#wbgavie | Wissenschaftliches Bloggen im SWOT-Check

Mein hypotheses-Blog mind the gap(s) gibt es seit knapp zwei Jahren, die (gemeinsam mit Georg Lehner betriebene) Bibliotheca Sinica 2.0 als Blog seit vier Jahren.[1] Es ist also an der Zeit Zeit, einmal (selbst-)kritisch zu fragen: Was bringt (mir) das? Lohnt es sich für Wissenschaftler_innen zu bloggen? Welche Chance bietet (mir) das Bloggen? Welche Herausforderungen gibt es? Und wo liegen die Risiken?

Wissenschaftliches Bloggen im SWOT-Check

Wissenschaftliches Bloggen im SWOT-Check *

Vorab eine Einschränkung, denn ‚Wissenschaftsblogs‘ oder ‚wissenschaftliches Bloggen‘ meint je nach Kontext:

  • Blogs von einzelnen Wissenschaftler_innen, die ‚privat‘ bloggen
  • Blogs von informellen Gruppen
  • Blogs von Institutionen
  • Blogs kommerzieller Anbieter

Hier geht es ausdrücklich nur um Blogs von einzelnen Wissenschaftler_innen – und das müsste man noch regional einschränken auf deutschsprachige Blogs: Was kann ich von (m)einem Blog erwarten? Was darf ich? Was geht? Was geht nicht? Wer liest das? Wer soll das lesen? Lohnt der Aufwand?

Blogs können als periodische Veröffentlichung gesehen werden – sogar mit ISSN – mind the gap(s): ISSN 2408-9990

Glückwunsch an “Mind the Gap(s)” von @MonikaLehner – das erste österreichische Blog bei @dehypotheses jetzt mit ISSN http://t.co/WLweaPX0d1

— Mareike König (@Mareike2405) 8. Oktober 2014

Stellt man Blogs neben ‚traditionelle‘ Zeitschriften – so finden sich zunächst mehr Unterschiede denn Gemeinsamkeiten:

Zeitschriften sind ‚altbewährt‘, haben Tradition & Reputation, es gibt genaue Vorgaben für die Gestaltung von Beiträgen und für das Procedere, wie ein Text in die Zeitschrift kommt (Stichwort: Peer Review) … und es kann dauern, bis ein Beitrag erscheint.

Blogs sind ‚neu‘ (Webtagebücher gibt es seit 1997, Bloggen wie wir das heute kennen, gibt es etwa seit 2007), Blogs gelten als ‚Freizeitvergnügen‘, es gibt eigentlich keine Vorgaben, es geht recht schnell und ist sehr leicht zu machen.

Und da liegt ein großer Teil des Problems. Auch wenn wir Bloggenden einander immer wieder versichern, dass Blogs im Mainstream angekommen sind: solange gefühlt vor allem ‚der Nachwuchs‘ Blogs betreibt, wird sich an der mangelnden Akzeptanz nichts ändern.

Was spricht also für das Bloggen?

  • Blogs sind niederschwellig und technisch (zumindest anfangs) wenig aufwändig.[2]
  • Ich kann meine Forschung (oder Teile davon) sichtbar machen.
  • Ich kann kontrollieren, was wann und in welcher Form publiziert wird.
  • Zwei Punkte, die oft genannt werden: Sichtbarkeit und Vernetzung.

Zunächst zu den letzten beiden Punkten: Sichtbarkeit lässt sich kaum mit Zugriffsstatistiken belegen. Wichtiger ist, dass auf Beiträge verwiesen und diese verlinkt wird. Zusätzliche Aufmerksamkeit erzeugt die Verbreitung von Beiträgen über  Kanäle wie Twitter, Google+, Facebook etc. Doch der Grat zwischen Reichweitenverbesserung und Belästigung durch Hochfrequenzwiederholung der immer gleichen Links ist schmal … Verlinkungen sind wie Zitierkartelle in traditionellen Medien und die Zirkel und Grüppchen, die auch im realen Leben existieren –  es ist virtuell genauso schwierig, in die ‚relevanten‘ Kreise vorzustoßen.  

Blogs gelten als interaktiv und dialogisch[3] – Vernetzung  passiert (theoretisch) über Kommentare im Blogs – doch Interaktion und Diskussion findet in Blogs nicht (bzw. nicht mehr) statt. Es wird immer weniger kommentiert, der Dialog verlagert sich auf ‚schnellere‘ Kanäle wie Twitter & Co. Das ist nicht nur bei Wissenschaftsblogs so, sondern auch in anderen Themen-Blog-Sphären wie Food-Blogs, Do-it-yourself-/Craft-Blogs und Wohn-Blogs.[4] Die ‚Stars‘ dieser Blog-Szene, bei denen hinter der DIY-Fassade professionell gemachte Texte, Graphiken, Styling und Photographie stehen, ziehen Nachahmer_innen in Scharen an. Einschlägige Blogger-Konferenzen, Blogger-Workshops, Blogger-Kurse (on- und off-line) sind zu einem florierenden Geschäftszweig geworden, um den Markt wird hinter gestylten Oberflächen mit harten Bandagen gekämpft. In den (zumindest vordergründig) subjektorientierten Blogs steht hinter dem selbstlos anmutenden ‚Ich-habe-spontan-etwas-ganz-Einfache-und-Superkreatives-gemacht-und-das-möchte-ich-Zeigen‘ das durchaus profane Ziel, damit Geld zu verdienen.[5] Die Blogs erzeugen Traffic z.B. über Verlosungen, Link-ups, Blog-Paraden und sind Ansprechpartner für Unternehmen[6]) – auch für Verlage, die Blogger_innen Bücher zur Verfügung stellen (üblicherweise zur Vorstellung und zu einer Verlosung des Buches) und/oder Blogtouren durch einschlägige Themen-Blogs starten.((Ein Beispiel: Die „Blogtour“ des Haupt-Verlags zu einer Neurscheinung dieses Herbstes. http://www.haupt.ch/blog/gestalten/quilten-in-der-dritten-dimension-blog-tour-und-buchverlosung/))

Bei bloggenden Wissenschaftler_innen ist das meines Wissens noch nicht vorgekommen. Ich stelle mir gerade vor: Verlag XY stellt die Monographie ABCD zur Verfügung zur Vorstellung und/oder Verlosung. Als Geschäftsmodell erscheint das schwierig: Die ‚Vorstellung‘ passt nicht zu der  vertrauten Textsorte Rezension. Die Reichweite der meisten Blogs ist gering und nur ein minimaler Prozentsatz der Blog-Leser bereit, für die Chance, ein Buch zu gewinnen, Kontaktdaten rauszurücken.

Im Hinblick auf die Reichweite eines Blogs stellt sich auch die Frage nach der Sprache, in der ich bloggen will. Mind the gap(s) bewegt sich in einer sehr kleinen Nische, dass es strategisch wohl günstiger wäre, nur in englischer Sprache zu bloggen. Eine Möglichkeit wäre, Beiträge abwechselnd in verschiedenen Sprachen zu bloggen – wie das etwa Claudine Moulin in ihrem Blog annot@tio  macht. Eine zweite Möglichkeit (vorausgesetzt, hypotheses.org würde ein geeignetes Plug-in zulassen) wäre, jeden Beitrag in zwei (oder mehreren) Sprachen zur Verfügung zu stellen – mit erheblichem Mehraufwand. Das führt uns direkt hinein zu Überlegungen zu den Herausforderungen des Bloggens:

  • Es braucht Zeit.
  • Es gibt – Stichwort Bilder und Zitate – komplexe rechtliche Bestimmungen.
  • Ich könnte zu viel verraten – mir könnte jemand was wegnehmen.

Kerstin Hoffmann hat über dieses Totschlag-Argument ein ganzes Buch geschrieben: Prinzip kostenlos[7]. Sie meint: „Du kannst (fast) alles verschenken, was du weißt – wenn du das verkaufst, was du kannst!“ Der Ausgangspunkt ist die Überlegung: „Mit verschenktem Wissen erzeugen Sie die Nachfrage nach dem, was niemand anders in dieser Form anbietet: Ihrer hochwertigen, kostenpflichtigen Leistung.“[8]
Mit meinem Blog verschenke ich Wissen … und wenn ich Glück habe, führt das zu der einen oder anderen Anfrage für einen Sammelband oder eine Konferenz. Allerdings passiert das seltener als die traditionellen Wege: Person X kennt Y und der meint dann gegenüber Z: Du könntest doch AB kontaktieren.

Aber wer soll mein Wissen kaufen?

Potentielle Interessenten wie Journalisten? Mit Fragen wie: „Bitte wie viel Yin und wie viel Yang finden sich in 100 Gramm Extrawurst?“ Es gibt kaum schönere Gelegenheiten, das mühsam aufgebaute Standing zu demolieren …

Museen und Ausstellungsgestalter_innen? „Wir hätten da einen Wandschirm, vermutlich Beutestück. Wissen Sie was darüber?“ Ja, weiß ich. 2 Jahre Archiv + 1 Buch + mehrere Aufsätze + eine wohlgeordnete Ablage = 3 Minuten Suche. Gegenleistung: ein warmer Händedruck – rein virtuell natürlich …

Soll ich also bloggen?

Die Entscheidung zu bloggen, erfordert ein bestimmtes Maß an ‚Commitment‘: Ich schreibe annähernd regelmäßig kurze Texte, die hoffentlich jemanden interessieren – und die zu meinem professionellen Profil passen – eine Art ‚Schaukästchen‘ für mich.
Ein Blog mit dem alleinigen Ziel, (meine) Arbeiten zu ‚bewerben‘, wird scheitern. Es kann ganz schön hart werden, immer wieder ‚etwas‘ finden zu müssen. Wenn ich allerdings etwas habe, das mich wirklich interessiert, dann finden sich die Themen quasi von selbst – was nicht heißt, dass ich mitunter recht lange überlege, worüber ich demnächst blogge. Denn da ist auch große Schere im Kopf da: Blogge ich das oder hebe ich das für eine Publikation auf? Ein Leser von mind the gap(s) wird ziemlich bald bemerken, dass ich um das Thema, dem ich mich zur Zeit besonders intensiv widme, sorgfältig ‚herumarbeite‘.
Der von Klaus Graf wiederholt eingeforderte ‘Mut zum Fragment’[9] ist nicht mein Ding. Ich sehe meine Blogbeiträge eher als ‚Miszellen‘, für die ich nicht eine Zeitschriftenredaktion beknien muss, um sie unterzubringen. Es sind kleine (oder auch nicht ganz  so kleine) Miniaturen zu (m)einem Thema, die jeweils in sich abgeschlossen sind.

Vor allem in der anglo-amerikanischen Blogosphäre finden sich in Blogs vermehrt Beiträge über das Arbeiten an sich und über zum Teil sehr private Themen wie Familie, Gesundheit etc. – ähnlich zu sehr persönlichen Vorwörtern und Danksagungen. Im deutschen Sprachraum ist das unüblich – auch unter bloggenden Wissenschaftler_innen..

Eines der Hauptprobleme der bloggenden Wissenschaftler_innen ist die Tatsache, dass nur wenige ‚Etablierte‘ (Ordinarii, Full Professors) außerhalb engen Gruppe der Digital Humanities bloggen.  Das erscheint als Henne-Ei-Problem: Werden andere Publikationsformen bevorzugt, weil Blogs wenig(er) Anerkennung genießen? Oder haben Blogs wenig(er) Anerkennung, weil die ‚Etablierten‘ nicht bloggen? Bloggen scheint ein Phänomen, das dem ‚wissenschaftlichen Nachwuchs‘ zugeordnet ist – und es hat den Stellenwert einer ‚Freizeitaktivität‘ und die haben doch weder DoktorandInnen noch HabilitandInnen noch WissenschaftlerInnen.

Das führt uns zum nächsten Punkt: Lohnt der zeitliche Aufwand? Lohnt es, Stunden (die man entweder ‚sinnvolleren‘ Arbeiten oder der Entspannung widmen könnte) zu investieren?

Orbit Media Studios hat im Frühjahr 2014  die Antworten von rund 1000 Bloggern ausgewertet und kommt bei der Frage nach dem Zeitaufwand pro Blog-Beitrag zu folgendem Ergebnis:  mehr als 75 % der Beiträge entstehen mit einem Zeitaufwand von wenigen Minuten bis maximal 3 Stunden, weniger als 25 % in mehr als 3 Stunden.[10] Es wäre sicher spannend, diese Umfrage auf bloggende WissenschaftlerInnen umzulegen: Es gibt Beiträge, die entstehen in weniger als einer Stunde, aber die sind selten. Meist steckt in einem Beitrag wesentlich mehr Zeit.

Manche Beiträge entstehen quasi von selbst, in einem Rutsch (und in kurzer Zeit). Manche entstehen in mehreren Schritten (und mit etwas mehr Aufwand). Und dann gibt es Ideen, die bei näherer Betrachtung viel mehr Aufwand erfordern würden (oder eine ganze Serie bräuchten). Da steht dann der innere Zensor parat und sagt: Du hast Wichtigeres zu tun. Denn mir ist bewusst, dass Blogs vorerst ‚Publikationen nachgeordneter Bedeutung‘ sind, die ‚im Fall des Falles‘ wenig/nichts zählen.

Ist Bloggen eine Übung zum wissenschaftlichen Schreiben? Für mich nicht, die Textsorten sind zu unterschiedlich. Bloggen erscheint eher eine Möglichkeit, Themen ‚besetzen‘ und zu platzieren, die ich schwer/nicht unterbringen könnte. Als Beispiel sei hier die kleine Serie zum Gschnas „Groß-Peking“ angeführt, die in sechs Teilen über 6 Wochen erschien. Zusammengefasst (und ergänzt durch eine Einleitung und einen etwas ausführlicheren Apparat) wäre das ein kleiner Aufsatz. Doch das Thema ist randständig und braucht Bilder – und die dazuzubekommen, ist in gängigen Zeitschriften schwierig bis unmöglich.

Bloggen braucht Zeit und Blogs zählen für manche noch nicht als ‘richtige’ Publikation. Trotzdem blogge ich. Der wöchentliche Rhythmus zwingt zur Disziplin – und er verfolgt ein Ziel: Ich will möglichst auf der de.hypotheses.org-Seite und/oder der hypotheses.org-Seite zu landen[11] und damit sichtbar(er) werden. Deshalb gibt es vorerst weiterhin wöchentlich einen Beitrag -  die Themen können (und werden) sich ändern, Form und Format der Beiträge können sich ändern, der Rhythmus aber soll (vorerst) bleiben.

Blogs erscheinen mir trotz aller (hier nur kurz angerissenen) Vor- und Nachteile und trotz der Herausforderungen und möglichen Risiken – als eine spannende Möglichkeit von vielen, Wissenschaft zu kommunizieren und damit sichtbarer zu machen.

Incipe. Dimidium facti est coepisse.“ [12]

Ungekürzte Fassung des Vortrags beim  Workshop „Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen“ (Wien, 10.11.2014).

* Icons from The Noun Project Collection: -  Clover designed by gayatri from the Noun Project, Price Tag designed by Curtis Free from the Noun Project, „Diamond“ by Wayne Thayer, „Bomb“ by Paolo Volkova.

  1. Davor war die ‘Wiener China-Bibliographie’ eine statische Website. S. dazu Bibliotheca Sinica 2.0.
  2. Kleiner Seitenhieb: die Situation nach Blog-Workshops erinnert frappant an die Presselandschaft in Wien im Jahr 1848: es entstehen schlagartig Hunderte Periodika … viele kurzlebig, einige Eintagsfliegen … und nur wenige überleben …
  3. Vgl. dazu die Matrix bei Christoph Schöch “Wissenschaftliches Bloggen im Kontext digitaler Publikationsmedien” (Folien zum Vortrag „Wissenschaftliches Bloggen im Kontext dgitaler Publikationsmedien“ (pdf) beim Workshop „Wissenschaftliches Bloggen in Deutschland: Geschichte, Perspektiven, praktische Umsetzung“ (Universität Würzburg, 11.4.2013) <letzter Zugriff: 10.11.2014>.
  4. S. u.a.: DesignSponge/Grace Bonney State of the Blog Union: How The Blogging World Has Changed (January 2014): http://www.designsponge.com/2014/01/state-of-the-blog-union-how-the-blogging-world-has-changed.html
  5. Allmählich spricht sich herum, dass das nicht so einfach ist, vgl. etwa: Clara Moring/tastesheriff: „Du blogst?! – und wie verdienst Du damit Dein Geld?“ (12.7.2014) http://www.tastesheriff.com/du-blogst-und-wie-verdienst-du-damit-dein-geld / . Die Diskussion um Sponsoring und bezahlte Werbung flammt immer wieder auf – vgl. dazu u.a.:) Susanne Ackstaller/texterella.de: „Montagsmeinung: Ist Werbung in Blogs böse (18.8.2014) böse?“ http://www.texterella.de/mode-text.php/lifestyle/comments/montagsmeinung-ist-werbung-in-blogs-boese/ und „I heart my blog“ (26.9. 2014)http://www.texterella.de/mode-text.php/lifestyle/comments/i-heart-my-blog/
  6. Das Blogger-Relations-Management funktioniert nicht immer friktionsfrei, vgl. etwa Anna Luz de Leon/berlinmittemom: „ich bin kein ramschladen ::: sponsored posts, kooperationen & co“ (11.6.2013) http://berlinmittemom.com/2013/06/11/ich-bin-kein-ramschladen-sponsored-posts-kooperationen-co/ und Marcy Mssura: „How the blogger killed herself off” https://www.linkedin.com/today/post/article/20140922194855-25048725-how-the-blogger-killed-herself-off (22.9.2014) oder auch die Meldungen um das Ende des Blogs „Young House Love“ im September/Oktober 2014 (u.a.: Steven Kurutz: „When Blogging Becomes a Slog“, New York Times, Sept. 24, 2014 (http://www.nytimes.com/2014/09/25/garden/when-blogging-becomes-a-slog.html
  7. Kerstin Hoffmann: Prinzip kostenlos: Wissen verschenken, Aufmerksamkeit steigern, Kunden gewinnen. (Weinheim: Wiley-VCH, 2012).
  8. “Prinzip kostenlos”. Das Buch .
  9. Klaus Graf:  “Qualität wird überschätzt” (30.9.2014).”
  10. Orbit Media Studies/Andy Crestodina: Survey of 1000+ Bloggers: How to Be in the Top 5% (June 2014). Online: http://www.orbitmedia.com/blog/blogger-analysis (letzter Zugriff am 5.11.2014).
  11. Ersteres hat mind the gap(s) im ersten Blogjahr 45x geschafft.
  12. Ausonius, Decimus Magnus / Rosatus, Ambrosius / Ferrarius, Julius Aemilius: Epigrammata, mit Vita Ausonii, mit Brief an Ambrosius Rosatus von Julius Aemilius Ferrarius und mit Gedicht auf Ferrarius von Laurentius Casatia, Nachdruck der Ausgabe Mailand: Ulrich Scinzenzeler, 1490.09.15, hrsg. von Julius Aemilius Ferrarius, HCR 2177, Venedig, 1494.08.11 [BSB-Ink A-946 - GW 3092], [fol. 12 v.].

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1869

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Wie lassen sich Web-Anwendungen im archivischen Arbeitsalltag nutzen? Versuch einer Übersicht

Im Rahmen der anregenden Diskussion von Bastian Gillners Artikel “Wollen Archive (mehr) Nutzer?” auf dem Gemeinschaftsblog Archive 2.0 kam die Forderung nach einer Zuordnung von Web 2.0-Anwendungen zu archivischen Aufgaben auf  (vgl. Kommentar von Stefan Schröder). Thomas Wolf hat daraufhin dankenswerterweise Archivaufgaben und Web 2.0-Tools in einer Liste zusammengefasst und zur Diskussion gestellt. Ich nehme die Einladung zur Ergänzung gerne an. Die Aufstellung von Herrn Wolf aufgreifend, habe ich versucht, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Web-Anwendungen im archivischen Arbeitsalltag noch etwas anschaulicher zu machen. Die entstandene Tabelle ist öffentlich zugänglich und kann von allen Interessierten ergänzt und weiterbearbeitet werden (Link siehe unten).

Zum besseren Verständnis möchte ich an dieser Stelle kurz erläutern, welche Überlegungen mich bei der Erstellung der Tabelle geleitet haben.1

Screenshot Tabelle Web-ToolsGemeinsame Betrachtung von Web 1.0 und Web 2.0-Anwendungen

Sowohl Web 1.0-Anwendungen, wie Email und Homepage, als auch Web 2.0-Tools können für vielfältige Fachaufgaben eingesetzt werden. Eine Übersicht, die auf einen Blick die Einsatzmöglichkeiten beider Arten von Web-Anwendungen verbindet, ist daher m.E. sinnvoller, als eine künstliche Unterscheidung. In der Praxis wird sich die Wahl eines bestimmten Werkzeugs oder Mediums einerseits daran orientieren, welches konkrete Ziel im Rahmen einer Fachaufgabe erreicht werden soll, andererseits daran, welche Zielgruppe oder Adressaten man ansprechen möchte. Ob es sich dabei um ein Web 1.0 oder ein Web 2.0-Tool – oder gar ein analoges Medium (z.B Flyer) – handelt, ist letztlich von den konkreten Rahmenbedingungen eines Archivs abhängig (Finanzen, technische Ausstattung, Nutzerklientel, Personalausstattung und -qualifikation, etc.).

Visuelle Unterscheidung zwischen Kernaufgaben, Querschnittsaufgabe Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationsteilnehmern

Bei der Definition der Kernaufgaben habe ich eine klassische Herangehensweise gewählt und weiche daher von den Vorschlägen von Herrn Wolf an einigen Stellen ab. Als Kernaufgaben betrachte ich die folgenden, grundsätzlich gleichrangigen,  Aufgabenkomplexe (in der Tabelle jeweils durch horizontale dunkelblaue Balken gekennzeichnet):

  • Archivmanmagement2
  • Vorarchivische Schriftgutverwaltung
  • Überlieferungsbildung
  • Bewertung
  • Erschließung
  • Zugang/Benutzung
  • Bestanderhaltung
  • Historische Bildungsarbeit (inkl. Archivpädagogik)

Öffentlichkeitsarbeit definiere ich als Querschnittsaufgabe, die sich durch alle genannten Kernaufgaben hindurchzieht. In der Tabelle wird dies durch den übergreifenden vertikalen Balken am rechten Rand dargestellt (gelb).

Zusätzlich zur Unterscheidung von Kernaufgaben und der Querschnittsaufgabe Öffentlichkeitsarbeit erscheint es mir sinnvoll, verschiedene Adressaten oder Kommunikationsteilnehmer sichtbar zu machen (hellblaue Darstellung). Ich habe dabei unterschieden zwischen der

  1. Kommunikation innerhalb des Archivs
  2. Kommunikation mit der entsprechenden Fachcommunity
  3. Kommunikation mit konkret definierten Dritten (ggf. je nach Kernaufgabe unterschiedliche, z.B. Nutzer, Registraturbildner, politische Entscheidungsträger, Bildungseinrichtungen, Dienstleister, etc.)
  4. Kommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit als Teil der Querschnittsaufgabe Öffentlichkeitsarbeit

In einigen Aufgabenbereichen überlappen sich m. E. Kernaufgabe und Querschnittsaufgabe in Bezug auf die Kommunikationsteilnehmer der 3. Kategorie deutlicher als in anderen. Dies ist in der Tabelle durch eine grünliche Färbung dargestellt.

Anwendungsbeispiele – Einladung zur Ergänzung!

Ich habe versucht, möglichst viele Anwendungsbeispiele in die Tabelle einzutragen. Es bleiben dennoch noch viele Felder leer. Das liegt zum einen daran, dass nicht alle verfügbaren Web-Tools in allen Arbeitsbereichen für alle Adressaten in gleichem Maße sinnvoll eingesetzt werden können. Zum anderen habe ich mit vielen dieser Tools selbst keine praktische Erfahrung – mein Vorstellungsvermögen für weitere Einsatzmöglichkeiten ist daher begrenzt und es könnten sicherlich weitere Tools in die Liste aufgenommen werden. Auch die Auswahl der Links zu bereits real existierenden Beispiele ist sehr selektiv ausgefallen. Dies ist vor allem zeitlichen Beschränkungen geschuldet und ich bitte die Auswahl oder Nichtauswahl der verschiedenen existierenden Projekte nicht wertend zu verstehen! Weitere Beispiele sind zu ergänzen. Die Tabelle ist deshalb ausdrücklich zur Weiterberarbeitung vorgesehen und ich würde mich freuen, wenn sie als Gemeinschaftsprojekt wachsen würde.

Link zur Tabelle: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1WhkC8xQLnoKCJqPR-W52hYp43xvp-jOdnXViJ9FDuhM/edit?usp=sharing

  1. Dank geht an Klara Deecke für konstruktive Kritik und wertvolle Ergänzungen.
  2. Archivmanagement kann natürlich auch als Querschnittsaufgabe definiert werden. Darauf wurde hier aus Gründen der Darstellbarkeit verzichtet.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/2206

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Chilehaus: Auf dem Weg zum kulturellen Erbe

2015 entscheidet sich in Paris, ob Hamburg ein Weltkulturerbe bekommen wird. Die Kriterien und Auflagen der UNESCO sind umfassend und streng. Zwar stehen die Chancen gut, aber schon für die Bewerbung gab es hohe Hürden zu bewältigen. Welchen Mehrwert bietet ein Welterbetitel und was bedeutet er für die Stadt und seine Bewohner? – Von Christian Weber

Das kulturelle Erbe Hamburgs könnte 2015 eine Adelung erfahren. Die Kulturbehörde der Stadt hat sich 2014 mit einem Gebäudeensemble um die Aufnahme in die Welterbeliste der UNESCO beworben.

Das Ensemble „Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ besitzt laut der Initiatoren der Bewerbung einen hohen historischen Wert, den es zu schützen gelte. Die Bewerbungsmacher sehen in den beiden Komplexen die Grundlage für die Infrastruktur in Hamburg, die erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte des Hamburger Hafens und den Wohlstand der Stadt.

Der Senat hat im Februar 2014 die Kulturbehörde beauftragt über die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Auswärtige Amt, den ausgearbeiteten Aufnahmeantrag beim Welterbezentrum in Paris vorzulegen. Der Antrag wurde fristgerecht vorgelegt und noch im Laufe des Jahres 2014 wird eine Delegation der UNESCO nach Hamburg reisen, um die Bewerbung zu prüfen. Im Juni 2015 wird das Welterbekomitee in Paris die Entscheidung fällen.

Erfüllung der Kriterien

Für Hamburg wäre es der erste Beitrag zur Welterbeliste. Mit derzeit 39 Welterbetiteln, darunter die Altstadt von Lübeck und das Wattenmeer, gehört Deutschland zu den fünf Ländern mit den meisten Eintragungen des Kulturverzeichnisses. Während alle anderen Bundesländer schon einen Beitrag vorzeigen können, ist Hamburg das letzte deutsche Bundesland ohne Welterbetitel.

Bereits seit 1998 befindet sich das Chilehaus als einzelnes Objekt auf der Tentativliste, also der Vorschlagsammlung der KMK. Da eine Bewerbung für den Titel auf nationaler Ebene erfolgt, müssen sich die Länder ihrer föderalen Struktur entsprechend einigen, mit welchen Stätten eine deutsche Bewerbung bei der UNESCO eingeht.

  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Ostansicht Chilehaus: Die berühmte Spitze des Chilehauses, der"Bug", machte das Haus weltberühmt. Die Schiffsmetaphorik ist hier besonders gut sichtbar / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Südseite Chilehaus: Die Risalite und die Staffelgschosse geben dem Gebäude seine unverwechselbar Form / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    S-förmige Südseite Chilehaus: Die geschwungende Form des Hauses lässte mit wechselndem Licht immer wieder neue Impressionen entstehen / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Die Staffelgeschosse, die an Schiffsdecks erinnern, waren sehr fortschrittlich 1924. Mit ihnen wurde die Bauhöhe optimal ausgenutzt .... / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur, Staffelgeschoss
    ... und auch in Sachen Brandschutz bietet diese Bauweise Vorteile. Ein Satteldach aus Holzbalken ist deutlich brandgefährdeter / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Chilehaus, Architektur
    Ein Problem des Chilehauses ist, dass es von keiner Seite in Gänze zu sehen ist. Die enge Bebauung des Viertels lässt immer nur einen Teilblick / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Sprinkenhof, Architektur
    Südseite des Sprinkenhofs: Die Ornamentik an der Fassade des Gebäudes lässt aus bestimmten Perspektiven beeindruckende Muster entstehen / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Sprinkenhof, Architektur
    Im Innenhof des des Sprinkenhofs setzt sich das Muster fort / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Brahms Kontor, Architektur
    Brahms Kontor an der Laiszhalle: Das Kontor ist in Teilen schon älter als das Chilehaus und ist mit seinen 15 Geschossen auch höher. Allerdings ist die äußere Form weit weniger virtuos / Foto: Christian Weber
  • Flatiron Building New York: Ob das 1902 fertiggestellte Hochhaus den Architekten des Chilehauses, Fritz Höger, inspiriert hat, ist nicht bekannt / Foto: Fotolia
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Kontorhäuser Speicherstadt: Die 15 zusammenhängenden Kontorhäusern gelten als der größte einheitlich geprägte Lagerhauskomplex der Welt / Foto: Christian Weber
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Die Speicherstadt wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. An vielen Stellen lässt sich die Symbiose aus alter und erneuerter Bausubstanz aus den 1950er Jahren betrachten / Foto: Christian Weber
  • Kaffeebörse, Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    Vor allem am Sandtorkai 3 kann man die Unterschiede gut erkennen. Der Neubau von Werner Kallmorgen (links im Bild) von 1956 ist ein bekanntes Beispiel für den Wiederaufbau der Speicherstadt / Foto: Christian Weber
  • Speicherstadt, Kontorhaus, Hamburg, Architektur
    An vielen Stellen bietet die Speicherstadt einen ungetrübten Blick auf ausschließlich originale Bauabschnitte / Foto: Christian Weber
  • Hamburg, Innenstadt, Speicherstadt, Kontorhausviertel, Hafencity
    Kontorhausviertel, Speicherstadt und Hafencity: Zusammenspiel von kulturellem Erbe und Wachstumsviertel / Foto: Fotolia/ Peter Knechtges

(Für eine Großbildansicht bitte in die Bildmitte klicken)

Dabei sollten die Antragsteller darauf achten, dass die Objekte, die man mit einem Welterbetitel versehen möchte, in ihrem Genre nicht bereits überpräsent sind. Die Experten der UNESCO erwarten einen „außergewöhnlichen universellen Wert“ bei Listenanwärtern. Originalität ist neben „Authentizität“, also historischer Echtheit, und „Integrität“, was man mit Unversehrtheit übersetzen könnte, eines der wichtigsten Aufnahmekriterien.

Die Autoren formulieren im Bewerbungsschreiben den hohen Anteil des Ensembles in seiner Funktion als Logistik-, Lager- und Verwaltungskomplex, die das Ensemble für den industriellen Wandel in Hamburg und Umgebung hatte. Das gilt auch für die industriellen Prozesse des 19. und 20. Jahrhunderts und seine Auswirkungen auf transnationale industrielle Entwickelung in ganz Europa. Mit einer Ernennung zum Weltkulturerbe soll der kulturelle Wert dieses Erbes hervorgehoben werden.

Hervorragende Voraussetzung für das Kontorhausviertel mit Chilehaus

Das Chilehaus nimmt eine Führungsrolle im Bewerbungsprozess um den Welterbetitel ein. Anfangs war das Chilhaus alleiniger Bestandteil der Bewerbung. Der Titel der Bewerbung („Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“) lässt noch immer erkennen, dass das Chilehaus in den Augen der Bewerbungsmacher einen besonderen Platz im Ensemble einnimmt.

Von Kriegsschäden weitestgehend verschont, genießt das von Fritz Höger erbaute Chilehaus den Ruf, eines der bekanntesten Gebäude der Welt zu sein. Mit seinen zehn Stockwerken war es eines der ersten Hochhäuser Deutschlands. Vor allem mit seiner markanten Form und seiner schiffsbugartigen Ostspitze, hatte es schon vor seiner Fertigstellung weltweit für Aufsehen gesorgt. Zwar gab es bereits ein früheres „Hochhaus“ am Holstenwall, das heutige Brahms Kontor. Aber selbst nach seiner Fertigstellung 1927 konnte es mit seinen 15 Stockwerken, dem weitaus virtuoseren Chilehauses nicht den Rang ablaufen.

Sieht man von dem historischen Detail ab, dass die Baubehörde zu Baubeginn Wohnungen im Chilehaus forderte, ist das Chilehaus ein Archetyp des norddeutschen Kontorhauses. Die Forderung nach einer teilweisen Wohnnutzung hatte man allerdings schon weit vor der Fertigstellung des Chilehauses wieder verworfen. Es passte nicht in die von Wirtschaftskrisen geplagten 1920er Jahre. Geschuldet war die Auflage der Tatsache, dass sowohl im Kontorhausviertel, als auch in der Speicherstadt engbebaute Gängeviertel standen, welche Arbeiterquartiere beherbergten. Als Choleraherd ausgemacht, sah man sich nach der großen Epidemie von 1892 genötigt, die Quartiere abzureißen. Allein für die Speicherstadt mussten 20.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen.

 

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 Speicherstadt und Hafencity: Kulturelles Erbe und Bauboom auf engstem Raum                     / Foto: Fotolia / Peter Knechtges
 

Das Chilehaus in seiner ungewöhnlichen Mischung aus Neogotik, Traditionsbewusstein und Moderne erfuhr vor und nach seiner Fertigstellung eine bis dato unbekannte mediale Verbreitung. Die namhaften Fotografien der Gebrüder Dransfeld vom „Bug“ des Hauses gingen damals um die Welt. Ende der 1920er Jahre war das Chilehaus mit seiner Schiffsmetaphorik ein beliebtes Motiv auf Postkarten, Holzschnitten, Postern und Lebensmittelpackungen.

Weder die Staffelgeschosse, die zurückspringenden Dachgeschosse, die sich nach oben hin verjüngen, waren wirklich neu, noch war es das erste Haus mit einer derart schiffsähnlichen Spitze. Vorbild könnte das sogenannte Flatiron Building des Chicagoer Architekten Daniel Hudson Burnham von 1902 an der 5th Avenue in New York gewesen sein. Die Zusammenhänge werden bis heute in Architekturkreisen diskutiert. Ob Architekt Fritz Höger besagtes Gebäude kannte, lässt sich nicht rekonstruieren.

Was aber dem möglichen Vorbild im Vergleich zum Chilehaus fehlt, ist die extravagante Mischung von Stilmitteln. Der Bockhorner Klinker, die gotischen Arkaden mit den kitschig anmutenden Putten und Tierfiguren des Hamburger Bildhauers Richard Kuöhl ergaben einen exotischen Stilmix. Die orientalisch-modern anmutenden Elemente und die markante S-förmigen Südseite riefen in den Augen vieler Betrachter verschiedenste, starke Reaktionen hervor.

Im gesamten Kontorhausviertel hat der Zweiten Weltkrieg nur wenige Schäden hinterlassen. Das Chilehaus wurde 1993 umfassend saniert. Die Integrität der Gebäude schätzen Experten als sehr gut ein und alle Gebäude werden ihrer ursprünglichen Bestimmung nach als Bürohäuser genutzt.

Das gilt auch für die anderen Gebäude der Bewerbung für den Welterbetitel. Auch Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof befinden sich in gutem Zustand, werden in ihrem ursprünglichen Sinne als Kontorhaus benutzt und bilden zusammen mit dem Chilehaus das Kontorhausviertel. Der ebenfalls beeindruckende Sprinkenhof wurde erst 2006 umfassend saniert.

Die Speicherstadt – ein Sonderfall

Die Speicherstadt gilt bis heute als der größte zusammenhängende und einheitlich geprägte Speicherkomplex der Welt. Die 15 Lagerhäuser wurden zwischen 1883 und 1927 hauptsächlich unter der Leitung von Franz Andreas Meyer gebaut, wobei der erste von drei Abschnitten 1888 fertiggestellt wurde. Kaiser Wilhelm II. legte damals persönlich den Schlussstein des Bauabschnitts.

Im Falle der Speicherstadt gestaltet sich die historische Einordnung der Bausubstanz ungleich schwieriger. 50% der Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und unter hohem Aufwand nach historischen Vorbildern wieder aufgebaut. Andere Gebäude wurden unter der Leitung von Werner Kallmorgen in den 1950er Jahren gänzlich ersetzt. Wie zum Beispiel beim Bau der Kaffeebörse am Sandtorkai. Man bescheinigte Kallmorgens Entwürfen ein hohes Maß an architektonischem Einfühlungsvermögen und eine hervorragende Korrespondenz der Gebäude mit der alten Bausubstanz.

 

Speicherstadt-Horizont

Speicherstadt: Die meisten der 15 Blöcke haben den  Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden     / Foto: Christian Weber
 

Die Funktion und Nutzung der Speicherstadt hatte sich bis in die 1980er Jahre kaum verändert. Erst mit dem Siegeszug des Containers verlor die Speicherstadt ihre Bedeutung als Lagerkomplex. Die Stadt sah damals von einem Verkauf der Gebäude ab und stellte die Speicherstadt 1991 unter Denkmalschutz. Eine Maßnahme, welche die Gebäude einem potentiellen Abriss entzog. Am 01. Januar 2003 wurde die Speicherstadt aus dem Freihafenstatus entlassen und seit 2008 ist sie Teil des Stadtteils HafenCity im Bezirk Hamburg-Mitte.

Der Gebäudekomplex wurde somit seiner ursprünglicher Funktion als Umschlagplatz und Warenlager beraubt. Heute befinden sich nur noch wenige Lagerflächen in der Speicherstadt. Ateliers, Firmen der kreativen Branche, Museen sowie Hotel und Gastronomie haben sich mittlerweile dort angesiedelt. Damit verliert die Speicherstadt einen Teil ihrer Relevanz, die UNESCO-Kriterien betreffend. Allerdings war es den Verantwortlichen immer noch möglich, den Anspruch an einen Welterbetitel in Bezug auf mehrere andere Punkte der Kriterien zu formulieren wie zum Kriterium I: „Angemeldete Güter sollten (i) „ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen“ oder bei Kriterium III: „Angemeldete Güter sollten (iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen.“ Die Speicherstadt erfüllt diese Kriterien nach Meinung der Experten aufgrund ihrer Architektur. Der Lagerhauskomplex mit seinen neugotischen Formen wird als exemplarisches Beispiel für die Stilrichtung der „Hannoverschen Schule“ angesehen. Auch die Einheitlichkeit des ursprünglichen Zustands wird oft betont.

Kosten und Nutzen des Projekts

Kritische Stimmen in Bezug auf die Bewerbung kamen aus Politik und Wirtschaft. Vor allem als die Initiatoren der Bewerbung 2005 die Speicherstadt in das UNESCO-Projekt mit einbezog. Zu dieser Zeit war die angrenzende HafenCity gerade in ihrer stärksten Wachstumsphase und exponierte Bauflächen in direkter Nähe zum zukünftigen Weltkulturerbe waren noch nicht bebaut. So zum Beispiel die Ericusspitze mit dem neuen SPIEGEL-Gebäude, welches 2011 eingeweiht und in Betrieb genommen wurde. Man sah das ungehinderte Wachstum des neuen Stadtteils durch mögliche Reglementierungen seitens der UNESCO gefährdet.

Die Befürworter des Projekts konnten jedoch überzeugen. Zahlreiche positive Gründe stehen überschaubaren Kosten gegenüber. Laut der Hamburger Kultursenatorin der Stadt Hamburg Barbara Kissler, wolle man mit der Bewerbung den festen Willen zum Erhalt der Gebäude ausdrücken und die historische Tradierung der Geschichte an eine breite Öffentlichkeit sicherstellen. Auch der freie Zugang für die Öffentlichkeit werde durch das Reglement der UNESCO sichergestellt.

Neben Erhalt und Schutz der Objekte sei noch die Wirkung des Welterbetitels als Touristenmagnet zu erwähnen. Die Aufnahme der bereits jetzt schon sehr beliebten Hamburger Wahrzeichen in die UNESCO-Liste könnte im Konkurrenzkampf deutscher Städte um den Zuspruch der Besucher ein gutes Marketingtool darstellen und die hohe Frequentierung für die Zukunft sichern oder sogar noch erhöhen.

Gerade dieser wirtschaftliche Aspekt bietet Konfliktpotential. Steigende Touristenzahlen sind für die Anwohner der angrenzenden Viertel nicht unbedingt erstrebenswert. Eine Umfrage der Initiative „Stimmen von St. Pauli“ ergab, dass die zunehmende Eventisierung durch Großveranstaltungen in den innerstädtischen Vierteln und die als negativ empfundenen Auswirkungen von steigenden Besucherzahlen ein drängendes Problem Bürger und Bürgerinnern darstellen.

Aus kunsthistorischer Sicht wurde die Relevanz der Bewerbung des Ensembles „ Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus“ zu keiner Zeit angezweifelt.

2011 richteten die ICOMOS Deutschland, die deutsche Untereinheit der UNESCO und das Denkmalschutzamt in Verbindung mit der Hafenuniversität und der Sutor-Stifung eine internationale Fachtagung zum Thema aus. Das Symposium „Stadtentwicklung zur Moderne, die Entstehung großstädtischer Hafen- und Bürohausquartiere“ kam zu dem Ergebnis, dass die Objekte in ihrer bauhistorischen Qualität den internationalen Vergleich mit anderen Kulturgütern nicht zu scheuen bräuchten und einer Bewerbung nichts im Wege stünde.

Erweiterung des Antrages um einen ganzen Stadtteil

Bis 2005 ging es beim Antrag der Kulturbehörde nur um eine Bewerbung des Chilehauses. Erst dann erweiterte man die Bewerbung auf das gesamte Kontorhausviertel, also zusätzlich um den Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof sowie auf die angrenzende Speicherstadt.

Die Idee der Erweiterung des Antrages geht vor allem zurück auf die Initiative „UNESCO Modernes Erbe Hamburgs“, welche vom Verlagshaus Gruner + Jahr und der Deutschen Umwelthilfe getragen wird. Das Engagement von Gruner + Jahr lässt sich vielleicht mit der Tatsache erklären, dass Gruner + Jahr in den Gründungsjahren der 1960er Jahre seine Verlagsbüros im Sprinkenhof und dem Chilehaus hatte.

Wichtig für das Gelingen des Projekts ist die Unterstützung aller Beteiligten, auch die der Besitzer. Die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), als Betreiber der Speicherstadt, als auch die Union Investment Real Estate GmbH, Inhaber des Chilehauses, müssen das Konzept mittragen. Berichten zufolge sind Betreiber und Denkmalschützer sich hier einig und alle Beteiligten stehen hinter der Bewerbung.

Die Verleihung des Welterbetitels ist mit strengen Auflagen in Bezug auf Erhaltung und denkmalgerechter Nutzung verbunden und die Inhaber müssen Management-Pläne für die Zukunft vorlegen. Das nimmt die Betreiber der Objekte in die Pflicht und setzt den Willen voraus, auch nach der etwaigen Anerkennung die Auflagen zu erfüllen, um den Titel nicht wieder zu verlieren. Die Aberkennung des Titels wie im Falle des „Dresdner Elbtals“ dient hier als negatives Beispiel. Durch den Bau der Waldschlösschenbrücke im Gebiet der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, sah die UNESCO die Kriterien für einen Welterbetitel als nicht mehr erfüllt an.

Ein Welterbetitel verpflichtet die Stadt Hamburg, Inhaber und Betreiber der Stätten zur denkmalgerechten Pflege und zum Schutz der Gebäude. Somit kann eine Ernennung der Stätten neben positiven Effekten für den Tourismus die weitaus wichtigere Aufgabe der Sicherung und Erhaltung des kulturellen Erbes leisten.

 

Zum Autor:

Christian Weber studiert Geschichte an der Uni Hamburg und ist seit 2013 Mitglied der Redaktion „Hamburgische Geschichten“.

Literaturempfehlungen:

  • Busch, Harald und Ricardo Federico Sloman: Das Chilehaus in Hamburg. sein Bauherr und sein Architekt, Festschrift aus Anlaß des 50jähr. Bestehens 1924 – 1974, hrsg. v. Friedrich Wilhelm Sloman, Hamburg 1974.
  • Fischer, Manfred F.: Das Chilehaus in Hamburg. Architektur u. Vision, hrsg. v. Klaus Frahm, Berlin 1999.
  • Hesse, Frank Pieter: Stadtentwicklung zur Moderne. Entstehung großstädtischer Hafen- und Bürohausquartiere,  internationale Fachtagung, veranstaltet von ICOMOS Deutschland und der Kulturbehörde Hamburg, Denkmalschutzamt Hamburg, 13., 14. Oktober 2011, Berlin 2012.
  • Nagel, Britta und Bernadette Grimmenstein: Chilehaus Hamburg, Berlin 2005.
  • Nicolaisen, Dörte: Studien zur Architektur in Hamburg 1910 – 1930, München 1985.
  • Sörgel, Herman: Das Chilehaus, Hamburg: Architekt Fr. Höger, Charlottenburg1925.
  • Voigt, Wolfgang: Hans und Oskar Gerson, hanseatische Moderne. Bauten in Hamburg und im kalifornischen Exil 1907 bis 1957, hrsg. v. Hartmut Frank u. a., Hamburg 2000.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1590

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Erkenntnisgenese der Gestapo mit TimelineJS darstellen?

Die Gestapo beobachtete die „Winzengruppe“ über mehrere Monate hinweg.  Man kann die Erkenntnisgenese der Beamten chronologisch nachvollziehen. Einerseits durch den ständigen Kontakt mit einem „Vertrauensmann“, also dem Spitzel, dem es gelingt, mehr und mehr Namen in Erfahrung zu bringen, je mehr er in die Gruppe integriert wird, andererseits durch die Überwachung der Post oder auch durch die Beschattung von Gruppenmitgliedern.

Vernehmung

Während sich der Spitzel und der mit den Ermittlungen betraute Gestapomann anfangs nur in einem monatlichen Turnus trafen, verdichteten sich die Kontakte der beiden in der letzten Phase der Überwachung. Interessant finde ich beispielsweise die Aktivitäten, die der Ermittler entfaltet, um die Gruppenstruktur als solche zu erhalten: So nimmt er mehrmals Kontakt mit dem Wehrbezirkskommando auf, um Einberufungen aufzuhalten. Die Beobachtung soll so lange wie möglich aufrechterhalten werden, um so viele Leute wie möglich zu identifizieren. Eben diese Aktivitäten sind es, die Paul Winzen mehr durch Zufall irgendwann auffallen. Während eines Termins beim Arzt entdeckt er einen Vermerk darüber, dass die Gestapo in etwaige Entscheidungen über Wehrtauglichkeit miteinbezogen werden muss. Das löst eine Kettenreaktion aus, die schließlich zur Verhaftung aller bisher bekannten Gruppenmitglieder führt.

Diese Abfolge von Ereignissen und deren Dynamik möchte und muss ich schriftlich ausdrücken. Ich hatte zuerst mit einem „Tagebuchstil“ geliebäugelt. [Ganz ähnlich dem Tool TimelineJS, dass Christoph Pallaske dankenswerterweise in seinem Blog vorgestellt und erklärt hat. (Ich kannte es zum Zeitpunkt meiner Überlegungen noch nicht.)]

Diese Art der Darstellung ist allerdings für die Masterarbeit auf mannigfaltige Weise methodisch problematisch. Die Chronologie, die ich eigentlich erreichen will, ist gleichzeitig auch ein Hindernis, denn dadurch wirkt das Kapitel über den Beobachtungsprozess fragmentarisch. Die Ereignisse werden zerstückelt, es gibt keinen Fließtext, der sie systemisch mitteinander verknüpft und Schmiechen-Ackermann würde es wahrscheinlich eine Reproduktion der Verfolgerakten nennen.

Bis jetzt habe ich noch keine Lösung für mein Dilemma gefunden, aber da ich eine Stephen Kingeske Schreibtechnik verfolge, also zunächst einfach runterschreibe und dann verschönere, wird sich vielleicht noch ein Weg eröffnen. Vielleicht ist ja auch beides gleichzeitig möglich.

Quelle: http://winzen.hypotheses.org/114

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#wbgavie | Torsten Hiltmann: Heraldica Nova

Gastbeitrag von Torsten Hiltmann (Münster) anlässlich des Workshops „Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen“, der am 10. November 2014 in Wien stattgefunden hat.

Die Heraldik wurde von Historikerinnen und Historikern für lange Zeit oft nur als selbstreferentielle Hilfswissenschaft betrachtet, die sich auf das Systematisieren und Kategorisieren von Wappen beschränkt. Dass jedoch das omnipräsente Phänomen der Wappen und die überlieferten Quellen mit Blick auf Kommunikation, Mentalitäten und Kultur des europäischen Mittelalters und der Frühen Neuzeit ein enormes Erkenntnispotenzial mitbringen, hat erst in jüngerer Zeit das Interesse der Forschung gefunden. Seitdem versuchen Forscherinnen und Forscher der Heraldik und der Geschichtswissenschaft im gegenseitigen Austausch gemeinsam, das Phänomen der heraldischen Zeichen aus der Perspektive der neuen Kulturgeschichte in ihren gesellschaftlichen Performanzen und Funktionen zu untersuchen. Durch das interaktive Medium des Blogs will das Heraldikportal „Heraldica Nova“ der Forschung zur Geschichte der heraldischen Kommunikation als Sprachrohr zur interessierten Öffentlichkeit dienen und den Aufbau eines internationalen Forschungsnetzwerkes fördern, indem es eine zentrale Kommunikationsplattform für den heraldisch-historischen Forschungsdiskurs anbietet.

Kulturgeschichte der Heraldik – neue Ansätze für alte Quellen

Der Blog „Heraldica Nova“, ins Leben gerufen 2013 von Torsten Hiltmann als Teil des von der VolkswagenStiftung geförderten Dilthey-Projektes „Die Performanz der Wappen“ an der Universität Münster, möchte die Chancen einer kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit heraldischen Zeichen mittels eines offenen Blogs dem akademischen und öffentlichen Diskurs zugänglich machen. Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr kann der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken: In mehr als 80 Beiträgen sind Einblicke in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung gegeben worden, die von rund 3.000 Besucherinnen und Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Dies haben die Macher zum ersten Jubiläum als Anlass genommen, den Blog in seiner inhaltlichen Ausrichtung und seinen Angeboten gründlich zu überarbeiten und zu erweitern. Beschränkte sich der Blog anfangs auf mittelalterliche Heraldik, sind angesichts der epochenübergreifenden Bedeutung von Wappen für die vormoderne Gesellschaft nun auch frühneuzeitliche Forschungen ausdrücklich willkommen.

Inhalte: Projekte, Debatten, Hilfsmittel

Als Plattform einer neuen kulturwissenschaftlichen Heraldik versteht sich der Blog durch Ankündigungen und Berichte von Konferenzen sowie durch Überblicke und Rezensionen zu aktueller Literatur zum einen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs. Darüber hinaus werden nun auch Materialien und Ressourcen zur Verfügung gestellt, die bei der Erforschung heraldischer Zeichen von Nutzen sein können und einen Einstieg in die wenig bekannte Materie geben. Dies schließt neben einem Überblick über die wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien auch Datenbanken und Werkzeuge mit ein, die bei der Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Sammlungen digitalisierter Wappenbücher bieten einen einfachen Einstieg in die Quellen der heraldischen Forschung.

Online-Kommunikation als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit

Vor allem aber versteht „Heraldica Nova“ sich als Plattform, auf der interessierte Forscherinnen und Forscher ausdrücklich aufgefordert sind, ihre eigenen Erkenntnisse zu veröffentlichen, neue Ideen vorzustellen und aktuelle Forschung und Literatur im Online-Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Das Trägerprojekt „Die Performanz der Wappen“ an der Universität Münster stellt dabei nicht nur die notwendigen Ressourcen, sondern auch eine redaktionelle Betreuung der Beiträge sowie wissenschaftliche Ansprechpartner zur Verfügung. Der akademische Diskurs auf der Plattform des Blogs soll so die Potenziale der kulturwissenschaftlich-heraldischen Forschung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und ihre Vertreterinnen und Vertreter miteinander vernetzen. Leserinnen und Leser sind ausdrücklich dazu aufgerufen, diese Beiträge zu kommentieren. Im freien Austausch der Blog-Lesenden mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn das Wissen der mitlesenden Expertengemeinde unmittelbar angesprochen wird und über die Kommentarfunktion sofort antworten kann.

Sichtbarkeit durch Vernetzung

Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise die Möglichkeit, nicht nur die Sichtbarkeit der eigenen Forschung zu erhöhen, sondern auch deren Vernetzung innerhalb der Fachwelt zu fördern. Dies gelingt, weil das Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt und erreichbar ist: Über RSS-Feeds und Newsletter können Interessierte ebenso „am Ball bleiben“ wie über Twitter, Facebook und Google+.

Torsten Hiltmann ist Juniorprofessor für die Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters und Historische Hilfswissenschaften am Historischen Seminar der Universität Münster. Hier leitet er u.a. das von der VolkswagenStiftung im Rahmen eines Dilthey-Fellowships geförderte Forschungsprojekt „Die Performanz der Wappen. Zur Entwicklung von Funktion und Bedeutung heraldischer Kommunikation in der mittelalterlichen Kultur (12.–15. Jahrhundert)“.

Quelle: http://bioeg.hypotheses.org/830

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Das Opfergelände der Erde (Ditan 地壇)

Das in Reiseführern und populären Darstellungen meist in verkürzter Form als “Erdaltar” bezeichnete Opfergelände der Erde (Ditan 地壇) in Beijing wurde 1530 – im neunten Jahr der Ära Jiajing 嘉靖 – angelegt.[1] Dieses Opfergelände lag knapp außerhalb des nördlichen Teils der um die Innere Stadt (neicheng  内城) errichteten Stadtmauer (in der Nähe des Anding-Tores (Andingmen 安定門).

Die gesamte Anlage ist als “Gegenstück” des in der Südlichen bzw. “Äußeren Stadt” (waicheng 外城) gelegenen Opfergeländes des Himmels zu sehen. Im Unterschied zu letzterem basiert die Gestaltung des Opfergeländes der Erde auf geraden Zahlen und rechteckigen Formen. Es dominiert die Zahl sechs. So befinden sich an der Nordseite des eigentlichen “Altars” sechs Marmortore (dagegen nur je eines im Osten, Süden und Westen). Die quadratische Altarterrasse (fangze tan 方澤壇) ist von einer quadratischen Einfassung umgeben. Die Terrasse selbst ist in zwei Ebenen gegliedert und ist über vier – je achtstufige – Treppen zu erreichen.[2]

Altar of Earth, Beijing

Hinweistafel bei der Altarterrasse am Opfergelände der Erde. – Foto: Georg Lehner, 2011 

Im konfuzianischen Staatskult war der Ditan 地壇 fixer Bestandteil der “Großen Opfer”. Alljährlich zur Sommersonnenwende (xiazhi 夏至) vollzog der Kaiser hier die Opferzeremonien.[3]

Etwas mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende des Kaiserreichs wurde das ehemals für den nun obsolet gewordenen konfuzianischen “Staatskult” in einen Park umgewandelt und der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht.[4] 1933/34 gab es Bemühungen, die Opfergelände wieder “rückzubauen”, 1938 wurde der Park geschlossen und erst einige Jahre nach Gründung der Volksrepublik China erneut der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[5]

Lesen Sie auch:
- Das Opfergelände des Himmels und der konfuzianische Staatskult
- Das Opfergelände für die Götter des Bodens und der Feldfrüchte (Shejitan 社稷壇)

  1. Zur 1530 vom Kaiser vorgenommenen Veränderung und Vermehrung der Opfergelände vgl. Vgl. Lei Gao, Jan Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man: Imperial altars in Beijing.” Studies in the History of Gardens & Designed Landscapes vol. 31, no. 4 (2011) 233. – doi: 10.1080/14601176.2011.587279.
  2. Vgl. Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 227 (“Six”).
  3. Vgl. H.S. Brunnert / V. V. Hagelstrom: Present Day Political Organisation of China (Shanghai: Kelly and Walsh, 1912) 203 sowie J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918) 187-196, zum Termin für diese Opferzeremonie vgl. ebd., 192.
  4. Gao/Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man”, 248.
  5. Gao/Woudstra: “From landscape of gods to landscape of man”, 252.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1470

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Einreichungen DHd 2015

Die Einreichfrist für Beiträge endete am 10.11.2014. Erfreulicherweise konnten wir insgesamt 176 Einreichungen entgegen nehmen. Diese verteilen sich folgendermaßen:

  • 103 Vorträge
  • 57 Poster
  • 8 Workshops
  • 5 Panels
  • 3 Sektionen

Es beginnen nun die Reviews, eine Benachrichtigung über die Annahme der Einreichungen wird Mitte Dezember versendet.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4277

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La traduction, une langue pour l’Europe? / Die Übersetzung, eine Sprache für Europa?

Comment comprendre l’affirmation d’Umberto Eco selon laquelle « la langue de l’Europe, c’est la traduction » ?  Si l’on veut résister à la provincialisation des cultures de l’Europe induite par un monolinguisme rampant, par la progression apparemment irrésistible du ‘globalais’, la réponse doit être double : il faut maintenir, voire faire progresser la pratique d’une pluralité de langues dans des secteurs clé de la construction européenne. Cependant, le trilinguisme de principe réclamé par Jürgen Trabant, ne doit pas seulement être accompagné par une promotion sans faille des traductions (en littérature et dans les sciences sociales et humaines notamment), mais encore doit-il être étayé par une réflexion sur la traduction, sur ce que traduire veut dire dans un espace culturel, politique, économique composé d’ensembles linguistiques et de cultures ‘nationales’ divers.

Wie soll die Behauptung Umberto Ecos verstanden werden, nach der die Übersetzung die eigentliche „Sprache Europas“ ist? Wenn man die Regionalisierung der Kulturen Europas eindämmen will, die durch einen schleichenden Monolinguismus und das anscheinend unaufhaltsame Fortschreiten des „globalais“ herbeigeführt wurde, muss die Antwort doppelt lauten: man muss die Sprachenvielfalt in den Hauptaktivitätsfeldern der europäischen Einigung aufrechterhalten und weiter voran treiben. Jürgen Trabant fordert mit seinem Prinzip der Dreisprachigkeit aber noch mehr: Nicht nur die tatsächliche Übersetzung (besonders in der Literatur und in den Sozial – und Geisteswissenschaften), sondern auch eine Reflexion über das Übersetzen an sich müsse unterstützt werden. Was bedeutet Übersetzung in einem kulturellen, politischen und ökonomischen Rahmen, der sich aus verschiedenen Sprachgruppen und unterschiedlichen „nationalen“ Kulturen zusammensetzt?

Ces questions seront abordées du point de vue des politiques linguistiques en Europe, du point de vue des littératures dans leur rapport aux conflits de mémoires propres à l’espace européen, et dans la perspective des chercheurs en sciences sociales et humaines pour lesquels la langue,  leur propre langue (W. v. Humboldt), est l’instrument scientifique le plus précieux. L’histoire de ces sciences constitue à cet égard, selon Max Weber, « une conti­nuelle alternance entre des tentatives d’ordonner, en pensée, les faits par la construction de concepts, de dissoudre les représenta­tions ainsi construites en élargissant et en déplaçant l’horizon scienti­fique, et de construire de nouveaux concepts sur la base ainsi mo­difiée ». Que veut dire traduire, transporter concepts et représentations d’une langue à une autre, face à une telle conception de la science ? Comment la traduction, ce déplacement de l’horizon culturel, participe-t-elle à enrichir la connaissance dans une Europe qui pense en plusieurs langues ?

Die Diskussion greift diese Fragen im Hinblick auf Sprachpolitiken in Europa auf, beleuchtet sie aus literaturwissenschaftlicher Sicht angesichts der Europa inhärenten Erinnerungskonflikte sowie aus der Warte der Sozial- und Geisteswissenschaftler, für die nach Humboldt ihre eigene Sprache das Hauptarbeitsinstrument ist. Die Geschichte dieser Wissenschaften stellt nach Max Weber „ein[en] stete[n] Wechsel zwischen dem Versuch, durch Begriffsbildung Tatsachen gedanklich zu ordnen, – der Auflösung der so gewonnenen Gedankenbilder durch Erweiterung und Verschiebung des wissenschaftlichen Horizontes, – und der Neubildung von Begriffen auf der so veränderten Grundlage [dar]“.(1) Was bedeutet es angesichts einer derartigen Auffassung von Wissenschaft, von einer Sprache in die andere zu wechseln? Wie trägt die Übersetzung, diese Verschiebung des kulturellen Horizonts, dazu bei, das Wissen in einem Europa zu bereichern, das in mehreren Sprachen denkt?

 

Participants / Teilnehmer:

- Hinnerk Bruhns (CNRS, EHESS/CRH, directeur de la revue Trivium)

- Fritz Nies (Universität Düsseldorf)

- Barbara Cassin (CNRS, Paris)

- Camille de Toledo (écrivain,  Paris-Berlin)

- Jürgen Trabant (Freie Universität Berlin)

- Franz Lebsanft (Universität Bonn)

 

Infos pratiques / Zum Infos

Institut français Bonn, Adenauerallee 35, 4/12/2014, 19:00-20:30

Quelle: http://trivium.hypotheses.org/666

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#CfP “Alles nur Krawall? Lohnarbeit, spontaner Protest und Organisation vom 19. bis in das 21. Jahrhundert”

Das Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung wird einen Schwerpunkt zum Thema “Alles nur Krawall? Lohnarbeit, spontaner Protest und Organisation vom 19. bis in das 21. Jahrhundert” publizieren. Sie hat dafür einen call for papers erstellt.

Mit den zunehmenden Krisen seit der Jahrtausendwende sind wieder vermehrt Protestformen von Arbeiterinnen und Arbeitern in den Fokus der Öffentlichkeit und der wissenschaftlichen Diskussion gerückt, die vor einiger Zeit noch als Relikte „unreifer“ und „vormoderner“ gesellschaftlicher Verhältnisse galten: ob wilde Streiks in China, Aufstände in Lateinamerika und der arabischen Welt oder „riots“ in Nordamerika und Europa: Alle diese Beispiele machen deutlich, dass spontaner und außerinstitutioneller Protest Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit in allen Regionen der globalisierten Welt ist.

Ein Blick in die Geschichte zeigt zudem, dass dies keineswegs neue Phänomene sind. Spontane Revolten, wilde Streiks und Organisationsformen neben und außerhalb von Aktionen der Gewerkschaften und Parteien begleiteten die Arbeiterbewegung seit ihrer Entstehung. Ebenso waren sie Teil der theoretischen Reflexion, beispielsweise im Rahmen der „Massenstreikdebatte“ der deutschen Sozialdemokratie um 1905 oder der Diskussion um die „Arbeiterautonomie“ im italienischen Operaismus der 1960er und 1970er Jahre. Von der organisationsfixierten Geschichtsschreibung lange Zeit verdrängt, finden sich ihre Spuren in der jüngeren und jüngsten Geschichtsschreibung wieder, etwa in der Auseinandersetzung um die „andere Arbeiterbewegung“ (Karl Heinz Roth) oder in Konzepten von „Eigensinn“ (Alf Lüdtke).

Das Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung möchte die wissenschaftliche Debatte voranbringen und ruft zu Beiträgen zum Thema „Lohnarbeit, spontaner Protest und Organisation vom 19. bis in das 21. Jahrhundert“ auf.
Darunter werden Protestformen der Arbeitenden in den Arbeitsstätten und im öffentlichen Raum verstanden, die ohne organisatorischen Rückhalt entstanden, die Organisationsformen außerhalb bestehender Vertretungsstrukturen hervorbrachten oder Artikulationsformen ganz neuer Art entwickelten. Besonderes Interesse besteht an Fragen nach Identifizierungs-, Solidarisierungs- und Institutionalisierungsprozessen und solchen nach dem Verhältnis zu den etablierten Organisationen wie Parteien und Gewerkschaften. In diesem Rahmen werden neue Ansätze aus der Kultur- und Alltagsgeschichte ebenso begrüßt wie eine kritische Auseinandersetzung mit älteren Konzepten der Geschichtsschreibung. Erwünscht ist ebenso der gezielte Blick auf die Geschlechterverhältnisse, denn gerade spontane Proteste, wie etwa die Lebensmittelkrawalle während des Ersten Weltkrieges, wurden von nicht organisierten Frauen wesentlich stärker getragen als von der männlich dominierten „organisierten“
Arbeiterbewegung. Der Zeitrahmen der Betrachtungen erstreckt sich von der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bis zu den sozialen Bewegungen und Revolten in jüngster Zeit. Beiträge aus dem außereuropäischen Bereich sind ausdrücklich erwünscht, ebenso überregional oder international vergleichende Arbeiten.

Wir bitten um die Einsendung von Exposés (maximal 2.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis 31. Januar 2015; die Aufsätze selbst (max. 40.000 Zeichen inkl. Leerzeichen) müssen bis 30. Juni 2015 vorliegen. Rezensionen zu thematisch passenden Titeln sind ebenso willkommen. Die entsprechenden Titel können bei der Redaktion angefragt oder ihr vorgeschlagen werden. Texte können in Deutsch und Englisch eingereicht werden, die Publikation erfolgt in deutscher Sprache. Ausführliche Hinweise zur Textformatierung schicken wir Interessierten auf Anfrage gerne zu.

Kontakt: cfp(ädd)@arbeiterbewegung-jahrbuch.de

Das JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung ist eine deutschsprachige historische Fachzeitschrift mit Sitz in Berlin und erscheint seit 2002 dreimal jährlich.


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Erfahrungen, Erinnerung, Sozialgeschichte

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2014/11/11/cfp-alles-nur-krawall-lohnarbeit-spontaner-protest-und-organisation-vom-19-bis-in-das-21-jahrhundert/

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