Die Bibliothek der frühen Neuzeit als Raum der Ideen – Kurzbericht zum Sommerkurs an der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel

Bibelsaal

Im Bibelsaal der Herzog-August-Bibliothek.
Foto: Christina Holzwarth

Die Bibliothek als „Raum der Ideen“ stand im Mittelpunkt des diesjährigen Sommerkurses der Herzog-August-Bibliothek in  Wolfenbüttel. Im Bibelsaal der Herzog-August-Bibliothek, umgeben von Büchern, hatten in diesem Jahr insgesamt elf  Stipendiaten die Möglichkeit, die Bibliothek als Gegenstand gelehrter Auseinandersetzung in den Blick zu nehmen und gleichzeitig  zwei Wochen lang in der berühmten Herzog-August-Bibliothek zu forschen.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Adam (Universität Osnabrück, Leiter des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen  Neuzeit), dem Prof. Dr. Giulia Cantarutti (Università di Bologna) charismatisch assistierte, kam eine ebenso interdisziplinäre wie  internationale Gruppe zusammen, die, trotz oder gerade aufgrund der fach- und themenbedingt sehr unterschiedlichen Art und  Weise, sich dem Forschungsgegenstand „Bibliothek“ zu nähern, vom ersten Tag an rege miteinander zu diskutieren begann.

Von Seiten der Herzog-August-Bibliothek wurde der Kurs in erster Linie von Dr. Volker Bauer begleitet, der nicht nur sein Wissen  über die Herzog-August-Bibliothek zur Verfügung stellte, sondern auch die Perspektive des Historikers in den Kurs miteinbrachte.

Das dynamische Element der Bibliothek

 Zu Beginn des Kurses galt es zunächst, sich mit der aktuellen Forschung zur Bibliothek der Frühen Neuzeit vertraut zu machen. Im einführenden Vortrag von Herrn Prof. Adam wurde hierzu vor allem auf das „dynamische Element“ einer Bibliothek hingewiesen (vgl. William Sherman, A living library), welches die Erforschung einer Bibliothek im Rahmen einer Ideengeschichte ermöglicht – sei es in Bezug auf Fragen nach der Genese einer Bibliothek, dem Einfluss verschiedener Kontroversen (etwa konfessionellen Spannungen) und der eventuell daraus resultierenden Eliminierung und mitunter auch der Vernichtung von Büchern aus Bibliotheken; oder der Bibliothek als Repräsentationsraum und ihrer Bedeutung zur Legitimation von Herrschaft. Dass sich „bewusstes Vergessen“, wahrnehmbar im Phänomen der Lethe, oder aber „gemachte Erinnerung“ sich nicht nur im Inhalt von Büchern niederschlagen können, sondern auch die Bibliothek als Ganzes beeinflussen, gehörte zu den aus der Beobachtung zum „autarken Eigenleben“ der Bibliothek und zu den voces librorum gewonnenen Erkenntnissen des ersten Tages.

Gruppenbild

Die Gruppe der Stipendiaten mit Kursleiter Prof. Dr. Wolfgang Adam vor der Herzog-August-Bibliothek.
Foto: Christel Annemieke Canton-Romein

Zwei erste Beispiele für Büchersammlungen und daraus zu gewinnende Erkenntnisse wurden am darauffolgenden Tag von der Wolfenbütteler Forscherin Dr. Gabriele Ball (Die Büchersammlung der Gräfin Anna Sophia von Schwarzburg-Rudolstadt als Spiegel eines fürstlichen Netzwerks) und der Stuttgarter Stipendiatin Dr. Carola Fey (zu den Büchern in der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg) vorgestellt.

Die imaginierte Bibliothek

Dass sich auch aus der Beschreibung nicht realer, sondern literarisch idealisierter Bibliotheken bedeutsame Erkenntnisse zu diesen Institutionen, ihren Benutzern und der Bedeutung der Bibliotheken für die Benutzer ableiten lassen, wurde im Vortrag von PD Dr. Dirk Werle (Leipzig/HU Berlin) deutlich. Anhand des ‚Catalogus Catalogorum perpetuo durabilis‘ Johann Fischarts (1590), der die zeitgenössische Diskussion um eine Handhabung der copia librorum aufgreift und insgesamt 526 allesamt erfundene, ironische bis bissige Buchtitel umfasst, erklärte Dirk Werle die Bedeutung rein fiktionaler Bibliotheken für die frühneuzeitliche Klassifikation der Gelehrsamkeit.

Bibliotheksgeschichte einmal anders

Überlegungen für einen neuen Zugang zu Bibliotheken anhand kulturwissenschaftlicher Perspektiven, die im Zuge des in der Forschung häufig vernachlässigten Kulturtransfers Einblicke in sonst verborgene Zusammenhänge liefern, standen im Zentrum des Vortrags von Prof. Dr. Cantarutti, der die zweite Kurswoche imposant eröffnete. Anhand der Netzwerkbildung und der Kulturverflechtung in der Frühen Neuzeit wurde deutlich, dass die „intellektuelle Evolution“ eines Autors nicht in dessen nationalsprachigen Texten zu suchen ist, sondern dass sich das Profil eines frühneuzeitlichen Gelehrten in der Summa seiner literarischen Produktion äußert. Für ihre adäquate Erfassung liefert eine fundierte Quellenkunde (Bibliothekskataloge, Nachlassverzeichnisse, Briefwechsel etc.) das unabdingbare Fundament.

Die von Prof. Dr. Helga Meise (Université de Reims) vorgestellte Untersuchung der Bibliotheken von fünf Darmstädter Fürstinnen eröffnete wichtige Aspekte im Hinblick auf Handlungsräume, Bücherbesitz sowie Benutzungskontexte durch die adligen Besitzerinnen. Die Nachlassinventare ihrer Privatbibliotheken zeigen die Bücher dabei teils als Medien der Repräsentation, teils als Lese- und Schreibobjekte für den eigenen Gebrauchs, an denen ein Wandel der Lektürepraktiken ablesbar wird, der wichtige Erkenntnisse hinsichtlich des Selbstverständnisses der fürstlichen Rezipientinnen birgt.

Der Besuch beim Projekt zur Erforschung der „Fruchtbringenden Gesellschaft“

Gerahmt wurde das hochinteressante, umfängliche und überaus anregende Programm rund um die Bibliotheken der Frühen Neuzeit als Raum der Ideen durch den Besuch beim Projekt zur Erforschung der „Fruchtbringenden Gesellschaft“. Diese Organisation hatte als ständeübergreifende Akademie des 17. Jahrhunderts vielfältige sprachliche, literarische und (bildungs-)politische Intentionen, welche für die Geistesgeschichte der Frühen Neuzeit ein umfängliches sowie bedeutendes Potential bieten. Das an der Herzog August Bibliothek angesiedelte Forschungs- und Editionsprojekt widmet sich der Erschließung der innerhalb der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ gewechselten Briefe, mit denen erstmals kulturgeschichtlich relevante Einblicke in das Innenleben dieser Organisation offengelegt werden.

Die Bibliothek als Raum der Ideen

Gruppenaktivitäten

Gemeinsames Kochen in der Küche des Anna-Vorwerk-Hauses.
Foto: Christina Holzwarth

Zum Schluss des Kurses widmete sich die Gruppe der gemeinsamen Lektüre von Sebastian Brants ‚Narrenschiff‘ und der lateinischen Version seines Schülers Jakob Locher, der ‚Stultifera Navis‘, von denen die Herzog-August Bibliothek gleich mehrere Ausgaben besitzt. Für den Sommerkurs wurden diese Ausgaben in den Bibelsaal gebracht und den Stipendiaten die einmalige Gelegenheit geboten, den Brantschen „Büchernarren“ an den originalen Drucken mit ihren Marginalien, Holzschnitten und Benutzerspuren zu besprechen.

Dass die Vorträge der Experten zusammen mit der Vorstellung und Diskussion der eigenen Projekte der Stipendiaten nur die erste Hälfte des Tages füllten, erwies sich als großer Vorteil, denn so hatte man Gelegenheit, nicht nur über die Bibliothek als solche nachzudenken, sondern auch in einer an Beständen gerade des 16. und 17. Jahrhunderts besonders reichen Bibliothek zu forschen. Dank der freundlichen und hilfsbereiten Unterstützung von den Bibliothekaren und dem Aufsichtspersonal der Herzog-August-Bibliothek, gelang es so, vielfach neue Erkenntnisse auch für die eigenen Projekte zu gewinnen.

Da die Bibliothek in Wolfenbüttel nicht nur über ein gut strukturiertes Gastwesen verfügt, sondern den Gästen und Stipendiaten mit gemeinsamen Kaffeenachmittagen, der Möglichkeit zum gemeinsamen Kochen in der Gemeinschaftsküche des Anna-Vorwerk-Hauses und den zahlreichen Zufallsbegegnungen mit anderen Forschenden in der nahegelegenen Wolfenbütteler Innenstadt auch regelmäßigen Kontakt ermöglicht, bot sich oft die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich über neue Ideen auszutauschen. Die Bibliothek als „Raum der Ideen“ war somit nicht nur Forschungsgegenstand des Sommerkurses, sondern wurde in der Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek für die Stipendiaten auch als solch ein Raum erfahrbar.

Julia Frick (Universität Freiburg) & Christina Holzwarth (Universität Leipzig)

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/4760

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Startschuss für das DARIAH-ERIC

Die Menge an digital verfügbaren Informationen steigt exponentiell – wie können wir mit der Entwicklung Schritt halten? DARIAH, Digitale Forschungsinfrastruktur für die Geisteswissenschaften, versucht WissenschaftlerInnen im Prozess der digitalen Transformation nachhaltig zu unterstützen. Dazu haben sich 15 Länder als Gründungsmitglieder des  DARIAH-ERIC (European Research Infrastructure Consortium) zusammengeschlossen (wir berichteten). Die Rechtsform wurde eigens für ESFRI-Projekte entwickelt, um Forschungsinfrastrukturen auf europäischer Ebene gemeinsam entwickeln und v.a. betreiben zu können.

Der offizielle Festakt zum Beginn des DARIAH-ERIC fand am 17. November 2014 am Ministère de l’Education nationale, de l’Enseignement supérieur et de la Recherche in Paris statt und versammelte FachwissenschaftlerInnen aus ganz Europa, VertreterInnen der Europäischen Kommission und verschiedene Forschungseinrichtungen.

Robert-Jan SMITS General Director, DG Research and Innovation, European Commission

von links nach rechts: Robert-Jan Smits (General Director, DG Research and Innovation, European Commission),  Ana Arana Antelo (Head of Unit – Research & Innovation – European Commission), Laurent Romary (INRIA, Frankreich), Tobias Blanke (King’s College Lodon, Großbritannien) und Conny Kristel (Niod Institute for War, Holocaust and Genocide Studies, Niederlande)

Eine europäische Forschungsinfrastruktur für die Digital Humanities

DARIAH unterstützt die Arbeit mit digitalen Ressourcen und Methoden in den Geistes- und Kulturwissenschaften in Forschung und Lehre. Dazu bietet DARIAH in Zusammenarbeit mit den Forschungscommunities ein Portfolio an Diensten, Tools und Aktivitäten an um nationale Initiativen und internationale Forschung im Bereich Digital Humanities zu befördern. Mit dem ERIC ist nun ein wichtiger Baustein gelegt um die bereits bestehenden Services und Netzwerke weiterhin der Europäischen DH-Community dauerhaft anbieten zu können.

Das DARIAH-ERIC wurde von der Europäischen Kommission am 15.August 2014 etabliert mit 15 Gründungsmitgliedern: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Serbien, Slowenien und Zypern.

Die Mitgliederversammlung des neu eingerichteten DARIAH-ERICs hat am 5. September 2014 einstimmig Tobias Blanke (King’s College London, Großbritannien), Conny Kristel (NIOD Institute for War, Holocaust and Genocide Studies, Niederlande) und Laurent Romary (INRIA, Frankreich) als DARIAH-ERIC Board of Directors (BoD) berufen. Das Board of Directors ist das Exekutivorgan des DARIAH ERICs.

Weitere Informationen gibt es auf der DARIAH-EU Website www.dariah.eu und über das DARIAH-EU Coordination Office: dariah-info@dariah.eu

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4313

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L’industrie d’art romaine tardive / Spätrömische Kunstindustrie

Alois RieglTrivium a le plaisir de signaler la première traduction française “L’industrie d’art romaine tardive” de l’ouvrage phare de l’historien de l’art viennois Alois Riegl (1858-1905), préfacée par Emmanuel Alloa, responsable du numéro 10 “Lisibilité”. En 1901 paraît en effet à Vienne Spätrömische Kunstindustrie. La lecture de ce livre a fait dire à Julius von Schlosser, biographe éclairé de Riegl, qu’il cache, « sous son titre plus qu’insignifiant, la première présentation géniale de cette ‹ Antiquité tardive › qui est le prélude en Occident et en Orient de l’art ‹ médiéval › et indépendamment de laquelle on ne saurait comprendre ce dernier ».

Riegl dresse tout d’abord un large panorama de l’architecture, de la sculpture et de la peinture (fresques et mosaïques), de Constantin à Charlemagne, posant les fondements de sa conception de l’évolution artistique – dans laquelle il perçoit non pas une « décadence », notion qu’il récuse, mais ce qu’il appelle un Kunstwollen, un vouloir artistique.
L’auteur s’appuie ensuite sur une étude minutieuse d’objets issus de l’industrie d’art proprement dite, principalement la bijouterie et le travail sur métal, pour illustrer les grandes lignes de sa théorie : à un certain moment, l’ombre d’un corps s’émancipe pour devenir ombre spatiale, et c’est là, dans cette évolution de la perception de la profondeur et de l’espace, dans le passage de la main à l’oeil (de l’« haptique » à l’ « optique »), que se joue l’un des moments les plus importants de toute l’histoire de l’art.

Alois Riegl, l’un des membres, avec Franz Wickhoff, de la première École viennoise d’histoire de l’art, auteur de Questions de style et du Culte moderne des monuments, est l’un des auteurs actuellement les plus « vivants » de cette génération née à Vienne au milieu du XIXe siècle. Riegl et ses écrits ont largement dépassé le seul cercle de l’histoire de l’art. Walter Benjamin l’a défini comme une référence majeure, le philosophe Georg Lukács le considère comme l’un des« historiens réellement importants du XIXe siècle » ; le philosophe Ernst Bloch, le sociologue Karl Mannheim, les architectes Walter Gropius et Peter Behrens : tous se réfèrent à Riegl. En France aussi, même sans avoir été traduit, ce livre et ses idées ont agi, notamment grâce au travail de passeur du phénoménologue Henri Maldiney, l’un des meilleurs lecteurs de Riegl. Gilles Deleuze et Félix Guattari, Jacques Derrida, Hubert Damisch, Daniel Arasse l’ont lu et ont perçu sa portée. Le moment est venu de découvrir enfin dans le texte cet ouvrage qui, depuis sa parution à l’orée du XXe siècle, n’a cessé d’inspirer les meilleurs esprits.

Christopher S. Wood est Carnegie Professor d’histoire de l’art à l’Université de Yale. Il est notamment l’auteur de Forgery, Replica, Fiction: Temporalities of German Renaissance Art (Chicago Press, 2008) qui a reçu le Susanne M. Glasscock Humanities Book Prize for Interdisciplinary Scholarship.

Emmanuel Alloa est maître de conférences en philosophie à l’Université de Saint-Gall en Suisse. Il est notamment l’auteur de La Résistance du sensible (Éditions Kimé, 2008) et Das durchscheinende Bild (Diaphanes, 2011).

Quelle: http://trivium.hypotheses.org/673

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Vom Geisteswissenschaftler zum Unternehmer

von Inga Regling (Master of Arts | Kunstgeschichte) „Und was wird man damit?“ Diese Frage kennt wohl jeder, der sich für ein Studium der Geisteswissenschaften entschieden hat. Im Falle von Lars Köllner lautet die Antwort: Unternehmer. Der Inhaber von k3 … Weiterlesen

Quelle: http://beruf.hypotheses.org/96

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Neuigkeiten von der höchsten Hausnummer Deutschlands

Breaking Hausnummern-News, dargebracht mit viermonatiger Verspätung: Bis vor kurzem war die in Pulheim bei Köln gelegene Venloerstraße 1503 die höchste Hausnummer Deutschlands (vgl.), doch nun wurde diese in Otto-Lilienthal-Straße 4 abgeändert, wie die Welt berichtet. Damit gibt es einen neuen Rekordhalter: Venloer Straße 1501!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022371994/

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Piketty lesen

Anfang des Jahres erschien „Capital in the Twenty-First Century“ (Harvard University Press) von Thomas Piketty und produziert seitdem eine Bugwelle an öffentlicher Aufmerksamkeit. Die französische Fassung des Buches war im Vorjahr noch etwas untergegangen, wohingegen die vor kurzem nachgereichte deutsche Ausgabe schon jetzt ein Verkaufserfolg sein dürfte (C.H. Beck). Vornehmlich die Gesellschaften des alten „Westens“ fühlten sich angesprochen, die als Untersuchungsbeispiel herhalten mussten. Es wäre interessant zu wissen, wie etwa von Ökonomen in China, Afrika und Indien über Piketty diskutiert wird – falls überhaupt. […]

Quelle: http://moraleconomy.hypotheses.org/224

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Die Beziehung zwischen der CAA und den Digital Humanities

Die Computer Applications and Quantitive Methods in Archaeology (CAA) Konferenzreihe bietet dieses Jahr eine Session zu

Theoretical issues, and the relation of CAA with the Digital Humanities

an – das ist eine erfreuliche Annäherung von verwandten Gebieten. Die CAA hat eine lange Tradition in der Zusammenarbeit von Archäologen, Informatikern und Mathematikern, die bereits in den 70er Jahren begonnen haben Computeranwendungen für geisteswissenschaftliche Fragestellungen nutzbar zu machen. Die Themen der dedizierten DH Session sind:

  • Towards a Theory of Practice in Applied Digital Field Methods
  • Computational Ancient Environments. Can archaeologists extend themselves?
  • Modelling the archaeological process
  • The immortality of the tangibles – the service of digital, virtual, and cyber archaeology in the construction of archives of human identity
  • Moving the focus from “know how” to “know why” 3D modeling cultural heritage
  • Machine learning and Pattern Recognition for Archaeological Research

Schnellentschlossene können bis Mitternacht noch einen Abstract mit 500 Wörtern einreichen:
Link zum Programm der CAA 2015 in Siena.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4302

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ARTigo: Der Blick der Tagger auf die Bilder von gestern oder gab es 1897 bereits Laptops?

Schaut man sich die Tags der ARTigo-Bilder an, stößt man zwangsläufig auf „falsche“ Tags. Tags also, die den Inhalt des Bildes nicht korrekt benennen. Das aber macht sie interessant, denn es zeigt, wie prägnant bestimmte Aussagen sind, wie z.B. Gesten, die Form oder allgemein das Aussehen von Objekten. Diese Bildaussagen gehören stets in einen bestimmten Kontext. Werden sie aber mit einem anderen Kontext verbunden, wirken sie manchmal komisch und zeigen uns damit um so deutlicher, wie unterschiedlich unsere Sicht von der des zeitgenössischen Betrachters ist und mit welchen anderen Augen wir heute auf die Bilder schauen.

Das Beispiel der Geste Napoleons, der seine Hand in die Jacke schiebt, ist bekannt. In der ARTigo-Datenbank finden sich dazu mehrere Bilder, die das Tag „Napoleon“ tragen, obwohl dieser nicht abgebildet ist. Sogar das folgende ist mit „Napoleon“ getaggt, obwohl der Name des Abgebildeten „Karl Friedrich Ludwig“ gut leserlich darunter steht. Hier bliebe festzustellen, wann die Spieler „Napoleon“ taggen. Geben sie das Tag gleich am Anfang im Moment des ersten Eindrucks ein, noch bevor ihr Blick auf die Schrift gefallen ist, oder eher am Ende der Spielminute, wenn sie den Namen des Porträtierten eigentlich gelesen haben müssten.

Karl Kuntz - Karl Ludwig Erbprinz. v. Baden 1755-1801, 19. Jh.Bild 1

Das folgende Foto von König Ludwig II. ist mit dem Begriff „Arzt“ getaggt worden. Wohl wegen der weißen Jacke, die an einen Arztkittel erinnert.

Joseph Albert - Porträtstudie von König Ludwig II, 1862Bild 2

Das Porträt von Eugène Scribe, einem französischen Dramatiker, wurde mit „Telefon“ getaggt. Auf dem Bild ist ein solches Gerät nicht zu erkennen, wohl aber ordnen wir die Geste der Nachdenklichkeit heute einem telefonierenden Mann zu.

Atelier Nadar, Eugène Scribe, 1856Bild 3

Was sehen Sie auf dem nächsten Bild? Wenn sie hier einen Mann mit einem Cowboyhut und Laptop erkennen, dann sind Sie damit nicht allein, denn diese Tags wurden auch von ARTigo-Spielern für das Bild vergeben.

Es handelt sich um einen Scherenschnitt (?) von Franz Marc, den er 1897 im Alter von 17 Jahren anfertigte und der seinen Vater beim Malen zeigt. Das, was wir heute als Laptop interpretieren, dürfte ein Malkoffer sein.

Franz Marc - Bildnis des Vaters beim Malen, 1897Bild 4

Während des Spiels werden dem Spieler keine Meta-Daten, wie Titel, Künstler oder das Entstehungsjahr angezeigt, so dass er wirklich frei assoziieren kann und seine Tags nicht von den darin enthaltenen Informationen abhängig macht.

„Falsche“ Tags beruhen immer auf einem Vorwissen über andere als im Bild gezeigte Inhalte. Das Vorwissen heutiger Kunstbetrachter ist verschieden von dem des zeitgenössischen Publikums. Wie groß die Unterschiede sind, bemerken wir vermutlich in den meisten Fällen nicht, nur in wenigen Ausnahmefällen, wie den hier gezeigten.

Digitale Bildquelle: www.artigo.org

Bild 1: Karl Kuntz: Karl Ludwig Erbprinz. v. Baden 1755-1801, 19. Jh.
Bild 2: Joseph Albert – Porträtstudie von König Ludwig II, 1862/64
Bild 3: Atelier Nadar, Eugène Scribe, 1856/58
Bild 4: Franz Marc – Bildnis des Vaters beim Malen, 1897

Quelle: http://games.hypotheses.org/1843

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