ausgestellten Wappenbrief des 15. Jahrhunderts – noch nicht publiziert) hat mich mein Jagdeifer peinlicherweise aber in die Irre geführt – Grund genug, bei Fälschungsvorwürfen vorsichtig zu sein. Umgekehrt habe ich in Klaus Graf: Beiträge zur Adelsgeschichte des Heubacher Raums. In: Heubach und die Burg Rosenstein (1984), S. 76-89, hier S. 85f. (online) einen erst in Abschrift um 1800 (angeblich aus einem Bruchsaler Manuskript) überlieferten kurzen Text als rechbergisches Adelsherkommen (ca. 1450/1550) interpretiert. Zehn Jahre später tendierte ich aber dazu, eine Fälschung um 1800 anzunehmen, in: Freundliches Lautern (1995), S. 220.
  72. Aus dem Bereich der Buchgeschichte wurde in letzter Zeit berühmt: A Galileo Forgery (2014) (online).
  73. Zu der von mir in Archivalia als Fälschung verdächtigten bayerischen Chronik aus der Zeit um 1500, die 1818 vom Archivar Lipowsky nach einer nicht mehr greifbaren Vorlage publiziert wurde, teilte mir Franz Fuchs (Würzburg) freundlicherweise per Mail vom 30. Juli 2014 mit, er halte sie “nicht für eine Fälschung sondern für eine Kompilation des späten 17. Jahrhunderts”. Dies erkläre die Anachronismen.
  74. Vgl. etwa Katrinette Bodarwé in: A Companion to Hrotsvit of Gandersheim (fl. 960) (2013), S. 344-348 (Auszug GBS).
  75. Außer einigen Andeutungen in Archivalia habe ich zu ihm nichts Größeres veröffentlicht. Sein wissenschaftliches Oeuvre ist riesig, siehe meine Liste in Wikisource.
  76. Dies gilt etwa für die Inschriften-Fälschungen von Hansmartin Deckerhauff. Zu ihnen vgl. Archivalia: “Merkwürdigerweise haben die dort (und in der Regel nur dort) überlieferten Inschriftentexte durchweg große Bedeutung für die genealogische Forschung”. Die Verdachtsmomente resultierten aus der Kenntnis weiterer Fälschungen, nämlich der Texte zur Staufergenealogie aus dem “Roten Buch” des Klosters Lorch, vgl. zusammenfassend zuletzt Graf: Codexmythen.
  77. Zu diesem Begriff vgl. meinen oben genannten Beitrag “Codexmythen und Codexphantasien”.
  78. Die Wiedergabe im “Adler” 1872, S. 75 las falsch Truchsessen; Zajic entzifferte falsch Teuschessarr und dachte an die Familie Teuschnitzer.
  79. Dieter J. Weiss: Die Geschichte der Deutschordens-Ballei Franken im Mittelalter (1991), S. 429.
  80. Krieb in: Geschichte schreiben (2010), S. 347. Vgl. auch Derselbe: Erinnerungskultur und adeliges Selbstverständnis im Spätmittelalter. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 60 (2001), S. 59-75 (online). Zu dem dort behandelten angeblich spätmittelalterlichen Eptinger Hausbuch vgl. kritisch Graf: Codexmythen.
  81. Joos in: Mäzene S. 146f.
  82. Rudolf Seigel: Zur Geschichtsschreibung beim schwäbischen Adel in der Zeit des Humanismus. In: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 40 (1981), S. 93-118, hier S. 100f.
  83. Sie war Gegenstand meiner Tübinger Dissertation: Klaus Graf: Exemplarische Geschichten (1987) (GBS).
  84. Seigel S. 94.
  85. Zu ihr vgl. Steffen Krieb in: Gelungene Anpassung? (2005), S. 83-101.
  86. Mit neuen Handschriftenhinweisen zu den Genealogica: Klaus Graf: Gottfried Wilhelm Leibniz, Ladislaus Sunthaim und die süddeutsche Welfen-Historiographie. In: Leibniz als Sammler und Herausgeber historischer Quellen (2012), S. 33-47 (online); Derselbe in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 706f. (online); GND.
  87. Zu seinen Werken meine Zusammenstellung in Wikisource. GND.
  88. Zur Monographie von Thomas Schauerte: Matthäus von Pappenheim (1458-1541) (2009) liefert einige Korrekturen meine Besprechung in Archivalia vom 26. Januar 2013. Diverse Nachträge dazu und zu meinem Artikel in: Deutscher Humanismus 1480-1520. Verfasserlexikon 2 (2013), Sp. 204-209 (online) in Archivalia. GND.
  89. Zu Pappenheims Kontakten mit Maximilian vgl. Joos in: Mäzene S. 147.
  90. Wappen in Bayern (1974), S. 51f. Nr. 56, 59f. Nr. 70; Selzer S. 71. Abbildung des Stammbaums auf Wikimedia Commons.
  91. Einblicke gewährt ein von Andreas Zajic ins Netz gestelltes PDF. Zur Familie vgl. die Hinweise von mir in: Hans Jordan Herzheimers Fischordnung von 1532. In: Archivalia vom 26. Juli 2014.
  92. Otto Titan Hefner: Heraldisches Original-Musterbuch […] (1862), S. 26 (MDZ; E-Text). Zu Wappensagen vgl. jüngst Jörg Schlarb: Mythical Origins of Coats of Arms: A Brief Overview. In: Heraldica nova vom 15. Dezember 2015.
  93. Zu dieser auf den Florentiner Chronisten Giovanni Villani (erste vollständige Druckausgabe 1559) zurückgehenden Tradition vgl. den Hinweis in der Übersetzung “Dantes Paradies” von Afred Bassermann 3 (1921), S. 175f. (Auszug GBS); Robert Davidsohn: Forschungen zur älteren Geschichte von Florenz (1896), S. 31f. Zum Motiv der höllischen Schmiede vgl. z.B. Christa Oechslin Weibel: “Ein übergülde aller der saelikeit” (2005), S. 179 (Auszug GBS).
  94. Zu dieser Tradition vgl. jüngst unzulänglich Dietrich-Testimonien des 6. bis 16. Jahrhunderts. Hrsg. von Elisabeth Lienert (2008), S. 239f., 7 Anm. 21; GND.
  95. Auf sie verwies Birgit Studt: Haus- und Familienbücher. In: Quellenkunde der Habsburgermonarchie (2004), S. 753-766, hier S. 77f. Anm. 11 (online), ohne die Authentizität Grubers in Frage zu stellen.
  96. Ausgabe von 1875, S. IV: MDZ.
  97. Vgl. meinen Beitrag “David Wolleber und die historische Kultur in Württemberg im 16. Jahrhundert” (im Druck, Preprint online), Anm. 81; Graf: Leibniz, S. 38f. Mennels Liste wird zitiert von Dieter Mertens: Zur frühen Geschichte der Herren von Württemberg. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 49 (1990), S. 11–95, hier S. 31 (online).
  98. Zu meinem Begriffspaar Herkommen und Exemplum vgl. jüngst Joos in: Mäzene S. 142.
  99. Vgl. Graf: Codexmythen.
  100. http://www.aedph-old.uni-bayreuth.de/2004/0330.html.
  101. Klaus Graf: Zur Überlieferung der Greisenklage. In: Archivalia vom 1. November 2010.
  102. Deutsches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter 5 (2013), Sp. 1525-1527.
  103. http://www.handschriftencensus.de/werke/2462.
  104. Handschriftenkatalog von Wolf Gehrt 1989 (online).
  105. Zu diesem: http://www.ds.uzh.ch/kiening/vergaenglichkeitsbuch/ mit Transkription.
  106. Die autornahe Handschrift Berlin, Kupferstichkabinett, Cod. A 78 A 19, Bl. 45r-46r (vgl. Handschriftencensus; Blattangabe nach dem Handschriftenarchiv) ist nicht weniger wichtig als die ehemals Donaueschinger, nun Stuttgarter Handschrift. Von Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 86321 (Handschriftencensus) kenne ich keine Blattangaben für die Greisenklage.
  107. Horst-Dieter Schlosser. In: ²VL 3 (1981), Sp. 249f. und Hansjürgen Kiepe: Die Nürnberger Priameldichtung (1984), S. 314 beschränkten sich auf die autornahe Hund-Handschrift (mit eigenhändigen Nachträgen Hunds) Cgm 2298 (oben bereits erwähnt), Bl. 579r. Eine Zusammenstellung der weit verstreuten Handschriften (sogar das Institut für Personengeschichte Bensheim verfügt über eine solche) von Hunds Stammen-Buch Bd. 3 existiert leider nicht.
  108. Elisabeth Wunderle (BSB München) bestätigte freundlicherweise die Textidentität und warnte vor Zählfehlern der gültigen Foliierung: “Auf Bl. 92 folgen 90a, dann Bl. 91 und 92 (jeweils mit einem unleserlichen Zusatz); diese sind am besten als 91a und 92a zu zitieren”. Vgl. Handschriftenkatalog; Handschriftencensus. Datierung nach dem ²VL 8 (1992), Sp. 180 um 1450.
  109. GW mit Nachweis eines Digitalisats der UB Eichstätt.
  110. GBS.
  111. PDF.
  112. Hund S. 726f., danach zitiert.
  113. Handschriftencensus.
  114. Jacob Klingner/Ludger Lieb: Handbuch Minnereden 1 (2013), S. 787 (Auszug GBS); Mück S. 277.
  115. Suchenwirt-Edition von Primisser 1827, Nr. 25 (online).
  116. GND.
  117. Brief bei Ludwig Rockinger: An der Wiege der baierischen Mundartgrammatik und des baierischen Wörterbuches = Oberbayerisches Archiv 43 (1886), S. 204f. (online); Antwort S. 207.
  118. Digitalisat MDZ.
  119. In Schmellers Bayerischem Wörterbuch ²1 (1872), Sp. 566 (GBS) bezieht sich Schmeller auf “Butsch’s Blatt” als Überlieferung der Minnerede unter Trenbachs Namen. Butsch’s Blatt ist der Cgm 4781. Das folgende Zitat aus dem Handschriftenkatalog (GBS) zielt auf die Schrift im Nachlass.
  120. Vgl. etwa Sebastian Münster: Cosmographey […] (Basel 1567), S. 1035 (online).
  121. Graf: Herold S. 122.
  122. ²VL 4 (1983), Sp. 106-108.
  123. Ebd., Sp. 106.
  124. Martha Mueller: Der Ehrenbrief Jakob Pütrichs von Reichertshausen, die Turnierreime Johann Hollands, der Namenkatalog Ulrich Fuetrers: Texte mit Einleitung und Kommentar. Dissertation City University of New York 1985, S. 211-238, dieser Teil der Arbeit, da gemeinfrei, auch auf Wikimedia Commons.
  125. GND.
  126. Wim van Anrooij: Bayern, Herolde und Literatur im spätmittelalterlichen Reich. In: 650 Jahre Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland (2005), S. 235-275, hier S. 254. Zu Hollands Text ebd., S. 252-256.
  127. Joachim Schneider: Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel (2003), S. 99-110.
  128. Ebd., S. 110.
  129. Angeblich das 21. Reichsturnier: Erstausgabe 1530, Bl. 253v (MDZ).
  130. Schneider S. 104.
  131. Johannes Waldschütz: Ausstellungsrezension: “Ritterturnier – Geschichte einer Festkultur” im Schaffhauser Allerheiligenmuseum. In: Archivalia vom 18. Juli 2014. Dort der Hinweis, dass in der Ausstellung die Historiziät des Turniers 1392 im Gegensatz zur Dauerausstellung in Zweifel gezogen wurde.
  132. Peter Jezler in: Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur (2014), S. 58.
  133. Das Stadtarchiv Schaffhausen übermittelte mir die Kopie eines Separatdrucks eines Aufsatzes “Schaffhausen als Turnierplatz” von Karl Rahn in den Schaffhauser Nachrichten vom 24., 25. und 30. August 1956, der (ohne Quellenbelege) Rezeptionszeugnisse zum Turnier von 1392 zusammenstellt. Vgl. auch Eduard Achilles Geßler in: Anzeiger für schweizerische Altertumskunde NF 33 (1931), S. 14f., 20f. (online).
  134. Bänteli in: Ritterturnier, S. 73. In der Anm. 3 (S. 81) verweist er für Rüxner auf den Beitrag von Jezler, folgt anschließend aber – ohne mich zu zitieren – meinen Bedenken von 2009: “Die Turnierreime des Johann Holland können nicht vorbehaltlos als Bestätigung für Rüxners Angaben gelten, da die Überlieferung über Rüxner läuft und von diesem als Quelle gefälscht sein könnte”.
  135. J. J. Rüeger: Chronik der Stadt und Landschaft Schaffhausen 1 (1884), S. 55. Ebd., S. 371 datiert Rüeger das 21. Reichsturnier 1393. Etliche würden vermuten, der Herrenacker habe davon seinen Namen.
  136. Geßler S. 20.
  137. Vgl. jüngst Tanja Schorn-Jaschkowitz: Gesellschaftsverträge adeliger Schwureinungen im Spätmittelalter (2007), S. 23. Abdrucke unter anderem bei Johann Stephan Burgermeister: Reichs-Ritterschafftl. Corpus-iuris […] (1707), S. 1-5 (MDZ); Zimmerische Chronik ²1 (1881), S. 228-234. Benedikt Bilgeri nannte einen Nachweis der Urkunde im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien.
  138. Diese Möglichkeit erwähnt Schneider: Niederadel S. 110. Zu Thomas Lirer als Pseudonym und zum Verhältnis von Fiktion und Historie vgl. Graf: Exemplarische Geschichten S. 81-93.
  139. Schneider S. 99.
  140. Bernd Thum: Der Reimpublizist im deutschen Spätmittelalter. In: Lyrik des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts (1984), S. 309-378, hier S. 363.
  141. Otto Koischwitz: Der Theaterherold im deutschen Schauspiel des Mittelalters und der Reformationszeit (1926), S. 40f. erwähnt in seinen wichtigen Materialien zur Herolds-Figur auch den Holland-Text.
  142. Zu dessen Siegeln vgl. z.B. Felix Ludwig Lipowsky: Grund-Linien der theoretisch und praktischen Heraldik (1816), S. 143 (GBS). Auch auf dem Grabmal-Modell Multschers erkennt man die Löwen im Wappen (Abbildung Wikimedia Commons).
  143. BSB München, Cgm 9220, S. 31. Abbildung Wikimedia Commons.
  144. Anrooij S. 255f.
  145. Schlick spielt in der späteren Traditionsbildung rund um die Turnierchronik Rüxners eine gewisse Rolle. Unkritisch hatte 1986 Heide Stamm eine angeblich 1430 entstandene, von Kaspar Schlick in Magdeburg in Auftrag gegebene Turnierchronik als Vorlage für die Rugen’sche Turnierchronik behauptet (Das Turnierbuch des Ludwig von Eyb, S. 44). Ihre Quelle Estor bezieht sich aber auf die Reime Hollands, wie ich zeigen konnte in: Hatte Rugens/Rüxners Turnierchronik eine Magdeburger Vorlage? In: Archivalia vom 26. Juli 2008 mit Nachtrag in Archivalia vom 19. Juni 2011. Johann Sigmund Brechtel von Sittenbach (siehe unten) beruft sich 1617 nach Heinz Lieberich: Landherren und Landleute (1964), S. 25 auf ein Turnierbuch des Grafen Johann Schlick (ihn gab es nie). In der Vorrede ist von Kaspar Schlick die Rede. Es dürfte sich um ein Rezeptionszeugnis der Turnierreime handeln und nicht um eine mittelalterliche Quelle.
  146. Mueller S. 186f.
  147. Zu Handschriften und Drucken vgl. Wikisource (derzeitige Version).
  148. Ulrich Montag in: Bayerische Staatsbibliothek. Jakob Püterich von Reichertshausen. Der Ehrenbrief (1999), S. 48.
  149. Schneider S. 100 Anm. 35; Lieberich S. 28 Anm. 85.
  150. Digitalisat MDZ. Zur Handschrift vgl. Mueller S. 148.
  151. Mueller, S. 147.
  152. Ausgabe 1585.
  153. ²VL 4, Sp. 106.
  154. Zitiert nach Mueller S. 147.
  155. Zu den Lebenszeugnissen vgl. Graf: Herold.
  156. Digitalisat MDZ. In der Beschreibung von Marianne Reuter 2008 nicht erkannt: “Mitglieder des alten bayerischen Turnieradels in Versen”.
  157. Zur Familie vgl. kurz zusammenfassend: Adel in Bayern (2008), S. 66.
  158. Digitalisat.
  159. Digitalisat der UPenn; Hinweis in Archivalia vom 2. Oktober 2013.
  160. Klaus Graf: Historiographische Handschriften des Johann Sigmund Brechtel. In: Archivalia vom 4. Februar 2012. GND.
  161. Fortsetzung des fehlenden Rests bei Raimund Duellius: Excerptorum genealogico-historicorum libri duo […] (1725), S. 259 (online).
  162. http://manuscripta.at/?ID=7676 mit Link zum Inventar von Hermann S, 154; Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Cod. 1-100 (1987), S. 273.
  163. Zitat nach den Wappentafeln des Hans Mielich 1560/71 in der Handschrift der Bußpsalmen des Orlando di Lasso (BSB München, Mus. ms. A III 1), vgl. Adel in Bayern, S. 87-91 (mit Farbabbildungen), hier S. 87. SW-Digitalisat mit unzulänglicher Auflösung: MDZ.
  164. Zur Püterich-Überlieferung siehe unten.
  165. Das Datum 21. Februar 1469 weist Montag S. 50 aus dem Cgm 305, Bl. Iv nach. SW-Digitalisat MDZ.
  166. GND.
  167. Klaus Grubmüller in: Bayerische Staatsbibliothek. Jakob Püterich von Reichertshausen, S. 7.
  168. GND; Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus.
  169. Grubmüller S. 12.
  170. Angaben nach Montag S. 45; Handschriftencensus.
  171. Mueller S. 42 nach Auskünften 1974 und 1979. Es ist durchaus möglich, dass der von Lawrence Schoenberg erworbene und 2001 wieder abgestoßene, verschollene Herzogenburger Cod. 82 auf dem gleichen Weg das Stift verlassen hat (aber wohl nicht vor 1966), vgl. Archivalia vom 28. November 2011. Das Stift Herzogenburg hüllt sich dazu bis heute in Schweigen.
  172. Liste im PDF von Melissa Conway and Lisa Fagin Davis.
  173. GBS.
  174. Max Voigt: Beiträge zur Geschichte der Visionenliteratur im Mittelalter I. II (1924), S. 194.
  175. Mück S. 269 Anm. 14. Er dankt Frieder Schanze für Mikrofilmaufnahmen, die in jedem Fall Hollands Turnierreime und wohl auch die Greisenklage abdeckten.
  176. Der Publikation von 1999 ist ein Farbfaksimile des Ehrenbriefs beigegeben. Die BSB hat unzählige weit weniger wichtige Handschriften online gestellt, auf den Cgm 9220 wartete man bislang vergebens. Die maßgebliche Edition legte Mueller 1985 vor: S. 67-117. Online ist die Ausgabe von Fritz Behrend/Rudolf Wolkan im Internet Archive (mit SW-Faksimile). Von den früheren Ausgaben wird die von Arthur Goette (1899) im Netz vermisst.
  177. Montag S. 46f. In meinem Besitz befinden sich Begleitblätter zur Präsentation der Neuerwerbung 1999, in denen die Handschrift “etwa 1590″ angesetzt wird.
  178. Mein Ausgangspunkt waren die Lesarten von Behrend/Wolkan S. 15. Beispielsweise hat Str. 15, 7 die bessere Lesart “khünigin” (statt “khunigen” im Cgm 9220). Str. 125, 2 “frauen nadler” statt Frantzen. Str. 124, 3 liefert einen zusätzlichen Personennamen Schomanndt (statt [ist] schonendt, so Mueller). Auch in Str. 83 sind die Lesarten “zaigt” und “liebe” besser.
  179. Die berüchtigte Stelle Str. 99, 7 liest sich nicht besser: “graf focine [statt freine] leouen weller”. Aus Abbickh von Hohenstain (GND) in Str. 106 wird Albikh (zum Vornamen Alwig zu stellen) von Hohenstain, Verfasser des Heinrich von “Teiserbrugkh”, aber damit ist man einer Identifizierung kaum nähergekommen. Bernd Bastert: Der Münchner Hof und Fuertrers ‘Buch der Abenteuer’ (1993), S. 89 bespricht die schwierigen Verse Str. 117, 6-7. Durch die neuen Lesungen “hüten” und “vberguckhet” wird der Text aber zumindest für mich nicht sehr viel verständlicher.
  180. Zu Jan von Sedlitz/Sedlec (Str. 123) vgl. Klaus Graf: “Disez buch ist maister ian”. Zum Eigentümer der ehemals Maihinger Nibelungenliedhandschrift a. In: Archivalia vom 22. November 2013. Heinz von Rechberg (Str. 83f.) wurde schon von Theodor Schön in: Reutlinger Geschichtsblätter 15 (1904), S. 87 zutreffend mit Heinrich von Rechberg von Hohenrechberg zu Weißenstein gestorben 1489 (Totenschild vgl. Harald Drös in: Inschriften.net) gleichgesetzt. Er war Rat Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut, vgl. Beatrix Ettelt-Schönewald: Kanzlei, Rat und Regierung Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut (1450-1479) 2 (1999), S. 611f. Falsch identifiziert unter anderem von Burghart Wachinger in: ²VL 3 (1981), Sp. 935; Mueller S. 53f.; Christine Wand-Wittkowski: Pfalzgräfin Mechthild und ihr literarischer Zirkel. Ein Irrtum der Mediävistik. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 30 (2005), S. 1-27, hier S. 13 Anm. 29 – obwohl Alfred Karnein in: Medievalia et humanistica N.S. 22 (1995), S. 165 Anm. 3 Schöns Identifizierung bereits rezipiert hatte. Falsch angesetzt daher auch in der GND. Zu Heinrich von Rechberg hatte ich in den 1980er Jahren umfangreiche Materialien (vor allem aus den Nördlinger Missiven) zusammengetragen, die leider einem Umzug zum Opfer gefallen sind. Von Liebesbriefen oder literarischen Briefen Rechbergs ist im Ehrenbrief nicht ausdrücklich die Rede. Biographistisch interpretierend möchte ich die Stelle eher auf das abstoßende äußere Erscheinungsbild der eigenhändigen Schreiben des Adeligen beziehen, der ohne seinen treuen Schreiber Konrad Ützlin von Deinbach nur grobes Gekrakel aufs Papier bringen konnte.
  181. Vgl. Klaus Graf: Edition und Open Access, in: Vom Nutzen des Edierens (2005), S. 197-2003 (online).
  182. Hermann Menhardt in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 77 (Tübingen 1955), S. 319f. hat irrtümlich die Angabe in die Welt gesetzt, auch der Ehrenbrief in der damals Herzogenburger Handschrift stamme von Lazius. Korrigiert schon von Klaus Grubmüller in: ²VL 7 (1989), Sp. 920.
  183. Handschriftencensus.
  184. Zu Adelsbibliotheken des bayerischen Raums vgl. grundlegend Christine Reinle: Auf Spurensuche. Recherchen zu Bibliotheken der Ritterschaft im Süden und Südwesten des Alten Reiches. In: Rittersitze (2002), S. 71-109. Weitere Hinweise zu Adelsbibliotheken etwa bei Hans-Werner Langbrandtner/Monika Gussone: Bibliotheken und Musikalien als Spiegel adliger Bildung. In: zeitenblicke 9, Nr. 1 (2010) (online); Klaus Graf: Oberschwäbische Adelsbibliotheken. In: Adel im Wandel (2006), S. 751-762 (online).
  185. Seit Voigt 1924 S. 192-199.
  186. Soukup: Chemie S. 260 nennt das Schloss “den eigentlichen Stammsitz derer von Trenbach”.
  187. Digitalisate von allen drei Handschriften des Bátthyáneums in Alba Julia R I 54, 84, 82 sind online (Handschriftencensus). BSB München: Cgm 375 (Handschriftencensus; Cgm 4871 (Handschriftencensus), 4872 (Handschriftencensus) und 4873 (Handschriftencensus) gehörten ursprünglich zusammen und sind als eine Handschrift gezählt. Prag, Nationalbibliothek, Cod. XVI E 33 (Handschriftencensus), Digitalisat in Manuscriptorium. Leider fehlen im Handschriftencensus derzeit meist die Provenienzangaben. Bei den Wiener Handschriften zitiere ich stattdessen manuscripta.at: Cod. 2808 (manuscripta.at), 2822 (manuscripta.at), 2846 (manuscripta.at), 2994 (manuscripta.at; die Handschrift ist online).
  188. OPAC.
  189. GW.
  190. Vgl. meinen Hinweis in Archivalia vom 29. September 2012 nach http://ipi.cerl.org/. Vgl. Katalog der Rosenwald-Collection (online).
  191. Visio Georgii. Hrsg. von Bernd Weitemeier (2006), S. 235-246.
  192. Andreas Erhard: Untersuchungen zum Besitz- und Gebrauchsinteresse an deutschsprachigen Handschriften im 15. Jahrhundert nach den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek München. Dissertation München 2009, S. 53-129 (online seit 2012).
  193. GND.
  194. Vgl. auch Georg Steer: Hugo Ripelin (1981), S. 256; Erhard S. 68.
  195. Zur Datierung ist auch zu beachten Schneider S. 111 Anm. 89.
  196. Zur Propaganda (lateinisches Siegesgedicht auf die Schlacht, wohl das erste Zeugnis für den Stoff der “Sieben Schwaben, und weitere Quellen) vgl. Klaus Graf: Über den Ursprung der Sieben Schwaben aus dem landsmannschaftlichen Spott. In: Die Sieben Schwaben. Stereotypen. Ludwig Aurbacher und die Popularisierung eines Schwanks (2013), S. 15-17, 20-23, 27-31.
  197. Ältere Aufstellungen zu den Quellen bei Christoph Friedrich Stälin: Wirtembergische Geschichte 3 (1856), S. 541 (online); Joseph Würdinger: Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von 1347 bis 1506 2 (1868), S. 52f. (GBS); Riezler Bd. 3, S. 418 (online). Aus der bayerischen Chronistik nenne ich nur Veit Arnpeck: Sämtliche Chroniken. Hrsg. von Georg Leidinger (1915), S. 618f. (online) bzw. lateinische Fassung S. 367f. Zum Gundelfinger Beutebanner vgl. jüngst den Katalog Ritterwelten im Spätmittelalter S. 181-185. Unergiebig sind Thomas Fritz: Ulrich der Vielgeliebte (1441-1480) (1999), S. 268 und die Ausgabe Lorenz Fries: Chronik der Bischöfe von Würzburg 742-1495 Bd. 4 (2002), S. 199.
  198. Ihn druckte Andreas Felix Oefele: Rerum Boicarum Scriptores 1 (1763), S. 398 Anm. (online) nach Cgm 1934.
  199. Christelrose Rischer: Literarische Rezeption und kulturelles Selbstverständnis in der deutschen Literatur der ‘Ritterrenaissance’ des 15. Jahrhunderts (1973).
  200. Vgl. ausführlich Klaus Graf: Ritterromantik? Renaissance und Kontinuität des Rittertums im Spiegel des literarischen Lebens im 15. Jahrhundert. In: Zwischen Deutschland und Frankreich (2002), S. 517-532 (online).
  201. So auch Peter Strohschneider in LiLi 70 (1988), S. 84 (online).
  202. Zur Vorrede von Konrad von Grünenbergs Wappenbuch siehe oben. Zu den damaligen retrospektiven Tendenzen in der Kunst vgl. Klaus Graf: Stil als Erinnerung. In: Wege zur Renaissance (2003), S. 19-29 (online).
  203. Klaus Graf: Ritter. In: Enzyklopädie des Märchens 11 (2004), Sp. 707-723, hier Sp. 710.
  204. Bedauerlicherweise hat die germanistische Forschung zu wenig Notiz von der verstreuten geschichtswissenschaftlichen Literatur zu Püterich genommen. In Bernd Basterts Artikel in der Neuen Deutschen Biographie 20 (2001), S. 763f. (MDZ) vermisse ich insbesondere: Helmuth Stahleder in: Oberbayerisches Archiv 114 (1990), S. 269 (im Rahmen der Familiengeschichte); Christine Reinle: Ulrich Riederer (ca. 1406-1462) (1993), S. 351f.; Gerda Maria Lucha: Kanzleischriftgut, Kanzlei, Rat und Regierungssystem unter Herzog Albrecht III. von Bayern-München 1438-1460 (1993), S. 288-290 (kurioserweise ohne Hinweis auf seine literarischen Aktivitäten, durch die Püterich berühmt wurde); Andrea Klein: Der Literaturbetrieb am Münchner Hof im fünfzehnten Jahrhundert (1998), S. 100-113. Unzulänglich auch Jens Haustein/Redaktion in der Zweitauflage von Killy Literaturlexikon 9 (2010), Sp. 352f. (Auszug GBS).
  205. Zahlreiche Erwähnungen bei Antonia Bieber: Würzburger Ratsprotokolle 1432-1454 (2014), S. 446 (Register) und Ersterwähnung S. 238 mit Anm. 1635 (mit Literaturangaben). – Bei Helmuth Stahleder: Chronik der Stadt München 1 (2003, CD-ROM) erfährt man zu 1452 vor Juni 15, dass Püterich zur Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom war.
  206. Dass die pragmatische Schriftlichkeit, das Geschäftsschriftgut für den Adel eine wichtige Rolle spielte, belegen zahllose Amtsbücher und Akten in den Archiven.
  207. Karl-Heinz Spieß: Zum Gebrauch von Literatur beim spätmittelalterlichen Adel. In: Kultureller Austausch und Literaturgeschichte im Mittelalter (1998), S. 85-101, hier S. 101 (MDZ).
  208. Zur Kritik vgl. auch Graf: “Disez buch ist maister ian”.
  209. GND.
  210. Wieder in: Felix Heinzer: Klosterreform Und mittelalterliche Buchkultur im deutschen Südwesten (2008), S. 135-137 (Auszug GBS).
  211. Das Zitat aus dem Titel des Beitrags von Richarda Bauschke-Hartung im Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 19 (2012/2013), S. 103, in dem gleich mehrere Beiträge das Problem intensiver erörtern.
  212. Ebd., S. 154.
  213. GND. Zum Buch von Bernd Fuhrmann: Konrad von Weinsberg (2010) vgl. meine Besprechung in Archivalia vom 21. Januar 2011.
  214. ²VL 5 (1985), Sp. 269; vgl. auch Klaus Graf: Quellen zur Geschichte der Göppinger Oberhofenkirche (1439, 1447) aus dem Lehenkopialbuch Konrads von Weinsberg und dem Weinsberger Archiv. In: Hohenstaufen, Helfenstein 2 (1992), S. 55-73, hier S. 63.
  215. GND.
  216. Edition durch Ulrich Seelbach im Repertorium der mittelalterlichen Autoritäten (online): “Graue Conrat von weyynsperg”.
  217. ²VL 4 (1983), Sp. 815. Zu Johannes Werner von Zimmern (GND) vgl. jüngst Klaus Graf: Hat Jakob Weiglin “De duodecim abusivis saeculi” übersetzt? In: Archivalia vom 7. Juli 2014.
  218. ²VL 4 (1983), Sp. 814.
  219. Vgl. Georg Stanitzek: Dilettant. In: Reallexikon zur deutschen Literaturwissenschaft ³1 (1997), S. 364-366 (Auszug GBS).
  220. Zimmerische Chronik Bd. 1, S. 461f.; vgl. Frieder Schanze in: ²VL 1 (1978), Sp. 589.
  221. Zimmerische Chronik Bd. 1, S. 583-586.
  222. GBS.
  223. Vgl. Klaus Graf: Hohenurach und seine Gefangenen, in: Stadt, Schloss und Residenz Urach (2014), S. 115-124, hier S. 119f. (online).
  224. ²VL 3 (1981), Sp. 923.
  225. Klaus Graf: Graf Heinrich von Württemberg († 1519) – Aspekte eines ungewöhnlichen Fürstenlebens. In: Württemberg und Mömpelgard 600 Jahre Begegnung (1999), S. 107-120, hier S. 117f. (online); Nachträge in Archivalia vom 23. November 2009. Zu Heinrichs Büchern: Felix Heinzer: Heinrich von Württemberg und Eberhard im Bart: zwei Fürsten im Spiegel ihrer Bücher. In: Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert (2006), S. 149-163 online. GND.
  226. Erhard S. 48. Zum Cgm 5237: Handschriftencensus.
  227. Montag S. 50.
  228. Bei Namen aus der Heldenepik halte ich Schlüsse aus dem Namenbefund auf literarische Rezeption nicht für vertretbar: Klaus Graf: Literatur als adelige Hausüberlieferung? In: Literarische Interessenbildung im Mittelalter (1993), S. 126-144 (online).
  229. Im bayerischen Adel ist insbesondere der Name Wigalois, Wiguleus o.ä. ein schon früh geführter Traditionsname, der über die Rezeption literarischer Texte nichts aussagen kann.
  230. GND.
  231. Vgl. die Zusammenstellungen bei Bastert S. 138f. und Friedrich Panzer: Personennamen aus dem höfischen Epos in Baiern. In: Philologische Studien (1896), S. 205-220 (online).
  232. Handschriftenkatalog von Karin Schneider online.
  233. Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus; GND.
  234. So Nikolaus Henkel in: ²VL 9 (1995), Sp. 188-190. Vgl. auch Wikisource.
  235. Ediert von Samuel Singer in Zeitschrift für deutsches Alterthum 38 (1894), S. 205f. (online); vgl. auch Der Ritter mit dem Bock. Hrsg. von Wolfgang Achnitz (1997), S. 189 (Auszug GBS). Zum Schlussgedicht Fuetrers vgl. Mueller S. 242-265. Im Cgm 1, Bl. 347va-348vb; SW-Digitalisat MDZ.
  236. Paul Sappler in: Positionen des Romans im späten Mittelalter (1991), S. 144 Anm. 6 (online). Vgl. auch die Bemerkung in meiner Rezension von Klaus Ridder: Mittelhochdeutsche Minne- und Aventiureromane in: Zeitschrift für deutsches Altertum 129 (2000), S. 105 (online). Zur Rolle Schwabens in diesem Text sehe ich keinen Anlass von Klaus Graf: Genealogisches Herkommen bei Konrad von Würzburg und im ‘Friedrich von Schwaben’. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft 5 (1988/1989), S. 285-295 (online) abzurücken.
  237. Hartmut Beckers in: Literarische Interessenbildung (1993), S. 12; Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus.
  238. Vgl. zu ihm aus historischer Sicht die Website http://www.bellerkirche.de/Der+Erbauer. Zu den literarischen Aspekten vgl. Hartmut Beckers: Der Püecher Haubet, die von der Tafelrunde Wunder sagen. Wirich von Stein und die Verbreitung des ‘Prosa-Lancelot’ im 15. Jahrhundert. In: Wolfram-Studien 9 (1986), S. 17-45.
  239. Beckers 1993, S. 16.
  240. Zur Stilisierung nach vorgeprägten Mustern methodisch nach wie vor lesenswert: Erich Kleinschmidt: Herrscherdarstellung (1974).
  241. Vgl. meinen Hinweis in Archivalia vom 4. Juni 2014.
  242. Vgl. etwa Graf: Adel als Leitbild; Derselbe: Feindbild und Vorbild. Bemerkungen zur städtischen Wahrnehmung des Adels. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 141 (1993), S. 121-154 (online).
  243. Den Begriff hat eingeführt Gerd Althoff: “Causa scribendi” und Darstellungsabsicht. In: Litterae medii aevi (1988), S. 117-133.
  244. Zu meinem Unbehagen an der Erklärung mit Legitimationszwängen vgl. Graf: Ursprung S. 28f. Gegen die Privilegierung des Politischen im Rahmen eines Konzepts literarischer Interessenbildung (Joachim Heinzle) argumentierte Jan-Dirk Müller in: Literarische Interessenbildung im Mittelalter (1993), S. 370-372.
  245. Jenny S. 166.
  246. Ebd., S. 156.
  247. Vgl. schon Graf: Codexmythen.
  248. Hermann Heimpel: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447 1 (1982), S. 232.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5283

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Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München)

Portrait Hartmann Schedels aus BSB, Clm 30

Portrait Hartmann Schedels (Quelle: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 30, f. 2v, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0, bearbeitet)

Im jubiläenreichen Jahr 2014 gesellte sich ein weiterer für die deutschen Humanismusforscher zwar prominenter, von der breiteren Öffentlichkeit jedoch eher wenig gefeierter Jubilar dazu: der Arzt und Sammler Hartmann Schedel (1440–1514). Anlässlich seines 500. Todestags organisierte die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) die Ausstellung „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ in ihrer Schatzkammer in München. Dass die BSB überhaupt in den Besitz dieser außerordentlichen Sammlung, die eine der seltenen geschlossenen deutschen Privatbibliotheken des Spätmittelalters darstellt, gekommen ist, hat sie Melchior Schedel (1516–1571), Hartmanns Enkel und letztem überlebenden Nachfahren, zu verdanken. Wenig an den Büchern seines Großvaters interessiert, überging er dessen ausdrücklichen Willen, dass seine Bücher alle in der Liberey […] beieinander bleiben und den namen der Schedel und [s]einen Kinden und iren nachkommen zu nutz behalten werden sollen1 und verkaufte 1552 die Bibliothek für 500 Gulden an den Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger (1516–1575). Dieser, in Geldnöte geraten, trat sie wiederum zwei Jahrzehnte später an den bayerischen Herzog Albrecht V. ab, womit Schedels Sammlung trotz einiger Verluste als geschlossener Bestand in die Münchner Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der Bayerischen Staatsbibliothek, integriert werden konnte. Wer Hartmann Schedel heute dort sucht, wird ihn schnell finden, hat er doch in zahlreichen handschriftlichen und gedruckten Codices sein Monogramm HA. S. D.  – Hartmann Schedel doctor – hinterlassen. Von den über 370 Handschriften und 460 Drucken zeigt die Ausstellung eine repräsentative Auswahl von 40 Bänden, darunter fünf Ausgaben der Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert und einige Leihgaben, die wichtige Stationen in Schedels Leben und sein ungewöhnlich vielschichtiges Sammelinteresse dokumentieren.

Die Ausstellung ist auf zwei Räume verteilt. In der Schatzkammer stehen Hartmann Schedels Biographie und seine Sammlung im Vordergrund. Schedel steht auch physisch prominent im Zentrum des kleinen Raumes, denn dort ist das Arzneibuch des süditalienischen Arztes Mattheus Silvaticus aus Salerno ausgestellt; weniger wegen des Inhalts als seiner Bedeutung für Schedels Biographie ist es bemerkenswert: Es enthält das bekannte, zeitgenössische Portrait Schedels aus der Zeit seiner ersten Heirat 1475, das nachträglich aus dem Familienbuch Schedels herausgelöst und in den Codex inseriert worden ist. Es zeigt ihn im langen roten Mantel des gelehrten Arztes und mit roter Kopfbedeckung. Wie ein Gravitationszentrum scheint er so die rundherum angeordneten Schaukästen zusammenzuhalten.

Die Ausstellung beginnt mit zwei wichtigen Handschriften aus Schedels Besitz, seinem persönlichen Exemplar der lateinischen Weltchronik, das nicht nur auf Grund seiner prächtigen Ausstattung, sondern auch wegen der zahlreichen Beigaben und handschriftlichen Zusätze des Autors wertvoll ist, und der Abschrift des Familienbuchs für seinen Enkel Melchior (um 1552). Dieser Liber genealogiae et rerum familiarium ist im Original bis auf das bereits genannte Portrait verloren und nur durch zwei frühneuzeitliche Abschriften, die Johann Jakob Fugger nach dem Ankauf der Bibliothek anfertigen ließ, zu rekonstruieren. Beide sind als Leihgaben der Staatsbibliothek zu Berlin –Preußischer Kulturbesitz und aus Privatbesitz im ersten Ausstellungsraum zu sehen. Bereits hier ist die konzeptionelle Klammer zum letzten Exponat der Ausstellung aufgemacht, der Familienchronik und der Autobiographie des Melchior Schedel (um 1570), für die Hartmanns Enkel das Familienbuch als Quelle benutzte. Sie ist als Leihgabe der Landesbibliothek Coburg im zweiten Ausstellungsraum in einem eigenen Schaukasten zu besichtigen.

Im Uhrzeigersinn führen die weiteren Schaukästen durch Schedels Studienzeiten in Leipzig (1456–1463) und Padua (1463–1466). Dazwischen verklammern Wandtafeln mit Basisinformationen die Schaukästen. Ausgewählte Studien- und Fachliteratur zeigen Schedel als vielseitigen Studenten, der bald ein ausgeprägtes Interesse am Humanismus entwickelte und seine Büchersammlung dahingehend auch systematisch erweiterte. Neben medizinischer Fachliteratur ist zum Beispiel auch seine älteste Studienhandschrift (1456–1459) zu sehen, die Einblick in das Grundstudium gibt, das er in Leipzig absolvierte; ein Liederbuch dokumentiert wiederum nicht nur sein Interesse an Musik, sondern stellt auch eine selten überlieferte Quelle des 15. Jahrhunderts dar; mit dem Wechsel nach Padua für das Medizinstudium konnte Schedel auch seinen humanistischen Neigungen besser nachgehen. So erwarb er zahlreiche „Klassiker“ des italienischen Humanismus, zum Beispiel den ausgestellten Druck der Commedia Dantes. Ein kleines Elementarlehrbuch der griechischen Sprache zeigt außerdem, dass er nicht nur Latein beherrschte, sondern sich in Padua auch an einer weiteren, in dieser Zeit kaum mehr verbreiteten Fremdsprache versuchte. Dass er sie mit recht beachtlichem Erfolg gemeistert hat, wird im Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus deutlich. Darin hatte Schedel zahlreiche Inschriften, darunter auch viele griechische gesammelt. Dieses epigraphische Großwerk ist monumentaler Ausdruck von Schedels lebenslanger, antiquarischer Sammelleidenschaft.

Schön gelungen ist, dass neben Schedel auch andere Familienmitglieder und sogar seine akademischen Lehrer durch die ausgestellten Bücher immer wieder in Erscheinung treten. So geben ein Rechenbuch und ein venezianisch-nürnbergisches Sprachbuch Einblick in die kaufmännische Ausbildung des jüngeren Bruders Johannes, eine Bibelhandschrift führt zu den Grabners, der Familie von Schedels Mutter, schließlich wird Hermann Schedel, Hartmanns Vetter, durch eine vererbte Handschrift des Petrus de Abano sichtbar und etwas später findet man auch seine Söhne in einer astronomisch-astrologischen Handschrift, in die Schedel die Horoskope anlässlich ihrer Geburt eingetragen hat. Seine Professoren und Vorlesungen in Padua hielt Schedel in einer Liste am Ende des repräsentativen Codex Clm 13 fest. Zweien widmete er darin jeweils eine Seite mit Epigramm und den Portraits der Mediziner; über seinen hochverehrten Doktorvater Matteolo Mattioli verfasste er zudem eine sehr persönliche Biographie in der Weltchronik, die nicht nur dessen Fachexpertise, sondern auch seine Gelehrsamkeit in den Sieben Freien Künsten und in der Theologie rühmte. Diese ist allerdings nicht eigens ausgestellt.

Von der medizinischen Praxis Schedels zeugen das ausgestellte Rezeptarium, das ebenso als eine Art Kartei seiner Nördlinger und Amberger Patienten gelesen werden könnte. Für seine Nürnberger Zeit existiert ebenfalls ein Rezeptbuch, in das Schedel außer den ärztlichen Aufzeichnungen ein in mehrere Gruppen geordnetes Inventar seiner Bücher eingetragen hat. Es steht am Ende der Ausstellung und erinnert den Besucher daran, dass es hier um weit mehr als die 40 ausgestellten Bücher geht, nämlich um eine so immense Sammlung, die einen systematischen Katalog erforderlich gemacht hatte, um die benötigte Fachliteratur schnell zu finden.

Während seiner praktischen Tätigkeiten versorgte sich Schedel natürlich weiterhin mit aktueller medizinischer Fachliteratur, beschaffte sich zum Beispiel das erste deutsche Lehrbuch der Chirurgie oder Ausgaben von Hans Folz’ medizinischen Reimpaargedichten. Nebenbei hielt er sich über allerlei Neuerscheinungen in Italien und Deutschland auf dem Laufenden, wie die gedruckten Bücheranzeigen und manche „Bestellliste“ aus seinem Besitz dokumentieren. In diesem Teil der Ausstellung deutet sich schon der Übergang vom handschriftlichen Codex zum gedruckten Buch an, der sich auch in Schedels Bibliothek niedergeschlagen hat und der nun zum zweiten Teil der Ausstellung, der Weltchronik, überleitet.

Nach dem Durchgang durch Schedels Leben ist der Raum vor der Schatzkammer der Weltchronik gewidmet. Thematisiert werden ihre Hauptquellen, aber auch die Nachdrucke und erste Initiativen zur Überarbeitung und Ergänzung der Informationen. Hervorzuhaben sind darunter vielleicht Schedels Hauskalender für die Jahre 1502–1510, in denen er Familiennachrichten und wichtige Ereignisse wie seine eigene Erkrankung oder den Tod des langjährigen Freundes Hieronymus Münzer (1437–1508) eintrug, und ein eigenhändiger Brief des Johannes Trithemius (1462–1516) von 1502, mit dem er eine ausgeliehene Handschrift an Schedel zurücksandte. Dem, dass Schedel nur auf Grund seiner umfangreichen Büchersammlung in so kurzer Zeit die monumentale Weltchronik hat zusammenstellen können, wird man leicht zustimmen, nachdem im Raum vorher diese gelehrte Fachbibliothek vor dem geistigen Auge des Betrachters wiedererstanden ist. Wer weitere visuelle Hilfe braucht, dem bietet sich eine PC-Station, an der man die virtuelle Bibliothek Schedels durchstöbern kann.

Zusammenfassend kann man die Ausstellung durchaus als gelungen bezeichnen. Schon der geringe Platz macht eine Auswahl an Exponaten nötig. Dazu ist eine Ausstellung in einer Bibliothek über Bücher mit dem naheliegenden Problem konfrontiert, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen. Doch ist der Platz gut genutzt, die Auswahl der Exponate sehr treffend und auch der Medieneinsatz sorgt in dem kleinen Rahmen für eine sinnvolle Informationsfülle. In den wenigen, aber sorgfältig ausgewählten und präsentierten Büchern werden pointiert Lebensstationen Schedels gezeigt. Die großen Aufsteller zur Weltchronik geben über das bloße Buch hinaus Einblick in den Produktionsprozess eines spätmittelalterlichen Bestsellers. Beeindruckend für den aufmerksamen Betrachter ist hier sicher die Information, dass die Financiers mit einem Kapital von 1000 Gulden einstanden, während vorher bereits Schedels jährlicher Grundverdienst als Stadtarzt in Nördlingen mit 40 Gulden beziffert wurde. Für den Fachwissenschaftler gibt es außerdem Highlights wie die Familienbücher, die Rezeptbücher, das Handexemplar der Weltchronik, den Liber antiquitatum und natürlich auch die Leihgaben. Wer der Faszination des Originals weiterhin erliegt, den stört es auch nicht, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen.

Zur Ausstellung ist ein sehr schöner Katalog erschienen. Die Konzeption folgt dem Aufbau der Weltchronik. Das erst alter verfolgt den Aufstieg und Niedergang der Nürnberger Familie Schedel, anschließend werden Schedels Studienzeit in Leipzig und Padua, seine Tätigkeit als Stadtarzt in Nördlingen, Amberg und Nürnberg, seine Sammelinteressen und die Bibliothek, die Weltchronik und schließlich, im sibend alter, seine Bücher und ihr Schicksal behandelt. Jeweils ein einführender Aufsatz umreißt knapp und präzise die Lebensstation bzw. den Ausstellungsbereich. Es ist absolut empfehlenswert direkt mit dem Katalog durch die Ausstellung zu gehen. Denn die Wandtafeln und Schilder geben zwar einige Basisinformationen zu den jeweiligen Exponaten, doch sind diese im ersten Fall sehr knapp, im zweiten bibliographischer Natur, d.h. sie geben Titel, Material, Entstehungsort und –datum, Signatur, Folioangaben etc. an. Schön ist dabei, dass jeweils zusätzlich über die aufgeschlagenen Seiten informiert wird. Über den historischen Kontext und konkreten Entstehungszusammenhang, die Überlieferungsgeschichte und andere Besonderheiten, kurz: „den Sitz im Leben“ der jeweiligen Handschrift, geben nur die Artikel im Katalog fachkundig Auskunft. Durch ein eigenes PC-Symbol wird auch auf bereits digitalisierte Bände hingewiesen.

Dass Schedel nicht ohne sein Monumentalwerk der Weltchronik gezeigt werden kann, ist verständlich, umso schöner ist es, dass eine Woche nach der Eröffnung der Ausstellung in München am 28. und 29. November im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg die Jahrestagung der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft zur Erforschung von Renaissance und Humanismus e.V. zum Thema „Hartmann Schedel (1440–1514). Leben und Werk“ stattfand, wobei die Biographie und das Umfeld Schedels im Vordergrund standen. Wie eng die Kooperation und Abstimmung zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Pirckheimer-Gesellschaft war, zeigt nicht nur der Umstand, dass die Kuratorin Dr. Bettina Wagner als Referentin eingeladen war, sondern auch, dass die Vorträge die in der Ausstellung behandelten Themen aufgriffen, vertieften und auch sinnvoll erweiterten. Schedels Bücher bildeten bei vielen Vorträgen selbstredend die Basis der Ausführungen, doch kam hier wieder verstärkt der Mensch hinter den Büchern hervor. Erst wenn also das zugehörige Jahrbuch der Gesellschaft erscheinen wird, wird der Interessierte rundum informiert sein über die bekannteste Büchersammlung an der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. März. Es sind zwei Youtube-Videos und eine Bildergalerie verfügbar.

Zitationsempfehlung/Suggested citation: Karoline Döring: Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 19. Februar 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5303 (ISSN 2197-6120).

  1. Vgl. den Ausstellungskatalog: Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514), hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, München 2014, S. 155

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5303

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Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München)

Portrait Hartmann Schedels aus BSB, Clm 30

Portrait Hartmann Schedels (Quelle: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 30, f. 2v, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0, bearbeitet)

Im jubiläenreichen Jahr 2014 gesellte sich ein weiterer für die deutschen Humanismusforscher zwar prominenter, von der breiteren Öffentlichkeit jedoch eher wenig gefeierter Jubilar dazu: der Arzt und Sammler Hartmann Schedel (1440–1514). Anlässlich seines 500. Todestags organisierte die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) die Ausstellung „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ in ihrer Schatzkammer in München. Dass die BSB überhaupt in den Besitz dieser außerordentlichen Sammlung, die eine der seltenen geschlossenen deutschen Privatbibliotheken des Spätmittelalters darstellt, gekommen ist, hat sie Melchior Schedel (1516–1571), Hartmanns Enkel und letztem überlebenden Nachfahren, zu verdanken. Wenig an den Büchern seines Großvaters interessiert, überging er dessen ausdrücklichen Willen, dass seine Bücher alle in der Liberey […] beieinander bleiben und den namen der Schedel und [s]einen Kinden und iren nachkommen zu nutz behalten werden sollen1 und verkaufte 1552 die Bibliothek für 500 Gulden an den Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger (1516–1575). Dieser, in Geldnöte geraten, trat sie wiederum zwei Jahrzehnte später an den bayerischen Herzog Albrecht V. ab, womit Schedels Sammlung trotz einiger Verluste als geschlossener Bestand in die Münchner Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der Bayerischen Staatsbibliothek, integriert werden konnte. Wer Hartmann Schedel heute dort sucht, wird ihn schnell finden, hat er doch in zahlreichen handschriftlichen und gedruckten Codices sein Monogramm HA. S. D.  – Hartmann Schedel doctor – hinterlassen. Von den über 370 Handschriften und 460 Drucken zeigt die Ausstellung eine repräsentative Auswahl von 40 Bänden, darunter fünf Ausgaben der Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert und einige Leihgaben, die wichtige Stationen in Schedels Leben und sein ungewöhnlich vielschichtiges Sammelinteresse dokumentieren.

Die Ausstellung ist auf zwei Räume verteilt. In der Schatzkammer stehen Hartmann Schedels Biographie und seine Sammlung im Vordergrund. Schedel steht auch physisch prominent im Zentrum des kleinen Raumes, denn dort ist das Arzneibuch des süditalienischen Arztes Mattheus Silvaticus aus Salerno ausgestellt; weniger wegen des Inhalts als seiner Bedeutung für Schedels Biographie ist es bemerkenswert: Es enthält das bekannte, zeitgenössische Portrait Schedels aus der Zeit seiner ersten Heirat 1475, das nachträglich aus dem Familienbuch Schedels herausgelöst und in den Codex inseriert worden ist. Es zeigt ihn im langen roten Mantel des gelehrten Arztes und mit roter Kopfbedeckung. Wie ein Gravitationszentrum scheint er so die rundherum angeordneten Schaukästen zusammenzuhalten.

Die Ausstellung beginnt mit zwei wichtigen Handschriften aus Schedels Besitz, seinem persönlichen Exemplar der lateinischen Weltchronik, das nicht nur auf Grund seiner prächtigen Ausstattung, sondern auch wegen der zahlreichen Beigaben und handschriftlichen Zusätze des Autors wertvoll ist, und der Abschrift des Familienbuchs für seinen Enkel Melchior (um 1552). Dieser Liber genealogiae et rerum familiarium ist im Original bis auf das bereits genannte Portrait verloren und nur durch zwei frühneuzeitliche Abschriften, die Johann Jakob Fugger nach dem Ankauf der Bibliothek anfertigen ließ, zu rekonstruieren. Beide sind als Leihgaben der Staatsbibliothek zu Berlin –Preußischer Kulturbesitz und aus Privatbesitz im ersten Ausstellungsraum zu sehen. Bereits hier ist die konzeptionelle Klammer zum letzten Exponat der Ausstellung aufgemacht, der Familienchronik und der Autobiographie des Melchior Schedel (um 1570), für die Hartmanns Enkel das Familienbuch als Quelle benutzte. Sie ist als Leihgabe der Landesbibliothek Coburg im zweiten Ausstellungsraum in einem eigenen Schaukasten zu besichtigen.

Im Uhrzeigersinn führen die weiteren Schaukästen durch Schedels Studienzeiten in Leipzig (1456–1463) und Padua (1463–1466). Dazwischen verklammern Wandtafeln mit Basisinformationen die Schaukästen. Ausgewählte Studien- und Fachliteratur zeigen Schedel als vielseitigen Studenten, der bald ein ausgeprägtes Interesse am Humanismus entwickelte und seine Büchersammlung dahingehend auch systematisch erweiterte. Neben medizinischer Fachliteratur ist zum Beispiel auch seine älteste Studienhandschrift (1456–1459) zu sehen, die Einblick in das Grundstudium gibt, das er in Leipzig absolvierte; ein Liederbuch dokumentiert wiederum nicht nur sein Interesse an Musik, sondern stellt auch eine selten überlieferte Quelle des 15. Jahrhunderts dar; mit dem Wechsel nach Padua für das Medizinstudium konnte Schedel auch seinen humanistischen Neigungen besser nachgehen. So erwarb er zahlreiche „Klassiker“ des italienischen Humanismus, zum Beispiel den ausgestellten Druck der Commedia Dantes. Ein kleines Elementarlehrbuch der griechischen Sprache zeigt außerdem, dass er nicht nur Latein beherrschte, sondern sich in Padua auch an einer weiteren, in dieser Zeit kaum mehr verbreiteten Fremdsprache versuchte. Dass er sie mit recht beachtlichem Erfolg gemeistert hat, wird im Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus deutlich. Darin hatte Schedel zahlreiche Inschriften, darunter auch viele griechische gesammelt. Dieses epigraphische Großwerk ist monumentaler Ausdruck von Schedels lebenslanger, antiquarischer Sammelleidenschaft.

Schön gelungen ist, dass neben Schedel auch andere Familienmitglieder und sogar seine akademischen Lehrer durch die ausgestellten Bücher immer wieder in Erscheinung treten. So geben ein Rechenbuch und ein venezianisch-nürnbergisches Sprachbuch Einblick in die kaufmännische Ausbildung des jüngeren Bruders Johannes, eine Bibelhandschrift führt zu den Grabners, der Familie von Schedels Mutter, schließlich wird Hermann Schedel, Hartmanns Vetter, durch eine vererbte Handschrift des Petrus de Abano sichtbar und etwas später findet man auch seine Söhne in einer astronomisch-astrologischen Handschrift, in die Schedel die Horoskope anlässlich ihrer Geburt eingetragen hat. Seine Professoren und Vorlesungen in Padua hielt Schedel in einer Liste am Ende des repräsentativen Codex Clm 13 fest. Zweien widmete er darin jeweils eine Seite mit Epigramm und den Portraits der Mediziner; über seinen hochverehrten Doktorvater Matteolo Mattioli verfasste er zudem eine sehr persönliche Biographie in der Weltchronik, die nicht nur dessen Fachexpertise, sondern auch seine Gelehrsamkeit in den Sieben Freien Künsten und in der Theologie rühmte. Diese ist allerdings nicht eigens ausgestellt.

Von der medizinischen Praxis Schedels zeugen das ausgestellte Rezeptarium, das ebenso als eine Art Kartei seiner Nördlinger und Amberger Patienten gelesen werden könnte. Für seine Nürnberger Zeit existiert ebenfalls ein Rezeptbuch, in das Schedel außer den ärztlichen Aufzeichnungen ein in mehrere Gruppen geordnetes Inventar seiner Bücher eingetragen hat. Es steht am Ende der Ausstellung und erinnert den Besucher daran, dass es hier um weit mehr als die 40 ausgestellten Bücher geht, nämlich um eine so immense Sammlung, die einen systematischen Katalog erforderlich gemacht hatte, um die benötigte Fachliteratur schnell zu finden.

Während seiner praktischen Tätigkeiten versorgte sich Schedel natürlich weiterhin mit aktueller medizinischer Fachliteratur, beschaffte sich zum Beispiel das erste deutsche Lehrbuch der Chirurgie oder Ausgaben von Hans Folz’ medizinischen Reimpaargedichten. Nebenbei hielt er sich über allerlei Neuerscheinungen in Italien und Deutschland auf dem Laufenden, wie die gedruckten Bücheranzeigen und manche „Bestellliste“ aus seinem Besitz dokumentieren. In diesem Teil der Ausstellung deutet sich schon der Übergang vom handschriftlichen Codex zum gedruckten Buch an, der sich auch in Schedels Bibliothek niedergeschlagen hat und der nun zum zweiten Teil der Ausstellung, der Weltchronik, überleitet.

Nach dem Durchgang durch Schedels Leben ist der Raum vor der Schatzkammer der Weltchronik gewidmet. Thematisiert werden ihre Hauptquellen, aber auch die Nachdrucke und erste Initiativen zur Überarbeitung und Ergänzung der Informationen. Hervorzuhaben sind darunter vielleicht Schedels Hauskalender für die Jahre 1502–1510, in denen er Familiennachrichten und wichtige Ereignisse wie seine eigene Erkrankung oder den Tod des langjährigen Freundes Hieronymus Münzer (1437–1508) eintrug, und ein eigenhändiger Brief des Johannes Trithemius (1462–1516) von 1502, mit dem er eine ausgeliehene Handschrift an Schedel zurücksandte. Dem, dass Schedel nur auf Grund seiner umfangreichen Büchersammlung in so kurzer Zeit die monumentale Weltchronik hat zusammenstellen können, wird man leicht zustimmen, nachdem im Raum vorher diese gelehrte Fachbibliothek vor dem geistigen Auge des Betrachters wiedererstanden ist. Wer weitere visuelle Hilfe braucht, dem bietet sich eine PC-Station, an der man die virtuelle Bibliothek Schedels durchstöbern kann.

Zusammenfassend kann man die Ausstellung durchaus als gelungen bezeichnen. Schon der geringe Platz macht eine Auswahl an Exponaten nötig. Dazu ist eine Ausstellung in einer Bibliothek über Bücher mit dem naheliegenden Problem konfrontiert, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen. Doch ist der Platz gut genutzt, die Auswahl der Exponate sehr treffend und auch der Medieneinsatz sorgt in dem kleinen Rahmen für eine sinnvolle Informationsfülle. In den wenigen, aber sorgfältig ausgewählten und präsentierten Büchern werden pointiert Lebensstationen Schedels gezeigt. Die großen Aufsteller zur Weltchronik geben über das bloße Buch hinaus Einblick in den Produktionsprozess eines spätmittelalterlichen Bestsellers. Beeindruckend für den aufmerksamen Betrachter ist hier sicher die Information, dass die Financiers mit einem Kapital von 1000 Gulden einstanden, während vorher bereits Schedels jährlicher Grundverdienst als Stadtarzt in Nördlingen mit 40 Gulden beziffert wurde. Für den Fachwissenschaftler gibt es außerdem Highlights wie die Familienbücher, die Rezeptbücher, das Handexemplar der Weltchronik, den Liber antiquitatum und natürlich auch die Leihgaben. Wer der Faszination des Originals weiterhin erliegt, den stört es auch nicht, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen.

Zur Ausstellung ist ein sehr schöner Katalog erschienen. Die Konzeption folgt dem Aufbau der Weltchronik. Das erst alter verfolgt den Aufstieg und Niedergang der Nürnberger Familie Schedel, anschließend werden Schedels Studienzeit in Leipzig und Padua, seine Tätigkeit als Stadtarzt in Nördlingen, Amberg und Nürnberg, seine Sammelinteressen und die Bibliothek, die Weltchronik und schließlich, im sibend alter, seine Bücher und ihr Schicksal behandelt. Jeweils ein einführender Aufsatz umreißt knapp und präzise die Lebensstation bzw. den Ausstellungsbereich. Es ist absolut empfehlenswert direkt mit dem Katalog durch die Ausstellung zu gehen. Denn die Wandtafeln und Schilder geben zwar einige Basisinformationen zu den jeweiligen Exponaten, doch sind diese im ersten Fall sehr knapp, im zweiten bibliographischer Natur, d.h. sie geben Titel, Material, Entstehungsort und –datum, Signatur, Folioangaben etc. an. Schön ist dabei, dass jeweils zusätzlich über die aufgeschlagenen Seiten informiert wird. Über den historischen Kontext und konkreten Entstehungszusammenhang, die Überlieferungsgeschichte und andere Besonderheiten, kurz: „den Sitz im Leben“ der jeweiligen Handschrift, geben nur die Artikel im Katalog fachkundig Auskunft. Durch ein eigenes PC-Symbol wird auch auf bereits digitalisierte Bände hingewiesen.

Dass Schedel nicht ohne sein Monumentalwerk der Weltchronik gezeigt werden kann, ist verständlich, umso schöner ist es, dass eine Woche nach der Eröffnung der Ausstellung in München am 28. und 29. November im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg die Jahrestagung der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft zur Erforschung von Renaissance und Humanismus e.V. zum Thema „Hartmann Schedel (1440–1514). Leben und Werk“ stattfand, wobei die Biographie und das Umfeld Schedels im Vordergrund standen. Wie eng die Kooperation und Abstimmung zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Pirckheimer-Gesellschaft war, zeigt nicht nur der Umstand, dass die Kuratorin Dr. Bettina Wagner als Referentin eingeladen war, sondern auch, dass die Vorträge die in der Ausstellung behandelten Themen aufgriffen, vertieften und auch sinnvoll erweiterten. Schedels Bücher bildeten bei vielen Vorträgen selbstredend die Basis der Ausführungen, doch kam hier wieder verstärkt der Mensch hinter den Büchern hervor. Erst wenn also das zugehörige Jahrbuch der Gesellschaft erscheinen wird, wird der Interessierte rundum informiert sein über die bekannteste Büchersammlung an der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. März. Es sind zwei Youtube-Videos und eine Bildergalerie verfügbar.

Zitationsempfehlung/Suggested citation: Karoline Döring: Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 19. Februar 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5303 (ISSN 2197-6120).

  1. Vgl. den Ausstellungskatalog: Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514), hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, München 2014, S. 155

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5303

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