Kommentar zu Markus Bernhardt “Erinnerungsorte, Eintracht Braunschweig und der Geschichtsunterricht”

[Autor: Sven Ehlert | Studierender | Universität Duisburg-Essen

Kommentar zum Blogeintrag: Bernhardt, Markus: Erinnerungsorte, Eintracht Braunschweig und der Geschichtsunterricht. In: Public History Weekly 1 (2013) 12, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-751.

In Fanchoreographien wird das Anspruchsdenken, den eigenen Fußballverein als eine über Zeiten hinweg bestehende Konstante zu betrachten, deutlich: „So ist es schon seit Opas Zeit – schwarz-weiß bis in die Ewigkeit“[1]. Diese spezielle Wahrnehmung kann, wie von Markus Bernhardt in seinem Beitrag hervorgehoben wird, hervorragend dazu genutzt werden, im Geschichtsunterricht lokale Gegebenheiten in einen breiteren historischen, über das Lokale hinausgehenden, Kontext zu stellen.

Ein Fußballverein als Erinnerungsort, den man meines Erachtens nach durchaus besuchen kann, sei es durch das Betreten der Heimstätte, dem intensiven Austausch mit Anhängern dieses Erinnerungs-„kultes“, dem simplen Auseinandersetzen mit einem Fußballverein und seiner Geschichte oder durch den Besuch eines historisch aufbereiteten Fußball- beziehungsweise Vereinsmuseums, kann dazu dienen, die kollektivstiftende Wirkung eines Fußballclubs zu erfassen und „subjektiv aufzuladen.“

An dieser Stelle kann im Geschichtsunterricht angesetzt werden. Über die eigenen Eindrücke als Bezugspunkt kann vom eigenen Verein des Schülers her eine Brücke geschlagen werden zu (über-)regionalen und anderen lokalen Phänomenen und im Zuge dessen ein historisches Sujet abgehandelt werden. So könnte von einer lokalen Institution (wie es in Markus Bernhardts Beitrag etwa Eintracht Braunschweig ist) auf ein europäisches Spannungsfeld verwiesen werden, um in eine Thematik des Blocks „Das ‘kurze’ 20. Jahrhundert“ einzuführen.

Im Rahmen deutsch-spanisch bilingualen Geschichtsunterrichts soll laut Kerncurriculum in NRW „Der spanische Bürgerkrieg und Spanien nach 1945“ durchgenommen werden[2], somit könnte einer Unterrichtseinheit durchaus explizit die Rolle der katalanischen Nation innerhalb der Franco-Diktatur gewidmet werden. Das besondere Verhältnis der katalanischen Metropole Barcelona und der Zentralregierung Spaniens in Madrid spiegelt sich im Fußball zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid während der Franco-Diktatur wider und sorgt auch heutzutage im Zuge des diesjährigen Referendums zur Abstimmung eines unabhängigen Kataloniens noch für Gesprächsstoff. Verwiesen sei an dieser Stelle auf die besondere Rolle der Spielstätte des FC Barcelona: während des Francoregimes fungierte das Camp Nou als Forum für die katalanische Gesellschaft, hier konnte die eigene Sprache gesprochen werden, die zu dieser Zeit verboten war, die katalanische Flagge gezeigt und auch politisch kontrovers diskutiert werden, ohne Sanktionen durch den Staatsapparat zu fürchten.

Auf diese Art und Weise wird ein spezieller Ort, nämlich das Stadion Camp Nou, zu einem signifikanten Erinnerungsort einer Nation. Die Erzählungen über den eigene Widerstand zu Zeiten der Diktatur und die erlittene Repression der eigenen Sprache wird zentraler Gegenstand der eigenen Identität. Der Erinnerungs-„Ort“ ist hier nicht mehr nur metaphorisch zu verstehen. An dieser Stelle wird die Rolle eines Fußballvereins als Brennglas einer Nation hervorgehoben, dessen Bedeutung überregional Gehör findet und über die lokale Identitätsstiftung hinaus geht. Genau derartige Anekdoten können dem Geschichtsunterricht ein breiteres Spektrum ermöglichen, die Geschichte eines Landes „von einer anderen Seite“ aufzugreifen. Die Eigenzuschreibung „Més que un club“ (Mehr als ein Klub) zu sein verdeutlicht einerseits die Bedeutung des Vereins für die katalanische Nationalbewegung, andererseits können diese Worte im Zuge der voranschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs eher als schlichter Slogan verstanden werden.

Ein erster Blick auf die Inhaltsfelder für die gymnasiale Oberstufe des Landes NRW und deren Umsetzung in den ersten Konzepten diverser Schulbuchverlage verdeutlicht, dass der Fußball im modernen Geschichtsunterricht angekommen ist. Für das Inhaltsfeld I „Fremdsein, Vielfalt und Integration – Migration am Beispiel des Ruhrgebiets im 19. und 20. Jahrhundert“ wird unter dem Schlagwort „Erinnern“ ein Schwerpunkt gelegt auf die Entwicklung des Fußballs im Ruhrgebiet im Zuge der Zuwanderung polnischsprachiger Flüchtlinge im Laufe des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Ein (weiteres) Indiz für das steigende Interesse an der eigenen lokalen Vergangenheit und der Bewusstwerdung der Bedeutung des eigenen Fußballvereins ist sicherlich die seit dem Ende der 1990er Jahre in Deutschland entstandene und mittlerweile weit verbreitete Ultrà-Kultur, die es Jugendlichen ermöglicht, aktiv am Vereinsleben teilzuhaben und somit dessen eigene Motivation hervorhebt, an geschichtsträchtigen Momenten und neuen Episoden des Erinnerungsortes zu partizipieren und Geschichte „mitzuschreiben“.

[1]Fankurve von Borussia Mönchengladbach im ersten Spiel der Bundesliga-Saison 2010/11 gegen den 1.FC Nürnberg, online einsehbar unter: http://nordkurvenfotos.de/?p=69.

[2]Vorgaben zu den unterrichtlichen Voraussetzungen für die schriftlichen Prüfungen im Abitur in der gymnasialen Oberstufe im Jahr 2014, online einsehbar unter:

https://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur-gost/getfile.php?file=3116, S.4.

Quelle: http://zwopktnull.hypotheses.org/180

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App “American Way”

[Autorin: Ann-Kathrin Bauroth | Studierende | Universität Duisburg-Essen]

Die App „American Way“ wurde für die Ausstellung „The American Way. Die USA in Deutschland.“ konzipiert. Das ’Sichtfenster’ der App im App-Store bietet unter anderem Informationen über den Anbieter (beier und wellach projekte), den Entwickler (siehe Anbieter), den Herausgeber (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland), Altersfreigabe (4+), eine kurze Beschreibung, vier Bilder, etc. Weitere und ausführlichere Informationen findet man in der App selbst, gut sichtbar am unteren linken Rand, unter dem Button „Information“. Hier befinden sich die Rubriken: „Information“, „Zur Ausstellung“, „Zur App“, „Stiftung Haus der Geschichte“, „Impressum“ und „Bilderrechte und Lizenzen“.

In der App werden, stellvertretend für die anderen 1.000 Exponate, 18 ausgewählte Objekte ’ausgestellt’. Außerdem haben die Nutzer die Möglichkeit die ausgewählten Objekte ausführlich zu untersuchen. Zu sehen sind unter anderem ein Zigarettenetui, eine Fotografie von Präsident J. F. Kennedy, uvm. Jedes Objekt verfügt über 2-3 Vertiefungsebenen. Eine davon löst „Hotspots“ (rote Kreise) aus. Diese bieten entweder Informationen direkt zum Objekt, soziale bzw. geschichtliche Einordnungen oder weiterführende Informationen. Einige Objekte sind außerdem mit Audio- oder Videodateien verlinkt. Durch eine Verlinkung bei dem Objekt „Jukebox“ kann man sich zum Beispiel Elvis Presleys Version des deutschen Liedes „Muss I denn“ anhören, eine weitere Verlinkung auf dem Poster zu dem Thema „Der Marshallplan“ zeigt eine Videoaufnahme der Deutschen Wochenschau aus dem Jahre 1951, mit dem Titel „Europa-Zug startet zur Europa-Fahrt“.

Wie schon erwähnt, verfügt jedes Objekt über 2-3 Vertiefungsebenen:

  1. Objekt erforschen: von hier gelangt man zu den Hotspots
  2. Zeitstrahl: über diese Aktion gelangt man zu bis zu sechs verschiedenen Daten und den dazugehörigen Informationen, welche in Verbindung zu dem ausgewählten Objekt stehen
  3. Objekt drehen: durch die Auswahl dieser Aktion ist man in der Lage das ausgewählte Objekt horizontal zu drehen, wobei diese Option nicht bei jedem Objekt verfügbar ist

Durch eine Navigationsebene im unteren Bereich des Bildschirms kann man Miniaturansichten der verschiedenen Objekte sehen und diese von hier auswählen, wobei man auch durch die „Wischtechnik“ von einem zum anderen Objekt gelangt. Außerdem kann jedes Element beliebig vergrößert werden. Sowohl die Vertiefungsebene als auch die Navigationsebene kann so minimiert werden, dass sie kaum noch auf dem Bildschirm wahrnehmbar ist und alleine das Objekt diesen ausfüllt.

Nach einer genauen Begutachtung der App komme ich zu dem Schluss, dass die Hersteller bei der Entwicklung eine gute Leistung erbracht haben. Die App scheint qualitativ auf einem hohen Niveau zu sein und bietet dem Nutzer viele Möglichkeiten die Objekte zu untersuchen. Sehr interessant finde ich vor allem die Hotspots und deren weiterer ’Zugaben’ (weitere Bilder, Tonaufnahmen, Videos, etc.). Die Benutzung der audiovisuellen Sinne empfinde ich als gute Kompensation dazu, dass man das Objekt eigentlich nicht vor sich stehen hat, wie es bei einem realen Museumsbesuch der Fall wäre. Außerdem unterstreichen diese Zusätze die Emotionalität mancher Bilder bzw. Fotografien, wie zum Beispiel das Video von J. F. Kennedys Rede vom 26. Juni 1963 in Berlin, welche sich in einem Hotspot zu einer seiner Fotografien befindet.

Die Benutzung dieser App setzt zwar einen Fokus auf die Weiterbildung des Nutzers, doch hat man nicht das Gefühl, dass man es mit einer reinen Lern-App zu tun hat. Dies sehe ich als großen Pluspunkt, da dies, im Hinblick auf jüngere Nutzer, nicht abschreckend wirkt. Dies führt mich zu den einzigen beiden Punkten, die ich leicht ’kritisieren’ könnte, wobei es sich nicht wirklich um eine Kritik handelt. Im Hinblick auf die Altersfreigabe von 4+, stellt sich mir die Frage, ob ein Kind von 5 Jahren die App nutzen könnte bzw. Interesse daran hätte. Hierfür ist die Optik und Gestaltung zu sehr für Jugendliche und Erwachsene ausgelegt. Und auch der zweite Punkt ist weniger eine Kritik als ein Feststellung oder ein Wunsch. Es hätten meiner Meinung nach ruhig mehr als 18 ausgewählte Objekte in der App gezeigt werden können. Im Ganzen ist die App sehr gelungen, unter anderem auch dadurch, dass die Entwickler und Hersteller darauf geachtet haben, genaue Angaben zu der App zu machen und auch die Bildrechte und Lizenzen hier veröffentlicht haben, was der App viel Seriosität verleiht.

Quelle: http://zwopktnull.hypotheses.org/178

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Emser Depesche: Die Berliner Entzifferung

In der letzten Folge haben wir untersucht, was Abeken in Ems auf’s Telegrafenamt bringen ließ. Nun geht es um das Produkt, das in Berlin Bismarck serviert wurde – was ganz wörtlich gemeint ist.

“Während der Unterhaltung wurde mir gemeldet, daß ein Zifferntelegramm, wenn ich mich recht erinnere von ungefähr 200 Gruppen, aus Ems, von dem Geheim-Rath Abeken unterzeichnet, in der Übersetzung begriffen sei”. (Bismarck, hg. v. Ritter/Stadelmann 1932: 308; auch bei Walder 1972: 172 und im Digitalisat der verbreiteten Ausgabe Kohls).

In Bismarcks Dienstwohnung im Auswärtigen Amt saßen er, Roon und Moltke nämlich beim Abendessen in äußerst trüber Stimmung zusammen, bis die Entzifferung, die schließlich herein gereicht wurde, die Wolken schlagartig lichtete. Die Episode gehört zu den berühmtesten in Bismarcks Memoiren.

Was wurde ihm da herein gereicht? Ein Telegramm doch wohl. Das ist unbestreitbar, hat aber kein analytisches Potential. Die einfache Frage “Was ist das?” gehört zu den schwierigsten der Aktenkunde. Man kann dieses Teilgebiet der “Systematischen Aktenkunde” auch übertreiben. Aber es sollte einleuchten, dass Benennungen vorzuziehen sind, die etwas aussagen. Das ist bei “Telegramm” nicht der Fall, denn im Grunde konnte jeder zu jedem Zweck ein Telegramm versenden.

Die Aktenkunde sortiert die Fülle der Stilformen, in denen Schriftstücke auftreten können, nach dem Verhältnis von Absender und Empfänger einerseits und der Funktion des Geschriebenen andererseits (Beck 2000: 68). Im Normalfall des Schriftverkehrs bürokratischer Apparate gibt es zwischen beiden Perspektiven keinen Widerspruch; um die Ausnahmen wurden aktenkundliche Glaubenskriege geführt, die uns hier nicht interessieren).

Hier liegt uns ein Bericht vor, verfasst von einem Beamten für seinen Vorgesetzten, um ihm einen Sachverhalt – nun ja: zu berichten (das Kriterium “Funktion” kann schrecklich banal sein). Der Telegraph ist dafür nur der Übermittlungsweg. Wäre es nicht auf Geschwindigkeit angekommen, hätte Abeken seinen Bericht auch per Kurier (“reitenden Feldjäger”) absetzen können. Man kann von einem Bericht in Form eines Telegramms sprechen (Kloosterhuis 1999: 540). Das mag umständlich anmuten, sagt aber bereits einiges über das Schriftstück aus.

Oder man entlehnt den jüngeren, prägnanten Ausdruck “Drahtbericht” (Beuth 2005: 122 f.). Wohlgemerkt ist das ein Anachronismus: Die Beamten des Auswärtigen Amts sprachen schlicht von Telegrammen (Meyer 1920: 17). Aber zeitgenössische Selbstbezeichnungen von Schriftstücken taugen selten als trennscharfe Forschungsbegriffe (Beck 2000: 69).

Mit den Besonderheiten der telegrafischen Übermittlung befassen wir uns in der nächsten Folge. Jetzt geht es um die charakteristischen Merkmale der vorliegenden Überlieferungsform, der Entzifferung, die das Gegenstück zu Abekens Konzept darstellt.

Normalerweise ist das Gegenstück zum Konzept die Ausfertigung, die man “behändigt” nennt, wenn der Empfänger darauf Vermerke angebracht hat. Bei chiffrierten Telegrammen war die Ausfertigung im herkömmlichen Sinne, also das, was beim Telegrafenamt erstellt wurde, aber ein Zahlensalat, der vom Empfänger durch Dechiffrierung erst in einen lesbaren Text verwandelt werden musste: die Entzifferung – ein Begriff der von der aktenkundlichen Literatur, von Meyer (1920) natürlich abgesehen, noch nicht aufgenommen wurde.

Emser Depesche - Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. 209 r

Emser Depesche – Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. 209 r 

Wir sehen auf der Vorderseite des ersten Blattes (fol. 209r - also vor dem Konzept eingeheftet) einen Vordruck, wieder mit halbbrüchigem Grundlayout, um Platz zur Bearbeitung zu bieten, beschrieben diesmal aber in gestochener Kanzleischrift. Die vorgegebenen Elemente wurde ebenfalls mit der Hand geschrieben und dann vervielfältigt. Dazu gehören die Überschriften “Telegramm” und “Entzifferung” sowie im Protokoll “den”, “ten”, “1870″, “Uhr”, “Min.”, “Vorm[mittags]“/”Nachm[ittags]” und “Ankunft”, schließlich am linken Rand “N[umer]o”. Der Bedarf für solche Rationalisierungen weist auf die Zahl der täglich eingehenden Telegramme und die Bedeutung des Drahtberichts für den Auswärtigen Dienst an.

Unsere aktenkundliche Aufgabe ist es wieder, die Textschichten auf dem Papier heraus zu präparieren, und zwar in ihrer chronologischen Reihenfolge:

Abekens Berichtstext mit der Verfügung “Sofort” und der Berichtsnummer “27“ macht den Anfang. Er ist kombiniert mit Protokollangaben, die nicht vom Verfasser stammen. Während dieser in einem Brief das Datum selbst einsetzt, ergab sich der Datumsblock ab “Ems, den” aus den Angaben der Telegrafenämter.

Der chiffrierte Text und die offen übermittelten Protokolldaten waren die Arbeitsgrundlage des Chiffrierbüros, das die Entzifferung auf dem vorliegenden Formblatt erstellte (Meyer 1920: 89). Das “Original” wurde als verbrauchtes Zwischenmaterial vernichtet.

Nach den Regeln des Geschäftsgangs folgen als nächstes der Eingangsvermerk “pr[aesentatum] 13. Juli 1870″ und die Journalnummer “A 2301″ (links oben), mit der das Stück im Geschäftstagebuch des Zentralbüros, der Posteingangsstelle der Politischen Abteilung, verzeichnet wurde. Nach der inhaltlichen Bearbeitung wären dann die Vermerke zu den als Reaktion abgesandten Telegrammen aufgesetzt worden, die rechts oben zu finden sind. Schließlich hätte das Zentralbüro, das auch als Registratur fungierte, das Stück zu den Akten “B o 32″ (links unten, vgl. 1. Folge) gegeben.

Nur: “Presentatum” bezeichnet nichts anderes als den Zeitpunkt “der offiziellen Entgegennahme und Eintragung des Schriftstücks durch das Bureau”, also der “amtlichen Einreihgung in den Geschäftsgang des Amts” (Meyer 1920: 92 f.). In eiligen politischen Angelegenheiten konnte ein eingegangener Bericht direkt dem zuständigen Beamten vorgelegt werden, der die nötige Entscheidung traf und alles weitere veranlasste. Die bürokratische Verdauung konnte warten.

Genauso verhält es sich hier – was wir mangels datierter Bearbeitungsspuren aus den Akten aber nicht ersehen können, sondern nur in Kombination mit Bismarcks Selbstzeugnis erfahren. Die Entscheidung fiel am Essenstisch, bevor das Stück den Geheimen Hofräten des Zentralbüros überhaupt in die Hände kam. Aktenkundlich zu arbeiten bedeutet bei aller Akribie das genaue Gegenteil von Aktengläubigkeit, die unter Historikern leider verbreitet ist.

Natürlich hat Bismarck in dieser Situation nicht, wie es gut bürokratisch gewesen wäre, seine Entscheidung als Entwurfsanweisung (“Angabe”) für die nachgeordneten Beamten ordentlich am Rand notiert und mit Paraphe und Datum abgeschlossen. Je weiter man in der Hierarchie nach oben geht und je politischer der Zusammenhang ist, desto seltener werden solche ausführlichen Bearbeitungsspuren. Hier finden wir in der linken Spalte nur kleine, mit Bleistift gezeichnete Pfeile, die diejenigen Textteile markieren, die weiter verwertet werden sollten – mehr nicht.

Emser Depesche - Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. [209v]

Emser Depesche – Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. [209v] 

Wir müssen sogar offen lassen, ob sie von Bismarck oder seinem Mitarbeiter stammen, und wer dieser Mitarbeiter eigentlich war. Das wird Gegenstand der nächsten Folge sein.

Emser Depesche - Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. 210 r

Emser Depesche – Entzifferung, PA AA, R 11674, Bl. 210 r 

Dann wird es um die Schriftstücke gehen, die als eigentliche “Emser Depesche” historisch berühmt geworden sind und auf die wir durch den Kanzleivermerk oben rechts bereits hingewiesen wurden.

Literatur

Beuth, Heinrich W. 2005. Regiert Wird Schriftlich: Bericht, Weisung Und Vorlage. In: Brandt, Enrico/Buck, Christian F. 2005. Auswärtiges Amt. Diplomatie als Beruf. 4. Aufl. Wiesbaden. S. 119–28.

Beck, Lorenz Friedrich 2000. Leistung und Methoden der Aktenkunde bei der Interpretation formalisierter Merkmale von historische Verwaltungsschriftgut. In: Brübach, Nils 2000. Der Zugang zu Verwaltungsinformationen – Transparenz als archivische Dienstleistung. Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 33. Marburg. (online)

Bismarck, Otto von. Erinnerung und Gedanke. Ritter, Gerhard und Stadelmann, Rudolf Hg. 1932. Gesammelte Werke 15. Berlin.(*)

Meyer, Hermann 1920. Das politische Schriftwesen im deutschen auswärtigen Dienst. Ein Leitfaden zum Verständnis diplomatischer Dokumente. Tübingen. (online)

Walder, Ernst Hg. 1972. Die Emser Depesche. Quellen zur neueren Geschichte 27-29. 2. Auflage. Bern.

(*) Die maßgebliche Edition in der Neuen Friedrichsruher Ausgabe habe ich urlaubsbedingt nicht zur Hand.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/214

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Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke Juni 2014

Die Fundstücke aus dem Juni bieten in der Hauptsache einen Querschnitt aus lokal-geschichtlichen Datenbanken und  verschieden groß angelegten Digitalisierungsprojekten der Nationalbibliotheken.

Dänemark

Das Stadtarchiv Køge hat die sogenannten Børge Greens mapper digitalisiert und die durchsuchbaren Dokumente ins Netz gestellt. Der Køger Bürger Børge Green hatte aus diversen Materialien des Rigsarkivets (Handschriften, Dokumente, Pergamente, Protokolle) Quellen aus dem 17. Jahrhundert, die seine Heimatstadt betreffen (z.B. über einer Hexenprozess), zusammengetragen.

Ausblick: Im März 2017 plant Statens Arkiver im Rahmen des 100-jährigen Jubiläum des Verkaufs der Westindischen Inseln an die USA die Freischaltung einer Datenbank mit umfangreichem Quellenmaterial zum Thema für die Periode 1671-1917 online zu stellen. Auf der nun freigeschalteten Seite Vestindien – Kilder til historien findet sich bereits eine ausführliche historische Darstellung. Die Datenbank werden wir sobald sie freigeschaltet ist in DBIS aufnehmen.

Die Volkszählungslisten der Gemeinden der früheren Kommmune Sæby für das Jahr 1870 hat das Stadtarchiv Frederikshavn veröffentlicht.

Das Portal Erindinger des Stadtarchivs Kopenhagen hat anlässlich des 200-jährigen Jubiläims der Einführung der Schulpflicht in Dänemark Zeitzeugenberichte von Kopenhagener Schülern und Lehrern gesammelt und in einem Themenschwerpunkt veröffentlicht.

Das Stadtarchiv in Esbjerg verwahrt die umfangreiche Negativsammlung des Fotografen Kromann aus Nordby, Fanø, und erfasst laufend die Protokolle zu den Aufnahmen, die für den Zeitraum 1880-1953 vorliegen in einer Datenbank. Bisher sind Angaben zu 3677 Aufnahmen aus dem Zeitraum zwischen dem 1.1.1900 und dem 27.11.1906 recherchierbar.

Schweden/ Finnland

Die Lancierung einer Volltextsuche in digitalisierten schwedischen Tageszeitungen kündigt die Königliche Bibliothek in Stockholm für den Herbst 2014 an. Die Datenbank wird schwedische Tageszeitungen ab 2014 enthalten (diese werden von 2014 an nur noch digitalisert, nicht mehr microverfilmt) sowie älteres Material, das bereits digitalisiert wurde. Aktuell kann bereits in der Betaversion recherchiert werden, welche die gesamten Ausgaben von “Aftonbladet” und “Svenska dagbladet” von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute enthält. Material, das jünger als 150 Jahr ist, kann in seiner Gesamtheit nur in der Königlichen Bibliothek eingesehen werden.

Auf der Internetseite Afrikaarnarna veröffentlichen schwedische Historiker ihre Forschungsresultate über Schweden und Norweger in Südafrika vom 17. Jahrhundert bis 1902.

Die Datenbank Industrihistoriska miljöer i Sverige verzeichnet 421 “Plätze” der schwedischen Industiekultur und -geschichte. Dazu gehören u.a. Museen, Landschaften, die durch Industriegeschichte geprägt wurden, einzelne Gebäude, aber auch ganze Industrieareale.

Das Forschungsarchiv in Umeå veröffentlicht die digitale Ausgabe des Tagebuchs von Edvard Waldenström aus dem Jahr 1855.

Lars Huldéns Buch Finlandssvenska bebyggelsenamn steht als durchsuchbare Webversion mit ca. 3000 Ortsnamen zur Verfügung. Die gleichnamige vom Institutet för de inhemska språken lancierte Datenbank enthält sämtliche Namen von Orten, Kommunen, Städten sowie historische Gemeindenamen, Namen von Landschaften in schwedischsprachigen bzw. zweisprachigen Gebieten und eine Auswahl von schwedischen Namen in finnischsprachigen Gebieten.

Norwegen

Das norwegische Reichsarchiv stellt “Sommerbilder” (aus staatlichen und privaten Archiven) aus den 1950er-1970er Jahren ins Netz. Die norwegischen Nutzer werden aufgerufen, eigene Sommererinnerungen in Bild und Text auf den verschiedenen sozialen Medienkanälen des Archivs (Facebook, Instagram, Twitter, Tumblr.) einzustellen. Ausgewählte Beiträge werden in dem Blog arkivsommer veröffentlicht, der Sommer für Sommer erweitert werden soll.

Soll die Reise nach Tromsø gehen, bietet ein Projekt des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Tromsø seit neuestem basierend auf alten Karten eine stadthistorische Wanderung, bei der durch einzelne Klicks die Geschichte einzelner Häuser abgerufen werden kann. Unterstützt wird das ganze inhaltlich durch umfassende Einträge im lokalhistorischen Wiki.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2378

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Es ist Deine Pflicht zu benutzen, was du weißt!

Cover-BerrenbergMan muss nicht lange suchen, um glänzende Beispiele skandinavischer Arbeiterliteratur in den Bücherregalen der Bibliotheken zu finden: Ivar Lo-Johansson, Martin Andersen Nexø, Ture Nerman und Moa Martinson sind nur einige Namen, die jedem Literaturfreund auch ohne ein spezielles Interesse für Arbeiterliteratur bekannt sein sollten. Sucht man jedoch nach norwegischen Vertretern, wird man nicht so schnell fündig. Gab es etwa in Norwegen keine Arbeiterliteratur? Konsultiert man norwegische oder skandinavische Literaturgeschichten müsste man diese Frage schnell mit einem „nicht wirklich“ beantworten. Doch kann es sein, dass die norwegische Arbeiterbewegung als mit Abstand radikalste und dynamischste in Nordeuropa keine spezifisch proletarische Literatur hervorgebracht hat?

Diesen Fragen wird im nun vorliegenden Buch nachgegangen, in dem systematisch die proletarische Literaturdebatte analysiert wird und ein zeitgenössisches Literaturverständnis rekonstruiert wird, das den Blick weg vom literarischen Werk und dessen Autorinnen und Autoren, hin zu den mit Literatur in Verbindung stehenden Praktiken lenkt. Denn weniger das literarische Werk stand im Fokus des Interesses, sondern was und wie mit Literatur gehandelt wurde. Literatur sollte dabei nicht unterhalten und um ihrer selbst willen geschrieben, gelesen, vorgetragen oder aufgeführt werden. Ihr Hauptzweck war es zu bilden.

Die Arbeit ist im Rahmen des von 2010 bis 2013 durchgeführten und am Institut für Skandinavistik/Fennistik der Uni Köln und dem Skandinavischen Seminar der Uni Freiburg angesiedelten DFG-Projekts “Literarische Praktiken in Skandinavien um 1900″ entstanden. Im Projekt wurden akteurorientierte Praktiken wie die Autorenlesung, medienorientierte Praktiken wie Literaturverfilmungen und milieuorientierte Praktiken wie die der Arbeiterbewegung untersucht.

Die Erschließung von teilweise bisher ungesichtetem Material brachte eine norwegische Arbeiterliteratur ans Licht, die erst aus der praxeologischen Perspektive sichtbar wird. Welche Rolle spielte belletristische Literatur im weit reichenden Bildungsbetrieb der norwegischen Arbeiterbewegung? Wie sollte Literatur produziert und rezipiert werden? Wie wurde sie produziert und rezipiert? Und warum findet man in heutigen Literaturgeschichten so wenig zum Thema?

Das Buch stellt eine Bestandsaufnahme der rekonstruierbaren literarischen Praxis der norwegischen Arbeiterbewegung dar und entwickelt dabei mit einem kontrastiven Seitenblick auf Schweden eine Erklärung für die bisherige Absenz der norwegischen Arbeiterliteratur nicht nur in der Forschung.

Christian Berrenberg: »Es ist deine Pflicht zu benutzen, was du weißt!« Literatur und literarische Praktiken in der norwegischen Arbeiterbewegung 1900-1931

Erschienen bei Ergon, 2014 (= Literarische Praktiken in Skandinavien; Band 3), 476 Seiten, ISBN: 978-3-95650-031-2

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt, inkl. Abschlussbericht unter http://www.skanlitprax.de

 

 

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2387

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Auf fünf Minuten mit Hartmut Rosa (5/2014)

Daniel Meyer vom Studentenmagazin Akrützel  stellt dem renommierten Gesellschaftstheoretiker Hartmut Rosa nicht nur Fragen rund um seine Person und Beschleunigungstheorie, sondern lässt ihn auch das aktuelle Zeitgeschehen kompetent und humorvoll kommentieren. Wir freuen uns, diese  Kurzinterviews in unserem Blog veröffentlichen und somit … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7041

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Voransicht der Edition: Protokoll der 82. Sitzung des Gesamtreichsministeriums, 1849 Januar 22

Die Edition der Protokolle und ausgewählter Akten der Provisorischen Zentralgewalt für Deutschland soll Ende des Jahres 2014 im Manuskript fertig gestellt sein. Ein Teil der Dokumente ist aber bereits jetzt fertig bearbeitet. Als Kostprobe der geplanten Publikation folgt hier das Protokoll der 82. Sitzung des Gesamtreichsministeriums am 22. Januar 1849 samt zwei Beilagen. Das Nachstehende ist zur Publikation hier leicht umformatiert worden, entspricht aber in den meisten Hinsichten dem Erscheinungsbild, das die fertige Edition haben soll. Rückfragen oder Bemerkungen sind ausdrücklich willkommen! Einige Erläuterungen […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/695

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Mittelalterliche Urkunde im Universitätsarchiv Regensburg entdeckt

Im Universitätsarchiv Regensburg wurde im Rahmen einer regulären Abgabe von Unterlagen, die für die laufende Schriftgutverwaltung nicht mehr benötigt wurden, eine mittelalterliche Urkunde in einem alten Tresor entdeckt. Diese Urkunde stammt aus dem Jahr 1290 und wurde von der Stadt Ypern ausgestellt. Inhaltlich geht es die Zustimmung zu einem Schiedsverfahren beim Grafen von Flandern in einem Streit zwischen Stadt Ypern und Kloster Mesen (Messines). Die Urkunde befindet sich in vergleichsweise gutem Zustand und wurde nach Auffindung archivfachlich verpackt.

Urkunde Ypern 1290

Urkunde Ypern 1290

Man mag zunächst stutzen: Das Universitätsarchiv ist doch erst 2004 gegründet worden. Wie gelangte also diese flämische Urkunde aus dem Mittelalter ins oberpfälzische Universitätsarchiv? Das Klosterarchiv zu Mesen wurde im Winter 1914/15 von Soldaten der 6. Armee geplündert – vorwiegend also von bayerischen Soldaten. Wie die Urkunde dann letztlich in den Tresor gelangte, wo sie 2012 wieder aufgefunden wurde, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden. Es gibt zwar eine Spekulation, auf die auch in der Presse bereits hingewiesen wurde, aber ich wäre in dieser Frage ohne definitive Belege sehr zurückhaltend.

Als Kriegsbeute fällt die Urkunde unter die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung von 1907, die bereits auf einer normativen Ebene eine Entfremdung von wissenschaftlichen, kulturellen und geistlichen Gütern ausschließt. Sie war sowohl für Belgien wie für das Deutsche Reich und seine Teilstaaten seit 1910 rechtskräftig.

Der Tresor selbst war durch ein simples Vorhängeschloss versperrt, zu dem jedoch kein Schlüssel mehr existierte. In dem Tresor befand sich ein separiertes Schließfach, worin sich die Urkunde befand. Dazu lagen dort u.a. eine Fotoglasplatte, die einen Militärarzt darstellt

Am 16. Juli wird die Urkunde präsentiert. Die Abgabe an das Stadtarchiv Ypern ist für Ende September geplant.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/2644

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Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte der Donaustadt zwischen 1914 und 1918. Ausstellung in der Staatlichen Bibliothek Regensburg

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf Regensburg waren scheinbar nur gering. Die Stadt präsentierte sich ihren Besuchern als „still“ und „zeitlos“. Einen Eindruck vom „stillen“ Regensburg des Jahres 1917 gibt der Romanist Viktor Klemperer in seiner 1940/41 niedergeschriebenen Autobiographie:

„Den allerletzten Ferientag nutzten wir für Regensburg. Wir besichtigten die Stadt ganz unabgelenkt von allen Kriegsgedanken. Freilich ist (oder war?) Regensburg die zeitfernste aller deutschen Städte. ‚Eine wunderbare, eine absolut zeitlose Steinmasse‘, notierte ich mir unter dem ersten Eindruck, ‚ohne alle Verbindung mit der Gegenwart.‘ Nirgends moderne Stadtteile oder auch nur einzelne Häuser, nirgends Wachstum, Verkehr, Fremdenzustrom. Um Alt-Braunschweig zieht sich eine moderne Stadt, um Alt-Regensburg gar nichts. Völliger Stillstand, auch nicht die Belebtheit eines Museums. [...] Ein ineinandergezahnter Block aus festen Häusern mit hohen Giebeldächern, aus Renaissancepalazzi, aus festungsartigen Kirchen mit eckigen Türmen, riesig über dem steinernen Block mit all seinen Türmen hinausragend der steinerne Dom, schwer steinern zu seinen Füßen die vielbogige uralte Brücke über den Strom. Auffallend viele Turmuhren. Es ist, als sollte betont werden, auch hier stehe die Zeit nicht still. Aber sie steht versteinert still.“

Rathaus_Straßenbahn

Betrachtet man Ansichten der Domstadt aus jener Zeit, so glaubt man Klemperers Einschätzung bestätigt zu sehen. Doch auch auf Regensburg wirkte der Waffengang, die „Ur-Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts (Georg F. Kennan), in erheblichem Maße.

Wenn im Gedenkjahr 2014 in der Staatlichen Bibliothek Regensburg eine kleine Ausstellung samt Begleitband mit Schlaglichtern zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Regensburg vorgestellt werden kann, so hat dies weniger mit den Zufälligkeiten eines solchen Jubiläums, sondern vielmehr mit dem Regensburger Maler Otto Zacharias zu tun. Dessen Nachlass ruht nun in der Staatlichen Bibliothek Regensburg und steht hier der Forschung zur Verfügung. Der Regensburger Maler Zacharias erlebte den Krieg wie Millionen andere Soldaten und verarbeitete ihn auch künstlerisch, auf seine ganz eigene Weise. Bewegend sind auch die Kinderzeichnungen seines Sohnes Kurt Zacharias, die zeigen, wie sehr auch die Kinder von diesem Krieg betroffen waren. Neben weiteren Dokumenten, Bildern, Zeitungsberichten und Gegenständen, welche helfen sollen, schlaglichtartig die Geschichte des Ersten Weltkrieges für Regensburg zu erhellen, wird auch eine moderne Installation des Regensburger Künstlers Oleg Kuzenko gezeigt, die eindrucksvoll vor Augen stellt wie man sich auch heute künstlerisch mit diesem Thema auseinandersetzen kann.

Die Ausstellung ist vom 10.07. bis 31.08.2014 im Foyer der Staatlichen Bibliothek Regensburg zu sehen.

Einladung_Weltkrieg
Die Ausstellung wird am 10. Juli 2014 um 20 Uhr eröffnet. Nach der Begrüßung und Einführung in die Thematik durch den Bibliotheksleiter, Dr. Bernhard Lübbers, spricht Dr. Jörg Zedler von der Universität Regensburg über das „Augusterlebnis“ 1914 in Regensburg.

Der Eintritt ist frei, um Anmeldung per E-Mail (info_AT_staatliche-bibliothek-regensburg.de) oder per Telefon (0941 630806-0) bis 07.07.2014 wird gebeten.

Zur Ausstellung erscheint ein reichillustrierter Begleitband, der in der Bibliothek selbst bzw. im Buchhandel für 19,90 € erworben werden kann:

Namhafte Autoren haben darin die Geschichte Regensburgs während des Ersten Weltkrieges in Einzelaspekten in den Blick genommen.

Bernhard LÜBBERS/ Stefan REICHMANN (Hg.), Regensburg im Ersten Weltkrieg. Schlaglichter auf die Geschichte einer bayerischen Provinzstadt zwischen 1914 und 1918 (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 10) Regensburg: Dr. Peter Morsbach Verlag 2014; 192 S.: zahlreiche Ill.; ISBN 978-3-937527-76-5

Das Buch enthält folgende Beiträge:

Bernhard LÜBBERS, Schlaglichter auf Regensburgs Geschichte im Ersten Weltkrieg. Eine Einführung, S. 9-15.

Georg KÖGLMEIER, Regensburg im Ersten Weltkrieg. Ein Überblick, S. 17-35.

Jörg ZEDLER, Zwischen Neugierde und Verunsicherung, Angst und aggressivem Patriotismus: Das Augusterlebnis 1914 in Regensburg, S. 37-86.

Peter STYRA, „… Und den Räten ein Automobil…“. Das Haus Thurn und Taxis im Ersten Weltkrieg, S. 87-104.

Bernhard LÜBBERS, „Segne die Waffen unserer Brüder.“ Die Hirtenbriefe des Regensburger Bischofs Antonius von Henle aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, S. 105-118.

Isabella von TRESKOW, Captif je suis… Gefangenschaft und kulturelles Leben französischer Soldaten im Ersten Weltkrieg in Regensburg, S. 119-137.

Dominik BOHMANN, Das Kriegsgefangenenlager am Unteren Wöhrd während des Ersten Weltkrieges, S. 139-153.

Stefan REICHMANN, Otto Zacharias (1876-1952). Großkrieg in kleinen Bildern und Skizzen, S. 155-172.

Stefanie KUFFER, Kurt Zacharias (1908-2004). Kinderzeichnungen an den Vater, S. 173-182.

Wolfgang von SEICHE-NORDENHEIM, Eine Warnung, die (k)einer ernst nahm, S. 183-190.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/2611

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In 300 Jahren vielleicht

Das Dorf Eggebusch gibt es gar nicht. Und doch war Eggebusch überall, denn dieser Name steht für zahllose Orte, die Schauplätze all der kleinen und großen Katastrophen gewesen sind, die den Dreißigjährigen Krieg geprägt haben. Eggebusch ist Schauplatz des Romans „In 300 Jahren vielleicht“, in dem Tilman Röhrig beschreibt, wie dieses Dorf im Oktober 1641 vom Krieg heimgesucht wird. Zwischen den in der Nähe des Dorfs campierenden Soldaten und den Dörflern kommt es zu Spannungen, die schließlich eskalieren und in einer Katastrophe für Eggebusch enden.

Das knapp 140 Seiten umfassende Taschenbuch ist 1983 erstmalig erschienen. Es wird immer wieder nachgedruckt und ist längst ein Klassiker unter den belletristischen Büchern zum Dreißigjährigen Krieg. Der Band firmiert als Jugendbuch, wurde auch 1984 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis prämiert. Sein Autor hat viele andere Jugendromane, vor allem aber Bücher mit historischem Hintergrund verfaßt. „In 300 Jahren vielleicht“ ist sicherlich sein bekanntestes Buch und wohl auch das mit der größten Wirkkraft. Was kann man nun als Historiker damit anfangen?

Nun kann man wissenschaftsseitig ein solches Buch als bloße Belletristik abtun. Schön zu lesen für den, der derartige Literatur mag. Aber sonst? So einfach ist es nicht, denn die Prägekraft solcher Literatur darf man nicht unterschätzen. Solche Bücher finden den Weg zu jungen Leuten (ja doch, es gibt noch Jugendliche, die Bücher lesen) und entfalten hier ihre Wirkung, prägen eine Grundvorstellung von dem, was sie behandeln. Ist also der Dreißigjährige Krieg durch „In 300 Jahren vielleicht“ angemessen dargestellt und eine geeignete Einstiegslektüre für junge Menschen oder überhaupt für interessierte Laien?

Für jeden, der sich wissenschaftlich mit der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs beschäftigt hat, ist es nicht schwierig, in solchen Büchern irgendwelche Details und Einschätzungen auszumachen, die historisch ungenau, fragwürdig oder schlichtweg falsch sind. Aber gerade das ist in Röhrigs Buch nicht der Punkt, denn hier wird vor allem die Gewalteskalation zwischen Militär und Zivilisten beschrieben, das Zusammenbrechen einer vertrauten Lebensumgebung (hier des Dorfes) und überhaupt ein Gefühl für das Bedrohtsein jeglicher Ordnung und ein Zweifeln an Lebensgewißheiten – für junge Menschen, die sich mit einer offenen Perspektive ihrem eigenen Leben zuwenden, ist dies schon sehr viel. Man kann den Dreißigjährigen Krieg auch einfach als historische Folie nehmen, auf der sich jedwede Bedrohung eines vertrauten Lebensraumes spiegelt. Aber Röhrigs Buch ist sicher auch ein möglicher Einstieg für die Beschäftigung mit dem Dreißigjährigen Krieg.

Ich selbst habe es erst gelesen, als ich meine Dissertation abgeschlossen, einige Artikel geschrieben hatte, jedenfalls völlig in der Wissenschaft abgetaucht war. Gefallen hat es mir gleichwohl sehr, und geschadet hat mir die Lektüre sicher nicht. Zu Tilman Röhrig gibt es übrigens ein Interview in den lesepunkten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/473

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