nachgefragt | Wie Historizität von Medien und ihre Medialität in Konzepte zur Quellenanalyse einbinden?

Bundesarchiv_Bild_146-1971-003-65,_Berlin,_Kameramänner_vor_dem_Schloss

Kameramänner vor dem Berliner Schloss (1907) | Bundesarchiv, CC-BY-SA, Wikimedia

Gängige Konzepte zur Analyse von Quellen für den Geschichtsunterricht fokussieren meist stark auf deren Inhalt –  bei Textquellen oft noch mehr als bei Bildern oder Filmen. Formale Analysekriterien beschränken sich auf Aspekte von Quellengattung und Quellenkritik, auf Verfasser und Adressat.

In jüngeren Diskussionen der Mediengeschichtsschreibung[1] oder zur Visual History[2] wurde vermehrt darauf hingewiesen, historische Quellen erstens auch auf ihre historisch bedingten Möglichkeiten der Materialisierung, Entstehung und Verbreitung hin zu untersuchen – die Historizität von Medien. Zeitungen beispielsweise kam im 19. Jahrhundert ein ganz anderer Stellenwert zu als heute, weil sie im Grunde ein Monopol zur Verbreitung von Nachrichten hatten. Oder: Es ist für den Bildinhalt eines Fotos zwar egal, ob es gedruckt in einem Buch vorliegt oder auf die Leinwand oder ein Display projiziert wird, nicht aber im Sinne der Historizität. Die fragt erstens nach den jeweiligen technischen Bedingungen, unter der das Foto geschossen wurde und die sich freilich stark verändert haben, zweitens nach den jeweiligen Möglichkeiten zur Verbreitung und Rezeption, die früher viel eingeschränkter waren als heute.[3] Viele heute bekannte Fotos sind etwa erst lange nach ihrer Entstehung „berühmt“ geworden.

Der zweite Aspekt der Medialität meint den „aktiven“ Part, den Medien im historischen Prozess spielen können. Damit ist nicht nur gemeint, dass (oft auch durch kommerzielle Interessen gelenkte) Medienmacher Einfluss auf Verbreitung und Rezeption bestimmter Medien hatten und haben. Viele Quellen, die im Geschichtsunterricht analysiert werden sollen, haben selbst Einfluss auf historisch-politische und gesellschaftliche Entwicklungen, zudem auf Geschichtsbilder und historische Imaginationen genommen, hinzu kommt eine möglicherweise vielseitige oder gebrochene Rezeptionsgeschichte. Beispiele gibt es viele: etwa ein Flugblatt der Weißen Rose, dass zwar auch inhaltlich-analytisch zu untersuchen ist, dessen Bedeutung sich aber erst als in Papier materialisierter, verbotener Protest erschließen lässt (allein das Flugblatt in den Händen zu halten konnte schlimmste Folgen haben), oder der große (gelegentlich auch fehlgeleitete) Einfluss massenmedial verbreiteter Bilder und Filme, beispielsweise auf die Beendigung des Vietnamkrieges in den USA. Als große Fragen der Medialität stellen sich die durch mediale Entwicklungen ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen etwa des Buchdrucks oder des digitalen Wandels.

So weit, so gut. Bei dem Versuch, die Aspekte der Historizität von Medien und ihre Medialität in analysefähige, für den Geschichtsunterricht geeignete Kategorien und Kriterien auszubuchstabieren, ergeben sich allerdings Probleme der Unübersichtlichkeit. Bezüglich der Historizität von Medien ist die Beschäftigung mit Mediengeschichte unerlässlich[4], die überhaupt erst ein Bewusstsein dafür schafft, dass es bestimmte Medien, z.B. Fotos, erst ab einem bestimmten Zeitpunkt gab, dass sie zweitens nicht wie heute mit einem Klick abrufbar sind, sondern in der Vergangenheit oft nur sehr begrenzt verbreitet und rezipiert werden konnten. Begrifflich könnte die für den Geschichtsunterricht zu abstrakte Kategorie Historizität erstens in mediengeschichtlich bedingte Entstehungsmöglichkeiten und zweitens mediengeschichtlich bedingte Verbreitungsmöglichkeiten übersetzt werden. Die erste Frage: Welche Aspekte der Historizität von Medien sind unerlässlich oder hilfreich? Hier bestehen auch enge Verbindungen zu Aspekten von Perspektive und Intention des Verfassers bzw. Urhebers des Mediums.

Die Medialität und mögliche, durch bestimmte als Quelle vorliegende Medien (mit-) ausgelöste historische Entwicklungen von Quellen zu untersuchen ist begrifflich schwieriger in den Blick zu bekommen. Die Rezeptionsgeschichte von Medien, ihre zeitbedingte oder zeitversetzte Wirkung kann sich erst durch Hinzuziehen weiterer Quellen oder mit Blick auf die Verwendung von Quellen durch (heute im Internet leichter möglichen) Recherche verschiedener Verwendungs- und Deutungszusammenhänge von Textquellen oder Bildern erschließen.[5] Mögliche Begriffe könnten dann Wirkungsgeschichte und geschichtskulturelle Bedeutung sein. Deshalb die zweite Frage: Welche Aspekte der Medialität von Medien sind unerlässlich oder hilfreich?

Und drittens: Wie könnte ein Analysekonzept aussehen, dass angesichts der genannten möglichen Analysekategorien nicht überbordet und mangels Übersichtlichkeit mehr Verwirrung stiftet als Erkenntnisgewinn zu erzeugen? Gibt es bereits gute Vorlagen und Beispiele?

Die Grafik ist ist als Vorschlag gemeint und soll weiterentwickelt werden. Nicht jeder Punkt kann für jede historische Quelle Verwendung finden; die Aufzählung ist also als fakultativer Katalog zu verstehen.

Quelle

 

[1] Vgl. beispielsweise Fabio Crivellari, Kay Kirchmann, Marcus Sandl, Rudolf Schlögl (Hrsg.): Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive. Konstanz 2004.

[2] Vgl. Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 12 (2013): Visual History.

[3] Vgl. Jan Hodel: Für eine Differenzierung des Medienbegriffs. In: Public History Weekly, 11.07.2014, online unter: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-25/sprachverwirrung-ist-ein-geschichtsdidaktisches-medium [Stand: 9.4.2015].

[4] Dies fordern u.a. Daniel Bernsen / Alexander König / Thomas Spahn: Medien und historisches Lernen. Eine Verhältnisbestimmung und ein Plädoyer für eine digitale Geschichtsdidaktik. In: Zeitschrift für digitale Geschichtswissenschaften, Nr. 1 (2012), online unter: http://universaar.uni-saarland.de/journals/index. php/zdg/ article/ view/294/358 [Stand 9.4.2015]. Hierzu gibt es auch Vorlagen, etwa die gründlichen Bilderanalysen in: Michael Wobring / Susanne Popp (Hg.): Europäischer Bildersaal. Europa und seine Bilder Schwalbach/Ts. 2013, oder als Hilfsmittel für den Unterricht die Zeitleiste Mediengeschichte im 19. und 20. Jahrhundert bei segu Geschichte.

[5] Vgl. hierzu den (demnächst auch veröffentlichten) Beitrag von Anke John auf der Kölner Tagung „Geschichtsdidaktische Medienverständnisse: „Ich brauche ein Titelbild für meine Mappe.“ Bildgestützte Internetrecherche und historisches Bildverstehen.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2015): nachgefragt | Wie Historizität von Medien und ihre Medialität in Konzepte zur Quellenanalyse einbinden? In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 9.4.2015. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/2843, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2843

Weiterlesen

Alternative Informationen zu Griechenland

Die derzeitige griechische Regierung versucht, nach Jahren mörderischer Austeritätspolitik in ihrem Land wieder menschenwürdige Zustände herzustellen, was der deutschsprachigen Presse so gar nicht gefällt; wer des immergleichen Hetz- und Kampagnenjournalismus gegen die ach so faulen Griechen leid ist, hat zumindest ein paar Alternativen: Unter http://www.faktencheckhellas.net/ steht eine achtseitige Beilage mit Hintergrundinformationen zur Griechenlandkrise zum Download zur Verfügung, während das Neue Deutschland brauchbare tagesaktuelle Berichterstattung liefert: http://www.neues-deutschland.de/

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022416162/

Weiterlesen

TextGrid Nutzertreffen und Lizenzierungsworkshop 11.-13.5.2015

TextGridundDARIAHTextGrid und DARIAH-DE laden vom 11.-13. Mai 2015 nach Göttingen ein, um das 7. TextGrid-Nutzertreffen – diesmal zum Thema Archivieren und Publizieren – mit dem Workshop Store it, share it, use it. Lizenzierung digitaler Forschungsdaten in den Sprach- und Literaturwissenschaften zu verbinden. Dabei wird es u.a. um Technologien und Modelle zur Archivierung und Publikation, um Urheber- und Nutzungsrechte sowie um den Datenschutz im Rahmen geisteswissenschaftlicher Forschungsdaten gehen.

Beide Veranstaltungen richten sich an Interessierte v.a. aus den Sprach- und Literaturwissenschaften, die im Rahmen von z.B. digitalen Editionen Archivierungs- und Publizierungslösungen erarbeiten wollen und die Expertise in der Lizenzwahl und -erstellung für ihre digitalen Forschungsdaten benötigen. Auf dem Programm stehen Einführungen, Projektpräsentationen sowie verschiedene Hands-On-Workshops. Nähere Informationen sowie die Möglichkeit zur Online-Anmeldung finden Sie auf den Webseiten von TextGrid und DARIAH-DE.

Die Veranstaltungen können “en bloc” oder separat gebucht werden. Herzlich willkommen!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4922

Weiterlesen

Round Table II “Annotation von Digitalen Medien”

von Michael Bender, Luise Borek und Ruth Reiche, Technische Universität Darmstadt

Wenn Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Digital Humanities-Projekten über das Thema Annotationen diskutieren, kann es schon mal passieren, dass man zunächst aneinander vorbei redet. Für die einen steht ein Tool im Mittelpunkt, das Annotationen vor allem als flüchtige Anmerkungen im individuellen Forschungsprozess unterstützt. Andere begreifen Annotationen vor allem als Mikropublikationen, die am annotierten Gegenstand bzw. im jeweiligen Repositorium verankert sein müssen und einer langfristigen und nachnutzbaren Archivierung bedürfen. Annotationen als Zwischenschritt und Grundlage für Analyse- und Visualisierungsverfahren oder Machine Learning bilden eine weitere Perspektive auf das Thema.

Nicht nur die Ziele einer Annotation und die damit verbundenen Methoden können sehr verschieden sein, sondern auch die Gegenstände (bzw. ihre digitalen Repräsentationen), die annotiert werden. Sie bilden ein breites Spektrum aus unterschiedlichen Forschungsobjekten, darunter z.B. schriftsprachliche Texte und deren Abbildungen, graphische Elemente und Bilder, Videos, Noten oder gar 3D-Objekte. Doch nicht nur der Annotationsgegenstand, sondern auch die Annotationsinhalte selbst sind vielgestaltig. Annotationen sind nicht immer schriftsprachlich, auch die Unterstreichung eines Wortes, die strukturelle Untermalung einer Textseite, die formale Erfassung der Komposition eines Bildes stellen typische Beispiele für Annotationen dar.

Heterogenität und Diversität mögen auf den ersten Blick hinderlich wirken, um zu gemeinsamen Standards und Verfahrenswegen zu finden. Sie eröffnen jedoch auch die Chance, zu neuen Perspektiven und spezifischen Sichtweisen zu gelangen – sei es durch den wechselseitigen, praxisorientierten Austausch, die differenzierte Betrachtung verschiedener Annotationsverfahren oder die Bündelung einzelner Facetten im Annotationsprozess. Wenn Annotationen mehr als nur individuelle Gedankenstützen sein sollen, können sie ihr  Potential nur dann optimal entfalten, wenn bestimmte  Standards verwendet werden. Denn nur dadurch können  Austauschbarkeit und Nachnutzung von Forschungs(zwischen)ergebnissen gewährleistet werden. Um gemeinsame Lösungen möglichst nachhaltig zu entwickeln und das Thema in der geisteswissenschaftlichen Community zu diskutieren, ist die Kopplung an vorhandene Forschungsinfrastrukturen von großer Bedeutung.

Der von DARIAH-DE organisierte Expertenworkshop Annotation of Digital Media: Infrastructural Needs (Round Table II), der am 23. und 24. März 2015 an der Technischen Universität Darmstadt stattfand, zielte auf genau diese Punkte. Den Grundstein für die konstruktive Diskussionsrunde bildeten die Ergebnisse eines ersten Round Table, der im Juni 2014 von der HRA Heidelberg ausgerichtet wurde. Neben der definitorischen Abgrenzung, also der Frage, was Annotationen denn nun eigentlich sind, standen schon in diesem ersten Workshop Differenzierungen zwischen manuell und maschinell generierten Annotationen, verschiedenen Öffentlichkeitsgraden sowie zwischen Flüchtigkeit und Persistenz von Annotationen zur Diskussion. Daran anknüpfend wurde nun im Rahmen des zweiten Workshops versucht, zu konkretisieren, welche Kriterien und Ansatzpunkte für die Entwicklung von technisch-infrastrukturellen Lösungen relevant sind, um letztlich dem großen Ziel ein wenig näher zu kommen, Analyse- und Annotationsprozesse zusammenzuführen und hierdurch Zusammenhänge sichtbar zu machen  so wie es einst Niklas Luhmann mit seinem Zettelkasten vorgeführt hat.

Zwei Perspektiven erwiesen sich in diesen Zusammenhängen als besonders bedeutend: zum einen die auf Anforderungen an Annotations-Tools, zum anderen die auf Speicherorte bzw. Repositorien und Datenbanken. Damit waren Fragen verbunden wie: Auf welche Datenmodelle, Tagsets, Vokabulare oder Ontologien muss ein Annotationstool zurückgreifen können und inwiefern kann hierbei Standardisierung umgesetzt werden? Wo setzt ein Tool am Gegenstand an, worauf greift es zu, wo werden Annotationen verankert, abgelegt und verwaltet? Wie wird der Zugriff unterschiedlicher Akteure darauf organisiert? Wie stabil bzw. veränderbar muss oder kann der zu annotierende Gegenstand sein, wie die Annotationsebene? Wie geht man mit verschiedenen Versionen um? Wie kann bei Annotationen Zitierbarkeit und gleichzeitig Nachnutzbarkeit erreicht werden? Wie können verschiedene inhaltliche Schichten von Annotationen (z.B. aus verschiedenen Fachperspektiven) selektiv zugänglich gemacht werden? Wie lassen sich Annotationen zu einem Referenz- bzw. Wissensnetzwerk verknüpfen? Diese und noch viele weitere Fragen wurden vor allem  aber nicht nur  mit Blick auf technische Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Festgehalten werden die gemeinsam erschlossenen Lösungswege in einem kollaborativ verfassten Positionspapier, das in Kürze in den DARIAH-DE Working Papers erscheint.

Im Rahmen des DARIAH-DE-Clusters Fachwissenschaftliche Annotationen sind bereits weitere Workshops rund um das Annotieren geplant. Gelegenheit zur fächerübergreifenden und multiperspektivischen Diskussion bietet zudem auch die Mailingliste Annotationen. Wir freuen uns über rege Beteiligung!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4913

Weiterlesen

Der “Grand Mémorial” und andere Ressourcen zum Ersten Weltkrieg (Mittwochstipp 61)

Das hundertste Jubiläum des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wurde durch die Bereitstellung zahlreicher neuer Online-Ressourcen zum Thema gewürdigt – einen Überblick findet man im Beitrag von Mareike König auf dem Blog La Grande Guerre, in einem Post von Klaus Graf … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/3254

Weiterlesen

Ein absurd-skurriler Besuch im Museum für Kommunikation Berlin

imageGemeinsam mit einer Bekannten besuchte ich die Ausstellung Dialog mit der Zeit. Die Erlebnisausstellung im Museum für Kommunikation Berlin. Ich habe diesen Ort als Treffpunkt vorgeschlagen, weil ich hoffte, dass eine inspirierende Ausstellung schöne Gesprächsanlässe gibt.

An der Kasse werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir nur die umherfahrenden Roboter im Erdgeschoss fotografieren dürfen und sonst nichts. Aha, wo sind wir gleich nochmal?

Am Eingangsbereich der Ausstellung im 2. Stock werden wir begrüßt und auf die in einigen Minuten stattfindende Führung hingewiesen. Wir könnten uns ruhig ein bisschen umsehen derweil. Derweil besprechen wir zwei Besucherinnen uns aber, dass wir einfach so durch die Ausstellung schlendern wollen. Es ist immer interessant zu sehen, welche Themen auf welche Weise angesprochen werden. Man muss ja nicht alles bis ins kleinste Detail mitmachen, auch nicht in einer Erlebnisausstellung – dachten wir.

Im zweiten Raum probiere ich zunächst die Telefonansage aus. Übrigens sind schwer verständliche Telefonansagen kein altersspezifisches Problem. Da kommt eine resolut wirkende ältere Dame auf uns zu. Die Ausstellung könnten wir nur mit einer Führung besuchen und wir möchten bitte mitkommen, es würde ein interessanter Film gezeigt. Wir blicken uns an und gehen mit. Der Film zeigt ein zunächst junges Gesicht, das altert und faltiger wird. Ganz so wie bei der Agingbooth-App von iTunes. Als ich merke, worum es in dem Film geht, zücke ich mein Tablet und setze den Tweet Im Museum für Kommunikation in Berlin darf man keine Fotos machen und z.B. twittern ab. Dann führt eine ältere Dame mit einigen Worten in die Ausstellung ein. Sie blickt mich strafend an: ¨Wenn Sie vielleicht auch zuhören und ich Ihre Aufmerksamkeit haben könnte. Schließlich wollen Sie ja etwas von hier mitnehmen und da wäre es von Vorteil, wenn Sie zuhören würden.¨

Ein Zeitsprung! Ich fühle mich nicht wie 50 sondern wie 15 und meine Lehrerin tadelt mich, weil ich nicht aufpasse.

So geplättet stecke ich mein Tablet in die Tasche zurück.

Wir zwei entscheiden uns, jetzt wirklich allein weiterzugehen. Kaum entfernen wir uns einige Schritte von der Gruppe, ruft uns die ältere Dame zu:

Sie müssen bei der Gruppe bleiben!

Wir möchten aber alleine durch die Ausstellung gehen.

Aber die Ausstellung ist nur mit einer Führung interessant.

Wir möchten gerne selbst entscheiden, was wir interessant finden. Worin besteht das Problem?

Es gibt kein Problem. Aber am Eingang steht ein Schild, auf dem steht, dass Sie nur mit einer Gruppe in die Ausstellung dürfen.

Welches Schild? Wir haben keines gesehen.

Das Schild am Eingang! Außerdem haben Sie diese Anhänger um, Sie wurden am Eingang darauf aufmerksam gemacht, dass Sie nur mit einer Führung durch die Ausstellung können.

Nein, das war ein allgemeiner Hinweis, das gleich eine Führung stattfindet. Wir möchten bitte selbst für uns entscheiden.

Ja, dann entscheiden Sie für sich selbst.

Wir tun das und kehren in den zweiten Raum zurück. Dort probiere ich die Station aus, wie es sich für ältere Menschen anfühlt, eine Tür zu öffnen. Wieder kommt eine ältere Dame auf uns zu. Es folgt ein sehr ähnlicher Dialog.

Nächste Station: Sehtest. Die junge Dame vom Eingang der Ausstellung nähert sich uns: ¨Ich hörte von einem unserer Senior-Guides, dass es ein Problem gibt?” Spätestens  jetzt fühlen wir uns wie Randalierer. Dialog s.o.

image (1)

Wir sind jetzt schnell fertig mit der Besichtigung. Ich fühle mich sehr unwohl und auch fassungslos. Dem Bedürfnis, mich mit meiner Begleiterin auszutauschen, kann ich hier nicht nachkommen. Auch habe ich das Gefühl, das man uns einfach nicht Ernst nimmt und fühle mich in meiner Privatsphäre verletzt. Beim Verlassen der Ausstellung sehen wir das besagte Schild im Din-A-4 Format. Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich bereits bei der Recherche zur Ausstellung im Internet einen entsprechenden Hinweis gelesen hätte oder wir spätestens an der Kasse darauf hingewiesen worden wären, dass der Besuch der Sonderausstellung nur mit Führung erlaubt ist. Dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, uns gleich einen anderen Ort für unsere Kommunikation zu suchen.

Fazit: Das war der absurdeste Museumsbesuch, den ich jemals erlebt habe. Auch hätte ich mir – zumal ich mich in einem Museum befand, und nicht an einem Krankenkassen-Info-Stand – tiefergehende Zukunfts-Themen und Denkanstöße als dargeboten erhofft. Warum wird eine Ausstellung so einseitig konzipiert? Wenn die Zukunft des Alters darin besteht, andere zu reglementieren und festzulegen, wie sie die Dinge zu sehen haben, dann wird mir Angst vor dem Alter. Und daran ändern auch keine zweisprachigen Beschriftungen  (dt./engl.) etwas.

Mein persönlicher Tipp: Widmen Sie Ihre Zeit einem älteren Menschen in Ihrer direkten Umgebung und treten Sie mit diesem in einen Dialog mit der Zeit. Das ist keine Zeitverschwendung und bereichert beide Seiten.

 

Digitale Bildquelle (Bild oben): www.artigo.org
Künstler: Meister des Hausbuchs, Titel: Der Jüngling und der Tod, Ort: Wien, Albertina, Zeit: letztes Viertel 15. Jh.

Digitale Bildquelle (Bild unten): www.artigo.org
Künstler: Ferdinand Georg Waldmüller, Titel: Die Ermahnung, Ort: Wien, Museen der Stadt Wien, Zeit: 1846

Quelle: http://games.hypotheses.org/1932

Weiterlesen

Benno Wundshammer: Photo-Journalism and German History, 1933-1987

Wundshammer, Flugzeug Messerschmitt, Mai 1940

Wundshammer, Warschau, Sptember 1939
Benno Wundshammer, Warschau, Sptember 1939, Luftaufnahme eines Außenforts – Original-Bildunterschrift: “An der Ostfront. Eines der Außenforts der Festung Warschau nach der Bombardierung durch deutsche Kampfflugzeuge. 12051-39L
PK-Wundshammer – Scherl Bilderdienst”. Bundesarchiv Bild 183-S53297, Bild 183-S53297/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

The current book project focuses upon the life, work and influence of Benno Wundshammer. Like thousands of other official German war photographers who took some 3.5 million photographs during World War Two. Wundshammer helped to shape the way the war was seen between 1939 and 1945 and thus also to affect the visual memory of World War Two up to the present day. After 1945, Wundshammer played an influential role in the development of West German illustrated newspapers and magazines. Before television became widespread in the 1960s, illustrated magazines were the most important medium shaping the visual universe in which West Germans lived. I want to see how Wundshammer and other members of this influential group of German photographers who took pictures for the Nazis but then subsequently worked for the most important post-war West German illustrated magazines dealt with the important propaganda work they had done for the Nazis and, more generally, with the moral and political implications of the practice of photography under dictatorship and, then, post-war democracy.

Wundshammer, Polen, September 1939
Benno Wundshammer, Polen, September 1939: Flüchtlinge (Propagandakompanien der Wehrmacht – Heer und Luftwaffe, Bild 101 I). Bundesarchiv Bild 101I-317-0015-34A/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

This book is based on Benno Wundshammer’s unusual personal archive, now housed in the Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Unlike famous photographers who produced iconic images, photographers like Wundshammer usually disappear behind their cameras. We have their pictures, but we usually know very little about them. If photographers even bother to compile what could be described as an archive, this seldom includes much more than the photographs they have taken. Wundshammer’s archive is unusual. Wundshammer saved – one might even say obsessively hoarded – huge amounts of a wide range of different types of materials that are not normally found in a photographer’s private archive – not just contact sheets and prints of thousands of the photographs he had taken during the course of his long career but also personal correspondence, diaries, manuscripts of articles and books he had written, as well as copies of articles he had published.

In the summers of 2011, 2012, 2013, and 2014 I did extensive research in Wundshammer’s archive. I have now written rough drafts of five chapters of the projected book. I also presented a paper, “Learning War Photography: Benno Wundshammer’s relationship to his wartime photographs before and after 1945,” at a conference on “The Ethics of Seeing: German Documentary Photography Reconsidered” at the German Historical Institute-London from May 23-25, 2013. Wundshammer’s personal archive provides an unusual opportunity to reconstruct the everyday practices of a working photo-journalist in the Third Reich and the early Federal Republic and to see how this one “media worker” functioned within the larger landscape of wartime and post-war German illustrated magazines.

Wundshammer, Adenauer in Japan, März 1960
Benno Wundshammer, Japan, Besuch des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, März 1960 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung – Bildbestand B 145 Bild). Bundesarchiv B 145 Bild-F008258-0021/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Quelle: https://www.visual-history.de/2015/04/07/benno-wundshammer-photo-journalism-and-german-history-1933-1987/

Weiterlesen

Tanzen mit dem Hakenkreuz. Zur Psychologie einer künstlerischen Karriere im Nationalsozialismus

Von Dr. Vera Kattermann / Dr. Iris Wachsmuth (Neue Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte + SozioAnalysen e.V.[1])  Zu einer inklusiven Erinnerungskultur gehören neben den unterschiedlichsten Opfergruppen auch immer diejenigen, die diese verfolgten Menschen passiv oder aktiv zu den Opfern gemacht haben: die Täter und Täterinnen, die Profiteure bzw. vielfältigen Unterstützer/innen des NS-Regimes. Die Gleichschaltung der Kunst, ob Theater, Tanz, Film, Literatur, Musik und Malerei bildete dabei eine äußerst wichtige Säule für die system- und ideologiestabilisierenden Faktoren des NS-Regimes. Der Fokus soll hier, jenseits von Leni Riefenstahl … Tanzen mit dem Hakenkreuz. Zur Psychologie einer künstlerischen Karriere im Nationalsozialismus weiterlesen

Quelle: http://erinnern.hypotheses.org/183

Weiterlesen

Wallenstein als Feldherr – oder nicht?

Wallenstein als Feldherr war eine prachtvolle Erscheinung. Diesen Eindruck vermittelt er auf jeden Fall in den zeitgenössischen Gemälden. Besonders das Reiterbildnis aus dem Palais Waldstein stellt ihn in dieser Rolle heraus. Kein Wunder, daß der Prager Katalog zu „Albrecht von Waldstein“ von 2007 dieses Motiv an prominenter Stelle platziert, gleich neben dem Vorwort der Herausgeber ganzseitig auf S. 14. Das Gemälde, dem Maler Christian Kaulfersch zugeschrieben, zeigt den Feldherrn Wallenstein hoch zu Roß im schwarzen Vollharnisch. Der Kopf ist unbedeckt und schaut direkt in die Richtung des Betrachters; die linke Hand hält die Zügel, in der rechten liegt der Kommandostab. Der Rappe sowie die geschwärzte Rüstung geben dem Gemälde ein düsteres Gepräge; um so auffallender ist daher die Pracht des Sattel- und Zaumzeugs sowie der Pistolentasche.

Als Nicht-Kunsthistoriker will ich mich nun gar nicht aufs Glatteis begeben und eine weitergehende Bildbeschreibung versuchen. Als Historiker stolpere ich aber über die Tafel in der Bildecke rechts unten, auf der unter anderem deutlich sichtbar eine Jahreszahl prangt: 1631. Offenbar das Jahr, in dem das Gemälde angefertigt wurde. Und genau hier fangen die Fragen an: Denn wie kommt Wallenstein dazu, sich im Jahr 1631 als Feldherr porträtieren zu lassen? Im Sommer 1630 war er doch von all seinen Ämtern entbunden worden; seitdem hatte er kein Kommando mehr über die kaiserlichen Truppen. Erst Ende 1631 sollte er wieder von Kaiser Ferdinand II. neubestallt werden; damals begann das sog. 2. Generalat. Doch ist es plausibel, daß dieses Gemälde ganz knapp noch in dieses Jahr zu datieren ist? So rasch läßt sich ein derartiges Gemälde doch wohl kaum verfertigen. Oder wurde es zurückdatiert? Plausibler ist vielmehr, daß Wallenstein dieses Bild viel früher in diesem Jahr in Auftrag gab – womit wir an der Frage nicht vorbeikommen, warum er in einer Phase, in der er ohne ein militärisches Amt zu bekleiden, sich ausgerechnet als Feldherr darstellen ließ.

Natürlich konnte er damit auf seine Leistungen in den Jahren zuvor verweisen, als er den Kondottiere Ernst von Mansfeld besiegt und für den Kaiser den Krieg gegen den König von Dänemark gewonnen hatte. Allerdings findet sich in diesem Gemälde überhaupt keine Reminiszenz an konkrete Ereignisse in diesen Feldzügen; das Bild scheint den Feldherrnruhm Wallensteins ganz allgemein betonen zu wollen. Eine solche Lesart ist natürlich möglich, und doch ruft sie andere Fragen hervor. Denn wenn Wallenstein in genau dieser Phase die Rolle des Feldherrn für sich selbst herausstellt, hatte dies durchaus Signalwirkung – zumal bei einem repräsentativen Gemälde. Eben weil seine Entlassung 1630 auf den Druck der Reichsstände und insbesondere der Katholischen Liga erfolgt war, würde ein Gemälde, das ihn erneut in dieser Rolle abbildet – und zwar nicht rückwärtsgewandt auf konkrete Ereignisse bezogen, sondern in generalisierender Absicht – ein Politikum ersten Ranges gewesen sein. Maximilian von Bayern, das wird man unterstellen dürfen, hätte eine solche Selbstdarstellung Wallensteins als Affront empfunden, der seinen düstersten Ahnungen über die Rückkehr des verhaßten Friedländers nur neue Nahrung gegeben hätte.

Wohl nicht Kaulfersch, wohl nicht Wallenstein, vielleicht 1631 (Ausschnitt).

Wohl nicht Kaulfersch, wohl nicht Wallenstein, vielleicht 1631 (Ausschnitt).

Doch solche Spekulationen brauchen hier gar nicht weiter verfolgt zu werden. Denn während mich allein die Tafel mit dem Hinweis auf 1631 stutzig gemacht hat, ist Ilka Waßewitz vor kurzem noch auf ganz andere Ungereimtheiten gestoßen (Ein Abbild des Herzogs? – Anmerkungen zum Reiterbildnis Wallensteins im Prager Palast, in: „Die blut’ge Affaire bei Lützen“. Wallensteins Wende, hrsg. v. Inger Schuberth und Maik Reichel, Wettin-Löbejün 2012, S. 220-227). Hier geht es zunächst um die über dem Kopf des Reiters positionierten Reichsinsignien sowie Lorbeer- und Palmzweige. Hinzu kommen Übermalungen, die nicht nur den Hintergrund des Gemäldes betreffen, sondern auch die Figur des Reiters selbst. Ihre Analyse ist sehr behutsam und läuft doch auf die These hinaus, daß hier ursprünglich gar nicht Wallenstein, sondern Kaiser Ferdinand III. porträtiert wurde. Besonders die Übermalungen im Gesicht und Kopfbereich der Reiterfigur unterstützen diese Annahme; andere Punkte – insbesondere die erwähnte Tafel mit der Datierung 1631 – sprechen dagegen.

Eine eindeutige Antwort auf die Frage, wer hier nun als Feldherr porträtiert wurde, ist derzeit offenbar nicht möglich. Aber daß es sich um Wallenstein handelt, muß zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Eigentlich schade, denn eine Kampfansage an den bayerischen Kurfürsten mittels eines repräsentativen Reitergemäldes hätte ich dem auf Rache sinnenden Wallenstein schon zugetraut.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/632

Weiterlesen