Ansgar, Horik und die Wikinger – der Überfall auf die Hammaburg um 845 n. Chr. (Teil II)

Wer verbarg sich hinter den Raubzügen um 845 n. Chr.?

Im Jahr 845 n. Chr. hatten die Plünderfahrten im Frankenreich zweifellos einen neuen Charakter erhalten: Richteten sich die Überfälle im Jahre 844 n. Chr. noch nicht ausschließlich gegen das Frankenreich, so erfolgten die Überfälle 845 n. Chr. planmäßig von West nach Ost gen Heimat gehend zunächst gegen westfränkische Gebiete in Paris und Saintonage in Aquitanien, dann gegen Friesland im Mittelreich und schließlich gegen das ostfränkische Hamburg.1 Im Jahr 845 n. Chr. wurde nun jedes der fränkischen Teilreiche von Überfällen heimgesucht. Womöglich von ein und demselben Wikingerverband durchgeführt, waren im Jahr 845 n. Chr. die überfallenen Regionen den Angreifern durch die fränkisch-dänischen Handelsbeziehungen hinreichend bekannt.2

Die Raubzüge im fränkischen Reich deuteten zunächst auf reine Beutezüge, nicht aber auf Eroberungsfeldzüge hin. Einzig und allein der Überfall auf die Hammaburg wies nicht nur wirtschaftliche Motive von Plünderung auf, sondern deutete auf politische Expansionsbestrebungen hin. Nach der Teilung des Frankenreichs 843 n. Chr. hatte die militärische Macht der Franken sichtlich nachgelassen. Hamburg, die Siedlung an der Elbe war im noch vereinten Frankenreich ein bedeutender Vorposten und sicherte fränkische Interessen in Nordalbingien. Fiel Hamburg, konnten die im Norden angrenzenden Dänen leicht ihr Territorium ausweiten und den fränkischen Einfluss im Norden brechen.3

Die Planmäßigkeit und Vielzahl der Überfälle im Jahre 845 n. Chr. und mögliche Absichten der territorialen Expansion beim Überfall auf Hamburg, deuteten zunächst auf Horik als Urheber hin. Insgesamt bestand der Erlös der Überfälle im Frankenreich aus Beutegütern, Lösegeldern und Sklaven. Neben bereits genannten Gefahren durch dänische Aufrührer und möglichen fränkischen Vergeltungsschlägen, stand für Horik, ökonomisch gesehen, der Umfang der Beuteerlöse nicht im Verhältnis zu dem Risiko der fränkischen Vergeltung und vor allem zu dem Versiegen seiner wichtigsten Einnahmequelle – dem Handel im dänischen Raum und mit den Franken.4

Warum sollte also Horik die Raubzüge im Frankenreich und gegen Hamburg, wie von Rimbert behauptet, durchführen und sich damit selbst schaden? Die Umstände und Hintergründe des Überfalls auf die Hammaburg im Jahre 845 n. Chr. geben hierzu weitere Aufschlüsse.

Unmittelbar nach dem Überfall auf Hamburg gab es einen Feldzug von Ludwig dem Deutschen gegen die Nordwestslawen, vermutlich gegen die Abodriten, gegen die der fränkische König bereits im Jahre 844 n. Chr. gekämpft hatte. Möglicherweise führten die Slawen im Jahre 845 n. Chr. gemeinsam mit den dänischen Wikingern die Überfälle im Frankenreich durch. Der Überfall auf die Hammaburg erfolgte jedoch von Wikingern, da er von See aus, unvermittelt und äußerst schnell, aufgrund von besten Ortskenntnissen, erfolgte.5 Die Gesamtorganisation der Raubzüge im Frankenreich um 845 n. Chr. muss konsequenterweise auch von Wikingern bzw. von einem Wikingerfürsten koordiniert worden sein. Der 845 n. Chr. bei den Raubzügen im Frankenreich betriebene Aufwand an Organisation, Material und Kriegern sowie die Koordination, Kombination und das Ausmaß der Raubzüge mussten vom Wikingerfürsten gesteuert worden sein, die für die Durchführung einer solchen Reihe von Überfällen über ausreichend Macht und Ressourcen verfügten.

Laut den Annales Xantenses war jedoch nicht Horik, sondern ein gewisser Rorik, Mitglied der dänischen Königssippe, der 850 n. Chr. als Lothars (I.) Gefolgsmann Karriere im mittleren Frankenreich machte, Drahtzieher der Überfälle im Jahre 845 n. Chr.. Dieser wurde von den Annales Xantenses irritierender weise als rex bezeichnet. Sein princeps war demnach der Wikingerfürst Reginher.6 Trotz mancher Detailtiefe und Kenntnisse der dänischen Königssippe wird Horik I. in den weiteren Erzählungen der Annales Xantenses nicht namentlich erwähnt, sondern nur in der Erläuterung der Thronfolge im dänischen Königshaus umschrieben. Horiks Name und Person scheint dem Verfasser der Annalen unbekannt gewesen zu sein. Horiks Todesjahr datiert er fälschlicherweise auf das Jahr 856 n. Chr. und nennt auch bei dieser Erläuterung nicht seinen Namen. Rorik erwähnt der Verfasser der Annalen hingegen mehrfach namentlich und berichtet von ihm im Zusammenhang mit den Überfällen von 845 n. Chr. und als Gefolgsmann von Lothar I. im fränkischen Mittelreich 850 n. Chr..7

Es sprechen drei Aspekte dafür, dass nicht Horik, sondern Rorik Drahtzieher der Überfälle im Jahre 845 n. Chr. war. 1. Horiks Machtstellung im dänischen Königreich, das durch die Überfälle auf das Frankenreich gefährdet war, 2. Horiks politisches und wirtschaftliches Verhältnis zu den Franken war durch die Überfälle gefährdet und schuf die konkrete Gefahr von fränkischen Vergeltungsschlägen, 3. Horik führte jahrelang eine konsequente Beschwichtigungspolitik gegenüber den Franken. Laut der Annales Bertiani und den Fuldaer Annalen beschwichtigte Horik auch nach dem Überfall auf die Hammaburg, den König des Ostfrankenreichs, Ludwig den Deutschen.8

Motive für die Überfälle 845 n. Chr. im Frankenreich

In den Jahren von Horiks Herrschaft waren für dänische Wikingerfürsten und Verwandte von Horik (z. B. Gudurm, Neffe von Horik) ein nennenswerter Machtzuwachs, das Scharen einer kampferprobten Kriegerschaft und materieller Reichtum nur über die Zuweisung von materiellen Gütern (beneficia) seitens Horiks, Raubzüge im Ausland oder aber über die konkrete Zusammenarbeit mit den Franken möglich.9 Letztere beide Aspekte stimmen mit Roriks Werdegang in den Jahren 845 n. Chr. bis 850 n. Chr. überein. Der Bericht der Annales Xantenes wirkt an dieser Stelle glaubwürdiger als der Bericht Rimberts in der Vita Anskarii.

Horik war während seiner Herrschaft stets darauf bedacht den Austausch und Kontakt mit den Franken aus wirtschaftlichem Interesse zu halten. Auch der Bau einer Kirche im dänischen Hedeby durch Ansgar um 850 n. Chr. war rein wirtschaftlichen Interessen geschuldet und belebte die Handelsaktivitäten in der Region Schleswig-Hedeby. Horik vermittelte weiterhin erfolgreich bei Ansgars Schwedenmission, um das belastete Verhältnis zu den Franken zu verbessern. Obwohl laut Rimbert zwischen Horik und Ansgar über die Jahre eine große Vertrautheit entstand, konnte Ansgar Horik nicht für das Christentum gewinnen. Ein wichtiges Ziel Ansgars war somit verfehlt.10

Mit manchen Indizien des Überfalls auf die Hammaburg, wie der geografischen Nähe, der Möglichkeit auf politische Expansion und der Tatsache, dass die Überfälle 845 n. Chr. von einem mächtigen Wikingerfürsten durchgeführt werden mussten, passte Horik als Drahtzieher für Rimbert perfekt ins Raster. Als Rimbert, der Vitenschreibers Ansgars, um 876 n. Chr. die Vita Anskarii verfasste, musste er sich an Horiks persönliche Verschlossenheit gegenüber dem Christentum erinnern. Doch statt dies zu erwähnen, feierte Rimbert Ansgar als denjenigen, der einen ehemaligen heidnischen Kirchenzerstörer von 845 n. Chr. und heidnischen Plünderer zum Kirchenstifter im Jahre 850 n. Chr. und Unterstützer der christlichen Kirche in Skandinavien machte. Rimberts Darstellungen der „Leistungen des Heiligen [Ansgars] in den schillerndsten Farben“11 erhielten somit keine Schönheitsfehler.

 

Empfohlene Zitierweise: Blümel, Jonathan (2014): Ansgar, Horik und die Wikinger – der Überfall auf die Hammaburg um 845 n. Chr. In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]

 

Bibliographie:

  1. Helten 2011. S. 210.
  2. Helten 2011. S. 210.
  3. Helten 2011. S. 210.
  4. Helten 2011. S. 209.
  5. Helten 2011. S. 212-213.
  6. Helten 2011. S. 216. Anm.: Wikingerfürsten während der Überfälle als Könige zu bezeichnen war typisch in der fränkischen Historiographie.
  7. Helten 2011. S. 215.
  8. Helten 2011. S. 211.
  9. Helten 2011. S. 217.
  10. Helten 2011. S. 205-206.
  11. Helten 2011. S. 205.

Quelle: http://jbshistoryblog.de/2014/12/ansgar-horik-und-die-wikinger-der-uberfall-auf-die-hammaburg-um-845-n-chr-teil-ii/

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Unterhalten und Informieren

Die in London ansässige Firma Adprint arbeitete im Auftrag von einheimischen Verlagen – und während des Krieges auch mit Unterstützung des Ministry of Information, an Buchreihen wie „The Soviets and Ourselves“ und „America and Britain“ mit aufwendigen Farbdrucken von Bildstatistiken des Isotype-Instituts und Fotografien. Später entstand die Reihe „The New Democracy“, die gesellschaftlich relevante Themen der Nachkriegszeit in Großbritannien aufgriff. Otto and Marie Neurath Isotype Collection, University of Reading.

Das Sachbuch hat als Verbindung von informativen und unterhaltenden Elementen im Lauf des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Platz in den Programmen internationaler Verlage eingenommen. Ungeachtet seiner Popularität und Vielfalt war das illustrierte Sachbuch, etwa der Bildband, bislang nicht Gegenstand systematischer Forschung und wurde als vermeintlich triviales Massenprodukt abqualifiziert. In diesem interkulturell und interdisziplinär angelegten Promotionsprojekt soll daher das Medium des populären illustrierten Sachbuchs auch im Hinblick auf seine Visualität untersucht werden. Die in Typographie und Layout modern gestalteten Publikationen für ein Massenpublikum, deren inhaltliche Konzeption absichtsvoll auf das Wechselspiel von Bild und Text angelegt war, werden unter anderem auf die Funktion von Text-Bild-Strukturen bei der Vermittlung von Informationen und Entwicklung von Visualisierungsstrategien hin untersucht. Aber auch buchwissenschaftliche Traditionslinien, Aspekte der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte sowie der Exilforschung werden dabei beleuchtet.

Die in London ansässige Firma Adprint arbeitete im Auftrag von einheimischen Verlagen – und während des Krieges auch mit Unterstützung des Ministry of Information, an Buchreihen wie „The Soviets and Ourselves“ und „America and Britain“ mit aufwendigen Farbdrucken von Bildstatistiken des Isotype-Instituts und Fotografien. Später entstand die Reihe „The New Democracy“, die gesellschaftlich relevante Themen der Nachkriegszeit in Großbritannien aufgriff.

Die in London ansässige Firma Adprint arbeitete im Auftrag von einheimischen Verlagen – und während des Krieges auch mit Unterstützung des Ministry of Information, an Buchreihen wie „The Soviets and Ourselves“ und „America and Britain“ mit aufwendigen Farbdrucken von Bildstatistiken des Isotype-Instituts und Fotografien.

Zur Zeit der Weimarer Republik entwickelte sich der Buchtyp des Sachbuchs zu einer wesentlichen literarischen Form.[1] Verbunden war dies mit dem Anspruch, komplexe Informationen für ein breites Publikum unterhaltsam aufzubereiten. Dies ist im Kontext eines größeren Transformationsprozesses der Bildungs- und Wissenskultur seit dem 19. Jahrhundert zu sehen, befördert durch die industrielle Revolution, und zeigte sich im deutschsprachigen Raum etwa in politisch-emanzipatorischen Bestrebungen und Konzepten für die individuelle Erziehung. Gleichzeitig wurde insbesondere das illustrierte Sachbuch vom Aufkommen der neuen Medien wie Fotografie und Film sowie von der Weiterentwicklung von Produktionsbedingungen und Herstellungstechniken beeinflusst. Für die Realisation der damit verbundenen Potenziale waren die Kompetenz und Kreativität von Verlegern sowie interner und externer Fachleute entscheidend. Einflussreich waren in diesem Zusammenhang, so ist es bereits für Teilbereiche des Verlagswesens aufgearbeitet worden, jüdische und linksintellektuelle Emigranten aus Deutschland und Österreich, die vor dem nationalsozialistischen Regime nach Großbritannien und in die USA fliehen mussten.

Von der Forschung weitgehend unbeachtet geblieben, ist bislang die Gruppe um den Adprint-Gründer Wolfgang Foges, Eva und Walter Neurath (der spätere Gründer von Thames & Hudson, London) und Foges’ Jugendfreund Paul Steiner (Chanticleer Press, New York). Sie prägten das Erscheinungsbild des populären illustrierten Sachbuchs durch die Einführung besonderer Produktionsmethoden, organisatorischer Strukturen und gestalterischer Neuerungen.

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Auch die 1946-1952 von Adprint produzierten „Future Books“, hier Doppelseiten aus Band 1: Overture von 1946, entstanden in enger Zusammenarbeit mit renommierten britischen Autoren, Fotografen sowie dem Isotype-Institut als gestalterisch anspruchsvolle und moderne Kompositi-on aus Fotografien, Kartenmaterial und Infografiken.

Auch die 1946-1952 von Adprint produzierten „Future Books“, hier Doppelseiten aus Band 1: Overture von 1946, entstanden in enger Zusammenarbeit mit renommierten britischen Autoren, Fotografen sowie dem Isotype-Institut als gestalterisch anspruchsvolle Komposition aus Fotografien, Kartenmaterial und Infografiken.

Die von ihnen vor allem für Buchreihen entwickelten „integrated“ Layouts, physisch und semantisch eng verknüpfte Text-Bild-Strukturen, sind geprägt durch ein verändertes Verständnis der Möglichkeiten des Sachbuchs in Konkurrenz mit anderen Massenmedien. Eine wichtige Rolle spielte hierbei auch der nach Oxford emigrierte Ökonom und Wissenschaftstheoretiker Otto Neurath aus dem sozialreformerischen „Wiener Kreis“. Er propagierte mit der von ihm begründeten Methode zur bildlichen Vermittlung von Informationen am ISOTYPE-Institut (International System of TYpographic Picture Education) das Ideal einer umfassenden Bildung für die Allgemeinheit als Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft. Basierend auf ihrem kulturellen Hintergrund, dem Glauben an den gesellschaftlichen Wert einer „Demokratisierung“ des Wissens sowie konkreten Anforderungen des britischen und US-amerikanischen Buchmarkts gelang es den Emigranten, einen wichtigen Beitrag zur Konzeption und zum Design moderner illustrierter Sachbücher zu leisten.

 

Abbildungen: Otto and Marie Neurath Isotype Collection, University of Reading

Das Projekt wurde durch Stipendien des Deutschen Historischen Instituts London und Washington unterstützt.

Institution: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Buchwissenschaft

Thema: Das populäre illustrierte Sachbuch

Betreuer: Prof. Dr. David Oels

Projektlaufzeit: 2012-2015

Silke Körber, M.A.

Silke.Koerber[at]web.de

 

 

[1] Siehe Paul Raabe, Das Buch in den zwanziger Jahren, Wolfenbütteler Schriften für Geschichte des Buchwesens, Bd 2., Hg. von P. Raabe, Hamburg 1978, S. 19.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/12/08/unterhalten-und-informieren/

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 8

Wer sich schon immer gefragt hat, was das Hathi in HathiTrust bedeutet, sollte das achte Türchen des DH-Videoclip Adventskalenders öffnen – und alle die an einer kurzweiligen Vorstellung dieser tollen Sammlung interessiert sind natürlich auch:

The HathiTrust Digital Library, a collection of digitized works, was created by a collaboration of over 60 partner libraries. HathiTrust preserves content as well as provides access to public domain works to participating institutions. For more information about HathiTrust Digital Library, visit http://www.hathitrust.org. (Quelle: YouTube http://youtu.be/meNQpnNX8FY)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4388

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Visionen aus der Studierstube

Bernd Sommer, Harald Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München: oekom verlag 2014.

Transformationsdesign verstehe sich auch als „Resilienzforschung und Resilienzgenerator“, schreiben Bernd Sommer und Harald Welzer auf Seite 116 – „als Mittel zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Widerstandsfähigkeit“. Die Diagnose, auf die sich dieses Buch stützt, ist nicht neu: „Die zukunftsvergessene und innovationsversessene Kultur des unbegrenzten Wachsens und Konsumierens ist ein Endzeitphänomen“ (S. 10). Mit etwas weniger Fremdwörtern: Es geht zu Ende mit dem Überfluss, in dem wir leben. Kaufen, kaufen, kaufen und jeden Euro, der übrig bleibt, jede gewonnene Kilowattstunde, jedes gesparte Stück Material in eine neue Reise, ein neues Gerät investieren: Damit ist es vorbei. Sommer und Welzer sprechen von „struktureller Nicht-Nachhaltigkeit“ und widmen „Klima, Krisen und Katastrophen“ folgerichtig ein ganzes Kapitel (S. 27-37), gefolgt von einem Abschnitt über die „imperiale Lebensweise“ (S. 37-43). So weit, so bekannt.

Sommer-Welzer-2014-TransformationsdesignWas dann folgt, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Aufruf zur Revolution von oben. Da der Crash unausweichlich sei, bleibe nur eine Frage offen: Transformation „by design or by desaster“ (S. 11)? Antwort eins gibt der Buchtitel. Antwort zwei: Wir (also die aufgeklärten Eliten) müssen uns darauf einigen, wie die Zukunft aussehen soll. Sommer und Welzer schlagen eine Art Quadratur des Kreises vor (S. 47): den „Zivilisierungsstandard“ bewahren, den uns die „kapitalistische Wachstumswirtschaft“ beschert hat (ein Standard, zu dem offenbar auch eine komplexe Sprache gehört), und trotzdem wegkommen vom Immer-weiter-Wachsen. Voraussetzung: die Bereitschaft, „sich selbst zu deprivilegieren“ (S. 49). Puh. Bei Armin Reller, der sich für seine Stoffgeschichten mit der Journalistin Heike Holdinghausen verbündet hat, wird ausgesprochen, was das bedeutet: keine Bockwurst mehr für 1,50 Euro, nur alle paar Jahre ein neues Handy und öfter beim Schuster um die Ecke als im Designerladen, der den neuesten Schrei aus Italien oder Asien anbietet. Der geschenkte Planet oder Wir konsumieren uns zu Tode informieren besser über „Transformationsdesigns“ als das Buch, das diesen Namen trägt.

Immerhin: Sommer und Welzer bieten einen schönen Abriss über Umwälzungen in der Vergangenheit (neolithische und industrielle Revolution, Abolitionismus, Frauen- und Gleichstellungsbewegungen). Und (noch besser): Sie nehmen die Visionen auseinander, die den Diskurs im Moment beherrschen. Technik, alles verrechnen (auch die Umweltschäden), grünes Wachstum: Nichts davon wird funktionieren. Nicht mal Müll trennen, Radfahren und vegan essen. Alles umsonst, was in „ein verändertes Bewusstsein“ investiert wurde, sagen Bernd Sommer und Harald Welzer, solange eine „gesellschaftliche Gesamtpraxis“ regiere, „in der nichts nachhaltig ist“ (S. 38).

Wer ohnehin Probleme mit Veggie-Day und grünen Besserwissern hat, mag sich über solche Sätze freuen. Zu Ende gedacht ist das aber nicht, schon gar nicht in dem Theoriekontext, in dem sich dieses Buch bewegt. Sommer und Welzer beschreiben sozialen Wandel mit der Soziologie von Norbert Elias. Das passt einerseits, weil es bei Elias um Macht geht, um Pfadabhängigkeit und um Positionsverluste. Wenn eine Gruppe aufsteigt, verliert unweigerlich eine andere. Andererseits lassen sich „die Strukturen der menschlichen Psyche“ in dieser Theorie nicht ohne „die Strukturen der menschlichen Gesellschaft“ verstehen – und umgekehrt: Die „Praktiken und Normen einer jeweiligen Gesellschaftsformation“ prägen „auch die Innenwelten ihrer Mitglieder“ (S. 105). Übersetzt: Es lohnt sich doch, in das Bewusstsein zu investieren. Die vielen Beispiele im zweiten Teil des Buchs (von Linux über Wikipedia bis zum Spindelrasenmäher, von dem Sommer und Welzer gar nicht genug bekommen können) zeigen, dass die Transformation längst läuft, ganz ohne Design aus den Studierstuben.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/334

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Bibliotheken als Forschungsinfrastruktur – ein Blick in die aktuelle Ausgabe der ZfBB

Die Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) bietet in ihrer jüngsten Ausgabe (4-5-/2014) ein Themenheft zum Thema Forschungsinfrastruktur. 30 Autoren diskutieren hier in 20 Beiträgen über die jüngeren Entwicklungen und Herausforderungen, die sich aus der digitalen Umgestaltung der Forschungslandschaft  für Bibliotheken ergeben. Ein Blick in die Aktivitäten der Bibliothekswelt ist auch für DH interessant, reklamieren sie doch mit dem Begriff  der Bibliothek als “Forschungsinfrastruktur” eine zentrale Aufgabe für sich, die auch für die Digital Humanities essentiell ist. Ich will hier nur auf einige für DH interessante Punkte und Themen aufmerksam machen und nicht auf jeden Beitrag intensiv eingehen.
Erfrischend deutlich äußern sich Felix Lohmeier  und Jens Mittelbach zur Frage von Open Access. OA sei eine Verpflichtung für die Bibliothek. Kritisch wird die Rolle der Bibliotheken analysiert, die sich zum “Erfüllungsgehilfen der  Monetarisierung” der Information durch pay walls gemacht (210) und sich zu lang auf “die dysfunktionalen Strukturen der deutschen Bibliotheksverbünde” (ib.) verlassen haben, eine Auffassung, die auch Rafael Ball vertritt, wenn er konstatiert, dass die Bibliotheksverbünde den heutigen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden (268) . Lohmeier und Mittelbach fordern die “Befreiung bibliografischer Daten” und ein “strategisches Bekenntnis zu Linked-Data-Technologien” (211). Mit der Verwendung “unfreier Lizenzen für Digitalisate” und  “Publikationen in Closed Access Journals” (213) müsse Schluss gemacht werden. Die Autoren versäumen nebenbei nicht, darauf hinzuweisen, dass sie sich des Problems bewusst sind, dass ZfBB selbst eine 12 monatige Embargofrist hat. Sven Fund setzt dem die Perspektive der Wissenschaftsverlage, wo nicht entgegen, so doch zumindest zur Seite, indem er konstatiert, dass Verlage und Bibliotheken “auch in Wettbewerb zueinander getreten” sind (208).  Der Beitrag  von Wolfram Horstmann, Wouter Schaller, Jarko-Siren und Carlos Morais-Pires weist darauf hin, dass Bibliotheken Services wie “computing resources, fast networks as well as information storage, access and managment structures” bereithalten müssen. Bibliotheken fungieren als  “sustainable hosts” (S 216) für Publikationen, und Bibliothekare “can become stewards who provide a sustainable basis for data scientists” (217) und “libraies build virtual teams with research offices and computing centers both on a local and a global level” (218). Weit fortgeschritten sind die Organisationstrukturen beim Datenmangement  in den Naturwissenschaften wie der Beitrag von Dallmeier-Tiessen und Salvatore Melle aus dem Blickwinkel der Physik und an dem auch für DH lehrreichen Beispiel von INSPIRE zeigt (221). Wolfgang Neubauer demonstriert an Hand der ETH Zürich, wie “soweit als möglich auf elektronsche Angebote gesetzt wird” (227) und Strukturen für die Langzeitarchivierung (228) und digiatale Mehrwertdienste, wie es so schön heisst, geschaffen werden. Klaus Ceynowa von der Bayerischen Staatsbibliothek in München formuliert die Vision einer Bibliothek, die sich der Kuratierung des unendlichen Linked-Open-Data Raums annimmt und die Handlungsfelder knowledge streams statt knowledge items als Aufgabe erkennt (236). Achim Bonte fordert ein entschiedens Umschichten des “Humankapitals” der Bibliotheken, um ihre neuen digitalen Services nicht weiterhin “befristet Beschäftigten oder Fremdfirmen” zu überlassen (241). Frank Scholze sieht die Bibliotheken beim Forschungszyklus von der Publikation bis zur Datensicherung in der Pflicht (243). Christian Gumpenberger, Martin Wieland und Juan Gorraiz identifizieren in der Bibliometrie einen wichtigen Beitrag zur Szientometrie (247). Den Brückschlag zu den DH unternehmen Beiträge von Gerhard Lauer, der sich Bibliotheken wünscht, die den Aufbau von Textkorpora unterstützen (252),  und auch der Beitrag von  Jan Christoph Meister und Joachim Veith – beide Vorstandsmitglieder des DHd -, die neue Kooperationsformen im Dreiecksverhältnis von “Fachdisziplin, Informatik und Bibliotheken” (265) sehen. Sven Strobel und Marget Plank eröffnenen neue Perspektiven für die Nutzung bibliothekarischer Instrumente wie der GND, die an der TIB Hannover in einem automatischen Verfahren zur Verschagwortung von Videos eingesetzt wird (254ff.) Klaus Tochtermann betont die Nützlichkeit offener wissenschaftlicher Kommunkationsformen wie de.hypotheses.de, nicht ohne auf problematische rechtliche Aspekte hinzuweisen, die sich mit der Nutzung von z.B. dropbox verbinden (260). Auch die Frage der Langzeitsicherung kommt im Beitrag von Achim Osswald vor allem aus der wissenschaftlichen Perspektive zu Worte (271). Abgerundet wird der Blick auf die Entwickung der Forschungsinfrastrukturen durch Artikel von Claudia Labisch zur europäischen ESFRI Initative und Anne Lipp zur Rolle der DFG in der Entwicklung und Förderung von modernen Forschungsinfrastrukturen. Diese knüpfen gewissermassen zirkulär an die ersten Beiträge von Silviana Galassi vom Wissenschaftsrat und den Beitrag von Sabine Brünger Weilandt, vom FIZ Karlsruhe, an, in denen u.a. der neu gegründete Rat für Informationsinfrastrukturen erläutert wird.

Auch wenn diese Beiträge – teils selbstwidersprüchlich – in einem subskriptionsbasierten Publikationsorgan erschienen sind, das angesichst neuer bibliothekarischer Angebote wie o-bib oder informationspraxis hoffentlich bald der Vergangenheit angehört, lohnt sich ein Blick in dieses Heft, nicht nur, weil es die Herausforderungen zeigt, vor denen Bibliotheken angesichts des digital turn stehen, sondern auch, weil es deren Bereitschaft erkennen lässt, alte Zöpfe abzuschneiden und sich auf neue Entwicklungen einzulassen. Die Bibliotheken empfehlen sich selbst mit Themen wie Open Access, Publikationsplattformen, LOD, Langzeitarchivierung, stewardship für digitale Fragestellungen, etc. als Partner der digitalen Forschung, näher den DH. Die digitale Forschung  sollte sie beim Wort nehmen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4412

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Der Linzer Marienaltar

Die katholischen Kirchen der Stadt Linz beherbergen mit dem Marienaltar und dem Gnadenstuhl zwei bedeutende spätgotische Altäre. Beide wurden ursprünglich für die 1462 geweihte und 1818 abgebrochene Ratskapelle auf dem Marktplatz gestiftet. Nach deren Abriss kam der Marienalter in die Martinskirche und diente dort mit Unterbrechungen bis 1953 als Hochaltar. Seit 1967 ist das Triptychon Hauptaltar der Linzer Marienkirche. Nach einer umfassenden Restaurierung vor einigen Jahren erstrahlt er heute wieder in leuchtenden Farben.

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Das Programm des Retabels ist nicht eindeutig, da es weder die Bildfolge eines Marienlebensaltars noch die eines Altars der Sieben Freuden Mariä genau trifft, weshalb es allgemein als Marienaltar bezeichnet wird. Bei geschlossenen Flügeln ist links eine Verkündigung Mariä zu sehen; über der Fensterarkade findet sich die Jahreszahl 1463, das Fertigstellungsdatum des Altars.

Geöffnet zeigt das Triptychon auf dem linken Innenflügel eine Verkündigungsszene, bei der Maria in der Kleidung einer Magd ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß hält. Auf der Mitteltafel sind oben in einer herrschaftlichen Rundbogenarchitektur die Geburt Christi und die Anbetung der Heiligen Drei Könige zu sehen, unten die Darbringung im Tempel sowie die ungewöhnliche Darstellung des auferstandenen Jesus, der mit Maria auf einem Thron sitzt, umgeben von singenden und musizierenden Engeln.

Marienaltar, linke Tafel, Außenseite
Marienaltar, rechte Tafel, Außenseite
Marienaltar, linke Tafel, Innenseite
Marienaltar, rechte Tafel, Innenseite

Der rechte Innenflügel zeigt auf ungeteiltem Goldgrund unten die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten und darüber eine trinitarische Marienkrönung. Maler des Marienaltars wie auch des Gnadenstuhls ist der so genannte Meister der Lyversberg-Passion, der um 1460 in Köln auftrat. Die beiden Linzer Altäre sind die ersten großen Werke dieses Künstlers und in der langen kölnischen Maltradition verwurzelt.

Marienaltar, Mitteltafel, oben links
Marienaltar, Mitteltafel, oben rechts
Marienaltar, Mitteltafel, unten links
Marienaltar, Mitteltafel, unten rechts

Als Stifter des Marienaltars gilt allgemein der Auftraggeber des Gnadenstuhls, Propst Tilmann Joel von Linz. Wilfried Podlech stellte dies jedoch nach der Restaurierung des Altars aus mehreren Gründen in Zweifel: Die Stifterfigur auf dem Marienaltar zeigt im Gegensatz zu der auf dem Gnadenstuhl einen jüngeren Mann.

Marienaltar, Stifterbild (Johannes Ruysch?)

Marienaltar, Stifterbild (Johannes Ruysch?) 

Da beide Werke jedoch nahezu zeitgleich entstanden sind, kann es sich somit nicht um ein und dieselbe Person handeln, zumal es ungewöhnlich erscheint, dass ein Stifter zwei große Altarwerke gleichzeitig in Auftrag gibt. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, dass zwar beide Werke das von Tillmann Joel verwendete Rosenwappen zeigen, jedoch auf dem Gnadenstuhl mit einer goldenen und auf dem Marienaltar mit einer roten Rose. Das Marienretabel wurde zudem erst zwei Jahre nach dem Tod Tillmann Joels vollendet, die Stifterfigur ist jedoch als lebende Person gekennzeichnet.

Gnadenstuhl, Stifterbild (Tillmann Joel)

Gnadenstuhl, Stifterbild (Tillmann Joel)

Aus diesen Indizien schloss Podlech, dass nicht Tillmann Joel, sondern sein Neffe Johannes Ruysch, ein Sohn seiner Schwester Lucia, der Stifter des Marienaltars ist. Johannes Ruysch diente ebenso wie sein Onkel und sein älterer Bruder Jakob als kurkölnischer Kanzler und wird in den Quellen als Rektor der Linzer Pfarrkirche genannt. Marienaltar und Gnadenstuhl wären somit als Familienstiftung zweier bedeutender Söhne der Stadt Linz zu sehen.

Gnadenstuhl

Quelle: http://archivlinz.hypotheses.org/447

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 7

Passend zum 2. Advent gibt es ein biblisches Thema, The Leon Levy Dead Sea Scrolls Digital Library, zwar schon vor gut zwei Jahren vom Israel Antiquities Authority Official Channel veröffentlicht aber immer noch sehenswert.

The Israel Antiquities Authority (IAA) is very proud to present the Leon Levy Dead Sea Scrolls Digital Library, a free online digitized virtual library of the Dead Sea Scrolls. Hundreds of manuscripts made up of thousands of fragments — discovered from 1947 and until the early 1960’s in the Judean Desert along the western shore of the Dead Sea — are now available to the public online. The high resolution images are extremely detailed and can be accessed through various search options on the site. (Quelle: http://youtu.be/Yp6nLMPt-og)

Wer noch mehr zum Projekt erfahren und vor allem das digitale Archiv durchstöbern möchte kann das unter: http://www.deadseascrolls.org.il/

Jetzt aber erstmal viel Spaß beim Schauen des Videos und einen schönen zweiten Advent!

 

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4382

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 6

Grau und kalt ist das Wetter an diesem Nikolaustag – Zeit für ein Video aus südlicheren Gefielden. Die Universität La Sapienza in Rom macht zwar mit ihrem Bewerbungsvideo “Sapienza University for Digital Humanities” für die DH 2016  mehr Lust auf Urlaub als auf Arbeit, aber schließlich ist ja Wochenende.

Wer allerdings etwas über die Digital Humanities in Rom / Italien erfahren will, wird leider vor eine kleine Geduldsprobe gestellt, erst kommt ein Sightseeing-Teil (Minute 00:08 bis 01:02) und anschließend ein Image-Teil der Uni (Minute 01:03 bis 02:37).

Für die Bewerbung als Ausrichtungsort der Digital Humanities Konferenz 2016 hat es nicht gereicht, die ADHO hat sich für Krakau entschieden. Aber da ist es ja auch schön.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4380

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Die Wissenschaft vom Multitask

Wenn ich als Kind gerade nicht Schriftsteller werden wollte, war definitiv Wissenschaftler mein Berufswunsch. Ich weiß nicht, ob es euch auch so ging, aber ich hatte da einen verschrobenen Geist vor Augen, der sich 24 Stunden täglich und an sieben Tagen in der Woche um eine Forschungsfrage kümmern kann, die er dann irgendwann löst. Und wenn ich mir jetzt meine tägliche Arbeit so anschaue, muss ich feststellen, dass die Wirklichkeit bei mir - wie bei eigentlich allen Kolleg|inn|en in meinem näheren Umfeld - doch ein wenig anders aussieht.

Ich will hier jetzt gar nicht das große Klagelied anstimmen, dass ja sowieso immer alles auf den Mittelbau abgewälzt wird, der dazu meist noch unter dem Damoklesschwert der Befristung darbt. Nein, ich glaube, insgesamt geht es sicher auch der Professor|inn|enschaft nicht besser, die zwischen Lehre und administrativen Aufgaben auch um Zeit ringen muss, sich mit der eigenen Forschung beschäftigen zu können (was der PHD-Comic ganz nett einfängt, wobei der eher die amerikanischen Hochschullehrer abbildet).

PHD comics by Jorge Cham
www.phdcomics.com

Da meine Aufgaben in letzter Zeit immer mehr zerfaserten, musste ich eine Organisationsstruktur zurechtlegen, die mich überall einigermaßen auf dem Laufenden halten kann, welche Aufgaben dringend der Behandlung bedürfen, ohne aus den Augen zu verlieren, was noch so alles erledigt werden muss. Was habe ich nicht alles ausprobiert - Tafelbilder auf dem Whiteboard hinter mir oder Task-Listen auf Schmierzetteln vor mir festgehalten, e-Mails sortiert, zweistellige Zahlen von Google-Docs angelegt und dazu To-Do-Listen auf unterschiedlichen Plattformen ausprobiert. Momentan bin ich dabei angekommen, auf Evernote je eine Notiz zu allen verschiedenen Aufgaben, die ich im Moment betreue, anzulegen und dort wichtige Termine und ToDos festzuhalten. Momentan liegen in dem Ordner zehn dieser gegliederten Notizzettel. Über jeden dieser Zettel könnte ich eigentlich mal einen Blogpost schreiben, es sind durchweg interessante Aufgaben, denen ich aber leider immer nur einen Teil meiner Zeit opfern kann.

Da muss ich z.B. meine Lehrveranstaltungen vorbereiten, managen und eventuelle Prüfungsleistungen korrigieren. Mit dem Kollegen dessen Dissertation besprechen. Oder den BA-Studiengang Informationsverarbeitung für die Re-Evaluierung neu strukturieren. Den MA-Studiengang als 1-Fach-Master völlig neu konzipieren, Austauschmodule zu anderen Studiengängen entwerfen und absegnen. Mit meinen Kollegen Überlegungen zur strategischen Ausrichtung des Institutes anstellen, mit verwandten Fachbereichen Kooperationen absprechen, überlegen, wie wir uns besser in das Cologne Center for e-Humanities eingliedern, und ob ich dort meine Pflichten als stellvertretender Sprecher irgendwie besser ausfüllen könnte. Mögliche Forschungsprojekte ausdenken, ausgedachte anschieben, angeschobene beantragen, bewilligte beaufsichtigen, weiterdenken, Zwischen- und Abschlussberichte verfassen, Ergebnisse veröffentlichen, diverse Formblätter zur Drittmittelanzeige, zur Vollkostenkalkulation, zur Rechnungsstellung ausfüllen, vom Justiziariat belehrt werden, was der Unterschied zwischen Auftragsforschung und Kooperationsverträgen ist, Meetings ansetzen mit Projektmitarbeiter|inne|n, mit unseren Admins, mit dem gesamten Lehrstuhl, mit dem gesamten Institut, mit der CCeH-Geschäftsführung. Dazu irgendwie auf dem Stand der Forschung bleiben in so hochdifferenzierten und weitläufigen Bereichen wie der Computerlinguistik, der Softwaretechnologie und der Wissenschaftskommunikation.

Noch einmal: Ich will nicht jammern, im Gegenteil bin ich in meinem Job wirklich glücklich (gut, ohne Befristung schliefe ich besser). Man muss halt Kompromisse oder Synergien finden - eine Lehrveranstaltung bspw. an ein Thema koppeln, zu dem man gerade ein Projekt leitet. Projekte anschieben, die kompatibel mit dem eigenen Forschungsvorhaben sind. Teile der eigenen Forschung in davon unabhängig gestellte Projekte einbringen. Delegieren, netzwerken, den Überblick behalten. Ich war nie ein besonders guter Multitasker und ich werde es vermutlich auch nie werden. Mit der Nutzung geeigneter Software (Evernote für mich, Google Drive für die Bearbeitung gemeinsamer Dokumente, mitunter, wenn viel Kleinkram auf einmal kommt, auch eine ToDo-Liste wie Wunderlist) ist es mir aber in Teilen möglich, die Multitasks auf eine Reihe von Einzeltasks aufzuteilen, die mein Hirn nicht überfordern. Auch wenn ich froh sein werde, wenn die aktuellen Notizzettel weniger werden sollten, kann ich so noch eine Weile produktiv (Selbstbild) arbeiten. Immerhin hatte ich ja Zeit, diesen Blogpost zu schreiben. Und bald sind ja auch Weihnachtsferien, in denen man dann all das, was in den letzten Monaten hinten runter gefallen ist, aufarbeiten kann...

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1208

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Bildungsarbeit am Norbert Wollheim Memorial – zur Parallelität von Erfahrungs- und Ereignisgeschichte

Norbert Wollheim steht für den Kampf ehemaliger Zwangsarbeiter um Entschädigung in der frühen Bundesrepublik. Im Jahr 2008 wurde das Norbert Wollheim Memorial direkt neben dem IG Farben Haus eröffnet.

ReferentIn: 
Dagi Knellessen
Datum: 
7 Januar, 2015 - 17:00

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Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/12151

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