Vernetzte Wissenschaft in einer globalisierten Gesellschaft

Geisteswissenschaft als Beruf im Ausland – Was kann man sich darunter vorstellen? In &bdq...

Quelle: https://gab.hypotheses.org/4573

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Some Patterns of Making Public History in China (2)

Debates over public history (公众史学) in China are the role of history and historians in the nation, or forms of participation. The discussion raises more questions about past in public sphere.

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Quelle: https://public-history-weekly.degruyter.com/5-2017-39/public-history-in-china-2/

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Some Patterns of Making Public History in China (1)

As progress, urbanization, economical growth transform China, its official and inofficial versions of history change rapidly, too. Public History in China. If history is no longer intellectual navel-gazing, but a social form of knowledge...

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Quelle: https://public-history-weekly.degruyter.com/5-2017-35/public-history-in-china-1/

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mediaevum.net: Tagungsbericht “The Crisis of the 14th Century. ‘Teleconnections’ between Environmental and Societal Change?” (Rom, Februar 2016)

Über die Krise des 14. Jahrhunderts wurde bereits viel geschrieben und diskutiert.[1] Die Konferenz am Deutschen Historischen Institut (DHI) in Rom zeigte indes, dass dem Forschungsstand noch vieles hinzuzufügen ist. Statt sich wie viele vor ihnen an der Frage nach …

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2016/07/6634/

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Lexikon zur Computergeschichte: Windows 3.1 / Windows 3.11 / Windows 3.2

Windows 3.1 kam als Nachfolgeversion des von Systemabstürzen geplagten Windows 3.0 1992 auf den Markt. Neu waren Farbtiefen bis zu 32 Bit, Objectmanagement durch OLE, die Verwendung von TrueTypeFonts oder auch die behutsame Einführung der Registry (damals nur für Verknüpfungen von Dateiendungen). Windows 3.11 stellte eigentlich keine eigene Version dar, sondern behob nur einige Fehler […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2016/03/6366/

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Vulkanisches Zwielicht. Ein Vorschlag zur Datierung des Kuwae-Ausbruchs auf 1464

Krater des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa, Indonesien. Quelle: Wikimedia Commons

Krater des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa, Indonesien. Quelle: Wikimedia Commons

Vor zweihundert Jahren brach Anfang April 1815 der indonesische Vulkan Tambora aus. Dieses Ereignis, und vor allem das darauf folgende Jahr ohne Sommer 1816 stoßen derzeit auf breites Interesse in den Medien: Unwiderstehlich scheint die Mischung von Vulkanasche, ‚Klimakatastrophe‘, Hunger, Missernten, blutroten Sonnenuntergängen und der Entstehung von Mary Shelleys „Frankenstein“. Vulkane ‚gehen‘ immer. Man darf gespannt sein, ob die jubiiäumsbedingten Treffen der klimatologischen Fachwelt und die damit verbundenen Publikationen das düstere Narrativ bestätigen oder relativieren werden.

In der Suche nach Superlativen für das breite Publikum geht oft unter, dass die Eruption des Tambora in ihrem klimatischen Impact mutmaßlich von zwei Vulkanausbrüchen in mittelalterlicher Zeit in beträchtlichem Umfang übertroffen worden sein dürfte: dem seit kurzem geographisch lokalisierten Ausbruch des Samalas auf der Insel Lombok (Indonesien) vermutlich im Jahr 1257, der größten Eruption des vergangenen Jahrtausends, und dem zweitgrößten Vulkanausbruch der letzten 1000 Jahre. Dieser wurde bisher häufig mit einer unterseeischen Caldera in Vanuatu in Verbindung gebracht, nach einem im Rahmen einer lange schon auf 1452 oder 1453 datierten Eruption verschwundenen Inselstück als Kuwae bezeichnet.[1] Obwohl die Lokalisierung umstritten ist (s.u.) soll im Folgenden weiter von der Kuwae-Eruption gesprochen werden, da sich nicht wie im Fall anderer ungeklärter Eruptionen einfach von einem 1452- bzw. 1458-event sprechen lässt, da auch die bisherige Datierung zunehmend fragwürdig scheint.

„unmistakable marks in world climate records“? Kuwae und der Fall von Konstantinopel

Indikator für den klimatischen Impact eines Vulkanausbruchs ist die Menge an Schwefeldioxid, die die Eruption bis in die Stratosphäre schleudert. Dort wandelt sichdas SO2 relativ rasch zu Sulfat-Aerosolen. Diese Schwebeteilchen reduzieren mutmaßlich die Sonneneinstrahlung und können einige Jahre lang um den Globus zirkulieren, für eine Abkühlung sorgen und so auch die meteorologischen Verhältnisse beeinflussen.[2] Rückschlüsse auf die in der Atmosphäre wirksame Menge an Sulfat-Aerosolen, die wiederum zur Klassifizierung des Ausbruchs dienen, ziehen Geowissenschaftler aus polaren Eisbohrkernen. Die dort nachweisbaren Sulfatschichten können allerdings mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht jahrgenau datiert werden: Vielmehr wurden bisher zur Feindatierung häufig historische Fakten – also aus in der Regel schriftlichen Quellen eindeutig belegte und datierbare Eruptionen – als sog. stratigraphische Marker herangezogen.[3] Ein Ereignis wie der Ausbruch des Tambora 1815 und die Wetterkapriolen im Folgejahr sind in der schriftlichen Überlieferung sehr dicht dokumentiert. Viel problematischer ist die Lage für den sehr großen Kuwae-Ausbruch Mitte des 15. Jahrhunderts.

Die historischen Fakten, die 1993 von dem US-Astronomen Kevin D. Pang in einem kurzen Abstract zur Datierung der Kuwae-Eruption angeführt wurden[4], sind – vorab gesagt – alles andere als die „unmistakable marks in world climate records“, die er präsentieren möchte. Zur globalen Verankerung der Datierung dienen ihm sehr pauschale Verweise auf besondere Kälte in Südchina im Jahr 1453/54, auf schlechte Weinernten in Deutschland sowie Ausfälle der Getreideernte in Schweden Mitte der 1450er und auf dendrochronologische Befunde aus Nordamerika, Europa und China. Dass die fraglichen Jahre tatsächlich als kühl und feucht gelten müssen, steht außer Frage. Dies gilt aber sowohl für Europa wie für China (s.u.) in den gesamten 1450er/60er Jahren. Es ist problemlos möglich, eine Handvoll Belege für Kälte und Feuchte sowie Ernteausfälle zu beinahe jedem beliebigen Jahr anzuführen.[5] Damit verlieren diese pauschal zugeordneten Belege ihre argumentative Kraft. Dasselbe gilt übrigens für dendrochronologische Befunde.[6] Entscheidend sind vielmehr spezifische Aussagen in Schriftquellen, die plausibel allein durch eine Aerosolwolke vulkanischen Ursprungs erklärt werden können. Diese meinte Pang in der älteren Literatur zum Fall Konstantinopels im Mai 1453 gefunden zu haben: „But the gardens in the city produced little at that season […] On the night of the full moon there was an eclipse and three hours of darkness […] the whole city [of Constantinople] was blotted out by a thick fog, a phenomenon unknown in those lands in May […] That night, when the fog had lifted, a strange light played about the Dome of the Hagia Sophia […] Lights, too, could be seen from the walls, glimmering in the distant countryside far behind the Turkish camp.“[7] Diese Belege, die Pang anführt und einer für ein breites Publikum gedachten Darstellung von Steven Runciman von 1965 entnimmt, halten keiner näheren Überprüfung stand. Der implizit als Argument für reduzierte Sonnenstrahlung angeführte agrarische Produktionsausfall konnte in keiner Form in den zeitgenössischen Quellen wiedergefunden werden.[8] Das unnatürliche Licht über der Kuppel der Hagia Sophia ist nach ausdrücklicher Erklärung der einzigen davon berichtenden Chronik der göttliche Schutz, der die Stadt verlässt.[9] Die Stürme und Starkniederschläge, per se schon alles andere als überzeugende Indikatoren für eine Aerosolwolke, finden sich im Kontext der Prozession

Staubschicht in der Atmosphäre nach Ausbruch des Pinatubo 1991. Quelle: Wikimedia Commons

Staubschicht in der Atmosphäre nach Ausbruch des Pinatubo 1991. Quelle: Wikimedia Commons

mit einer bisher die Stadt schützenden Marienikone, die im Mai 1453 hoch symbolisch ‚versagte‘.[10] Der beschriebene Nebel über Konstantinopel geht auf eine Passage bei dem mit deutlichem zeitlichen Abstand schreibenden Kritobulos von Imbros zurück, die keineswegs klar einen langanhaltenden, vulkanischen Trockennebel in großer Höhe erkennen lässt, ihre metaphysischen Bezüge aber deutlich macht.[11] Die für den 20. Mai 1453 berichtete,[12] tatsächlich aber für den 22. Mai anzusetzende, in Konstantinopel sichtbare partielle Mondfinsternis[13] zeichnete sich dadurch aus, dass der zunehmende Mond – Vollmond war für den 24. Mai zu erwarten – für vier Stunden nur in stark verminderter Form zu sehen war, einem dreitägigen Sichelmond gleich. Dabei war die Luft völlig klar und ungetrübt. Von einer außergewöhnlichen, dreistündigen Verdunkelung oder Verfärbung – die tatsächlich der Effekt einer durchziehenden Aerosolwolke sein kann[14] – ist im Bericht des Niccolò Barbaro keine Rede.[15] Die Lichter am Horizont hinter dem türkischen Lager, die die Verteidiger angeblich sahen und von denen sie hofften, es handele sich um ein ungarisches Entsatzheer[16], müssen keineswegs mit den Lichterscheinungen gleichzusetzen sein, die in Nordamerika nach dem Krakatauausbruch für falsche Feueralarme sorgten.

Der Quellenbefund wird von Pang also allerorten überdehnt: Nichts was als Beleg in historischen Quellen für den Durchzug einer Aerosolwolke herangezogen wird, ist dafür ein zwingender, oft noch nicht einmal ein plausibler Beleg. Steven Runciman ordnete die berichteten Naturerscheinungen eindeutig als Omen im Kontext des Untergangs der Stadt ein und betonte ihren metaphysischen Charakter, wie dies auch die jüngere Forschung getan hat.[17] Keines der angeführten Phänomene mit Ausnahme der partiellen Mondfinsternis lässt sich in mehreren, unabhängigen Quellen nachweisen. Die Datierung des Ausbruchs auf das Jahr 1452 – nach dem vom Tambora bekannten Muster, nach dem die Kältewelle und Feuchtigkeit mit gehörigem, viele Monate langem Abstand dem Eruptionsereignis folgte – sowie die Postulierung eines ‚Jahrs ohne Sommer‘ für 1453 ist damit hinfällig, soweit sie sich auf Pangs Ergebnisse bezieht. Trotzdem ist festzuhalten, dass viele Jahre alle geowissenschaftlichen, paläovulkanologischen und klimatologischen Untersuchungen auf Pangs Abstract als unhinterfragten Lieferanten ‚historischer Fakten‘ Bezug genommen haben – erkennbar ohne den kurzen Text je gelesen zu haben.[18] Die vollen Konsequenzen der hier plausibel gemachten Fehldatierung der Kuwae-Eruption auf 1452/53 für die Kalibrierung von Eisbohrkernen und anderen naturwissenschaftlichen Daten kann der Autor dieses Textes nicht kompetent einschätzen; völlig unbedeutend dürften sie aber nicht sein. Allerdings fällt auf, dass neuere geowissenschaftliche Publikationen die Rolle stratigraphischer Marker, die aus der schriftlichen Überlieferung gewonnen werden, für die Datierung von Eisbohrkernbefunden nicht klar benennen: Für Vulkaneruptionen in abgelegenen Weltgegenden wie Vanuatu sei die Gewinnung einer präzisen Chronologie durch die Befragung der zeitgenössischen Überlieferung wohl nicht möglich.[19] Entsprechend haben Eisbohrkernforscher in jüngster Zeit Neudatierungsversuche allein durch das Zählen der jährlichen Ablagerungsschichten in Eisbohrkernen unternommen (wobei sich nur ein kleiner Teil der Bohrungen für dieses independent layer counting eignet) und ordnen nun die Kuwae-Eruption ins Jahr 1458 ein.[20] Auch bei dieser präziseren Methode bleibt eine gewisse Unsicherheit in der Datierung von ca. 2 Jahren (Sigl et al.) oder im Extremfall bis zu 7 Jahren (Plummer et al.). Zur Bestimmung der Unsicherheit wird immer wieder auf durch historische Fakten klar belegte, jüngere Eruptionen zurückgegriffen, weil etwa Jahresschichten an den Übergängen zwischen einzelnen Eisbohrkernteilen fehlen könnten. Im Übrigen wird auch in diesen Publikationen auf die Ergebnisse von Pang Bezug genommen, die erklärt werden müssten.[21] Dass also ‚historische Fakten‘ durch diese verfeinerten Methoden völlig irrelevant geworden wären und die Datierung von Eisbohrkernen durch geowissenschaftliche Methoden wirkliche Jahrgenauigkeit herstellen könnten, ist nicht ersichtlich.

Kleiner Ausbruch eines Rinjani-Nebenkraters 1994. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Mount_Rinjani?uselang=de#/media/File:Rinjani_1994_cropped.PNG

Kleiner Ausbruch eines Rinjani-Nebenkraters 1994. Quelle: Wikimedia Commons

Dass „time marker“ aus narrativen Quellen nach wie vor eine fundamentale Rolle spielen[22], legenauch die jüngsten Befunde außerhalb der Eisbohrkernforschung nahe, die eine Identifizierung des für den sog. 1258-event verantwortlichen Vulkans erlaubt haben. Die genaue Datierung der Eruption des Samalas auf Mai 1257 beruht nach allem, was erkennbar ist, auf drei chronikalischen Belegstellen aus dem mittelalterlichen Europa. Mindestens eine dieser Datierungen ist falsch, berichtet die Chronik doch den zur Einordnung herangezogenen warmen Winter[23] für den Januar 1256 und nicht für den Jahresanfang 1258, wie behauptet.[24] Die zweite nordfranzösische Chronik ist in ihren Zeitangaben uneindeutig.[25] Nur ein Zitat aus der Chronik des Matthew Paris stützt den Datierungsversuch, der allerdings trotz der benannten Fehler – und damit eher zufällig – korrekt sein könnte.[26]

Alternativjahr 1464: „das die sun(n)e ir glaentz nit als claerlich hett, als sy dan(n) haben solt“

Das am Beispiel der Kuwae-Datierung durch Pang aufgezeigte Problem ist also virulent und kein Einzelfall. Es illustriert sehr deutlich die Bedeutung von Kooperationen zwischen Geschichts- und Geowissenschaftlern für gewisse Forschungen bzw. unterstreicht die fatalen Konsequenzen, wenn solche Zusammenarbeit unterbleibt. Doch kann man in narrativen Quellen des späten Mittelalters überhaupt spezifische Belege finden, die auf den Durchzug einer Aerosolwolke und wirklich nur darauf schließen lassen? Bei einer umfangreichen Recherche zu ungewöhnlichen Himmelsphänomenen in den 1460er Jahren[27] stieß der Autor auf einige sehr spezielle Befunde, die in diesem Kontext überaus relevant erscheinen und daher kurz vorgestellt werden sollen:

St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 646 f. 211v: Chronik von Konstanz des Gebhard Dacher, ad. ann. 1465.

St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 646 f. 211v: Chronik von Konstanz des Gebhard Dacher, ad. ann. 1465.

Ausgangspunkt war eine bemerkenswerte Charakterisierung des Jahres 1465 durch den Konstanzer Chronisten Gebhard Dacher, über das er schrieb, das die sun(n)e ir glaentz nit als claerlich hett, als sy dan(n) haben solt. […] Nun was sy vor das jar jn her zü mengem mal mit ir varb entstelt gewesen, yetz vast geluar, dan(n) rotuar, mit zirkeln, gestalt ain regenbogen, umgeben, ye das sy ir wùrkùng der frùchten halb das jar nit hett als andre jar.[28] Die hier sehr genau beschriebene, übers Jahr hin verminderte Sonnenstrahlung und der damit in Verbindung gebrachte, reduzierte Wuchs der Feldfrüchte ist ein sehr präzises Indiz für eine vulkanische Aerosolwolke. Allerdings ist mit einem Einzelbeleg nichts zu beweisen, besteht doch immer die Gefahr von Fehldatierung in der Überlieferung oder doch fiktionaler Berichte. Die weitere Suche brachte aber drei voneinander und vom Konstanzer Zitat erkennbar unabhängige Befunde aus dem nördlichen Mitteleuropa, die alle von (meist blauen) Verfärbungen und geringer Strahlkraft der Sonne sowie gelblicher Luft um ein ganz spezifisches Datum (13. September 1465) herum berichten.[29] Noch bemerkenswerter ist, dass auch südalpin zum ungefähr selben Datum aus vier verschiedenen Regionen Italiens Berichte vorliegen:[30] Eine Bologneser Chronik schildert einen besonders dunstigen September, in dem die milchweiße, manchmal blaue Sonne ohne Strahlkraft blieb wie der nächtliche Mond und den Wein nicht zum Reifen brachte.[31] Der römische Senatsschreiber Stefano Infessura erwähnt Veränderungen der Sonne am 14. September, die mal grün, mal blau, mal gelb erschien.[32] Ein Chronist aus dem umbrischen Gubbio berichtet ebenfalls, dass die Sonne zur Mittagszeit des 13. September blau wurde und so bis zum nächsten Tag blieb.[33] Doch das Potential zum Kronzeugen einer durchziehenden Aerosolwolke hat eindeutig der neapolitanische Notar Angelo de Tummulillis. Er berichtet, dass vom 8. September an die oberen Luftschichten so dunstig waren, dass die Sonne nach ihrem Aufgang wie der Mond wirkte und selbst um die Mittagszeit keine Schatten warf. Am 13. September wurde sie noch dunkler, am Morgen des 14. September erschien sie ganz gelblich wie hinter Nebeln, am Mittag von blauer Farbe. Mehr als zehn Tage konnte sie die hohen Nebel kaum durchdringen, dazu herrschte völlige Windstille und statt Wolken gab es nur den Dunst in der Höhe. Als nach über einer Woche ein leichter Wind aufkam, konnte dieser den Höhennebel nicht vertreiben.[34]

Die Schilderung durch Angelo de Tummulillis lässt an Präzision nichts zu wünschen übrig und deckt sich mit dem, was zu vulkanischen Trockennebeln nach der Tambora-Eruption bekannt ist.[35] Wie alle anderen genannten Autoren enthält er sich bei der Beschreibung der ihm unerklärlichen Himmelsphänomene bemerkenswerterweise metaphysischer Erklärungsversuche. Wie aber können die Berichte über eine blaue und grüne Sonne plausibel als Effekt einer Aerosolwolke erklärt werden? Im Kontext des Tambora-Ausbruchs wird nichts dergleichen berichtet. Eine Sammlung weltweiter Beobachtungen nach dem Ausbruch des Krakatau 1883 verweist hingegen durchaus auf Berichte aus Äquatornähe, dass dort eine Blau- und Grünfärbung der Sonne nach dem Ausbruch des Vulkans bemerkt wurde.[36] Auch alternative Erklärungen für die blaue Sonne müssen in Betracht gezogen werden: Im September 1950 war über Nordeuropa, v.a. in Schottland und Skandinavien, eine Blaufärbung der Sonne zu beobachten, die hypothetisch auf massive Waldbrände in Kanada zurückgeführt wurde.[37] Allerdings könnte auch bei diesem Ereignis ein in Japan lokalisierter Vulkanausbruch im Spiel gewesen sein, weil völlig unklar ist, ob die Rußpartikel eines Waldbrands die für einen Transport bis nach Europa notwendigen Höhen in der Atmosphäre erreichen können.[38]

An dieser Stelle ist zu betonen, von welchen Zufällen eine solche kohärente Beobachtungskette von Neapel bis Braunschweig abhängt: Voraussetzung ist ein wolkenloser Himmel an denselben Tagen in Regionen, die eigentlich von grundverschiedenen meteorologischen Mustern geprägt sind. Dies mag auch den Negativbefund für West- und Osteuropa erklären. Hinzu kommt die Anwesenheit eines Beobachters, der sich für Himmelsphänomene interessiert und diese brauchbar datiert und beschreibt.[39] Insofern sind sieben voneinander unabhängige, spezifische Quellenbelege schon ein zufriedenstellendes Ergebnis. Offen bleiben muss, ob im September 1465 nur ein Ausläufer einer Aerosolwolke in einem langen Streifen von Norddeutschland bis Süditalien sichtbar war. Nur eine Quelle, Gebhard Dacher, berichtet von dauerhaft eingeschränkter Strahlkraft der Sonne im Jahr 1465. Ein Bericht des uns bereits aus dem Kontext von 1453 bekannten Chronisten Kritobulos von Imbros schildert möglicherweise einen bereits früher erfolgten Durchzug eines ersten Teils der Kuwae-Aerosolwolke: In eben diesen Tagen aber wurde auch eine außergewöhnliche Himmelserscheinung beobachtet. Zur hohen Mittagszeit nämlich verfinsterte sich die Sonne, die ungetrübt und wolkenlos schien, in einem plötzlichen Wechsel und wurde dunkel, und ihr Aussehen veränderte sich, und sie nahm die Farbe von dunklem Kupfer an und wurde ganz und gar finster und schwarz, nicht in der gewohnten Weise wie bei Sonnenfinsternissen (denn es war keine Sonnenfinsternis damals), sondern auf eine andere noch nie dagewesene Art, gleichsam wie wenn ein Nebel oder eine dichte, dunkle Wolke sie überziehe und überschatte, und sie blieb so insgesamt drei Tage und ebenso viele Nächte lang, und es haben sie auch alle so gesehen.[40] Leider ist diese Beobachtung, die vermutlich in der nördlichen Ägais anzusiedeln ist, nicht sicher datierbar. Der Editor schlägt aus dem Kontext der Chronik heraus den Zeitraum Herbst/Winter 1464 vor; eine Sonnenfinsternis kann nachweislich nicht Ursache der Erscheinung sein.[41]

Der Befund aus der Ägais weist aber erstmals über die Grenzen des mittelalterlichen Europa hinaus: Denn bei einem globalen Ereignis wie der Kuwae-Eruption kann man auch weltweite Beobachtungen der Aerosolwolke und ihrer Effekte zumindest erhoffen. Allerdings stößt der Autor spätestens hier an die Grenzen seiner Fähigkeiten, zum einen wegen Sprachbarrieren, zum anderen in den Kenntnissen, wie mit schriftlicher Überlieferung aus dem muslimischen, indischen oder mittelamerikanischen Raum umgegangen werden muss. Nur ein instruktives Beispiel aus China mag zeigen, welche Potentiale in einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Mediävisten, Arabisten, Indologen, usw. schlummern dürften: Chinesische Klimahistoriker haben seit den 1980er Jahren die immense schriftliche Überlieferung ihres Landes nach meteorologisch relevanten Informationen von der frühesten Zeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts durchsucht und diese Ergebnisse publiziert.[42] Die Datensammlung für die 1460er Jahre zu interpretieren ist schwierig, werden die Befunde doch in einem sehr annalistischen Stil präsentiert.[43] Da so eine qualitative Einschätzung schwierig bis unmöglich wird, wurde ein simpler quantitativer Ansatz versucht, der Kategorien von Extremereignissen wie Fluten und Dürren in ein prozentuales Verhältnis setzt. Dadurch wurde klar, dass im großen geographischen Raum des mittelalterlichen China z.B. auch Trockenjahre eine für sich genommen beträchtliche Zahl an Fluten in manchen Landesteilen aufweisen können. Dasselbe gilt für extreme Temperaturen. Umso weniger ist es sinnvoll, hier Einzelereignisse wie kalte Winter, zufrierende Flüsse, etc. als Indikatoren herauszugreifen, wie Pang es für die 1450er Jahre getan hat. Erkennbar ist, dass nach einem feuchten Jahr 1460 die Jahre 1461 bis 1463 tendenziell trockener wurden.[44] Einen drastischen Wechsel verzeichnen dann die äußerst niederschlagsreichen Jahre 1464/65.[45] Im Februar 1464 wird ein – allerdings unspezifischer – Nebel für Bejing erwähnt.[46] Sehr viel aussagekräftiger sind Berichte über den Niederschlag von “schwarzer Hirse” in Zentralchina und “schwarzem Reis“ in Südchina im Juli 1464.[47] Innerhalb der vorliegenden chinesischen narrativen Quellen der 1460er Jahre gibt es keine vergleichbaren Berichte. Es ist sehr verlockend, diese beiden wiederum unabhängigen Textstellen als Umschreibungen für den Niederschlag von Vulkanasche des über 7000 km entfernten Kuwae zu verstehen. Allerdings wurde bei der (mutmaßlich kleineren) Tambora-Eruption Vulkanasche nur in einer Entfernung von bis zu 1300 km nachgewiesen.[48] Die Beantwortung der Frage, ob ein Niedergang feiner Vulkanasche auch in so großer Entfernung vom – geographisch ja umstrittenen[49] – Eruptionsort denkbar ist, kann kein Historiker leisten.

Fazit

Mindestens drei Schlussfolgerungen bieten sich abschließend an:

Erstens soll vor dem Rückgriff auf die Ergebnisse Pangs für die Diskussion um die Kuwae-Eruption Mitte des 15. Jahrhunderts nachdrücklich gewarnt werden. Sie sind nicht valide. Selbst wenn sie nicht mehr die zentrale Rolle für die Datierung als stratigraphische Marker spielen, wird auf sie doch immer wieder Bezug genommen, etwa in der Frage, ob es sich um zwei Eruptionen handelte: Arktische Eiskerne weisen gelegentlich zwei Eruptionssignale jeweils Mitte der 1450er und Anfang der 1460er auf; andere zeigen nur ein Signal.[50] Wenn weiterhin aufgrund der invaliden Beobachtungen von Pang ein Zwang zur Erklärung meteorologischer und optischer Phänomene im Jahr 1453 gesehen wird[51], gehen solche Interpretationen des Datenmaterials vermutlich von falschen Voraussetzungen aus.

Zweitens sollen die hier vorgestellten Belege diskutiert werden, und zwar nicht nur von Mediävisten und bewusst im eher informalen Rahmen eines Blogbeitrags: Ermöglichen die dargebotenen Befunde aus den Schriftquellen – vorausgesetzt ihre Interpretation als Effekte einer vulkanischen Aerosolwolke trifft zu – nicht eine ähnlich präzise, ja letztlich präzisere Datierung als das Schichtenzählen bei Eisbohrkernen? Anders als bei Frostringen in dendrochronologischen Befunden, die lokale Phänomene spiegeln und keineswegs zwingend mit Vulkaneruptionen erklärt werden müssen, können die vorlegten Auszüge aus narrativen Quellen so einfach nicht ohne Aerosolwolke erklärt werden. Schließen die naturwissenschaftlichen Datierungen eine Eruption im Jahr 1464 vollständig aus, wenn wir das Jahr 1453 schlicht vergessen und eine Grobeinordnung der Eruption(en) in die Mitte des 15. Jahrhunderts vornehmen, um dann die Diskussion neu zu führen?

Zweifellos hängt die Validität der hypothetischen Datierung auf 1464 von der Qualität der beigebrachten Schriftquellen ab. Der Autor hat hier nur einen kleinen Ausschnitt der erhobene Belege präsentiert, dafür aber ausschließlich solche, die seiner Ansicht nach kaum anders als mit Durchzug einer Aerosolwolke vulkanischen Ursprungs erklärt werden können. Um den hier formulierten Vorschlag einer Datierung der Kuwae-Eruption – oder unter welchem Namen dieser Ausbruch auch immer künftig firmieren wird – auf 1464 argumentativ zu erhärten, bräuchte es vergleichbar präzise und einschlägige Beobachtungen für die Jahre 1452/53 oder auch 1458-60. Eine ähnlich intensive Recherche wie für die 1460er Jahre steht für die 1450er noch aus. Außerdem wäre es fundamental, Alternativerklärungen für die blaue und grüne Sonne, die beschriebenen Höhennebel sowie die reduzierte Sonneneinstrahlung ausschließen zu können. Im Fall der hier vorgestellten Phänomene sind also auch Quellenbefunde aus der Nordhemisphäre relevant für Eruptionsereignisse der Südhemisphäre.[52] Allerdings muss die Überlieferung der außereuropäischen Gesellschaften noch gründlich von Fachleuten durchsucht werden. Dies kann ein Einzelner nicht leisten.

Drittens fokussiert der Beitrag ausdrücklich auf Aspekte, bei denen Geowissenschaftler von historischer Expertise profitieren können. Ausgespart blieb daher das, was Historiker für gewöhnlich eher interessieren würde: die zahlreichen Aussagen der narrativen Quellen zu meteorologischen Extremereignissen zwischen 1460 und 1470 sowie deren mutmaßlicher sozialer und ökonomischer Impact. Für Datierungsfragen sollten diese Beobachtungen, da nicht zwingend durch eine vulkanische Ursache erklärbar, ohne Beachtung bleiben. Der Autor hat sich ihnen an anderer Stelle gewidmet, mit dem substantiierten Eindruck, dass die meteorologischen Konsequenzen der Kuwae-Eruption viel weniger eindeutig dem Tambora-Modell folgen als bisher angenommen und generell die sozio-ökonomischen Folgen weniger harsch und apokalyptisch sind als vielfach angenommen.[53] Vielleicht liegt darin auch eine Erklärung, warum die Wachstumsringe von Bäumen nicht ‚adäquat‘ (d.h. stark) auf vulkanische Eruptionen reagieren:[54] Die vulkanische Abkühlung – so eine abschließende Hypothese im Gegensatz nicht nur zu Mann et al. 2012 – wird nicht unterschätzt, sie wird überschätzt. Aber das bedarf weiterer Forschung, von geowissenschaftlicher wie von geschichtswissenschaftlicher Seite.

Ausdrücklich erbittet der Autor Rückmeldung und Kritik zu seinen hier geäußerten Überlegungen, die genau zu diesem Zweck online gestellt wird. Bei der Recherche geriet er vielfach an die Grenze der eigenen Kompetenzen. Die geäußerte Kritik auch an Kollegen aus anderen Disziplinen erfolgt im Bewusstsein, wie schnell auch der Autor selbst bei diesem Thema zwar noch am wenigsten mit seinem Latein, aber doch mit seinem Verständnis komplexer Prozesse, die andere Fächer beschreiben, am Ende war. Ich erhoffe mir eine fruchtbare Diskussion, die ein wenig mehr Klarheit in das vulkanische Zwielicht bringt.

An English version of this article is upcoming.

Zitiervorschlag:

Martin Bauch: Vulkanisches Zwielicht. Ein Vorschlag zur Datierung des Kuwae-Ausbruchs auf 1464, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 10. April 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5697 (ISSN 2197-6120)

Dieser Beitrag steht unter der Lizenz  https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/.

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Anmerkungen:
[1] Vgl. zuletzt Jeffrey B. Witter; Steven Self, The Kuwae (Vanuatu) eruption of AD 1452: potential magnitude and volatile release, in: Bulletin of Vulcanology 69 (2007), S. 301-318 mit weiterer Literatur.

[2] Jüngste Überblicke über den komplexen Mechanismus z.B. bei Anja Schmidt; Alan Robock, Volcanism, the atmosphere, and climate through time, Chap. 13, in: Volcanism and Global Environmental Change, ed. by Anja Schmidt, Кirsten E. Fristad, Linda T. Elkins-Tanton, (Cambridge University Press, Cambridge, 2015, S. 195-207, hier S. 198f.; Jihong Cole-Dai, Volcanoes and climate, in: Wiley Interdisciplinary Reviews: Climatic Change 1/6 2010, S. 824–839.

[3] Auf neuere, höhere Genauigkeit beanspruchende Datierungsmethoden der Eisbohrkernforscher wird weiter unten eingegangen.

[4] Kevin D. Pang, ‘Climatic impact of the mid-fifteenth century Kuwae caldera formation, as reconstructed from historical and proxy data’, in: Fall Meeting. American Geophysical Union, 1993, S. 106. Zur gewöhnlich falsch wiedergegebenen bibliographischen Angabe dieses Abstracts vgl. Anm. 18.

[5] Für die 1450er Jahre wird auf die klimageschichtliche Online-Datenbank tambora.org verwiesen. Obwohl ein Großteil der darin aufgenommen Daten sich als aus quellenkritischer Sicht gerade für das Mittelalter als problematisch erweist – v.a. die Aufnahme nicht zeitgenössischer Quellen ist zu nennen –, ist das Projekt perspektivisch doch sehr nützlich für die Sammlung meteorologisch relevanter Daten aus narrativen Quellen. Für die 1460er Jahre liegt eine Kompilation quellenkritisch zuverlässiger Belege durch den Autor vor, vgl. Martin Bauch, The day the sun turned blue. The redated Kuwae eruption in 1465 and its putative climatic impact – a globally perceived volcanic disaster in the Late Middle Ages?, in: Schenk, Gerrit J.  (Hg.), Historical Disaster Experiences. A Comparative and Transcultural Survey between Asia and Europe, Heidelberg 2015 (im Druck).

[6] Siehe Anm. 54.

[7] Steven Runciman, The Fall of Constantinople, Cambridge/Mass. 1965, S. 112, 121f.

[8] Die drei von Runciman angeführten Chronisten Niccolò Barbaro, Leonard von Chios und Giorgios Sphrantzes berichten im April und Mai 1453 nichts, was über normalen Nahrungsmittelmangel im Zug einer Belagerung hinausgeht (Vgl. La caduta di Costantinopoli. Le testimonianze dei contemporanei, a cura di Agostino Pertusi, S. 19-29, 129-153) Misswuchs oder Verweise auf reduzierte Sonneneinstrahlung finden sich nirgends. Dass landwirtschaftliche Flächen innerhalb der Stadtmauern im April/Mai wenig Essbares produzierten – und vielleicht meint Runciman nur das –, ist jahreszeitbedingt alles andere als ungewöhnlich.

[9] Il 21 maggio ci fu, a causa di nostri peccati, un tremendo presagio in città: la notte del venerdì tutta la città si illuminò, e le sentinelle, avendo visto ciò, corsero a vedere che cosa stava succedendo: pensavano che i turchi avessero incendiato la città e gridavano a gran voce. Radunatasi una gran folla, si vide che in cima, dalle finestre della Grande Chiesa di Santa Sofia, usciva un gran fuoco che circondò la base della cupola della chiesa per molto tempo e le fiamme riunitesi si trasformarono in un‘ unica gran fiamma, e ci fu come una luce indescrivibile e subito essa salì verso il cielo. Coloro che guardavano incominciarono a piangere amaramente rivolgendo l’invocazione: ‚Signore, abbi pieta!’. Quando quella luce raggiunse il cielo, si aprirono le porte del cielo e, accolta la luca, di nuovo si richiusero. […] [Am nächsten Tag erläutert der Patriarch dem byzantinischen Kaiser das Vorgefallene]: ‘Tu sai, imperatore, tutte le predizioni su questa città, e anche ora c’è stato un presagio tremendo: la luce indescrivibile, che operava già nella Grande Chiesa di Santa Sofia assieme ai più grandi sapienti e ai sommi sacerdoti ecumenici, così come anche l’angelo divino, che Dio aveva reso più forte durante il regno dell‘ imperatore Giustiniano per la conservazione della santa e grande chiesa e di questa città, questa notte se ne sono andati in cielo; e ciò significa che la grazia di Dio e la sua generosità ci hanno abbandonato [S. 283] e che Dio vuole consegnare la città nelle mani di nostri nemici‘. E così gli presentò quelle persone che avevano visto il prodigio; e come l’imperatore ebbe ascoltato quanto essi dicevano, cadde a terra come morto e senza parola per lungo tempo (Nestor Iskander, Racconto di Costantinopoli, in: La caduta di Costantinopoli. Le testimonianze dei contemporanei, a cura di Agostino Perusi, S. 261-298, hier S. 282f.)

[10] Bereits zu Beginn der Prozession war die Ikone von übernatürlichen Kräften zu Boden geworfen worden, so dass sie kaum wieder aufgehoben werden konnte. Doch damit nicht genug: Dann aber […] brach gleich darauf genau um die Mittagsstunde ein starkes Gewitter herein mit dunklem Gewölk, und es goß in Strömen und hagelte heftig, so daß die Priester und Träger der Ikone und die nachfolgende Menge es nicht aushalten und ihren Weg nicht weiter fortsetzen konnten, bedrängt und behindert durch die herabstürzenden Regenmassen und die Gewalt des Hagels. Auch wären viele der mitziehenden Kinder in Gefahr geraten, mitgerissen zu werden und zu ertrinken, fortgeschwemmt von dem starken und reißenden Wasserschwall, wenn nicht Männer sie sogleich ergriffen und mit Mühe der Gewalt des Wassers entrissen hätten. So unerhört und ungewöhnlich war die gewaltige Masse des Regens und jenes Hagels. Fraglos zeigte dies den unmittelbar bevorstehenden, totalen Untergang der Stadt an (Mehmet II. erobert Konstantinopel. Die ersten Regierungsjahre des Sultans Mehmet Fatih, des Eroberers von Konstantinopel 1453. Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros, Übersetzt, eingeleitet und erklärt v. Diether Roderich Reinsch [Byzantinische Geschichtsschreiber, 17], Graz; Wien; Köln 1986, S. 103).

[11] Tags darauf aber hüllte morgens eine tiefhängende Wolke die ganze Stadt vom Morgengrauen bis zum Abend ein. Dies zeigte zweifellos den Aus- und Rückzug der Gottheit aus der Stadt an und dass sie diese endgültig verließ und sich von ihr abwandte. Denn in eine Wolke gehüllt naht die Gottheit und entschwindet wieder (Ebd., S. 104)

[12] Pur ancora in questo zorno de vintido de mazo [20. Mai 1453], a una hora de note el parse uno mirabel segnal in zielo, el qual segno fo quel che dè ad intender a Costantin degno imperadore de Costantinopoli, che el suo degno imperio sì se aprossimava al finimento suo, come con efeto è stato. Questo segnal si fo de questa condition e forma: questa sera a un hora de notte levò la luna et havea hozi el suo tondo, levando questa luna la dovea levar tuta tonda, ma questa luna si levò come quela avesse abudo tre zorni, la qual puoco parea, e iera l’aiere sereno come un cristalo neto e mundo; questa luna si durò a questo muodo zerca hore quattro, e poi a puoco a puoco quela si se andò fazando el suo tondo, e a ore sie de note, tuta si fo compida de far el suo tondo. (Niccolò Barbaro, Giornale dell’assedio di Costantinopolo, in: Pertusi, La caduta di Costantinopoli [wie Anm. 9], S. 8-38, hier S. 26)

[13] http://eclipse.gsfc.nasa.gov/LEhistory/LEplot/LE1453May22P.pdf

[14] Richard A. Keen, Volcanic Aerosols and Lunar Eclipses, in: Science 222 (1983), S. 1011-1013.

[15] Hier scheint das Versäumnis bei Runciman zu liegen, der die venezianische Quelle irreführend paraphrasiert.

[16] Die wenig präzise Belegpraxis Runcimans macht es unmöglich, die dieser Behauptung zugrunde liegende Quellenstelle zu finden. Da aber die Beobachtung so oder so keine argumentative Kraft hat, wurde darauf verzichtet, umfänglich Editionen durchzugehen.

[17] Runciman, The Fall (wie Anm. 7), S. 121f.; Marios Philippides; Walter K. Hanak, The Siege and the Fall of Constantinople in 1453. Historiography, Topography and Military Studies, Farnham, 2011, S. 214-231.

[18] Die ausnahmlos anzutreffende bibliographische Angabe des in Anm. 4 genannten Abstracts von Pang verweist auf den Publikationsort „Eos. Transactions of the AGU 74 (1993), S. 106“. Die genannte Seitenzahl existiert in keinem der beiden Teilbände 74/9 und 74/10; natürlich findet sich auch Pangs Abstract nicht hier. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Angabe von Publikation zu Publikation übernommen, aber nie überprüft wurde.

[19] Michael Sigl et al., A new bipolar ice core record of volcanism from WAIS Divide and NEEM and implications for climate forcing of the last 2000 years, in: Journal of Geophysical Research, 118/3 (2013), S. 1151–1169, here S. 1152: “While many of the Icelandic eruptions back into the middle ages are associated with reliable eruption dates reported by historic witnesses, this is not true for the majority of eruptions that took place in remote areas of the tropics and the Southern Hemisphere […]. Nevertheless, two additional time markers from large stratospheric eruptions in the tropics are used as tie-points for development of ice core chronologies: an unknown eruption in 1258 […], the largest volcanic event of the last millennium, and the signal in 1452/1453 associated with the eruption of Kuwae in Vanuatu […], the largest volcanic event of the last millennium for most of the Antarctic ice core records. Various volcanic timescales in Antarctica were tied to this 15th century time marker.”

[20] Ebd., S. 1160f.; C.T. Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record from LawDome, East Antarctica, including a new perspective on the dating of the 1450s CE eruption of Kuwae, Vanuatu, in: Climate of the Past 8 (2012) S. 1929-1940, hier S. 1936f.

[21] Vgl. Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1163; Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1936f.

[22] “only volcanic signals from historically documented eruptions have been used to tie the absolute ages” (Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1153.

[23] Vgl. zum Auftreten warmer Winter in (Nord-)Europa unmittelbar nach großen Vulkaneruptionen Schmidt/Robock, Volcanisms (wie Anm. 1), S. 200 mit weiterer Literatur.

[24] Franck Lavigne et al., Source of the great A.D. 1257 mystery eruption

unveiled, Samalas volcano, Rinjani Volcanic

Complex, Indonesia, in: PNAS 110/42 (2013), pp. 16742-16747, here p. 1674. Viele inexakte Angaben fallen ins Auge: vom Titel der zitierten Chronik (recte: 1308) bis hin zur fehlenden Seitenzahl in der Edition (S. 131). Vom grundsätzlichen Problem, aus einer mit mindestens 60 Jahren Abstand zum Ereignis niedergeschriebenen Chronik exakte Angaben für das Jahr 1258 zu erwarten, ganz zu schweigen.

[25] Die Chronologie im von Lavigne et al. zitierten Text (S. 2) ist nicht so klar wie behauptet: Der Kontext der Textstelle in der Edition mit seinen Erwähnungen der Wahl Richards von Cornwall (13. Januar 1257) verweist eindeutig auf das Jahr 1257, wenn auch der isolierte Absatz zum warmen Winter tatsächlich, wenn auch keineswegs zwingend, auf das Folgejahr deuten könnte.

[26] Zu verweisen ist auf in Vorbereitung befindliche Artikel zu den Konsequenzen des Samalas-Ausbruchs für das mittelalterliche Europa einerseits durch Bruce Campbell (Belfast), andererseits durch den Autor. Darin werden weitere Belege für einen warmen Winter 1257/58 angeführt.

[27] Vgl. Bauch, The day the sun turned blue (wie Anm. 5). Zur Quellenbasis der Studie, deren datierungsrelevanter Teil hier präsentiert wird: Ein Großteil der wichtigsten edierten Chroniken, Tagebücher und anderer narrativer Quellen in Europa und dem Mittelmeergebiet wurden vom Autor für die Jahre 1460-1470 überprüft. Sie wurden durch Rückgriff auf das unverzichtbare Hilfsmittel der Encyclopedia of the Medieval Chronicle, ed. Graeme Dunphy, 2 Bde., Leiden 2010 ermittelt. Quellen in ungarischer, rumänischer, russischer, griechischer und arabischer Sprache wurden nicht ausgewertet, soweit keine Übersetzung ins Englische, Französische oder Deutsche vorlag. Von einer Gesamtzahl von 280 im Druck vorliegenden narrativen Quellen für die genannte Periode enthielten 181 keine relevanten Informationen zu Wetter, Hunger, Epidemien oder Himmelsphänomenen, 69 erbrachten Resultate. 31 Quellen konnten weder über Fernleihe noch online eingesehen werden.

[28] Die “Konstanzer Chronik” Gebhart Dachers: “By des Byschoffs zyten volgiengen disz nachgeschriben ding vnd sachen …”; Codex Sangallensis 646, Edition und Kommentar, hg. v. Sandra Wolff, Ostfildern 2008, S. 696.

[29] Sog. „Sächsische Bilderchronik“ aus Braunschweig: Darna upp ein fridage vor des hiligen Crützes dage in dem rechten midden dage, do vvas de sunne so blauwe umme getzirkelt alse ein blauw korne blome, unde gaff nenye schyn van sick (Chronicon Brunsvicensium Picturatum dialecto saxonica conscriptum, in: Scriptores rerum Brunsvicensium illustrantium, Bd. 3, hg. v. Gottfried Wilhelm Leibniz, Hannover 1711, S. 277-425, hier S. 411); Soester Stadtbücher: Anno domini 1465. Up des hilgen Cruces avende Exaltacionis do was dey sunne an dem hemele so bla ind dey lucht so gelbleck, dat nummant en wuste, wo dat sin mochte, und dat dey rynck van der sunnen und dey schyn was alle blaewyt und was ok eyne wijle tydes roit und wyt (Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte. Dritter Band: Soest und Duisburg, Leipzig 1895 [Die Chroniken der deutschen Städte, 24], S. 51); Bericht einer Chronik aus der Gegend um Maastricht: Terstont doer noe op synte Cornelis avent off op der Heyligen Cruyts avent due scheyn die sonne also jemerlich inde also blodich, gelick doen hedde sy myt blode besmert off bestreken gewest. Inde dit waes al te jemerlick inde bedroft aen te syen. Inde dit duerde omtrent II dach (J. Habets [Hg.], Chronijck der Landen van Overmaas en der anngrenzende gewesten door eenen inwoner van Beek bij Maastricht, in: Publications de la Société Historique et Archéologique dans le Limbourg 7 (1870), S. 11-218, hier S. 22).

[30] Auf sie verweist erstmals Dario Camuffo, Silvia Enzi, Impact of the Clouds of Volcanic Aerosols in Italy During the Last 7 Centuries, in: Natural Hazards 11 (1995), S. 135-161, hier S. 140. Doch wird das Ereignis hier nicht direkt mit einem global wirksamen Ausbruch in Zusammenhang gebracht.

[31] El mese de settenbre [1465] fu chalinzoso, ché ‘l sole mostrava pocho spiandore, era de colore como è la notte la luna, cum colore azuro e smorto, l’ochio del sole biancho como latta; le uve non se possenno madurare bene, li vini bruschi. Questo durò infino adì 26 de settembre (Corpus Chronicorum Bononiensium. Bd. 4, hg. v. Albano Sorbelli, Città di Castello 1924, [RIS² 18/1-4], S. 341, Cronaca A, Cronaca B quasi identischer Bericht).

[32] Eodem anno [1465] a dì 14 di settembre, in die santae crucis, lo sole fece molte mutationi; quanno pareva verde e quanno azzurro et alcuna volta giallo, tutto lo dì (Diario della città di Roma di Stefano Infessura scribasenato, a cura di Oreste Tommassini, Roma 1890 [Fonti per la Storia d’Italia, 5], S. 69).

[33] A dí 13 de setembre [1465], che fo vènere, circa el mezo dí, el sole deventò celestro, et stecte cosí tucto el sabato, che fo a dí 14; e cosí ando sotto la sera.

[34] Sed in ipso mense septembris .XIIII. indictione infra octavam nativitatis beate virginis Marie totum aer sursum factum nubilosus et caliginosus per plures dies et noctes in tantum quod sol in ortu suo videbatur velut luna non radians, et in meridie non naturaliter set paulisper effundebat radios suos ita quod in oppositis vero faceret umbram, qui cum declinaret ad occasum aspicientibus latebat in totum. Sed eadem ebdomada die veneris .XIII. eiusdem magis oscuratus est et in sequenti die sabati .XIIII. in mane apparuit quasi inter nebulas intrusus crocei coloris usque ad sextam, ita quod vultus etiam hominum sese adspicientium viderentur eiusdem crocey coloris seu zallany; et circa meridiem usque ad vesperos dictus sol apparuit coloris azuri seu brevis parum radians inter nebulas vel caligines interpositas, et omni die in vesperis latebat quasi in totum, et hoc duravit quasi per decem dies cum silentio et tranquilitate aeris sine flatu alicuius venti, nec aliqua nubes apparebat super terram vel in montaneis nisi in aere, quasi caligines sine motu. Set postea ceperunt flare modicum venti super terram non expellentes tamen caligines in aere (Notabilia temporum di Angelo de Tummulillis da Sant’Elia, a cura di Costantino Corvisieri, Livorno 1890 [Fonti per la Storia d’Italia, 7], S. 134)

[35] Vgl. Richard B. Stothers, The Great Tambora Eruption in 1815 and Its Aftermath, in: Science 224/4654 (1984), S. 1191–1198, hier S. 1194f.

[36] Tom Simkin; Richard S. Fiske, Krakatau 1883. The Volcanic Eruption and its Effects, Washington, D.C.: Smithsonian Institute Press, 1983, pp. 154–159.

[37] Rudolf Penndorf, On the phenomenon of the colored sun, especially the “blue” sun of september 1950, Cambridge, MA: Air Force Cambridge Research Center, 1953; Anders Angström, The Blue Sun of September 1950, in: Tellus 3/3 (1951), S. 135-140 mit weiterer Literatur zum Phänomen der blauen Sonne.

[38] Ebd., S. 140.

[39] Der Befund kann sich auch ganz anders darstellen: In der „Chronik Friedrichs I. des Siegreichen“ (Berichtzeitraum 1452-1475) schreibt Matthias Kemnat zum Thema Von den cometen, hauven vnd irem vbel. Leider ist der Bericht nicht genau zu datieren. Die Kometen werden auf die Jahre 1456, 1469 und 1477 datiert; eine Einordnung der beschriebenen Sonnenverfärbung in die zweite Hälfte der 1460er Jahre wäre also auf jeden Fall denkbar: Auch soltu hie wissen vnd eben mercken, das zu der zeit, do keiser Friederich der dritt hoit regiert, haben zum dickern male erschienen vnd sint gesehen worden die cometen. Das sein stern mit langen schwentzen. Die sone ist vil tag blahe gesehen worden vnd ein creutz ist gesehen worden inn dem mone vnd vil anders wunders an dem himmel (Matthias von Kemnat, Chronik Friedrichs I. des Siegreichen, in: Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen. Erster Band: Matthias von Kemnat und Eikhart Artzt, hg. v. C. Hofmann, München 1862 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, 2), S. 1-141, hier: S. 87).

[40] Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros (wie Anm. 10), S. 277.

[41] Ebd., S. 327. Tatsächlich gibt es im ganzen Jahr 1464 bis 20. September 1465 keine Sonnenfinsternis, die im Gebiet des heutigen Griechenland und der Türkei hätte sichtbar sein können, vgl. http://eclipse.gsfc.nasa.gov/SEcat5/SE1401-1500.html

[42] De’er Zhang (ed), A compendium of Chinese Meteorological Records of the last 3,000 years, 4 vols., Nanjing 2004. Relevant ist hier Bd. 2 mit Quellen für die Ming-Dynastie (1368-1643).

[43] Meteorologische Ereignisse werden knapp beschrieben: „severe flood“, „long drought“, continuous rainfall”. Ob dies der kompilatorischen Arbeit der Herausgeber zu verdanken ist oder den Wortlaut der Originalquellen spiegelt, entzieht sich bereits der Kenntnis des Autors.

[44] 1460: 55% Hochwasser, 14% Dürre, 18% Dauerregen. – 1461: 38% Hochwasser, 29% Dauerregen, 22% Dürre. – 1462: 35% Hochwasser, 6% Dauerregen, 32% Dürre, 16% kein Schnee im Winter. – 1463: 33% Hochwasser, 29% Dauerregen, 33% Dürre. Die Prozentangaben beziehen sich auf die Gesamtzahl aller berichteten meteorologischen Extremereignisse, ohne dass diese gewichtet werden könnten.

[45] 1464: 42% Hochwasser, 17% Dauerregen, 6% Dürre. – 1465: 47% Hochwasser, 15% Dauerregen, 14% Dürre.

[46] February 17th, there was great fog, vgl. De’er (ed): A compendium of Chinese Meteorological Records, Bd. 2, S. 705. Für die Übersetzung ins Englische danke ich sehr herzlich Xiangyu Kong (Hangzhou) und Prof. Dr. Mao Zheng Wei (Hangzhou) für die Vermittlung.

[47] Xiangfan (seit 2010: Xiangyang), Provinz Hubei: Black balls like millets fell in Xiangyang; Shunde, heute Teil der Stadt Foshan, Provinz Guangdong (bei Hongkong): In the 6th month summer [5. Juli – 2. August 1464], black rice fell in Shunde, vgl De’er (ed): A compendium of Chinese Meteorological Records, vol. 2, 710.

[48] Richard B. Stothers, The Great Tambora Eruption in 1815 and Its Aftermath, in: Science. 224/4654 (1984), S. 1191–1198, hier S. 1193f.

[49] Károly Németh, Shane J. Cronin, James D.L. White, Kuwae Caldera and Climate Confusion, in: The Open Geology Journal 1/2007, S. 7-11.

[50] Sigl et al., A new bipolar ice core record, S. 1162.

[51] „historical accounts in Europe and China [Pang, 1993] suggest a volcanic eruption in late 1452/early 1453“ (Ebd., S. 1163); Historical evidence of unusual weather phenomena during 1453 also suggests an eruption took place at this time (Pang, 1993), but this historical evidence is primarily from the N[orthern] H[emisphere]” (Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1936).

[52] „Often it is difficult to obtain reliable dates for reference horizons beyond recent history, especially in the Southern Hemisphere (SH), as historical documentation of eruptions is poor“ (Plummer et al., An independently dated 2000-yr volcanic record, S. 1930).

[53] Vgl. Bauch, The day the sun turned blue (wie Anm. 5), passim. Ähnliche Beobachtungen formulierte bisher mündlich Bruce M. Campbell, der wie der Autor dieses Beitrags eine Publikation zu den Konsequenzen des Samalas-Ausbruchs von 1257 vorbereitet.

[54] Michael Mann; Jose D. Fuentes; Scott Rutherford, Underestimation of volcanic cooling in tree-ring-based reconstructions of hemispheric temperatures, in: Nature Geoscience 5 (2012), S. 202-205.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5697

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Stellenausschreibung am MPI für Wissenschaftsgeschichte: Research IT Developer

Das MPI für Wissenschaftsgeschichte schreibt eine Stelle aus (Vollzeit, E14, 1 Jahr, mögliche Verlängerung) für eine/n Software Entwickler/in im Bereich Digital Humanities für die Arbeit mit chinesischen Quellen (http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/en/news/jobs.html#0054):

The Max Planck Institute for the History of Science (MPIWG), Berlin (Dept. III, Artefacts, Action, Knowledge, Director: Prof. Dagmar Schäfer), seeks an outstanding scholar for the position of

Research IT Developer(full time, TVöD E14). The position will be for one year with possibility of extension.

Candidates should have strong skills and rich experiences in designing web-based software with intuitive user interface and in programming. S/he will be working in a digital humanities project on Chinese local monographs (difangzhi 地方志). This project aims to provide historians a series of web user interfaces that will allow them to extract data from historical texts, to store and share the extracted data, and to apply third party visualization and analysis tools on the extracted data. The successful candidate will be responsible for evaluating and customizing existing tools for this project and will work closely with the digital content curator in house, who is responsible for the whole project. This position will have the chance to collaborate with historians, IT developers, and colleagues from top research or archival institutions. In order to adopt and customize tools developed by international teams based overseas, the successful candidate will need to communicate with the teams remotely through email correspondence or Skype meetings. Having experiences in digital humanities or humanities-tailored IT projects is preferred but not necessary, so as the language skill of classical Chinese.

Skills and requirements:

  • 5+ years of experience of web programming in Java, PHP, and Javascript
  • Familiar with Unicode handling, text processing, regular expressions, and databases (e.g., MySQL, PostgreSQL) in Java and PHP
  • Capable of designing and implementing a complete software
  • Proficiency in English writing and speaking
  • Capable of working independently and proactively
  • Good communication skills with both developers and non-developers

Additional qualifications (optional):

  • Reading of classical Chinese
  • Experience in digital humanities projects

Technical details about this project:

This project aims to provide a feasible way for historians to convert textual information in historical documents to structural datasets (for instance, tabular data) to make the information more accessible and reusable. The technical aspect of this project consists of three parts as described below.

(1) An extraction interface where the scholar can locate desired information in the texts by providing lists of terms that s/he is interested in and by composing regular expressions through an intuitive interface. The term lists and regexes will be matched against the texts automatically and the result will be highlighted in the text. Later on the located information will be transformed into a table. We already have a prototype for this extraction interface. It is written majorly in Javascript along with some PHP code for file handling and database querying.

(2) A data repository for storing and sharing results produced by the extraction interface. We plan to adopt and customize The Dataverse Network (http://thedata.org/) as the data repository for this project. Dataverse is an open source tool for scholars to share their research data and to get recognition. It is built upon GlassFish and PostgreSQL and is mainly written in Java. Dataverse has built in functionalities for stable data storage, version control, customized privilege setting, data downloading statistics, and more. In this project, we plan to customize Dataverse so that it can be smoothly connected to the extraction interface.

(3) An data acquisition API that will enable third party tools to acquire specific dataset from our data repository, to create visualization (for example, online maps, time plots, bar charts) or to run statistical/textual analysis on the data, and to return the results. We will also build tools based on existing tools that will use this API and create results in order to test the feasibility of the API.

Interested candidates should send, via email, a cover letter and resume/CV which should include a portfolio of selected works to demonstrate the candidate’s ability in designing and developing software, to the attention of Dr. Shih-Pei Chen, Digital Content Curator of MPIWG, at bewerbung3@mpiwg-berlin.mpg.de. Please use “Job application: <your name>” as the subject of your application email.

The submission deadline will be September 14th, 2014. Successful applicants will be contacted within two weeks after the deadline. The job interview is scheduled on September 29th, 2014.

For questions about this position, please contact the digital content curator, Dr. Shih-Pei Chen (schen@mpiwg-berlin.mpg.de). For administrative questions concerning the position and the Institute, please contact Ms. Claudia Paass, Head of Administration (verwaltungsleitung@mpiwg-berlin.mpg.de).

Candidates of all nationalities are encouraged to apply; applications from women are especially welcome. The Max Planck Society is committed to employing handicapped individuals and encourages them to apply.

Max-Planck-Institute for the History of Science, Boltzmannstr. 22, D-14195 Berlin

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3889

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TIPP: “Es werden China-Versteher gebraucht”

Während die Deutsch-Amerikanischen Beziehungen im Kontext der NSA-Affäre gegenwärtig im Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen stehen, finden die diplomatischen Beziehungen zu Südost-Asien oft weniger Beachtung. Doch China ist ein immer einflussreicherer Akteur und Handelspartner: Laut Statistischem Bundesamt wurden allein 2012 Waren im Wert von 66,6 Milliarden Euro von Deutschland nach China exportiert  – Tendenz steigend.

Gleichzeitig ist die Wahrnehmung Chinas in deutschen Medien von Klischees geprägt. „Schon vor fünfundzwanzig Jahren hat der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel die Genese dieses China-Bildes analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Westen China immer nur als Zerrbild wahrnimmt – je nach eigener Befindlichkeit mal als Vorbild, mal als Gegenbild, nie jedoch unvoreingenommen. Es ist dieser Charakter unserer China-Wahrnehmung als Projektion eigener Befindlichkeiten, der uns den Blick verstellt und eine weniger vorurteilsgeprägte Darstellung verhindert.“

In ihrem Artikel „Es werden China-Versteher gebraucht” in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Februar 2014 untersuchen Viola von Cramon und Axel Schneider die Rolle der Sinologie, das heißt die akademische Auseinandersetzung mit China, und plädieren für eine intensivere Förderung und Restrukturierung des Studienfachs. Nur so könne dieses Zerrbild nachhaltig verändert werden.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/63

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Die Wahrnehmung der „Anderen“ in den europäischen Reiseberichten des späten Mittelalters (II)

Im späten Mittelalter bereisten Europäer aus den unterschiedlichsten Gründen die Regionen Süd- und Südostasiens und berichteten nach ihrer Rückkehr von ihren Erlebnissen.1 Unter ihnen war der venezianische Kaufmann Niccoló de Conti, der zahlreiche Orte der indischen und südostasiatischen Welt zu Beginn des 15. Jahrhunderts besuchte.2 Sein Reisebericht zeichnete der päpstliche Privatsekretär und Humanist Poggio Braccolini auf.3 Der Tiroler Kaufmann Balthasar Springer unternahm Anfang des 16. Jahrhunderts im Auftrag der Welser eine Indienfahrt.4 Nach seiner Heimkehr fertigte er selbst einen Bericht seiner Reise an.5 Duarte Barbosa war ein portugiesischer Seefahrer der im Auftrag Spaniens Anfang des 16. Jahrhunderts zu Entdeckungsreisen in den indischen und südostasiatischen Raum aufbrach.6 Von seinen Länderbeschreibungen existieren einige Übersetzungen und spätere Ausgaben. 7 Der portugiesische Originalbericht scheint Barbosa zeitnah zu seiner Reise selbst verfasst zu haben.8

 In der Artikelreihe: „Die Wahrnehmung der „Anderen“ in den europäischen Reiseberichten des späten Mittelalters“ werden in zwei Teilen (Siehe Teil I) diese Quellen nach wertenden und subjektiven Aussagen ihrer Autoren gegenüber den indigenen Bevölkerungen untersucht.

II. Die Menschen Ostasiens in den Reiseberichten

 

II.I Im Bericht Contis

In der Niederschrift Bracciolinis9 schwärmt Conti vom Wesen und den Gewohnheiten der Bewohner „aller Gebiete jenseits des Ganges“, also Ostasiens. 10

Conti bescheinigt diesen Menschen, dass sie „[…] ein sehr kultiviertes Leben, entfernt von aller Barbarei und Derbheit, [führen]“.11 Ihm zufolge sind die dort lebenden Männer auch „außergewöhnlich menschenfreundlich.“12 Conti betont in seinem Bericht auch, dass die Gebiete östlich des Ganges die anderen Teile Asiens  „[…] in Reichtum, Höflichkeit und Pracht, [übertrifft] und [..] unserem Land [Italien] in seiner Lebensweise und Zivilisation [ähnelt].“13  Nach Conti unterscheiden sich dort lebenden Völker wesentlich von den anderen asiatischen Völkern durch ihre „kultivierten“ Essgewohnheiten. Nur die Bewohner dieses Teil Asiens benutzen ihm zufolge Tische zum Speisen wie die Europäer, während alle anderen hingegen ihr Essen verteilt auf Teppichen zu sich nehmen.14

Besonders lobend hebt Conti die Männer der Stadt Nemptai in der Provinz Cathay, also in Nordchina15, hervor. 16 Er beschreibt sie als „liebenswürdig, taktvoll und weise“.17 Zusätzlich betont er den unglaublichen Reichtum der Chinesen und vergleicht wohlwollend deren Häuser und Paläste mit den Bauten in Italien.18 Conti berichtet noch interessiert, dass alle männlichen und weiblichen Bewohner von Siam19 ihre Körper tätowieren.20 Er beschreibt diesen Vorgang in eigenen anderen Worten, da dieses Mittel der Körperverzierung dem europäischen Menschen des Mittelalters noch fremd sein muss. Wichtig erscheint ihm bei der Darstellung dieser Menschen noch ihre monogame Lebensweise. 21 Zudem berichtet Conti aufmerksam, dass sie zwar Götzenbildern huldigen, jedoch aber auch jeden Morgen den Schutz des dreifaltigen Gottes erbitten.22

II.II Im Bericht Barbosas

In Barbosas Reisebericht finden sich Parallelen zu Contis Bericht hinsichtlich der Beurteilung der chinesischen Bevölkerung. Barbosa vertritt gegenüber den Chinesen eine ähnliche gute Meinung wie Conti. Er beschreibt die männliche „heidnische“ Einwohnerschaft des Königreichs China als „weiße Männer, groß, gut gebaut und [als] Ehrenmänner, und das gleiche gilt auch für die Frauen.“23 Barbosa schätzt zudem nochmals die Chinesen als „Männer der Wahrheit und wahre Ehrenmänner“ ein. 24 Sie sind ihm zufolge darüber hinaus großartige Kaufleute, Kunsthandwerker und Seefahrer.25 Zudem sind sie sehr gut gekleidet und sie pflegen gesittete Essmanieren.26 Nach Barbosas Urteil haben sie nur den einen Fehler „[…], dass ihre Augen sehr schmal sind […].27 Barbosa meint auch zu wissen, dass die Trachten und die Sprache der Chinesen denen der Deutschen ähneln.28 Der Vergleich an dieser Stelle lässt sich schwerlich wertenden Gesichtspunkten zuordnen.

In Barbosas Reisebericht finden sich noch weitere wertende Beschreibungen von ostasiatischen Völkern. So leben auf den Lequeos29 Inseln, gegenüber von China, bedeutende und wohlhabende weiße Kaufleute.30 Barbosa erfährt aus zweiter Hand, dass diese Inselbewohner „bessere Männer, […] und besser angezogen und geschmückt, und ehrenhafter [..] als die Chinesen“ sind. 31 Er selbst scheint diese Menschen nie getroffen zu haben, „[…] da sie nicht mehr nach Indien kommen, seitdem es dem König von Portugal gehört“.32

Im Königreich von Ansyam, südöstlich von Berma33, leben dem Bericht Barbosas zufolge, großartige Jäger und Sportler. 34  Allerdings scheint Barbosa auch etwas entsetzt, dass diese Menschen für gewöhnlich ihre Toten geröstet verspeisen.35

 

III. Die Menschen Südostasiens in den Reiseberichten

 

III.I Im Bericht Contis

In den Reiseberichten Contis und Barbosas finden sich viele wertende Äußerungen über die Menschen im südostasiatischen Raum. Beide Autoren informieren ihre Leser ausführlich über den angeblichen Charakter und die Gewohnheiten der Bewohner Indonesiens, Malaysias und der Inseln im Indischen Ozean.

So verurteilt Conti die Menschen auf den Goldinseln Andamania, den heutigen Andamanen36, aufs Schärfste.37 Er bezeichnet sie als „grausame Wilde“, die dem Kannibalismus frönen.38 Alle Reisende, welche aufgrund schlechten Wetters auf dieser Insel zu Landung gezwungen sind, werden von diesen Menschen angeblich in Stücke zerrissen und verschlungen.39 Die Menschenfresserei scheint Conti so verschreckt zu haben, dass er seine ansonsten so, von Folker Reichert festgestellte, nüchterne Erzählweise an dieser Stelle ablegt, und seine persönliche Meinung in den Vordergrund tritt.40

Die Bewohner anderer südostasiatischen Inseln scheint er ebenfalls nicht in sein Herz geschlossen haben. So berichtet er ebenfalls entsetzt von kannibalischen Gewohnheiten in einem Gebiet auf Sumatra41. Zugleich sind die Menschen dort ständig im Krieg mit ihren Nachbarn.42 Abgeschlagene Menschenschädel gelten dort als Zahlungsmittel und als Zeichen des Wohlstands.43 An einer anderen Textstelle schildert er die männlichen Bewohner der Insel Sciamuthera, dem heutigen Sumatra 44, als „grausam und deren Bräuche brutal“.45 Der italienische Kaufmann fügt außerdem hinzu, dass die Ohren der Männer und Frauen dieser Insel sehr groß sind.46 Für primitive Wilde hält Conti sie zwar nicht, gesteht er ihnen immerhin zu, reich verzierte und mit kostbaren Steinen besetzte Ohrringe sowie gewöhnliche Kleidung aus Leinen und Seide zu tragen.47 Er erwähnt, Bracciolinis Niederschrift folgend, allerdings an gleicher Stelle auch deren Vielweiberei und betitelt die Inselbewohner als Götzendiener.48

Conti beschäftigt sich auch ausführlich mit den Menschen zweier weiterer Inseln in diesem geographischen Raum, die er beide Java49 nennt, aber vermutlich Sumatra und Java meint. Er verteufelt die Menschen dieses Archipels regelrecht: „Diese Inselbewohner übertreffen [Conti zufolge] alle anderen Menschen an Grausamkeit.“50 Sie sind der Meinung Contis nach nicht nur „unmenschlicher und furchtbarer als jede andere Nation“, sondern sie zeichnen sie auch dadurch aus, dass sie „Mäuse, Hunde, Katzen und alle anderen Arten von unreinen Tieren verspeisen“.51 Die Erwähnung des wohl für europäische Gaumen verstörenden Verzehrs von bestimmten Tierarten an gleicher Stelle wie ihre angeblich bösartigen Charaktereigenschaften, lässt darauf schließen, dass sich die befremdliche Speisegewohnheit sehr negativ auf die Bewertung dieser Menschen auswirkte. Es ist somit auch nicht ganz überraschend, dass Conti noch wahre Horrorgeschichten von den Gewohnheiten der Menschen auf den größten indonesischen Inseln erzählt. „[So betrachten] die Inselbewohner [..] das Töten als reines Vergnügen.“52 Bei mehreren Anlässen ereignen sich angeblich willkürliche Tötungsorgien durch einzelne Personen, welche von den Augenzeugen akzeptiert und sogar gepriesen werden.53 Eine Bestrafung solcher Taten findet nach Aussagen Contis nicht statt.54  Der Amok bei den  Indonesiern scheint ihn sehr zu verstören.55 Die sachliche Berichterstattung, die gewisse Nüchternheit und sogar Unvoreingenommenheit, die seinen Bericht nach Knefelkamp und Reichert sonst auszeichnen, gehen an dieser Stelle vollständig verloren. 56 Dass zudem die Vielweiberei unter diesen Menschen weit verbreitet ist, scheint Contis Bild von diesen Menschen nicht verbessert haben.57

III.II Im  Bericht Barbosas

Barbosa nennt die Andamenen-Inseln in der vorliegenden Ausgabe seines Reiseberichtes Dandon Inseln.58 Ihm zufolge hausen dort jedoch keine Menschenfresser wie bei Conti, sondern brutale heidnische Seeräuber, die ihre Gefangenen oftmals ermorden oder nach Lösegeld gieren.59 Barbosas Urteil über die Inselbewohner von Celebes, dem heutigen Sulawesi,60  gleicht allerdings der schlechten Meinung Contis von den Bewohnern der Andamanen. Auch ihn erbost die Anthropophagie der dort lebenden Menschen. „Diese Leute essen Menschenfleisch“, […] und betteln […] [nach dem Körper eines zum Tode Verurteilten], als ob man nach einem Schwein fragt [...].“61

Barbosa zeichnet auch ein ebenso negatives Bild von den Bewohnern Sumatras wie Conti. Die maurische Einwohnerschaft von Sumatra62 hält er für „sehr treulos“, da sie sich des Öfteren gegen ihre eigenen Könige wenden.63 Die Heiden in einem indonesischen Königreich im Inselinneren „essen [angeblich] gnadenlos das Fleisch jedes Menschen, den sie einfangen können.“ 64

Barbosa pflegt zudem ein ebenso schlechtes Bild von den Menschen Javas in seinem Reisebericht. Selbst die im Ausland wohnenden Javaner werden bei ihm verunglimpft. So wohnen in der Stadt Malaca, auf der malaysischen Halbinsel, viele Mauren aus Java, welche Barbosa als „kleine, robuste Männer, deren Brüste und Gesichter lang und übel geformt sind“ beschreibt.65 Die Javaner in Malaca sind zwar „geschickt und erfindungsreich in all ihrer Arbeit, und [zugleich aber auch] hinterlistig, heimtückisch und wenig ehrlich, tollkühn bei allem [ihrem] Unfug und [das] bis zum Tod.“66 Manche töten unter gewissen Umständen willkürlich und „wie tollwütige Hunde“ so viele Männer, Frauen und Kinder wie sie in ihrem Blutrausch antreffen, bis sie selbst getötet werden.67

Die in ihrer Heimat lebenden Javaner trifft es in den Schilderungen Barbosas nicht viel besser. Er macht hierbei keinerlei Unterschiede zwischen den maurischen und heidnischen Bewohner der Insel Java Major. „Seine Einwohner sind [nach Meinung Barbosas] klein und stämmig in ihrer Körperstatur, mit breiten Gesichtern.68 Sie sind einerseits sehr begabte Handwerker, gute Seeleute sowie großartige Sportler und Jäger, andererseits aber auch „sehr stolze Männer, Lügner und Betrüger“.69

Von den Frauen auf Java spricht Barbosa allerdings gerade zu in höchsten Tönen.  „Die Damen sind weiß und haben sehr schöne Körper und ansprechende Antlitze, jedoch eher [mit zu] lang[en] [Gesichtern]; sie singen gut, sie haben glänzende Manieren und sind sehr fleißige Arbeiterinnen.“70 Die von Barbosa vermutete Einstellung der Javaner gegenüber seinem Landesherrn erklärt vielleicht dessen zwiespältiges Verhältnis zu diesen Menschen: „Manche [Mauren] […] wünschen dem portugiesischen König zu dienen und andere sind ihm böse gesinnt.“71

Die indigenen Mauren der Stadt Malaca im gleichnamigen malaiischen Königreich beurteilt Barbosa jedoch ausnahmslos positiv. „Diese Mauren, Malayos genannt, sind [Barbosa zufolge] sehr gesittete Leute und Ehrenmänner, musikalisch, galant und gut proportioniert.“72 Sie sind, seinen Schilderungen nach zu urteilen, vorwiegend reiche Kaufleute.73 Die Frauen tragen viel Schmuck und haben „langes wunderschönes Haar“.74 Die dort geborenen braunhäutigen Männer und Frauen befindet er insgesamt für sehr gut geraten.75 Dort lebende heidnische Kaufleute aus Südostindien76 beschreibt er hingegen als „meistens robust und korpulent“. 77

Die Menschen auf den Inseln unweit des indischen Festlandes werden im Reisbericht Barbosas sehr unterschiedlich wahrgenommen. Auf den Palandiva Inseln, gegenüber dem südwestindischen Festland, leben arme Mauren mit brauner Hautfarbe.78 Sie sind zwar einerseits „sehr erfinderisch und charmant“, anderseits sind sie „von kleinem Wuchs, […] haben unförmige Körper, und sind schwach […].“79 Auf der Insel Ceylam, dem heutigen Ceylon, hingegen leben „gut aussehende Männer“.80 Die Mauren und Heiden dort sind „fast weiß, und meistens korpulent, mit großen Mägen, und [leben aber angeblich] verschwenderisch.“81 Die Bewohner sind zudem friedfertige Händler, die nur einen guten Lebensstandard erstreben.82

 

Fazit

In dem Reisebericht Niccolo de Contis und vor allem in den Schilderungen Duarte Barbosas tauchen sehr viele wertende Äußerungen über die Menschen des asiatischen Kontinents auf. Balthasar Springers Bericht ist hingegen sehr arm an Standpunkten gegenüber der indigenen Bevölkerung.

Die Textstellen in Contis und Barbosas Reportagen zeugen von jedoch von einem nicht ganz urteilsfreien Menschenbild der christlichen Europäer gegenüber fremden Gesellschaften. Die Meinungen der Reisenden variieren aber durchaus, je nachdem von welchen Ländern und Gesellschaftsschichten sie gerade berichten. Sie unterliegen Tendenzen und Muster und die Intensität der wertenden Urteile schwankt stark.

Niccoló de Contis Reisebericht übermittelt ein verhältnismäßig positives Bild von den Menschen des indischen Subkontinents. Conti gesteht ihnen durchaus leichte Verfehlungen zu. Die Menschen „Zentralindiens“ führen seiner Meinung nach zwar ein ausschweifendes Sexualleben, dafür leben sie aber nach europäischen Vorstellungen von Recht und Gesetz. Die indigene Schicht der Brahmanen wird in Contis Text ausführlich mit Worten geadelt. Sein Bericht beschreibt allerdings im Großen und Ganzen sehr sachlich den Charakter und das Aussehen der dort lebenden Menschen. Duarte Barbosas Länderbeschreibungen werfen ein sehr differenziertes Licht auf die Menschen auf dem Subkontinent. Er unterschiedet auch, anders als Conti, genauer zwischen den „Heiden“ und „Mauren“ Indiens.

Die Mauren, also Muslime, Nordindiens gelten in Barbosas pauschalen Ausführungen meistens als verschwendungs- und vergnügungssüchtig. Zudem schinden sie angeblich die indigene heidnische, also hinduistische, Bevölkerung. An den maurischen Frauen Indiens scheint der Christ aus Europa allerdings großen Gefallen zu finden. Barbosa lobt auch „Mauren“ in manchen Gegenden und Städten als angesehene Ehrenmänner. Von den „Heiden“ pflegt Barbosa ein überaus differenziertes Bild. Er unterscheidet bei ihrer Beurteilung vielmehr in Gesellschaftsschichten. Er pauschalisiert hierbei auffällig stark, indem er einer ganzen sozialen Einheit die gleichen Charaktereigenschaften und ein gleiches äußeres Erscheinungsbild zuschreibt. Manchen Schichten huldigt er geradezu mit warmen Worten. Andere, vor allem niedere, Gesellschaftsklassen stellt er in ein sehr schlechtes Licht oder bewertet lediglich, meistens jedoch positiv, deren Aussehen. Von den heidnischen Frauen zeigt er sich jedoch im Allgemeinen sehr angetan.

Die Menschen Ostasien gelten in Contis Bericht als die perfekten Menschen. Sie übertreffen alle anderen Menschen Asiens durch ihre brillanten Umgangsformen und ihre überlegene Zivilisation. Die Menschen in China werden als sehr freundliche und weise Zeitgenossen gezeichnet. An dieser Stelle geht Contis Bericht weit über die ansonsten sachliche Berichterstattung hinaus. Andere ostasiatische Völker werden in Contis Reisebericht jedoch trotz ihres „eigenartigen“ Äußeren sachlich dargestellt. Lediglich die Schilderung ihrer monogamen Lebensweise und ihres Glauben an einen dreifaltigen Gottes kann als Hinweis auf gewisse Sympathiebekundungen dienen. In Barbosas Schilderungen gelten die Menschen im chinesischen Raum ebenfalls als sehr ehrenwerte Personen.

Der Text Contis wirft ein sehr schlechtes Licht auf die Menschen Südostasiens. Immer wieder kehrendes Muster stellt die angebliche unmenschliche Grausamkeit und unreinliche Lebensweise der Menschen dieses Raumes dar. Von einer nüchternen Erzählweise oder Unvoreingenommenheit in den Schilderungen Contis kann spätestens bei diesen Textstellen nicht mehr gesprochen. Der Befund Reicherts und Knefelkamps sollte an dieser Stelle neu überdacht werden.

Barbosas Bericht ähnelt Contis Erzählungen dadurch, dass auch hier manchen südostasiatischen Völkern Kannibalismus und angeblich üble Charaktereigenschaften, wie Heimtücke und Grausamkeit, vorgeworfen werden. Diese Zuschreibungen gehen oft einher mit der angeblichen physischen Hässlichkeit der männlichen Bewohner. Die Frauen empfindet Barbosa ausnahmslos hübsch. Barbosa unterscheidet dennoch mehr als Conti zwischen den Völkern Südostasiens. Manche indigenen Gesellschaften in diesem Raum gelten charakterlich wie in ihrem Körperlichen als gut geraten, während andere Völker entweder als hässlich aber mit guten Geisteseigenschaften oder, genau andersherum, als hübsch aber mit charakterlichen Verfehlungen beschrieben werden.

Die Reiseberichte Contis und Barbosas pauschalisieren immerzu stark. Sie schreiben einem ganzen Volk, einer gesellschaftlichen Schicht oder einer soziale Gruppe allzeit die einzig gleichen Charaktereigenschaften und ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild zu.

Alle hier untersuchten Berichte lassen sehr wenig Raum für differenzierte Betrachtungen oder Einzelpersonenbeschreibungen. Die Berichte Contis und Barbosas  tendieren dazu, ostasiatische Völker sehr positiv, indische Gesellschaften differenziert und die südostasiatische Bevölkerungen vorwiegend negativ zu beschreiben.

Das physische Erscheinungsbild der bereisten Gesellschaften korreliert jedoch in beiden Reiseberichten nicht immer mit den charakterlichen Zuweisungen. Allerdings zeichnet vor allem Barbosas Bericht ein weitaus besseres Gesamtbild von den weiblichen als von den männlichen Bewohnern Asiens.

 

Empfohlene Zitierweise:

Dembek, Christoph (2011): Die Wahrnehmung der “Anderen” in den europäischen Reiseberichten des späten Mittelalters (II). In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

Die Artikel werden mit ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers veröffentlicht. Es handelt sich daher um keine Spiegelung der Inhalte von folgender Website www1.uni-hamburg.de/spaetmittelalter/Europaeische Reiseberichte um 1500/index.html .

 

 Bibliographie:

  1. Vgl. Knefelkamp, Ulrich: Europäisches Weltbild und Geschichtsschreibung über außereuropäische Kulturen, in: Weltbild und Realität. Einführung in die mittelalterliche Geschichtsschreibung, hrsg. von Ulrich Knefelkamp, Pfaffenweiler 1992, S. 149-156.
  2. Vgl. Knefelkamp, Ulrich: Das Indienbild in Reiseberichten des Spätmittelalters, in: Die Begegnung des Westens mit dem Osten. Kongressakten des 4. Symposiums des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus Anlass des 1000. Todestages der Kaiserin Theophanu, hrsg. von Odilo Engels u. Peter Schreiner, Sigmaringen 1993, S. 109.
  3. Vgl. Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001, S. 171.
  4. Vgl. Reichert, Erfahrung der Welt, S. 176.
  5. Ebd. S. 177.
  6. Vgl. Stanley, Henry E. J.: Translators Preface, zitiert aus: A Description of the Coasts  of East Africa and Malabar in the Beginning of the Sixteenth Century, by Duarte Barbosa, A Portuguese, hrsg. von Henry E. J. Stanley (Hakluyt Society), London 1866, S. 5-9.
  7. Vgl. Stanley, Translators Preface, S. 1-7.
  8. Ebd. S. 1-7.
  9. Der Humanist Bracciolini bringt oftmals eigene, antike Vorstellungen, wie die Dreiteilung „Indiens“,  in den Text ein, vgl. Knefelkamp: Das Indienbild in Reiseberichten, S. 110.
  10. Übers. aus dem Original von Paggio Bracciolini: The Travels of Nicolò Conti in the East in the Early Part of the Fifteenth Century, übers. aus dem Original von Poggio Bracciolini mit Anmerkungen von J. Winter Jones, in: India in the Fifteenth Century, being a Collection of Narratives of Voyages to India the Century Preceding the Portuguese Discovery of the Cape of Good Hope, hrsg. von R. H. Major (Hakluyt Society), London 1857, S. 161-195. Im Folgenden ins Deutsche übertragen und im Folgenden zitiert: Conti, die Reisen des Nicolò Conti. S. 21
  11. Ebd.
  12. Ebd.
  13. Ebd.
  14. Vgl. Conti, die Reisen des Nicolò Conti, S. 21-22.
  15. Anmerkung des Übersetzers, siehe Conti, S. 15.
  16. Vgl. Conti, S. 15.
  17. Ebd.
  18. Ebd.
  19. Conti nennt es ‚Macinus’. Anmerkung des Übersetzers, siehe Conti, S. 11.
  20. Vgl. Conti S. 13.
  21. Vgl. Conti S. 13.
  22. Vgl. Conti S. 13.
  23. Übers. aus einem frühen spanischen Manuskript aus der Bibliothek von Barcelona: A Description of the Coasts of East Africa and Malabar in the Beginning of the Sixteenth Century, by Duarte Barbosa, A Portuguese, übers. aus einem frühen spanischen Manuskript aus der Bibliothek von Barcelona mit Anmerkungen und einem Vorwort von Henry E. J. Stanley (Hakluyt Society), London 1866. Im Folgenden ins Deutsche übertragen und im Folgenden zitiert als: Barbosa, (eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste). S. 205.
  24. Vgl. Barbosa, S. 205.
  25. Ebd. S. 205-206.
  26. Ebd. S. 205.
  27. Ebd. S. 205.
  28. Ebd. S. 205.
  29. Die LiuKiu oder RiuKiu Inseln, Anmerkung des Übersetzers, siehe: Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S. 207.
  30. Vgl. Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S. 207.
  31. Siehe Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S. 207.
  32. Siehe Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S. 207.
  33. Vermutlich Burma.
  34. Vgl. Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S. 188
  35. Vgl. Barbosa, eine Beschreibung der Küsten Ostafrikas und der Malabarküste. S.
  36. Anmerkung des Übersetzers, Inseln zwischen Indien und Burma/Thailand, siehe Conti, die Reisen des Nicolò Conti, S. 154-160.
  37. Vgl. Conti, S. 8.
  38. Vgl. Conti, die Reisen des Nicolò Conti. S. 8.
  39. Vgl. Conti, die Reisen des Nicolò Conti. S. 8.
  40. Vgl. Reichert, Volker: Fernhandel und Entdeckungen, in: WBG Weltgeschichte. Eine globale Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert 4, hrsg. von Walter Demel, Darmstadt 2010. S. 171-172.
  41. Anm.: Conti berichtet von einer Insel namens „Batech“. Anmerkung des Übersetzers, siehe Conti. S. 9.
  42. Vgl. Conti. S. 9.
  43. Vgl. Conti. S. 9.
  44. Siehe Conti. S. 8.
  45. Siehe Conti. S. 8.
  46. Vgl. Conti. S. 8.
  47. Vgl. Conti. S. 8.
  48. Ebd. S. 8-9.
  49. Anm.: Vermutlich Sumatra und Java. Anmerkung des Übersetzers, siehe Conti, S. 15-16.
  50. Siehe Conti, S. 16.
  51. Vgl. Conti, S. 16.
  52. Siehe  Conti, S. 16.
  53. Vgl. Conti, S. 16.
  54. Vgl. Conti, S. 16.
  55. Vgl. Reichert, Erfahrung der Welt, S.172.
  56. Vgl. Reichert, Erfahrung der Welt, S.171, u. vgl. Knefelkamp, Europäisches Weltbild, S. 155.
  57. Vgl. Conti, S. 16.
  58. Anm.: In der Lissabonner Ausgabe des Barbosa Werkes heißen sie ‚Andam Inseln’. Anmerkung der Übersetzer, siehe Barbosa, S. 200.
  59. Vgl. Barbosa, S. 200.
  60. Anm.: Im Westen der Molukken.
  61. Siehe Barbosa, S. 202-203.
  62. Anm.: ‚Samatra’ in Barbosas Text.
  63. Vgl. Barbosa, S. 196.
  64. Siehe Barbosa, S. 196.
  65. Siehe Barbosa, S. 196.
  66. Siehe Barbosa, S. 194.
  67. Vgl. Barbosa, S. 194.
  68. Siehe Barbosa, S. 197.
  69. Vgl. Barbosa, S. 198.
  70. Siehe Barbosa, S. 198.
  71. Ebd. S. 197.
  72. Ebd. S. 193.
  73. Vgl. Barbosa, S. 191.
  74. Ebd. S. 193.
  75. Ebd. S. 193.
  76. Anm.: Aus der Provinz ‚Cholmendel’, die Koromandelküste.
  77. Vgl. Barbosa, S. 193.
  78. Ebd. S. 83 u. 164.
  79. Ebd S. 164.
  80. Ebd. S. 166.
  81. Ebd. S. 166-167.
  82. Ebd. S. 167.

Quelle: http://jbshistoryblog.de/2012/01/die-wahrnehmung-der-%E2%80%9Eanderen-in-den-europaischen-reiseberichten-des-spaten-mittelalters-ii/

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