Tagungsbericht: “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?”

Der Tagungsbericht “Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs?” ist ab sofort unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=5014 einsehbar.

In der Tagung, die im Juni diesen Jahres in Paris stattfand, wurde in vier themenspezifischen Panels nach dem Einfluss der Neuerungen in der digitalen Welt auf die Forschungsbedingungen gefragt und die Chancen und Probleme thematisiert, die sich daraus für den Wissenschaftsnachwuchs ergeben.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2284

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Studienfach: Digital Humanities. Bericht vom DARIAH-Dozenten-Workshop zu DH-Curricula am 4. September 2013 in Köln

Die Digital Humanities sind ein Forschungsfeld, ein weit gespannter Fächer an Methoden und ein universitäres Lehrfach – das an etlichen Standorten als Studienprogramm „Digital Humanities“ oder „als spezialisierteres Studienprogramm, das dem Bereich der DH zuzurechnen ist“, angeboten wird. Vertreter dieses Faches haben ein natürliches Interesse daran, ihr Fachgebiet als solches besser sichtbar zu machen. Ein Mittel zu diesem Zweck ist die Abstimmung über curriculare Fragen mit dem Fernziel eines abgestimmten Referenzcurriculums, das ein gemeinsamen Verständnis der Ausbildung in den Digital Humanities stärkt, die Durchlässigkeit verbessert und Standortwechsel für Studierende erleichtert sowie die Erkennbarkeit des Faches z.B. auf Seiten potentieller Studierender, der Politik und des Arbeitsmarktes fördert.

Dazu haben sich Vertreter von DH-Lehrangeboten an Hochschulen im deutschsprachigen Raum seit 2009 und nun schon zum vierten Mal, jetzt zu einem DARIAH-Dozenten-Workshop, in Köln getroffen. Zu den Ergebnissen dieser kontinuierlichen Zusammenarbeit, die auch in einer eigenen Mailingliste organisiert wird, gehörte u.a. 2011 eine Zusammenstellung aller DH-Studienangebote im deutschsprachigen Raum. Die Aktivitäten zur Abstimmung laufen seit 2011 auch im Rahmen von DARIAH-DE und sollen hier zu einem gemeinsamen Curriculum führen. Auf dem Weg dorthin haben KollegInnen vom Göttingen Center for Digital Humanities (GCDH) eine empirische Datengrundlage geschaffen, die über 100 DH-Studienprogramme (hauptsächlich BA- und MA-Programme) auf der Welt sowie rund 80 Module und über 1000 Kurse aus den Studienprogrammen zusammenträgt. Auf der Grundlage dieser Daten und vor allem der vielfältigen Diskussionen der letzten Jahre ist ein Bericht über den Stand der DH-Ausbildung, insbesondere in den expliziten DH-Studiengängen entstanden, der (als Vorfassung einer offizielleren Publikation) unter dem Titel „DH studieren! Auf dem Weg zu einem Kern- und Referenzcurriculum“ zur Verfügung steht. Er erhebt den Anspruch, nicht nur die gegenwärtige Situation systematisch zu beschreiben, sondern auch Beiträge zu einem Referenzcurriculum zu liefern.

Auf dem aktuellen Workshop, der im Twitterstrom unter #Dhcurricular13 lief, wurde von Patrick Sahle (CCeH) zunächst der Report vorgestellt und anschließend diskutiert. Danach präsentierte Marcus Held (IEG) Überlegungen zur bildungstheoretischen Einordnung und Fundierung gemeinsamer Curricularbestrebungen, sowie zur Qualitätsentwicklung und -sicherung, die für ein gemeinsames formales Curriculum noch von großem Wert sein werden (Paper 1, Paper 2).

Von besonderem Interesse dürfte die allgemeine Berichtsrunde gewesen sein, auf der sich die verschiedenen TeilnehmerInnen über die neueren Entwicklungen an den verschiedenen Standorten informierten. Mit KollegInnen aus Bamberg, Berlin, Darmstadt, Erlangen, Frankfurt, Gießen, Göttingen, Graz, Köln, Leipzig, Mainz, Passau, Potsdam, Saarbrücken, Trier, Tübingen und Würzburg waren fast alle wichtigen Einrichtungen vertreten, die bereits DH-Lehre anbieten oder ihren Aufbau planen. Unter den etablierten Standorten ließen sich Bielefeld und Hamburg entschuldigen, unter den „Newcomern“ wäre man noch auf Vertreter aus Bern oder Heidelberg gespannt gewesen, wo in Zukunft möglicherweise Aktivitäten auch in Richtung der DH-Ausbildung entfaltet werden. Aus den Berichten zu den aktuellen Entwicklungen lassen sich – subjektiv – die folgenden Beobachtungen und Tendenzen zusammenfassen:

  • Die Szene ist in starker Bewegung; an vielen Standorten gibt es Bestrebungen zum Aus- oder Aufbau von Lehrangeboten jetzt oder in den kommenden Jahren.
  • Dazu sind in letzter Zeit etliche Stellen auf den Ebenen Lecturer/Lehrkräfte, Koordinatoren und Professuren ausgeschrieben worden (u.a. Bern, Darmstadt, Heidelberg, Köln, Leipzig, Passau, Tübingen); weitere Ausschreibungen sind angekündigt.
  • Der Ausbau der Lehre kann die Ergänzung von bestehenden Masterstudiengängen um ein Bachelorangebot (Darmstadt: BA Digital Philologies) oder die Fortführung von bestehenden Bachelorstudiengängen auf der Masterebene (Würzburg: MA Digital Humanities) betreffen.
  • Bestehende spezialisierte Angebote können zu umfassenderen Studiengängen umgebaut werden (Trier: von der Computerlinguistik zu den Digital Humanities).
  • Lehrprogramme können von Grund auf neu aufgebaut werden, wobei sich verschiedene Stufen unterscheiden lassen …
    • Der Aufbau von neuen BA- oder MA-Programmen ist schwierig und kann sich u.U. über einen längeren Zeitraum (18-36 Monaten) erstrecken (Frankfurt, Göttingen).
    • Lehrangebote auf der Ebene der Kurse, Module, Studienschwerpunkte oder Zertifikatsstudien sind deutlich leichter einzurichten und können teilweise binnen 6 Monaten gestartet werden (Detmold/Paderborn, Frankfurt, Leipzig, Passau, Tübingen).
    • Solche Lehrangebote können ebenso ein Schritt in Richtung auf BA-/MA-Studiengängen sein, wie die Öffnung von Informatik-Studiengängen für eine leichtere Kombination mit geisteswissenschaftlichen Programmen.

An den Präsentationen und Berichten entzündeten sich über den ganzen Tag hinweg verschiedene Diskussionspunkte. Dazu gehörten …

  • Wie können DH-Lehrprogramme überhaupt aufgebaut werden? Welche Ressourcen benötigt man dafür? Welche Strategien können eingeschlagen werden?
  • Wie weit lassen sich bestehende Kurse aus anderen Fächern (z.B. der Informatik) importieren? Wo sind eigenständige neue Angebote unerlässlich?
  • Wie ist insgesamt das Verhältnis zur Informatik?
    • Inhaltlich: Welche Teile der Informatik müssen in einem DH-Studiengang gelehrt und abgedeckt werden? Lassen sich Mindestanforderungen für einen DH-Studiengang formulieren?
    • Organisatorisch: Besteht die Gefahr, dass die Digital Humanities von der Informatik unter Verlust ihrer eigenen (geisteswissenschaftlichen) Spezifik übernommen oder (Zitat:) „aufgemischt“ werden? Sollen die DH hier ungeachtet ihrer eigenen Tradition und des inzwischen erreichten state of the art einmal mehr neu erfunden werden?
  • Welche Rolle spielt die „Digital Literacy“ in den DH? Sollten in diesem  Bereich auch niederschwellige Lehrangebote für benachbarte Disziplinen oder für alle Fächer gemacht werden? Sind die DH auch für Teile der propädeutischen Ausbildung und für bestimmte Schlüsselqualifikationen zuständig? Besteht eine Verpflichtung, DH-Methoden auch in andere Fächer aktiv hineinzutragen? Sollten mehr orientierende Veranstaltungen „Was ist und was kann DH“ angeboten werden? Oder bedeuten breitere und „einfachere“ Angebote eine Trivialisierung der DH und eine Gefahr für den Bestand der expliziten DH-Studiengänge selbst?
  • Sollten sich die DH-Studiengänge auch für die Ausbildung von Informatik-LehrerInnen an höheren Schulen öffnen?
  • Wie lässt sich das Problem der unterschiedlichen Studienverläufe und Vorkenntnisse bei nicht-konsekutiven DH-Master-Programmen lösen? Sollten Master-Programme dazu verschiedene „Profile“ anbieten?

An die Berichte schlossen sich weitere Ausführungen von Manfred Thaller zu Referenzcurricula im Allgemeinen, den Empfehlungen der Gesellschaft für Informatik für den Aufbau von Informatik-Studiengängen als Vergleichsbeispiel und zu seinem eigenen „Zwiebelschalenmodell“ (siehe Report, Anhang) als Beschreibungsansatz für die DH-Ausbildungslandschaft an. Außerdem wurden hier Vorschläge für das weitere Vorgehen gemacht und diskutiert. Ein gemeinsames Referenzcurriculum könnte unter der redaktionellen Koordination von Gerrit Weber bis zum Frühjahr 2014 kollaborativ von der gesamten Gruppe der interessierten KollegInnen erarbeitet werden. Zu den allgemeinen Beschreibungen des Feldes „DH als Studienfach“ soll auch das Konzept eines idealtypischen, allgemeinen BA-/MA-Studiengangs „Digital Humanities“ als Referenzpunkt gegeben werden. Organisatorisch soll das Curriculum zunächst mit Dariah-DE verbunden sein, wo Gerrit Weber auch seit dem 1. September 2013 beschäftigt ist. Zu prüfen ist daneben eine Verbindung mit den entsprechenden Arbeitspaketen zu Schulungen und Trainingsmaterialien in CLARIN. Von der Logik der Sache her wäre mittelfristig eine Anlehnung an den DHd-Verband naheliegend. Hier wäre zu prüfen, ob die bisherige informelle Gruppe nicht in eine Arbeitsgruppe im Verband umgewandelt werden könnte.

Die bisherigen Aktivitäten im deutschsprachigen Raum sollen nach Auskunft von Walter Scholger (Graz) außerdem auf der europäischen Ebene von DARIAH, d.h. im Virtual Competency Center 2 (VCC2) zu Research and Education, das sich ebenfalls mit Ausbildungsfragen beschäftigt, aufgenommen und damit auf internationaler Ebene vorangetrieben werden. Hier wird u.a. an eine „registry“ für DH-Studiengängen nachgedacht.

Unter den Workshop-Teilnehmern schienen insgesamt zwei Wünsche bestehen zu bleiben: Zum Einen soll am Ziel eines Referenzcurriculums festgehalten und dieses in absehbarer Zeit erreicht werden. Zum Anderen wurde die Relevanz der Curricular-Treffen betont und für eine weitere kontinuierliche Abstimmung der Fachgemeinschaft plädiert. Dies würde bereits vor und dann neben der Verabschiedung eines formalen Curriculums zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen und die Konvergenzen zwischen den Akteuren deutlich erhöhen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2248

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Kleiner Versuch über Romangattungen

Ich arbeite an der Erstellung eines Romankorpus, das längere, deutschsprachige Erzähltexte von 1500 bis 1930 versammelt. Das Kernkorpus umfasst ca. 450 Romane, größtenteils deutschsprachige Originalromane, aber rd. 1/8 sind Übersetzungen, vor allem aus dem Englischen, Französischen und Russischen. Hinzu kommt ein größeres Korpus von zur Zeit rd. 1500 Texten (diese Zahl ist wirklich nur eine Schätzung, da die Texte noch zu sichten sind). Das Kernkorpus soll mit relativ ausführlichen Metadaten, etwa Druckort, Verlag, Originalsprache, Erzählform, Epoche und eben auch zur Gattung versehen werden. Die meisten dieser Angaben sind unproblematisch, Erzählform und Gattung sind es nicht. Schon die Kategorisierung eines längeren Prosatextes als Roman erweist sich als als andere als trivial, aber darum soll er hier nicht gehen. Sondern hier handelt es sich um die Frage nach Formen der Roman, nach den Gattungen der Gattung Roman.

Ein erster Lösungsversuch sah so aus: Da ich vermeiden wollte, dass die Gattungszuschreibungen ad hoc von mir vergeben werden, habe ich eine Hilfskraft beauftragt, aus einer Liste von Roman-Nachschlagewerken und Literaturgeschichten die Zuschreibungen herauszusuchen und ohne Vereinheitlichung zu notieren. Das Ergebnis war recht interessant (besten Dank Herr Weimer!). Da gab es Einträge wie „Briefroman::Künstler- und Liebesroman in Briefform::monologischer Briefroman“ (die Doppelpunkte trennen verschiedene Zuschreibungen) oder „Entwicklungsroman mit autobiographischen Zügen::Schelmenhafter Zeit- und Entwicklungsroman::Entwicklungs- und Zeitroman::Schelmenroman“ oder „Familienroman::moralisch-didaktischer Roman::Ich-Erzählung::Briefroman::aufklärerisch-bürgerlicher Roman“. Man kann dahinter ohne Probleme den Werther, den Simplizismus oder die Schwedische Gräfin erkennen.

Allerdings ist ein Begriff wie ‘monologischer Briefroman’ wohl keine Gattungsbezeichnung, vielmehr wird die Gattungsbezeichnung ‘Briefroman’ gemeinsam mit dem deskriptiven ‘monologisch’ zur Beschreibung verwendet. Viele der Begriffe scheinen eng verwandt zu sein, z.B. „Zeitroman::Gegenwartsroman::Gesellschaftsroman“. Dann finden sich Begriffe wie „Großroman“ oder „Altersroman“, die überhaupt keine Gattungsbegriffe im herkömmlichen Sinne sind, sondern lediglich klassifizieren und dabei manchmal auch bewerten. Leider zeigte sich außerdem, dass nur rd. 250 der Texte auf diese Weise beschrieben werden konnten; für die anderen 150 fanden sich in den Darstellungen keine Gattungsbezeichnungen.

Der nächste Schritt war die Vereinheitlichung der so zusammengetragenen Begriffe. Um für eine quantitative Auswertung brauchbar zu sein, geht es weniger um eine individualisierte Beschreibung des Einzelwerks, sondern um die Zuschreibung zu allgemeineren Kategorien, die es dann erlauben zu prüfen, ob man mit dieser Gruppe regelhaft Textmerkmale verbinden kann. Für diese Vereinheitlichung, aber auch für die Frage nach der Klassifizierung der übrigen 150 Texte wäre es nützlich auf eine existierende Systematik von Gattungsbegriffen zurückgreifen zu können. Die literaturwissenschaftliche Forschung scheint diese Frage bislang nicht systematisch verfolgt zu haben.

Eine erste Annäherung könnte über die Verwendung des Begriffs Roman in Zusammensetzungen geschehen. Dafür wäre eine Liste aller Komposita mit dem Wort ‘Roman’ ein guter Anfang. Die größte Menge an zugänglichen Sprachdaten bietet zur Zeit Google mit den Quellen für die N-Gramm-Suche. Für die Romankomposita habe ich die 1-grams verwendet (Version 20120701). Die Daten liegen in dieser Form vor: „Quasselbude_NOUN 1956 11 10“, wobei die Angabe der Wortklasse, die erst in der zweiten Version des Korpus hinzugekommen ist, nur teilweise vorliegt. Die erste Zahl bezeichnet das Jahr, die zweite die Anzahl der Vorkommen des Wortes und die dritte die Anzahl der Bände, in denen das Wort vorkommt.

Nach der Extraktion der Komposita, der Vereinfachung des Materials auf den Nominativ und einer manuellen Sichtung ergab dies eine Liste mit rd. 424 Einträgen vom „Alltagsroman“ über den „Haremsroman“ und den „Nichtroman“ bis zum „Zigeunerroman“. Zu jedem Begriff gibt es außerdem eine Frequenzangabe (Häufigkeit im ganzen Korpus). Die Zahl 424 ist cum grano salis zu nehmen, da man einige Einträge zusammenfassen konnte, z.B. „Debutroman“ und „Debütroman“ oder „Desillusionierungsroman“ und „Desillusionsroman“ oder sogar „Gegenwartroman“ und „Gegenwartsroman“.

Diese Liste ergibt keine Liste der Gattungsbezeichnungen und trotz ihrer Länge schon gar nicht eine vollständige. Einige der Begriffe sind keine Gattungsbezeichnungen, wenn man darunter „die als ge- und bewußte Normen die Produktion und Rezeption von Texten bestimmenden ‘historischen Textgruppen’“ versteht (Klaus Hempfer: „Gattung“ in: Klaus Weimar (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Bd. 1, de Gruyter 1997, S. 651 ), sondern haben eine andere Funktion, z.B. „Debütroman“,“Emigrationsroman“,“Hauptroman“ oder „Lieblingsroman“. Einige beziehen sich außerdem auf einen einzigen Text (z.B. „Rosenroman“ oder „Josephsroman“). Die Liste enthält also Begriffe, die keine Gattungsnamen sind und andererseits gibt es noch mehr Bezeichnungen für Gattungen, die aber nicht als Kompositum aufgebaut sind, nämlich in der Verbindung von ADJ + NOUN, also z.B. „sozialer Roman“, „psychologischer Roman“, „philosophischer Roman“ usw. Diese sind in der ersten Fassung der Liste nicht enthalten.

Mit wenig Aufwand kann man aus den Daten, die ja die Verwendungshäufigkeit der Begriffe enthalten, ein Wordle erstellen, indem man einen Text generiert, der die Begriffe anteilig zu ihrer absoluten Häufigkeit enthält. Das Ergebnis sieht so aus:

romangattungen1

Leider ist ‘Kriminalroman’ so dominant, dass die anderen Begriffe sehr schnell in unlesbarer Kleinschreibung verschwinden. Wenn wir ihn aus dem Bild entfernen, ergibt sich diese informationsreichere Übersicht:

romangattungen2

Das ist hübsch. Und es ist ein erster Schritt auf dem Weg eines Überblicks über die Gattungsbegriffe für den Roman. Aber natürlich hat es nur einen eingeschränkten analytischen Wert. Die Ursachen für die hohe Frequenz eines Worts können sehr unterschiedlich sein. Die große Häufigkeit des ‘Kriminalromans’ etwa ergibt sich daraus, dass dies eine eingeführte paratextuelle Bezeichnung ist, die sich im Text findet (Meinem Wissensstand nach sind Titel und Untertitel Teil des Korpus). Der ‘Bildungsroman’ dagegen ist ein Begriff der Beschreibungssprache. Interessant sind Begriffe wie ‘Zeitroman’, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts in einer ganzen Reihe von Romantiteln finden, während er gegen Ende des Jahrhunderts häufiger in Texten über Romane zu finden ist.

Anders ausgedrückt: Die Analyse hat einen ersten Eindruck von der Häufigkeitsverteilung von Gattungsbegriffen ergeben, aber wir können nicht beurteilen, ob es sich hierbei um Begriffe der Objekt- oder Metasprache handelt. Das Problem könnte man möglicherweise lösen, wenn man in einem großen Bibliothekskatalog die Untertitel von Romanen systematisch unter der Perspektive auswertet, welche der hier aufgeführten Kategorien vorkommen. Das würde dann ihre Verwendung in der Objektsprache belegen. Außerdem könnte man, ausgehend von den Publikationsdaten der Romane überprüfen, ob ungefähr gleichzeitig die entsprechenden Begriffe geläufig sind, also Romanmetadaten und Ngramm-Daten abgleichen.

Ein weiteres Problem entsteht durch die Heterogenität der Gattungsbegriffe. Selbst wenn man die Begriffe aussondert, die offensichtlich keine Gattungen bezeichnen, bleibt eine Fülle von Begriffen übrig, die sich auf sehr unterschiedliche Aspekte beziehen, z.B. der inhaltsbezogene Begriff Abenteuerroman und der referenzbezogene Begriff Schlüsselroman. In dieser Form sind sie nur eingeschränkt tauglich für die Korrelierung mit den Ergebnissen von Clustering aufgrund von Textmerkmalen. Dieses Problem könnte durch eine genauere Analyse der Gattungsbegriffe gelöst oder zumindest mal aufgeräumt werden. Und wenn wir schon bei Zukunftsplänen sind: Die historische Information, wann welche Gattungsbegriffe häufiger zu finden sind, könnte man auch noch auswerten, aber das ist nicht ganz einfach zu visualisieren. So etwas ist noch zu unübersichtlich:

romangattungen3

(Link)

Insgesamt also noch ein weiter Weg zu einem brauchbaren Beschreibungssystem von Romangattungen, aber die Frequenzangaben helfen wohl bereits bei der Vereinfachung der vorliegenden Begriffe. Nun müssten noch die 150 anderen Texte zugeordnet werden. Hat jemand Evremont von Sophie Bernhardi gelesen und hätte einen Vorschlag zur Gattungszuordnung? Oder Bruno Willes Glasberg. Henriette von Paalzows Ste. Roche?

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2128

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“The Future of Historical Network Research”: Konferenz vom 13.-15.09. in Hamburg

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Seit kurzem sind Programm und Registrierung für die Tagung The Future of Historical Network Research (13.-15.09., Uni Hamburg) online. Die Sessions haben u.a. die Themen Information Conceptualisation and Visualisation, Linked Data and Ontological Methods und Overlaps between Network Analysis in the Digital Humanities zum Gegenstand. Träger sind NeDiMAH – Network for Digital Methods in the Arts and Humanities, die ESF – European Science Foundation und das CGG – Centre for Globalisation and Governance der Universität Hamburg.

Programm und Anmeldung: http://conference.historicalnetworkresearch.org/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2101

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Und wieder ein Manifest

Jede Menge Wünschenswertes steht im Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto, das Anfang Juni 2013 beim internationalem Kolloqium “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?” am DHI in Paris entstanden ist. Wer den Inhalten folgt und sich unter dem vertraut anmutendem Slogan “Yes we digital!” wiederfindet, mag es per Kommentar daselbst zeichnen.

Zum Manifest und zum Hintergrund

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1935

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Die FAZ zu den Erwartungen an die “Labore der digitalen Geisteswissenschaften”

Im Wissenschaftsteil der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung referiert Moritz Neuffer einige Einsichten der Tagung Collecting Ideas – The Idea of Collecting, die vom 16. bis zum 18. Mai im Literaturarchiv im Marbach stattfand. Er stellt dabei unter anderem auch eine Rolle der Digitalen Geisteswissenschaften heraus:

“Wo Bestände nicht aus der Ferne sichtbar, die Wege ins Archiv weit und teuer sind, werden Zugänge versperrt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Digitalisierungsprozesse und die Schaffung von neuen Zugangspfaden, wie sie derzeit in den Laboren der digitalen Geisteswissenschaften entwickelt werden.”

Wir befinden uns dabei eindeutig auf der Ebene der Bestandsvermittlung bzw. der Entwicklung von Zugängen über digitale Kanäle. Diese Eröffnung (und die damit verbundene Transformation) der Bestände wirkt, wie Moritz Neuffer anhand eines Tagungsbeitrags von Ronald Schuchard herausstellt, nicht etwa als Substitut für die materiellen Originale sondern weckt vielmehr – jedenfalls nach den geschilderten Erfahrungen – “einen Hunger nach der Präsenzerfahrung von und mit den Quellen.” Die Aura des Originals könnte folglich entgegen mancher gegenteiliger Erwartungen angesichts seiner digitalen Verwandelbarkeit wenigstens als zeitstabil erweisen.

Zu durchdenken bleibt hier weniger das ob und auch nicht so sehr das wie, sondern tatsächlich das Spannungsverhältnis von Medialität, Materialität und der damit verbundenen Lesbarkeit dessen, was in den Infrastrukturen und Analysewerkzeugen der Digitalen Geisteswissenschaften verarbeitet wird. Dazu zählt übrigens auch eine Metareflektion der Bedingungen des Zustandekommens dieser Werkzeuge und Kanäle.

Paraphrasiert Moritz Neuffer den Diskutanten On Barak mit der Aussage:

“Wo sammelnde Institutionen Wissen und kulturelle Erzählungen produzierten, sei es politisch geboten, diese Produktionsverfahren offenzulegen.”

so gilt dies gleichwohl für die Strukturen, die aus dem Digital-Humanities-Umfeld für die geisteswissenschaftliche Arbeit entwickelt werden. Die Festlegung eines Zugangspfades bedeutet unvermeidlich eine Eingrenzung unter bestimmten Bedingungen und lenkt damit die Zugänglichkeit. Für die, die diese Pfade benutzen, ist es ungemein wichtig, zu wissen, was sie auf diesen erreichen können. Und womöglich sogar noch wichtiger, zu wissen, was nicht. Die Aufgabe einer entsprechend spezialisierten STS-Forschung (Science, Technology and Society) liegt aus meiner Aussicht genau darin, diese Offenlegung der Bedingungen hinter den digitalen Zugängen und Werkzeugen als eine Art Begleittext vorzunehmen.

Quelle: Moritz Neuffer: Die guten ins Töpfchen und die schlechten – in ein anderes. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.06.2013, S. N5

Berlin, 05.06.2013 / @bkaden

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1810

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Praxen wissenschaftlichen Bloggens – ein Metabericht zum Workshop „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland: Geschichte, Perspektiven, praktische Umsetzung“ am 11.04.2013 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Gefördert vom Universitätsbund der Universität Würzburg richteten Katrin Betz und Dr. Christof Schöch vom Würzburger Lehrstuhl für Computerphilologie einen betont praxisorientierten Workshop zum kulturwissenschaftlichen Bloggen in Deutschland aus (Twitter: #dehypo). Der Workshop gliederte sich in drei Teile: (A) konzeptionelle Überlegungen, (B) Erfahrungsberichte aus der Praxis und (C) eine praktische Einführung in die deutsche Hypotheses-Plattform (de.hypotheses.org), die nach französischem Vorbild seit März 2012 mittlerweile schon über 80 Weblogs deutscher Wissenschaftler einen Raum bietet: Tendenz steigend.

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Nach einer Begrüßung der ca. 25 TeilnehmerInnen aus ganz Deutschland, die zu einer großen Zahl Nachwuchswissenschaftlerinnen waren (was der Weblogdemografie korrespondiert; vgl. Schmidt 2009), machte der Literaturwissenschaftler Dr. Christof Schöch (Würzburg, http://dragonfly.hypotheses.org, Mitglied der de.hypotheses.org-Redaktion) den Auftakt, mit Wissenschaftliches Bloggen im Kontext digitaler Publikationsmedien im Dreischritt einige konzeptionelle Überlegungen zur Einführung in den Workshop vorzulegen: Dabei verortete er Weblogs (1) im Rahmen aktueller „web-basierter Medien der Publikation und Kommunikation“, (2) im Rahmen der „Entwicklung digitaler Medien“ und (3) im Hinblick auf die „Interaktion mit anderen Medien“ im Internet.

(1) Im Versuch einer systematischen Perspektive stellte Schöch vor allem Unterschiede zwischen Internetkommunikationsformen und klassischen Kommunikationsformen (der Wissenschaft) aus dem Printbereich anhand sieben Punkten gegenüber: Im Internet (i) sei naturgemäß freie Zugänglichkeit gewährleistet, also eine nicht ökonomisch motivierte Kommunikationspraxis zu finden (Stichwort: Open Access). Ebenso (ii) sei eine schnelle Publikations- und Aktualisierungsmöglichkeit gegeben, die nicht nur eine beständige Veränderbarkeit sondern auch eine beständige Entwicklungsmöglichkeit böte. Hinzu kommt, dass (iii) klassische institutionelle Intermediäre wie Verlage und Universitäten entfielen, diese Unabhängigkeit sich aber gerade aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche wissenschaftsinterner Kommunikation an institutionelle Intermediatoren nicht vollständig realisieren könne und daher andere an deren Stelle treten (Stichwort: Aufmerksamkeit, Archivierung, Zitierbarkeit). Ein (iv) kollaboratives, ortsungebundenes (Zusammen-)Arbeiten werde ermöglicht und mache im wissenschaftlichen Diskurs neue Kommunikations- und Wissensqualitäten sichtbar. Das (v) Verhältnis zu Vorgängermedien stelle sich als komplex dar, da es keine eindeutigen Vorläufer zu wissenschaftlichen Weblogs gebe: Ein komplexes Remediationsgefüge (vgl. Bolter/Grusin 2000) im Anlehnungs- und Ablösungsverhalten kennzeichne daher die Gattungen wissenschaftlichen Schreibens in Weblogs (noch). Bei den klassischen Publikationswegen sind feste Ökonomien der Qualitätskontrolle und der sog. Impact-Erhebung vorhanden: Weblogs haben hier ihre eigenen Ordnungs- und Kontrollmechanismen entwickelt, die anstatt auf eine vorgängige Selektion der Inhalte, auf eine der Publikation nachgeordnete Selektion durch den ‚Schwarm‘ setze. Damit werde auch eine veränderte Aufmerksamkeitsökonomie des Lesers nötig, die wiederum softwareseitig sehr präzise quantifizierbar ist. Schließlich entwarf Schöch im Punkt (vii) eine Typologie entlang der zwei Kontinua monologisch—dialogisch und objektzentriert—subjektzentriert: In diesem Koordinatensystem stellt er Weblogs im Vergleich zu anderen Internetkommunikationsformen als Hybride heraus, die eine Qualität herausgebildet haben, die im Spektrum webbasierter Medien noch nicht besetzt gewesen sei und auch offline keine Vorläufer habe.

(2) In der historischen Perspektive stellt er heraus, dass die frühen digital-vernetzten Kommunikationsformen dialogische Formen waren (E-Mail, Mailingliste, Diskussionsforen), die seit 1989 mit dem http- und html-gestützten World Wide Web erst einmal durch statisch-monologische Kommunikationsformen ergänzt wurden (Website, Homepage, Online-Journal), bevor im Rahmen dessen, was heute als Internetmedialität gefasst werden könnte, dialogische Kommunikation möglich wurde. Als Wegsteine dieser Kommunikationsformengeschichte können für die Wissenschaft genannt werden: 1987 wissenschaftliche Mailingliste, 1990 wissenschaftliches Online-Journal, 2003 wissenschaftlicher Weblog Hosting Service, 2008 wissenschaftliche Social Network Site.

(3) Mit Blick auf die Vernetzung der webbasierten Medien der Wissenschaft folgert Schöch gerade aufgrund der oben diagnostizierten Hybridität von Weblogs eine hohe Anschlussfähigkeit zu anderen wissenschaftlich genutzten Kommunikationsformen wie Twitter, Diskussionsforen, Social Network Sites, Homepages und Online Journals. Sie alle treten – außer vielleicht die wissenschaftlichen Zeitschriften – in ein (verlinkendes und thematisierendes) Wechselverhältnis zu Weblogs, das ihre und die Sichtbarkeit der gesamten wissenschaftlichen Blogosphäre gewährleistet. Sein Fazit: „Erst diese Einbindung macht den Blog lebendig!“ In der noch zurückhaltenden Beziehung zu Online Journals wiederum wird die noch problematische Stellung von Weblogs im Feld der internen Wissenschaftskommunikation deutlich.

Weblogs – könnte man mit Schöch abschließend resümieren – fügen sich aber zunehmend in die Publikations- und Kommunikationspraxis der wissenschaftlichen Diskursordnung ein (vgl. Foucault 1977) und haben so – folgt man den aktuellen Entwicklungen in der Wissenschaftskommunikation – ganz automatisch auch einen eminenten Anteil an der Bildung der akademischen Identität der bloggenden Wissenschaftler.

Die anschließende Diskussion verglich wissenschaftliche Homepages mit wissenschaftlichen Weblogs und wog ihre Vor-/Nachteile und Zukunftsträchtigkeit ab. Sebastian Gießmann stellte dabei heraus, wie die statische ‚Raumordnung‘ von Homepages und die dynamische ‚Zeitordnung‘ von Weblogs wahrscheinlicher zur einer ergänzenden Konvergenz führen würden als zu einer vollkommenen Verdrängung von Homepages. Mit dem Verweis auf die Zeitordnung ist m.E. auch die wesentliche Bestimmungsstruktur periodischer Aktualisierung erkannt (vgl. Meiler i.V.), die Weblogs allgemein mit einer ganzen Reihe sowohl Online- wie auch Offline-Kommunikationsformen verwandt erscheinen lässt: nicht zuletzt auch zu wissenschaftlichen Zeitschriften, denen übrigens anfangs von der wissenschaftlichen Community eine vergleichbare Skepsis entgegengebracht wurde (vgl. Csiszar 2012).

B

Die Literatur- und Editionswissenschaftlerin Dr. Anne Baillot (Berlin, http://digitalintellectuals.hypotheses.org) stellte in ihrem Vortrag Projektbegleitendes Bloggen – eine neue Art der Mäeutik? die Veränderungen in ihrer Bloggingpraxis anhand des Blogs vor, der die Arbeit an einem Projekt zur Erstellung digitaler Editionen begleitete und reflektierte dabei Motivation, Form und Funktion der Beiträge. Dabei zeichnete sie nach, wie sich der primäre Gattungszuschnitt ihres Blogs wandelte von einer Visitenkarte über ein Archiv der eigenen Arbeit und eine Projektpräsentation zur begleitenden Berichterstattung zum akademischen und universitären Betrieb samt seiner Highlights und Tücken. Thematisch wurden dabei vor allem auch die Leserschaft und deren erwartbare Erwartungen, die ihren Schreibprozess bzw. das Redigieren vor dem Posten nicht unerheblich steuerten: In dieser antizipierten Vorwegnahme von Kritik und dem kommunikativen Umgang damit wird die Typik wissenschaftlichen Schreibens produktionsseitig deutlich, die das wissenschaftliche Streitgeschäft – von Ehlich (1993) „Eristik“ getauft – wesentlich prägt. Ebenso in die Figuration der Leserschaft ging die Entscheidung für das Englische als hauptsächliche Blog-Sprache ein, um damit eine möglichst große Community zu adressieren. Gleichzeitig sprach Baillot die Schranken und Probleme einer fremdsprachlichen Wissenschaftskommunikation an und ihr nur folgerichtiges Switchen in eine ihrer beiden primären Sprachen ist ein ideales Beispiel für eine notwendig zu praktizierende Mehrsprachigkeit in den europäischen Wissenschaften (vgl. Ehlich 2010, 30).

Stilistisch empfiehlt sie ‚lieber viel und kurz als wenig und lang‘ zu bloggen und dabei persönliche und sachliche Darstellungen abzuwechseln. Ebenso schätze sie ein ergebnisoffenes, essayistisches Schreiben, das den Blog zu einem Versuchsraum und damit zum titelgebenden mäeutischen Reflexionswerkzeug mache. Mit ihrem Konzept von der in den Alltag integrierten Bloggingpraxis, die als das beschriebene Reflexionsmittel alle Prozesse universitären Handelns flexibel begleiten könne, spricht sie sich resümierend für das Plädoyer „Bloggen im Jetzt für ein unbekanntes Später“ aus.

Die Kunstwissenschaftlerin Sabine Scherz (München, http://games.hypotheses.org) widmete sich in ihrem Erfahrungsbericht Das Blog[1] als ständiger Begleiter – wie schaffe ich Qualität und Kontinuität? den Fragen: Warum, worüber, wie, mit wem und was bloggen? Dabei betonte sie, wie produktiv ihre Blogbeiträge wie eine „Kladde“ ihr Dissertationsprojekt begleiten, indem sie darin Gedanken sammelt und Einarbeitungen in Themen quasi als Arbeitsnachweise einerseits für sich dokumentiert und andererseits als Experte in einem lockeren, ungezwungenen Stil für andere aufarbeiten kann. Dabei stellte sie vor allem praktische Hinweise wie Themenfindungs- und Strukturierungstechniken und auch Hinweise zur sukzessiven Stilfindung vor, die das Bloggen zur regelmäßigen Schreibübung machen können. Die Bedürfnisse der (adressierten) Leserschaft nicht aus den Augen zu verlieren, erachtet sie dabei als Schlüssel zu einem funktionierenden Weblog: Informativität und Zeitersparnis seien die wesentlichen Argumente, die einen Blogleser am Ball halten können. So wendet sie die weblogkritische Frage „Muss ich das lesen?“ (Groebner 2013) gerade gegen den „Buch-Fetischisten“ Valentin Groebner (Graf 2013, 12).

Auch Scherz betont den Gemeinschaftsaspekt des Bloggings, der nicht nur in medialer Vernetzung sondern ebenso in wechselseitigem Bloglesen und Blogkommentieren, also kommunikativer Vernetzung besteht und darüber die Aufmerksamkeit von Lesern bindet und so über den Erfolg des Weblogs entscheidet. Gerade auch damit weist sie auf die karriereförderliche Möglichkeit hin, eine digitale wissenschaftliche Identität aufzubauen, das aber umsichtig d.h. ‚authentisch‘.

Die abschließende titelgebende Frage nach der Qualität und Kontinuität des Bloggens beantwortete sie mit dem Schlüsselwort Motivation, die durch die Anerkennung der Community und durch die Bloggingpraxis selbst als ständiger Begleiter im Hinterkopf von ganz allein geschürt würde. In der Diskussion wurde auf diese Praxis wissenschaftlicher Tätigkeit als eine Möglichkeit hingewiesen, die noch vor den klassischen Kommunikationsformen (Vortrag, Zeitschrift) dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu (inter-)disziplinärer Sichtbarkeiten verhelfen könne, die zudem eingeschränkt quantifiziert werden kann. Ebenso wurden die Ästhetiken des Bloggens angesprochen, die maßgeblich durch z.B. WordPress’ Möglichkeiten und Einschränkungen für Varietät und damit auch Identität im Design bestimmt sind. Eine veränderte forschende Wissens- und Welt-Aisthetisierung scheine zudem im wissenschaftlichen Weblog auf: Im Vergleich zu Printpublikationen können Daten z.B. in Form von vollständigen Digitalisaten direkt im Weblog sichtbar gemacht werden.

Der Sprachwissenschaftler Prof. Martin Haase (Bamberg, http://neusprech.org) plauderte in seinem Vortrag Zwischen Wissenschaft und Politik: Populärwissenschaftliches Bloggen auf neusprech.org ein wenig aus dem Nähkästchen der Erfolgsgeschichte des Grimme-prämierten Bloggens mit seinem Ko-Autor Kai Biermann (Journalist), und stellte die Mittel heraus, mit denen einem Weblog besonders viel Aufmerksamkeit zukommen wird. Dabei betonte er besonders den Wert der sog. Social-Media-Dienste (Facebook, Google+, Perlentaucher, Rivva, Twitter) und von diversen Vermarktungsmöglichkeiten (Bücher, E-Books, Shirts, Flattr). Ebenso plädierte er für individualisierte Designs, die mit den verfügbaren Weblogsoftwares wie z.B. WordPress nur bedingt möglich sind und andere Alleinstellungsmerkmale wie bspw. das von ihm und Biermann unregelmäßig angebotene Podcast „neusprechfunk“ oder live gestreamte Radio-Sendungen mit xenim.de. Neusprech.org zeigt sich abgesehen davon besonders bibliophil: Gattungsanleihen für die einzelnen Beiträge kommen von Wörterbüchern her, das neu vorgestellte Design ist in seiner Dreispaltigkeit zeitungsorientiert: Gattungs- und Kommunikationsformenmerkmale die – weblogtypisch – freilich reichhaltig um internetmedialitätstypische Aspekte wie u.a. Verlinkungen/Vernetzung, dynamische Verschlagwortung und flexible Strukturierbarkeit und Überarbeitbarkeit ergänzt sind (vgl. Meiler i.V.). In der Diskussion wurde vor allem noch einmal auf den Unterschied zwischen einem Weblog und einem daraus generierten E-Book hingewiesen, der in der Art der chronologischen Ordnung, der Seitenstruktur, Statik/Dynamik und Orientierungsmöglichkeit im Text/in den Texten begründet ist und damit zwei unterschiedliche Rezeptionsqualitäten bedingt, die dem Blogleser einerseits immer das Aktuelle zeigt, den E-Book-Leser aber andererseits i.d.R. vom frühesten Eintrag bis zum letztaufgenommenen Eintrag führt.

C

Der Kultur- und Medienwissenschaftler Dr. Sebastian Gießmann (Darmstadt, http://www.netzeundnetzwerke.de/; Mitglied der de.hypotheses.org-Redaktion) gab schließlich mit Jeder kann Bloggen! eine praktische Einführung in die deutsche Plattform von Hypotheses. In einem eigens angelegten Schulungsblog wurden für alle Teilnehmer des Workshops die ersten Schritte im Umgang mit WordPress vom Gestalten eines Blogeintrags samt Einbindung multikodaler Webinhalte bis zur Strukturierung und Hierarchisierung des Weblogs als Ganzem erfahrbar. Daneben wurden auch die nötigen Schritte erläutert, welche auf de.hypotheses.org zum eigenen wissenschaftlichen Weblog führen. Ganz so einfach, wie mit Anbietern wie blogger.com ist es nämlich nicht. Hypotheses stellt im Anmeldeformular u.a. mit einer geforderten Projektskizze zum Blogvorhaben z.B. sicher, dass nicht eine Unmenge unüberlegter und bald wieder aufgegebener Blogs die Plattform überschwemmen. An Weblogs, die sich über einen entsprechenden Zeitraum als regelmäßig aktualisiert bewährt haben, werden zudem ISSNs vergeben und die entsprechenden Blogs von der Französischen Nationalbibliothek archiviert.

Ausblick

Somit sind die ersten Schritte geebnet, die Ängste abzubauen, die (in Deutschland) weithin mit Open-Access-Publikationen verbunden sind (vgl. Kuhlen/Brüning 2006, 22f.) und das wissenschaftliche Bloggen im Spektrum der (internen) Wissenschaftskommunikation einerseits institutionell zu stabilisieren und zu verankern und andererseits – darüber herrschte einhelliger Tenor im Workshop – sind die ersten Schritte getan, wissenschaftliche Weblogs (mit den unterschiedlichen Gattungsausprägungen) als produktiv und sinnvoll anzuerkennen und somit im „kommunikativen Haushalt“ (Luckmann 1988) der wissenschaftlichen Gemeinschaft als akzeptabel und funktional zu etablieren. Dass dies aber noch am Anfang steht, zeigen auch die (noch regelmäßigen) Blogeinträge, die sich auf der Metaebene mit dem wissenschaftlichen Bloggen selbst befassen (nicht nur auf hypotheses.org sondern z.B. auch auf dem SOZBLOG (http://soziologie.de/blog/) der DGS). Die (Selbst-)Reflexion und (Selbst-)Verortung einer „community of practice“ (Wenger 1998) ist also augenblicklich (in Selbstbeobachtung) beobachtbar, was für die Würzburger auch das Hauptargument für einen praxisorientierten Workshop war.

Nicht relevant gesetzt wurde das Bloggen im Kontext der rezenten Publikations- bzw. „Zeitschriftenkrise“ (Hagendoff et al. 2007, 10) und den Veränderungen, die mit dem Open-Access-Paradigma auf die Wissenschaft zukommen und welche Rolle Weblogs in einem veränderten Publikations- bzw. Kommunikationsgefüge universitärer Wissenschaft einnehmen können oder gar sollten. Denn wenngleich Weblogs und auch die anderen Internetkommunikationsformen der Wissenschaft eigene Reputationssysteme (Klickzahlen, Kommentarquoten) hervorgebracht haben, stehen sie doch noch außerhalb der umfangreichen Rankingsysteme, die danach trachten, Forschungsleistung quantifizierend zu erfassen und vergleichbar zu machen und die damit die Forschung zunehmend rückkoppelnd beeinflussen (vgl. Kieser 2010, 355ff.). Vor diesem Hintergrund ist es nicht unbedeutend, die Frage zu stellen, wie erstrebenswert es wirklich ist, Weblogs ‚vollkommen‘ in die wissenschaftliche Publikationspraxis zu integrieren und ob Weblogs nicht gerade aufgrund ihrer spezifischen Außenseiterrolle in der Lage sein werden, produktive Impulse für die Forschung zu geben, die von Zeitschriftenartikeln – folgt man Kieser (ebd., 357f.) – bald nicht mehr zu erwarten sind.

Literatur

Bolter, Jay David/Gruisin, Richard (2000): Remediation. Understanding New Media. Cambridge, London: MIT Press.

Csiszar, Alex (2012): Serialität und die Suche nach Ordnung. Der wissenschaftliche Druck und seine Probleme während des späten 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 2/7. S. 19–46.

Ehlich, Konrad (1993): Deutsch als fremde Wissenschaftssprache. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 19. S. 13–42.

Ehlich, Konrad (2010): Desiderate der Wissenschaftssprachkomparatistik. In: Heller, Dorothee (Hg.): Deutsch, Italienisch und andere Wissenschaftssprachen – Schnittstellen ihrer Analyse. Frankfurt a.M. et al.: Lang. S. 15–32.

Foucault, Michel (1977): Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France – 2. Dezember 1970. Frankfurt a. M., Berlin, Wien: Ullstein.

Graf, Klaus (2013): Vermitteln Blogs das Gefühl rastloser Masturbation? Eine Antwort auf Valentin Groebner. In: Redaktionsblog der deutschen Hypotheses.org vom 07.02.2013 (http://redaktionsblog.hypotheses.org/951). Abs. 1–12.

Groebner, Valentin (2013): Muss ich das lesen? Ja, das hier schon. Wissenschaftliches Publizieren im Netz und in der Überproduktionskrise. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (31) 06.02.2013. S. N5.

Hagendoff, Svenja/Seidenfaden, Lutz/Ortelbach, Björn/Schumann, Matthias (2009): Neue Formen der Wissenschaftskommunikation. Eine Fallstudienuntersuchung. Göttingen: Universitätsverlag.

Kieser, Alfred (2010): Unternehmen Wissenschaft? In: Leviathan 38. S. 347–367.

Luckmann, Thomas (1988): Kommunikative Gattungen im kommunikativen „Haushalt“ einer Gesellschaft. In: Smolka-Koerdt, Gisela/Spangenberg, Peter M./Tillmann-Bartylla, Dagmar (Hg.): Der Ursprung von Literatur. Medien, Rollen, Kommunikationssituationen zwischen 1450 und 1650. München: Fink. S. 279–288.

Meiler, Matthias (i.V.): Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik (angenommen).

Kuhlen, Rainer/Brüning, Jochen (2006): Potenziale von Creative Commons-Lizenzen für Open Innovation. In: Stempfhuber, Maximilian (Hg.): In die Zukunft publizieren. Herausforderungen an das Publizieren und die Informationsversorgung in den Wissenschaften. 11. Kongress der IuK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutschland. Bonn: Informationszentrum Sozialwissenschaften. S. 21–28.

Schmidt, Jan (2009): Weblogs: Formen und Konsequenzen ihrer Nutzung. In: Moraldo, Sandro (Hg.): Internet.kom. Neue Sprach- und Kommunikationsformen im World Wide Web. Band 1: Kommunikationsplattformen. Rom: Aracne. S. 157–180.

Stefanowitsch, Anatol (2011): Das Blog ist tot, es lebe der Blog. In: Sprachlog. Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus. 25. August 2011 (http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachgebrauch/2011-08-25/das-blog-ist-tot-es-lebe-der-blog). Abs. 1–17.

Wenger, Etienne (1998): Communities of Practice: Learning, Meaning, and Identity. Cambridge: Cambridge University Press.


[1] Zum Genus von Weblog/Blog siehe Stefanowitsch (2011).

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1565

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Datenpublikation und die Rolle der Informationswissenschaft

In seinem Editorial für die aktuelle Ausgabe des Journal of the American Society for Information Science and Technology reflektiert Blaise Cronin, Chefredakteur dieser für die Informationswissenschaft zentralen Zeitschrift, die Rolle von Daten im Publikationsprozess und stellt fest:

„Data are not simply addenda or second-order artifacts; rather, they are the heart of much of the narrative literature, the protean stuff, that allows for inference, interpretation, theory building, innovation, and invention.” (Cronin, 2013)

Für die Digitalen Geisteswissenschaften, die zu großen Teilen darauf basieren, geisteswissenschaftliche Gegenstände und Bezugsmaterialien möglichst feingliedrig in maschinenlesbare Daten umzuwandeln, um sie mit digital grundierten Methoden durchforschbar zu machen, steckt darin wenig Neues. Das Stichwort Datenpublikation, die die Publikation der Erkenntnisse und Schlussfolgerungen begleitet, und die damit verbundenen Standards markieren daher fraglos ein wichtiges Thema auch für die Digitalen Geisteswissenschaften. Diese müssen ebenfalls grundsätzlich das klären, was die Wissenschaftskommunikation aller Disziplinen, bzw. die Akteure, die diese Kommunikationen professionell organisieren, derzeit mehr oder weniger intensiv umtreibt:

(1)    [H]ow data are to be handled and incorporated into the scholarly workflow […]

(2)    [H]ow and under what conditions authors should make their data available for others to validate, replicate, or reuse as they see fit

Cronin befindet sich damit (erwartungsgemäß und per Zitation bestätigt) in Einklang mit den von Christine L. Borgman ebenfalls in JASIST vor knapp einem Jahr formulierten Grundprinzipien für die Verbreitung von Forschungsdaten (Borgman, 2012):

-            To reproduce or to verify research
-            To make the results of publicly funded research available to the public
-            To enable others to ask new questions of extant data
-            To advance the state of research and innovation

Es ist offensichtlich, dass passende wissenschaftliche Standards zum ersten Prinzip vorrangig innerhalb der Community ausgehandelt werden müssen, dass das zweite Prinzip sehr stark mit der generellen Frage von Open Access verwoben ist, dass das dritte Prinzip vor allem wissenschaftsethisch eine weiterführende Forschung auf gemeinsamen Datengrundlagen betont und schließlich der vierte Aspekt etwas allgemeiner die Förderung von Wissenschaft und Innovation an sich als Ziel verfolgt. All das deutet auf einen notwendigen Metadiskurs darüber hin, welchen Sinn die Publikation von Daten haben kann und soll.

Cronin schreibt zutreffend:

„Humanists and social scientists of all stripes are faced with similar challenges relating to image collections, demographic statistics, economic time series data, literary corpora, social media metroics, etc.: To every field its data trove.” (Cronin, 2013)

Gerade weil der Data Turn jede Disziplin ergreift und man sich neue und vielleicht sogar die interessanteren Ergebnisse zukünftig vor allem aus der Wechselbeziehung von Daten aus unterschiedlichen Feldern vorstellen kann, scheint ein interdisziplinärer Dialog zu den Standards der Datenpublikation und –nachnutzbarkeit geboten.

Die Informationswissenschaft (bzw. Bibliotheks- und Informationswissenschaft) versucht sich naheliegend als Vermittlungsdisziplin zu etablieren. Cronin ist beizupflichten, wenn er meint: „we should avoid advocating procrustean policies“, wenn dies disziplinäre Dateninseln oder die Einschränkung der Data Diversity auf sehr restriktive Vorgaben zur Folge hat. Andererseits wird unter anderem hinsichtlich kommender Forschungskonzepte die Frage, wie heterogene Datenbestände direkt aufeinander bezogen werden, metadisziplinär relevant. Dabei geht es tatsächlich nicht um „an airtight set of requirements or a single, mulitpurpose data availability policy.” Wohl aber um eine Verständigung auch zu fachübergreifenden (Nach)Nutzungsmöglichkeiten von Datenbeständen.

Cronin will als Redakteur von JASIST natürlich erst einmal klären, wie Datenpublikation in seiner eigenen Zeitschrift überhaupt aussehen kann. Nichtsdestotrotz sollte man meines Erachtens darüber hinaus und besonders auch aus der Perspektive der Digital Humanities nicht nur dazu reflektieren, wie Datenpublikationsprozesse in den Digitalen Geisteswissenschaften möglichst nach den Prämissen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Forschung, Open Access sowie Nachnutzbarkeit für weitere Forschungen innerhalb eines jeweils konkreten disziplinären Rahmen gestaltet sein sollen. Sondern – angeregt vom vierten Grundprinzip bei Christine L. Borgman – ebenso überlegen, wie sich interdisziplinär auch über die Digital Humanities hinaus möglichst verbindliche Normen zur (auch verschränkten) Nutzung von Datenbeständen entwickeln lassen.

Da das Problem alle gleichermaßen betrifft, wenn auch unterschiedlich ausdifferenziert, könnte man in der jetzigen Frühphase Lösungen, Standards und Empfehlungen kooperativ nicht zuletzt mit der Maßgabe entwickeln, das zukünftige interdisziplinäre Wechselwirkungen direkt unterstützt werden. Die Debatte darum, ob die Digitalen Geisteswissenschaften eine neue Wissenschaftsdisziplin oder eine neuer Methodenbereich sind (vgl. exemplarisch diesen Kommentar von Charlotte Schubert) zeigt meiner Ansicht nach, dass wir die hier entstehenden Forschungsperspektiven ohnehin disziplinär übergreifend denken müssen. An dieser Stelle eröffnet sich nicht zuletzt die Möglichkeit, sich sehr zukunftsgerichtet zu profilieren.

Ich vermute stark, dass das, was wir derzeit unter den verschiedenen Digital- und eHumanities-Synonyma diskutieren, erst den Einstieg in viel grundlegendere Transformationen der Wissenschaft an sich darstellt. Daraus ergibt nach meinem Verständnis eine Gestaltungspflicht. Als Bibliotheks- und Informationswissenschaftler sehe ich für die Frage nach der Integration der formalisierten Datenpublikation in die Prozesse der Wissenschaftskommunikation einerseits meine eigene Disziplin als Vermittlungswissenschaft in der Verantwortung, sind doch die Prozesse der Sammlung, Erschließung und Vermittlung von Informationen traditionell ihr Kerngebiet. Zudem erscheint es mir andererseits als sehr sinnvoll, wenn die Fachcommunities einen entsprechenden Dialog aktiv suchen. Denn der interdisziplinäre Erkenntnistransfer kann erfahrungsgemäß nur gelingen, wenn er auf gegenseitigem Verstehen beruht.

Quellen

Borgman, Christine L. (2012): The conundrum of sharing research data. In: Journal of the American Society for Information Science and Technology. 63 (6), S. 1059-1078. DOI: 10.1002/asi.22634

Cronin, Blaise (2013): Thinking About Data. Editorial. In:  In: Journal of the American Society for Information Science and Technology. 64 (3), S. 435-436. DOI: 10.1002/asi.22928

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1419

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Von Lichtenberg zu Voyant und TextGrid und zurück

Geoffrey Rockwell, TAPoR-Gründer und Professor der Philosophie und Humanities Computing an der kanadischen University of Alberta, bloggt auf theoreti.ca erfreut zu unserem DH-Film “Virtual Research Worlds: New Technologies in the Humanities”, in den wir ja einige Anwendungen des von ihm mitentwickelten Tools Voyant eingebaut hatten. Und auch der gute Lichtenberg schafft es auf diese Weise von seiner Bank im Hof des Historischen SUB-Gebäudes zu Göttingen in Rockwells Blog zu multimedia, electronic texts, and computer games:

http://theoreti.ca/?p=4648#more-4648

Der Film auf deutsch ebenfalls bei YouTube: “Virtuelle Forschungswelten: Neue Technologien in den Geisteswissenschaften”

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1352

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DH Award 2012 Nominee: Totenbuch-Visualisierung

Bei den aktuellen DH Awards (jeder ist aufgerufen, mit abzustimmen!) sind betrüblicherweise nur 2,5 Kandidaten aus dem deutschprachigen Raum nominiert. Neben dem Blog von Anne Baillot, der immerhin in Berlin “spielt” sind das das Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE) und – für die Kategorie “Best DH visualization or infographic” – eine Visualisierung aus dem “Totenbuch-Projekt” der Universität Bonn, welches von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften gefördert und vom Cologne Center for eHumanities (CCeH) DH-seitig begleitet wird. Die Visualisierung ist ein recht komplexes “Ding” so dass es sich vielleicht lohnt, auch hier noch einmal ein paar erklärende Worte dazu zu verlieren.

Totenbuch-Gesamtvisualisierung

Worum geht es? Es geht um das altägyptische Totenbuch. Das altägyptische Totenbuch ist ein Textkorpus. Eine Sammlung von Sprüchen, die über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder zusammengestellt und aufgeschrieben wurden, um sie einem/r Verstorbenen mit ins Grab zu geben auf dass die Sprüche ihm oder ihr beim Übergang in das Reich der Toten helfen mögen. Das Totenbuch-Projekt dokumentiert die überlieferten Textzeugen (ca. 3000 Totenbücher mit ca. 30.000 einzelnen Spruchnachweisen) und leistet Grundlagenarbeit für die weitere Erforschung des Totenbuchs. Dazu gehört auch, dass man sich einen Gesamteindruck von den einzelnen Sprüchen und ihrer Überlieferung verschaffen möchte.

Häufig und selten überlieferte Sprüche

Die hier zu diskutierende Grafik zeigt zunächst die von der Forschung “kanonisierten” Sprüche in ihrer kanonisierten Reihenfolge. Dabei steht jeder blaue Punkt für einen Spruch. Die Größe des Punktes steht für die Häufigkeit der Überlieferung des Spruches. Man erkennt auf einen Blick, welche Sprüche und Spruchgruppen breit überliefert sind und welche nicht.

Innerhalb des digitalen Textzeugenarchivs als Web-Präsentation des Projekts wird ausgiebig Gebrauch von Visualisierungen gemacht, um die Strukturen und die quantitativen Eigenschaften der überlieferten Textzeugen zu veranschaulichen. Bei dieser Grafik steht eine speziellere Fragestellung im Hintergrund, die einen Schritt in die eher analytische Dimension der Visualisierung markiert. Die Frage lautet: Entspricht die durch die Forschung etablierte kanonische Ordnung der Sprüche (die hauptsächlich auf einem Leitzeugen beruht) der Wirklichkeit der Gesamtüberlieferung? Wie gut entspricht sie ihr? Und wie kanonisch ist die Abfolge der Sprüche auf den Textzeugen wirklich?

Dazu visualisiert die Grafik die Nachbarschaftsverhältnisse zwischen Sprüchen. Es wird ausgezählt, wer die Nachbarn eines Spruches auf einem Textzeugen sind. Auf den überlieferten Objekten häufig benachbarte Sprüche werden in der Grafik durch Linien verbunden. Je dicker die Linie, desto häufiger ist eine Nachbarschaft belegt. Gäbe es eine deterministische Reihenfolge im Textkorpus, dann gäbe es nur eine einzige Verbindungslinie durch alle Sprüche. Wäre die Reihenfolge ganz beliebig, dann gäbe es eine große Zahl unterschiedlichster Verbindungslinien zwischen den Sprüchen. Die Gesamtvisualisierung liefert hier ein recht deutliches Signal: wenn man bedenkt, dass die Überlieferung einen langen Zeitraum (2.300 Jahre), eine große geografische Spannweite (17 Breitengrade), unterschiedlichste materielle Objekte (von Papyrus über Mumienbinden bis zu Grabinschriften) und verschiedenste Überlieferungszustände umfasst, dann ist die Abfolge als durchaus wenig variant zu betrachten. Und sie steht zunächst nicht im Widerspruch zu der Abfolge, mit der die Forschung selbst arbeitet. Ein genauerer Blick kann aber weitere Fragen anstoßen, die diesen Gesamteindruck bestätigen oder relativieren.

Scheinausreißer

Schnell fallen dabei einige dicke Linien auf, die der These einer relativ festen Abfolge zu widersprechen scheinen. Dies ist aber manchmal darauf zurückzuführen, dass aus inhaltlichen Gründen im Projekt Sprüche zusammengelegt wurden, die einen ähnlichen Text bieten. Die stärkste Verbindung von Spruch 47 scheint z.B. nach oben ganz woanders hin zu gehen, tatsächlich zielt sie aber auf Spruch 10/48. Hätte man die beiden nicht zusammengelegt, dann wäre die Reihe durchaus intakt. Das gleiche gilt für die nach unten gehende Linie bei Spruch 50, die auf Spruch 11/49 zielt.

Was ist hier los?

Andere Fälle erklären sich nicht in der gleichen Weise von selbst. So ist die Reihung von 136 zu 137 möglicherweise fragwürdig. Denn ein unmittelbarer Nachbar von 136/136A bzw 136B ist nur in 14 Fällen Spruch 137. Dagegen folgt auf 136B allein 49 mal Spruch 149 und auf 136/136A allein 47 mal Spruch 138 oder 139. Allerdings bedeutet das immer noch nicht, dass eine andere Reihung zu einem “glatteren” System führen würde. Hier wäre vielleicht in einem nächsten Schritt eine differenziertere Untersuchung anzusetzen, die z.B. Zeitstufen oder andere Gruppierungsmerkmale in den Blick nehmen könnte, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Dies sind nur willkürliche Beispiel dafür, wie die Gesamtgrafik gelesen werden kann. Sie kann nichts weiter sein als ein ersten Schritt zu einem Verständnis der Gesamtstruktur und erste Einblicke in Details bieten. Dazu bedient sie sich mit der Berücksichtigung nur unmittelbarer Nachbarschaften eines sehr einfachen Modells, das methodisch durchaus fragwürdig ist und ggf. weiter zu verfeinern wäre.
Eines der hier leitenden Designziele ist das Konzept von “Overview & Detail”: man will zugleich einen Gesamteindruck herstellen UND bei näherer Betrachtung (am Bildschirm muss man wohl vom “reinzoomen” sprechen) immer feinere Details erkennbar machen. Das hat, wenn man es konsequent verfolgt, durchaus Nachteile und Kosten: Die Grafik ist recht groß. Zu groß für einen Monitor. Das aber ist Absicht. Es geht um eine Gesamtvisualisierung mit dem Potential für lokale Detailstudien.

Das Ding in meiner Küche

Das Ding im Besprechungsraum

Deshalb war das Ziel von Anfang an nicht eine Darstellung in den Grenzen eines Browserfensters. Tatsächlich sind die größeren Fassungen auch gar nicht vollständig in normalen Browserfenstern darstellbar, weil z.B. Firefox nur ein 7-faches Herauszoomen ermöglicht – und damit ist man immer noch nicht weit genug weg. Die Grafik ist trotzdem auf eine Breite von 210cm ausgelegt worden. Denn hier geht es nicht nur um die Digitalisierung einer materiellen Überlieferung, sondern auch um die Materialisierung digitaler Daten! Die Grafik funktioniert am Bildschirm als Werkzeug für Detailstudien. Hier offenbart auch jede Verbindungslinie beim onmouseover Start- und Endpunkt sowie die absoluten Fallzahlen. Für das Paradigma des Overview&Detail aber muss man seinen Schreibtischstuhl verlassen und die Maus loslassen. Ihre eigentliche heuristische Kraft entfaltet “die Tür”, wie wir den Ausdruck auf einer Forex-Platte nennen erst, wenn man sich vor sie stellt, sie abschreitet und vor- und zurücktritt. Erst diese körperliche Auseinandersetzung mit dem materiellen Objekt, sei es (derzeit, leihweise) in meiner Küche oder im Besprechungsraum des Instituts, entspricht der Informations- und Interaktionsintention der Visualisierung.

Die Menschen dahinter? Die Programmierung lag bei Ulrike Henny, ausgehend von und in einem Prozess der Konzeption und Diskussion mit anderen Kollegen vom CCeH. Wirklich “gemacht” haben aber vor allem die Daten, auf denen alles beruht, eine große Zahl ägyptologischer Fachwissenschaftler, zuletzt unter der Leitung von Marcus Müller, die alle Informationen in den letzten 20 Jahren zusammengetragen haben. Ohne diese Arbeit wüssten wir nichts und könnten nichts sehen.

Die Technik dahinter? Eine xQuery-Abfrage auf den Daten in einer XML-Datenbank (eXist) schreibt eine SVG …

Ausgangsdaten, lokales XML

xQuery schreibt …

… SVG (reduziert)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1315

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