DARIAH-DE Workshop “Introduction to the TXM Content Analysis Platform”

The Department for Literary Computing, Würzburg University, will organize a DARIAH-DE Workshop called “Introduction to the TXM Content Analysis Platform”.

Workshop outline

The objective of the “Introduction to TXM” tutorial is to introduce the participants to the methodology of text analysis through working with the TXM software directly on their own laptop computers. At the end of the tutorial, the participants will be able to input their own textual corpora (Unicode encoded raw texts or XML/TEI tagged texts) into TXM and to analyze them with the panel of content analysis tools available: word patterns frequency lists, kwic concordances and text browsing, rich full text search engine syntax (allowing to express various sequences of word forms, part of speech and lemma combinations constrained by XML structures), statistically specific sub-corpus vocabulary analysis, statistical collocation analysis, etc.). The portal version of TXM, allowing the on line access and analysis of corpora, will also be introduced.

Basic information

  • Time: February 6-7, 2014
  • Place: Würzburg University (details tba)
  • Workshop leader: Serge Heiden (Lyon)
  • Local organizer: Christof Schöch (Würzburg)

For further information:

Practical matters

The workshop is aimed at younger as well as experienced scholars from the humanities dealing with textual data. It is being organized by the Department for Literary Computing at Würzburg University, Germany, under the auspices of the DARIAH-DE initiative. It will be held by Serge Heiden, leader of the TXM project. It will take place on Feb. 6-7, 2014 at Würzburg University.

The maximum number of participants is limited to 15 and places will be filled on a first-come first-serve basis. The deadline for applications is January 20th, 2014. There is no fee for participating in this event. You will need to bring along your own laptop computer. Access to the internet will be available. Please contact Dr. Christof Schöch for further details and to sign up for the event at christof.schoech@uni-wuerzburg.de.

Preliminary programme

Thursday, February 6

  • 13:30-14:00 – Welcome
  • 14:00-15:30 – Introduction to TXM
  • 15:30-16:00 – Coffee break
  • 16:00-17:30 – Hands-on Session 1
  • 18:00-19:15 – Lecture by invited speaker (tba)
  • 20:00- – Dinner

Friday, Feb 7

  • 9:00-11:00 – Hands-on Session 2
  • 11:00-11:30 – Coffee break
  • 11:30-13:00 – Hands-on Session 3
  • 13:00-13:30 – Final discussion and farewell

Note: This event is being organized by DARIAH-DE with funding provided by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF) under the identifier 01UG1110J.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2782

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Die Armierung des Blicks

Die Armierung des Blicks

Margaret Bourke-White in der Fernsehsendung „Person to Person“, August 1955. Quelle: Bureau of Industrial Service, USA / Wikimedia Commons, public domain

Neben Robert Capa und Lee Miller zählt die Amerikanerin Margaret Bourke-White (1904–1971) zu den bekanntesten BildberichterstatterInnen des Zweiten Weltkriegs. Im Auftrag des legendären Bildmagazins LIFE fotografierte sie ab 1942 an Kriegsschauplätzen in Großbritannien, Nordafrika, Italien und Deutschland. Bis heute werden ihre Fotografien als Zeugen dieser historischen Ereignisse verstanden. Das gerade im Fotojournalismus immer noch wirksame dokumentarische Paradigma verstellt dabei den Blick auf die von unterschiedlichen Interessen geleiteten Entstehungskontexte, Bezugsrahmen und Rezeptionsräume, innerhalb derer ihre Fotografien entstanden und ihre Wirkung entfalteten.

Ziel des Dissertationsprojekts ist es, diesen engen Blick auf Bourke-Whites Fotografien aus dem Zweiten Weltkrieg zu erweitern und einer grundlegenden kulturhistorischen Analyse zu unterziehen. Zugleich sollen durch das Aufgreifen aktueller Forschungen zur Bildpolitik von Kriegen und gewalttätigen Konflikten neue Zugänge zur Analyse und Interpretation historischer Kriegsfotografien aufgezeigt werden.



[...]

Quelle: https://www.visual-history.de/2013/12/18/die-armierung-des-blicks/

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Kulturgeschichte Chinas im Netz (IV): Vier Jahre “Bibliotheca Sinica 2.0″

In loser Folge werden Webseiten präsentiert und rezensiert, die sich mit der Kulturgeschichte Chinas im weitesten Sinne beschäftigen. Vgl.  “Kulturgeschichte Chinas im Netz (I)” , “Kulturgeschichte Chinas im Netz (II)”, “Kulturgeschichte Chinas im Netz (III)”.

Bei der Lektüre und Durchsicht “westlicher” Darstellungen zur Kulturgeschichte Chinas drängt sich der Gedanke auf, den historischen Wurzeln dieser Fremdwahrnehmung, das heißt: der Darstellung der chinesischen Kultur in “westlichen” Publikationen nachzuspüren[1]

Für ältere Publikationen (bis zum Erscheinungsjahr 1939) liefert die “Bibliotheca Sinica 2.0″ – im Dezember 2009 in der derzeitigen Form begonnen und nunmehr mit bisher rund publizierten 2700 Artikeln – dafür die ideale Grundlage. Durch die Sammlung entsprechender Links erleichtert sie den Zugriff auf Digitalisate der “westlichsprachigen” China-Literatur.[2].

Die “alte” Weisheit, dass Digitalisierungsprojekte nur dann wirklich sinnvoll und “nachhaltig” sind, wenn die digitalisierten Bücher anschließend auch gelesen beziehungsweise von der Forschung rezipiert und ausgewertet werden, zeigte sich auch schon bei der Arbeit an “De rebus sinicis”.

Als Beispiel dafür können die dem Beitrag “Das Opfergelände des Himmels und der konfuzianische Staatskult” zu Grunde liegenden Recherchen dienen. Der Gedanke, für die Darstellung der für den konfuzianischen Staatskult dienenden Opfergelände – die vielfach auch als “Altäre” bezeichnet werden – auf J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (1918) – kam mir erst bei der Lektüre einschlägiger Sekundärliteratur.[3].

Eine Fülle weiterer Titel aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mögen in ähnlicher Weise auch und gerade im Zusammenhang mit der Kulturgeschichte Chinas herangezogen werden. Spiegeln die Publikationen jener Zeit (und – von einigen Ausnahmen abgesehen – nicht zuletzt auch die Arbeiten der damaligen Sinologen) zwar das damals vorherrschende sehr negative allgemeine China-Bild wieder, so enthalten Sie dennoch zahlreiche Informationen über die Kultur des zu Ende gehenden beziehungsweise bereits untergegangenen Kaiserreichs wieder. In diesem Sinne wird “De rebus sinicis” auch künftig auf diese Werke zurückgreifen. Das Motto dazu  könnte “Digital verfügbar und daher neu gelesen” lauten!

  1. Zahlreiche Beispiele für ein solches “Nachspüren” bietet Monika Lehner in ihrem Blog “Mind the gap(s)”.
  2. Zu Hintergrund und Geschichte der Bibliotheca Sinica 2.0″ vgl. “Mind the gap(s)”: “Bibliotheca Sinica 2.0.” vom 31.5.2013, publiziert anlässlich der Veröffentlichung des 2500. Artikels.
  3. Im konkreten Fall ein entsprechender Hinweis zum “Altar” des Ackerbaues bzw. zum “Altar des Ersten Landmanns” (Xiannongtan 先農墰): Peter Greiner: “Das Hofzeremoniell der Mandschu-Dynastie.” Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt  (Frankfurt a.M. 1985) 69 Anm. 6.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/927

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Zertifikatsstudiengang CAS Documentation of Complex Digital Objects (07.03.2014-15.11.2014)

Digitale Kunstwerke und Kulturgüter sind einer doppelten Gefahr ausgeliefert: selbst wenn die schwierige Aufgabe der physischen Erhaltung auf der Objektebene (Bitstreampreservation) gelingt, verändert sich nicht selten in der Zwischenzeit der technische und der kulturelle Kontext.

Um einen späteren Zugang und das Verständnis der Werke zu ermöglichen, bedarf es umfassender Dokumentationen. Heutige Dokumentationsformate müssen häufig ganze Anwendungen oder Datenbündeln abbilden und mit komplexen Formaten zurechtkommen, die nicht selten instabil sind.

Der CAS* Documentation of Complex Digital Objects widmet sich dieser Herausforderung. Er vermittelt umfassende Dokumentationsmethoden, neuartige Dokumentationsstandards und softwarebasierte Erfassungssystematiken.

Der CAS Documentation of Complex Digital Objectsist spezialisiert auf das kulturelle Umfeld und lehrt die Anwendung und Überprüfung mediengestützter Dokumentationsformen für digitale Artefakte.

Ausgehend von klassischen Dokumentationsansätzen (Text, Bild, Datenbank) über die Beschreibung von Ablageprozessen und Überlieferungszyklen bis zur Dokumentation kontextsensitiver Werkformen (z.B. digitale Kunstwerke, digitale Nachlässe etc.) werden vielfältige Beispiele vorgestellt, praktische Anwendungsfälle erläutert und an eigenen Testdaten erprobt.

Fachliche Ausrichtung

Der CAS Documentation kombiniert theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen von drei Fächern:

  • Digitale Konservierung & Restaurierung
  • Kulturinformatik & Technologie
  • Medientheorie & Digitale Medienkultur

Die fachliche und methodische Vielfalt wird durch Gastdozierende abgedeckt, die ihre Expertisen anschaulich vermitteln und Vernetzungsoptionen schaffen.

Zielpublikum und Zielsetzung

Der CAS Documentation richtet sich an Berufstätige, denen die nachhaltige Dokumentation und Überlieferung digitaler Kunstwerke, Kulturgüter und Kulturpraktiken ein Anliegen ist.

Die Absolvierenden werden befähigt, dokumentarische Anforderungen digitaler Kulturgüter zu erkennen und objektspezifisch, dokumentarisch zu beschreiben. Sie lernen, komplexe Primär- und Sekundär-Informationen im Werkzusammenhang, in Datenbanken sowie weiteren Dokumentationsformaten zu erfassen, zu verknüpfen und zu überprüfen (Monitoring).

Zulassungsvoraussetzungen

Einschreibungsvoraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium in folgenden Bereichen:

  • Konservierung/Restaurierung, Geschichte, Kunstwissen-schaft,  Museologie (inkl. Curatorial Studies & Museumstechnik).
  • Mitarbeitende archivarischer oder kultureller Sammlungen sowie Bibliotheken (inkl. digitale Informationsverarbeitung).
  • Absolventen und Absolventinnen künstlerischer oder gestalterischer Fächer.

Für Personengruppen anderer Berufsfelder oder ohne Hochschulabschluss besteht die Option einer Zulassung «sur dossier».

Sprache

Unterrichtssprache ist deutsch. Grundkenntnisse in Englisch sind empfehlenswert.

Vernetzung & Qualitätssicherung

Der CAS Documentation ist Bestandteil des MAS Preservation of Digital Art and Cultural Heritage (www.pdach.ch) und kann einzeln oder in Kombination studiert werden. Der CAS Documentation ist dem Fachbereich Konservierung & Restaurierung (Swiss Conservation & Restoration Campus) assoziiert, was die Vermittlung der ethisch-konservatorischen Standards garantiert.

Abschluss

Certificate of Advanced Studies BFH in Documentation of Complex Digital Objects

Informationen zur Durchführung

Der CAS Documentation umfasst 12 ECTS. Ein Credit entspricht einer Arbeitszeit von 30 Stunden.

Der CAS Documentation kann einzeln oder in Kombination mit den übrigen Modules des Master of Advanced Studies BFH in Preservation of Digital Art & Cultural Heritage (MAS PDACH) studiert werden.

Pro Lektion findet ein Input im Kontaktunterricht statt (je freitags 15:45 – 18:00 sowie Sa. 09:15 – 15:30); hinzu kommt ein hoher Anteil an Selbststudium. Betreute Praxisworkshops und Exkursionen ergänzen die vermittelte Theorie.

Terminübersicht

Studienbeginn: März 2014

Vorläufige Studientermine 2014:
07./08.03.2014    21./22.03.2014    11./12.04.2014    25./26.04.2014
09./10.05.2014    06./07.06.2014    03./04.07.2014    29./30.08.2014
19./20.09.2014    17./18.10.2014    31.10/1.11.2014  14./15.11.2014

Anmeldeschluss: 15. Januar 2014

Leitung

Tabea Lurk, Dozentin für digitale Konservierung

Studiengebühr

Studiengebühr CHF 5850.– plus Anmeldegebühr CHF 150.–

 

* CAS steht für Certificate of Advanced Studies und bezeichnet eine vertiefte, berufsbegleitende akademische Zusatzqualifikation in ausgewählten Fachgebieten, welche strengen Richtlinien und Vorgaben unterliegt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2778

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Broschüre und Stadtplan zu Düsseldorfer Hausnamen und Hausnummern

Die Westdeutsche Zeitung berichtet von einer Neuerscheinung zu den Düsseldorfer Hausnamen und Hausnummern, herausgegeben von einer reichlich militant klingenden Aktionsgemeinschaft Düsseldorfer Heimat- und Bürgervereine, verfasst von Edmund Spohr und Hatto Küffner. Es handelt sich dabei um eine 16-seitige Broschüre, die auch einen Stadtplan mit Namen und Nummern enthält, zu beziehen ist sie laut Der Westen um 9,80 Euro im Düsseldorfer Stadtarchiv, Stadtmuseum und Schifffahrtsmuseum.
Vgl. zur Hausnummerierung in Düsseldorf auch diesen Hinweis auf Heike Blumreiters Publikation im Adresscomptoir.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/581436091/

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Tagungsbericht ‘Heilige, Helden, Wüteriche. Verflochtene Herrschaftsstile im langen Jahrhundert der Luxemburger’

 

Johann von Luxemburg, Darstellung im Gelnhauser Codex; Quelle: Wikimedia Commons

Johann von Luxemburg, Darstellung im Gelnhauser Codex; Quelle: Wikimedia Commons 

Deutsch-Tschechische Akademiekonferenz vom 30. September bis 2. Oktober 2013 an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Vom 30. September bis zum 2. Oktober 2013 tagten deutsche und tschechische Nachwuchswissenschaftler aus den Bereichen Geschichte und Kunstgeschichte an der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg, um gemeinsam das von den Veranstaltern vorgeschlagene Forschungskonzept des Herrschaftstils am Beispiel der Luxemburger zu diskutieren. Die Initiatoren der Tagung waren Martin Bauch (Darmstadt), Julia Burkardt (Heidelberg), Tomáš Gaudek  (Prag), Paul Töbelmann (Heidelberg) und Václav Žůrek  (Prag). Den Kern des Konzepts bildet die Auffassung, dass sich spätmittelalterliches Herrscherhandeln nicht wie bislang vielfach angenommen, in erster Linie durch transpersonale Elemente erklären lässt, sondern noch immer stark von personal gebundenen Legitimationsstrategien geprägt wurde. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Untersuchung individueller Herrschaftsstile, die anhand fünf verschiedener Ebenen hinterfragt werden sollen:

  1. Intentionale Performanz im großen Rahmen von Ritual und Zeremonie
  2. Reflektierte Politikgestaltung durch die Betonung etwa religiöser oder militärischer Praktiken
  3. Mutmaßlich unreflektiert-situatives Handeln im Alltag und daraus resultierendes ‘Image’ des Herrschers
  4. Nutzung von Kunst und Architektur als Medien und Bühne für die verschiedenen Formen des Herrscherhandelns
  5. Charakterliche Disposition des Herrschers

Aufgrund der östlich-westlichen Brückenfunktion der Luxemburger und der damit verbundenen Varianz kultureller und politischer Herrschaftsbedingungen erscheint eine Ausprägung individueller Herrschaftsstile im langen Jahrhundert der Dynastie besonders wahrscheinlich. Den verschiedenen Varianten von Herrschaftsstilen, ihren Entwicklungsbedingungen und dem Ausmaß der personalen Bedingtheit wollten die Organisatoren im Rahmen der Tagung und darüber hinaus auf den Grund gehen.

Kompaktseminar

Um auch dem jüngeren Wissenschaftsnachwuchs eine aktive Teilhabe zu ermöglichen, erhielt am 27. und 28. September eine kleine Gruppe von Studenten und Doktoranden aus Tschechien und Deutschland die Möglichkeit, gemeinsam mit den Organisatoren bereits im Vorfeld der Konferenz in das Thema einzusteigen und Erkenntnisse aus ihren eigenen Forschungen einzubringen. Die einführende Keynote übernahm Gerald Schwedler (Zürich). Er beleuchtete die verschiedenen Herrschaftsstile der Luxemburger schlaglichtartig anhand ihres Kanzleistils wie der Bewegung auf internationalem Parkett und erläuterte sein Verständnis von der Konstituierung eben dieses Stils: So wie der Stil in der Kunstgeschichte durch das Zusammenspiel verschiedener Elemente wie Pinselstrich, Faltenwurf etc. konstituiert wird, könne man, so Schwedler, auch den Herrschaftsstil als Ensemble aus den fünf eingangs erwähnten Aspekten begreifen. Diese ließen sich wiederum auf der Makro-, Mikro- und Mesoebene untersuchen. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer in Kleingruppen die von den Organisatoren vorgeschlagenen Aspekte von Herrschaft (s.o.) und stellten im Plenum ihre eigenen Ergebnisse auf dem Gebiet der Luxemburgerforschung vor. Dabei kristallisierte sich die eng mit der Ebene des unreflektiert-situativen Handelns verbundene charakterliche Disposition des Herrschers als umstrittenstes und methodisch schwierigstes Untersuchungsfeld heraus. Anhand verschiedener Beispiele wurde jedoch auch deutlich, dass sich der Schleier vor dem Gesicht des Herrschers zuweilen lichtet und sich so für den Historiker die Chance eröffnet, auch abseits  geschichtswissenschaftlicher Psychologisierung eine Annäherung an die Person und den Charakter des Herrschers zu wagen. Der über alle Aspekte hinweg vorhandenen Problematik, die Person und die Entscheidungen des Regenten hinter einem Beraterstab unbekannten Ausmaßes und Einflusses zu fassen, begegnete Paul Töbelmann mit dem Vorschlag, den Herrscher grundsätzlich „in Anführungszeichen“ zu sehen und folglich als Personenkomplex zu fassen. Bereichert wurde das Seminar zudem durch eine Einführung in das architektonische Programm der Heiliggeistkirche durch Maxililian Wemhöher von der Heidelberger Forschungsgruppe RANK.

Konferenz

Nachdem Bernd Schneidmüller die Konferenz durch ein einleitendes Grußwort eröffnet hatte, führten Paul Töbelmann und Martin Bauch mit einer Vorstellung des Forschungskonzeptes in die Veranstaltung ein. Als deren Anliegen sahen die Organisatoren neben einer fruchtbaren Neubelebung der Luxemburgerforschung insbesondere auch die Zusammenführung verschiedener Disziplinen und Generationen über nationale Forschungskulturen hinweg. Innerhalb von fünf Sektionen wurden im Verlauf der Tagung unterschiedlichste Aspekte luxemburgischer Herrschaft beleuchtet.

Mit dem Einsatz von Kunst und Architektur als Mittel zur Herrschaftsrepräsentation befassten sich die Referenten der ersten, vornehmlich kunstgeschichtlich geprägten Sektion. Die Moderation übernahm Paul Crossley (London).
Tomáš  Gaudek (Prag) lieferte mit dem ersten Vortrag des Tages ein forschungsgeschichtliches Résumé zur Beschäftigung der tschechischen Kunstgeschichte mit der Zeit der Luxemburger: Den Ausgangspunkt seiner Überlegungen nahm Gaudek bei der älteren, stark auf die Zeit Karls IV. fokussierten Forschung, die sich für das Schaffen unter Johann und Wenzel nur wenig interessierte und die Regentschaft Sigismunds vereinfacht als Phase von Dekonstruktion und Ikonoklasmus abtat. Davon ausgehend wurde die in den letzten 20 Jahren entwickelte, veränderte Sichtweise auf den Schönen Stil skizziert, um die Basis für die aktuelle Beschäftigung mit der Kunst der Luxemburgerzeit zu verdeutlichen. Wichtig für die theoretische Fundierung waren dabei insbesondere Alois Riegl und Max Dvořák, zwei Hauptvertreter der Wiener Schule. Als grundlegend für den Wiener Ansatz gelten die Annahme einer Interdependenz von Kunst und historisch-gesellschaftlichem Klima, die Herausarbeitung von Stilikonen sowie die Anerkennung einer inneren Werklogik.
Romana Petráková (Prag) stellte in ihrem Beitrag die Frage nach dem Niederschlag der luxemburgischen Herrschaft auf die Kunst- und Kulturlandschaft Breslaus. Im Fokus der Untersuchung standen die Sakralbauten der Stadt sowie insbesondere die dort präsentierten heraldischen Denkmäler. Ist der Einfluss des Herrschergeschlechts sowohl auf die Stiftskirche zum Heiligen Kreuz als auch auf die Elisabethkirche umstritten, so kann doch jedenfalls die Augustinerchorherrenkirche St. Dorothea durch ihren Gründer Karl IV. eindeutig mit den Luxemburgern in Verbindung gebracht werden. Dass sie jedoch, wie vielfach vermutet, als Memorialmonument für das Herrschertreffen zwischen Karl IV. und dem polnischen König Kasimir d. Großen im Jahre 1351 fungierte, wies Petráková ob des für den Luxemburger enttäuschenden Ausgangs  als unhaltbar zurück. Dagegen wertete die Vortragende das Wenzelspatrozinium (neben Dorothea und Stanislaus) als Symbol für den Expansionswillen Karls und sah folglich die oftmals durch ihr Wappenprogramm mit den Luxemburgern in Verbindung stehenden Bauten eher als Denkmäler einer neuen politischen Ordnung denn als Monumente herrscherlich inszenierter Repräsentation.
Mit dem Architekturprogramm Berns beschäftigte sich im Anschluss der dort tätige Richard Němec. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung zu den spätmittelalterlichen Architekten- und Werkmeisterdynastien standen die in dieser Zeit entstandenen Berner Repräsentationsbauten –  insbesondere das neue Rathaus und das Münster. Wie eng die zunehmend professionalisierte Organisation des Baubetriebes mit dem Machtzuwachs der einflussreichen Berner Bürgerfamilien verbunden war, zeigte der Referent anhand des Sankt-Vincenzen-Schulbuches. Den Fund einer böhmischen Pietà nahm er zum Anlass, um die Verflechtung politischer und künstlerischer Kontakte zwischen Bern und Prag aufzuzeigen. In der Formensprache des Berner Münsters sind sowohl Prager als auch Straßburger Einflüsse erkennbar, die beide durch die Baumeisterfamilie Ensinger vermittelt wurden. Doch auch der Ausdruckswille der örtlichen Bürgerelite wird hier deutlich. Dies zeigte Němec anhand der auffälligen Innovationslosigkeit in der Architektur des Münsters, durch welche die Traditionsverbundenheit der Berner verdeutlicht werden sollte, wie an der davon abgesetzten Modernität des Maßwerks. In der Verbindung erkannten, so Němec, die Zeitgenossen die Repräsentation des zwischen Tradition und Moderne vermittelnden Patriziats.
Den Abschluss der ersten Sektion bildete der ebenfalls kunst- und architekturhistorisch angelegte Beitrag von Jana Gajdošová (London) auf den Spuren der Wenzelsverehrung unter Karl IV. in Prag. Im Mittelpunkt stand dabei das ikonographische Programm der Karlsbrücke, bei dessen Betrachtung die fehlende Repräsentation des Heiligen ins Auge fällt. Angesichts des hohen Stellenwertes, den Wenzelsschwert und -krone innerhalb der Krönungszeremonie einnahmen ist es umso verwunderlicher, dass der heilige Wenzel auf der Karlsbrücke, welche eine wichtige Station der Krönungsprozession darstellte, nicht durch eine Statue vertreten wird. Interessant ist zudem die Verbindung des Heiligen mit der im Frühmittelalter am Ort befindlichen Brücke durch seine Translationslegende. Ausgehend von Hinweisen, welche die Existenz einer spätmittelalterlichen Wenzelsstatue nahelegen, die auf einer alleinstehenden Säule am Zugang zur Brücke positioniert war, vermutete Gajdošová den Bau eines entsprechenden Ensembles unter Karl IV. So ließe sich das Fehlen Wenzels auf der Karlsbrücke mit einer Exponierung seiner Person durch die zugleich separierte und doch an das Skulpturenprogramm der Brücke anschließende Stellung der Staute am Brückenzugang erklären. Der steinerne Stellvertreter des Heiligen wurde auf diese Weise in einen eigenen Sakralraum gebettet, der seiner besonderen Wichtigkeit entsprach.

Repräsentation durch Inszenierung war das Thema der zweiten, von Eva Schlotheuber (Düsseldorf) moderierten Tagungssektion. Den ersten Beitrag lieferte Ewa Wólkiewicz (Warschau), die sich in ihrem Vortrag über den Herrschaftsantritt der Breslauer Bischöfe insbesondere dem Adventus der Elekten widmete und dessen symbolischen Gehalt untersuchte. Die aussagekräftigste Station war dabei der feierliche Gang über die Brücke zur Dominsel. Den dabei traditionell vollzogenen, öffentlichen Kleiderwechsel interpretierte die Referentin als rite de passage, durch welche der „Tod“ des alten, zugunsten der „Geburt“ eines neuen, sündenbefreiten Menschen zelebriert und dem Publikum sinnbildlich vermittelt wurde. Eine Parallele sah Wólkiewicz dabei zur traditionellen Beraubung der zum Papst gewählten Kardinäle.
Daran anschließend befasste sich Veronika Csikós (Budapest) mit den Bischöfen von Regensburg und hinterfragte deren Stellung zwischen Luxemburgern und Wittelsbachern im 14. Jahrhundert. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung stand das Ausmaß politischer Interaktion zwischen Bischöfen und Herrschern in diachroner Perspektive, wobei sehr deutlich personell geprägte Unterschiede erkennbar waren. Während beispielsweise der erste Bischof des 14. Jahrhunderts, Konrad von Lupburg, noch weitgehend unabhängig vom Herrscher agieren konnte, stand bereits sein Nachfolger Nikolaus von Ybbs als Mitglied der königlichen Kanzlei in einem engen Verhältnis zum Regenten. Er kooperierte jedoch nicht nur mit Ludwig dem Bayern sondern erfuhr auch durch Johann von Böhmen Unterstützung. Nachdem mit Friedrich von Zollern noch einmal ein den Luxemburgern nahe stehender Kandidat ins Amt gelangte, folgte bis zum Ende des Jahrhunderts eine Phase politisch weitgehend desinteressierter Bischöfe, die sich in erster Linie geistlichen Aktivitäten widmeten und die praktische Verwaltung des Bistums dem Domkapitel überließen.
Wie schon Wólkiewicz beschäftigte sich auch Martin Bauch (Darmstadt) in seinem Beitrag mit einer rite de passage. Im Gegensatz zum Adventus der Breslauer Bischöfe stand nun jedoch nicht allein ein symbolischer Tod im Mittelpunkt des Zeremoniells: Mit besonderem Augenmerk auf der Figur des von ihm so benannten schwarzen Reiters widmete sich der Vortragende in europäisch-komparatistischer Perspektive der Begräbniszeremonie Karls IV. Bis zu seinem Begräbnis war der tote König weiterhin als Regent präsent und wurde als „lebender Toter“ durch einen schwarzen Reiter symbolisiert, den man mit den Insignien des Herrschers ausstattete. Bekannt ist dieser ursprünglich ritterliche Brauch, der im Reich ansonsten keine Tradition hatte, aus Savoyen und Polen, während in England und Frankreich zu diesem Zweck Effigies genutzt wurden. In beiden Traditionen zeigt sich jedoch eine stark personalisierte Wahrnehmung von Herrschaft. Folglich bildete die symbolische Opferung des Reiters das zentrale Ereignis innerhalb des Übergangsrituals. Hiermit erfolgte nicht nur die Rückgabe der irdischen Herrschaft sondern, laut einer These Frantisek Šmahels, auch der Eintritt in den Dienst Gottes. Erst nach dem Vollzug der Opferung konnte mit Wenzel der neue Herrscher die Bühne betreten.
Mit dem Beitrag Zoë Opačićs (London) über luxemburgische Stadtplanung in europäischer Perspektive fand der erste Konferenztag seinen Abschluss. Dabei betrachtete die Referentin in erster Linie die Entwicklungen in Prag, das zwar nie offiziell als Hauptstadt des Reiches propagiert worden war, dessen Prosperität jedoch mit der Stärke des luxemburgischen Königtums korrespondierte. Inspiration für die städtebaulichen Maßnahmen bezogen die Herrscher dabei insbesondere aus Italien und Paris, im Falle Sigismunds auch aus Buda. Den italienischen Einfluss sah die Referentin vor allem in der Anlage von Zeremonialrouten und dem großen Stellenwert von Plätzen als Zentren von Kult und Regierung. Weiterhin verwies Opačić auf das Prag durch den Vergleich mit Rom, Jerusalem und Konstantinopel zukommende Städtelob. Dies korrespondiert mit der Feststellung, dass viele architektonische Elemente in Prag über ihre pragmatische Funktion hinaus auch symbolisch-religiös gedeutet werden können.

Herrschaftsstilen im Kontext von Hofkulturen und Erziehung widmete sich die von Katalin Szende (Budapest) moderierte dritte Sektion. Den Auftakt machte Lenka Panušková (Prag) – Pavlína Cermanová (Prag) war leider verhindert – mit einem Beitrag zu den astrologischen Handschriften Wenzels IV. als Medium der Herrschaftslegitimation: Da die Bibliothek nach seinem Tod zerstört wurde, sind heute nur noch sieben Bücher aus Wenzels Besitz erhalten, drei davon mit Inhalten astrologischer Natur. Zwei dieser Codices nahm die Vortragende näher in den Blick: Anhand einer um 1392/93 entstandenen Handschrift mit dem Liber de signis des Michael Scottus und des Münchner Sammelbandes CLM 826 sowie insbesondere der dort enthaltenen Illustrationen ging sie dem repräsentativen Charakter der astrologischen Handschriften auf den Grund. Wurde Wenzel einerseits für seine Beschäftigung mit der Astrologie kritisiert und als consultum daemonum bezeichnet, so konnte er sich durch das Betreiben der „Königswissenschaft“, ähnlich wie bereits Friedrich II., doch auch als um die kosmologische Harmonie besorgter Friedens- und Gerechtigkeitswächter inszenieren. Seine umstrittene Würde als römischer König wurde, so das Fazit der Vortragenden, mithilfe der astrologischen Handschriften gegenüber den Besuchern der Bibliothek als in den Sternen ablesbar legitimiert.
„Wie man das Herrschen lernt“ erläuterte Paul Töbelmann (Heidelberg) in seinem Vortrag zur Bildung der Luxemburger, in dem er vor allem den damit verbundenen Repräsentationscharakter untersuchte. Ein Bildungsbestreben, wie es die Luxemburger an den Tag legten, war laut Töbelmann im 14. Jahrhundert noch eine Ausnahme und damit auch für die Zeitgenossen besonders bemerkenswert. Niederschlag fand diese insbesondere am französischen Hof erworbene Bildung der Herrscher unter anderem in der Gründung von Universitäten, der Einführung französischer Gewohnheiten sowie, unter Karl IV., einem auch für die Kurfürsten reklamierten Anspruch an Multilingualität. Dabei war letztlich weniger die tatsächliche Bildung des einzelnen Herrschers ausschlaggebend, sondern vielmehr der entsprechende Anspruch und die Außenwirkung, die auch durch Gelehrte im Umfeld des Herrschers konstituiert werden konnte. Hier verwies der Referent  auf den bereits im Vorfeld der Tagung diskutierten und eingangs erwähnten „Herrscher in Anführungszeichen“. So verstanden können die Luxemburger als Vorbilder des rex-literatus-Ideals gelten.
Mit eben diesem Ideal beschäftigte sich auch Václav Žůrek  (Prag) in seinem Beitrag, der die Stilisierung Karls IV. als weiser Herrscher zum Thema hatte. Die unterschiedliche Bewertung Johanns von Böhmen und seines Sohnes Karl IV. zeigte der Referent eindrücklich anhand ihrer literarischen Verarbeitung: Während der Vater bei Guillaume de Machaut im Jugement du Roy de Behaigne noch im typisch ritterlichen Bild des Richters im Minnestreitfall gesehen wurde, erschien der Sohn bei Heinrich von Mügeln in Der meide kranz als Richter beim Streit der personifizierten Künste und Wissenschaften und bestach ausdrücklich durch sein weises Urteil. Laut Žůrek manifestierte sich diese neben Karl IV. etwa auch Karl V. oder Karl von Anjou zugeschriebene Weisheit in vier Aspekten: Der Funktion des Königs als Gesetzgeber und Richter in der Tradition König Salomos, als Förderer von Kunst und Kultur, als Büchersammler und Leser sowie als Autor. Wie der Vortragende zeigen konnte, wurde Karl IV. allen vier Punkten gerecht – etwa durch den Erlass der Goldenen Bulle, die Prager Universitätsgründung, die Veranlassung volkssprachlicher Übersetzungen sowie die eigene schriftstellerische Tätigkeit. Letztlich bildete Karls vielfältig inszenierte Weisheit, so Žůrek, auch einen Gegenpol zur eher ritterlich geprägten Waffengewalt und korrespondierte auf diese Weise mit seinem Image als Friedenskaiser.

Im Anschluss befassten sich die Referenten der von Eduard Mühle (Warschau/Münster) moderierten vierten Sektion unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Regierungspraxis des Herrschers.
Den Anfang machte Johannes Abdullahi (München) mit einem Beitrag zum Finanz- und Politikstil Johanns des Blinden, den er anhand seiner Goldmünzen untersuchte. Dabei widmete er sich in erster Linie der Frage, mit welcher Motivation deren Prägung unter Johann zu erklären ist. Gegen ein dahinter stehendes Gewinnstreben schienen zunächst die hohen Kosten zur Beschaffung des Edelmetalls zu sprechen. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass die Goldgewinnung entgegen der bisherigen Forschungsmeinung doch in Böhmen stattgefunden haben könnte, was einen Abwurf von monetären Gewinnen wahrscheinlicher macht. Dafür spricht auch eine mögliche Initiierung der Goldprägung durch Lombarden, die als Geldgeber fungierten. Bei Betrachtung des Münzbildes verwundert zunächst, dass auf den ersten Blick kein Bezug zum Herrscher erkennbar ist; es handelt sich um eine getreue, wenn auch durch die Umschrift als böhmisch gekennzeichnete Nachprägung des Floren. Obgleich dieser Umstand mit der schwierigen Durchsetzung der Goldwährung erklärt werden kann, überwiegen nach Einschätzung des Vortragenden letztlich die Hinweise für eine in erster Linie finanzielle Motivation der Goldprägung.
Mit dem niederen Adel um Wenzel IV. befasste sich der folgende Vortrag Robert Novotnýs (Prag). Den Anstoß zu seinen Ausführungen bildete die zeitgenössische wie moderne Kritik an den Ratgebern Wenzels. Dabei sind die so kritisierten Günstlinge laut Novotný mehr als Typen denn als Individuen zu verstehen. Dieser Typus formte sich aus einem wenige Personen umfassenden Kreis niederer Adliger und prägte die Vorstellung von einem hohen Anteil niederen Adels an  den Hofleuten Wenzels.  Hingegen konnte der Referent anhand seiner Untersuchungen aufzeigen, dass lediglich ein Fünftel des Hofes sicher dem Niederadel zuzurechnen ist – ein geringerer Anteil als an den Höfen von Zeitgenossen und Nachfolgern. Zudem betrachtete Novotný die bevorzugten Aufenthaltsorte Wenzels und stellte fest, dass diese eng mit den Zentren des Niederadels verbunden waren, wohingegen er die geringe Präsenz dieser Gruppe am Hof mit einer gescheiterten Integration der machtpolitischen Eliten von Seiten des Hofes erklärte.
Im nächsten Beitrag untersuchte Mark Whelan (London), ausgehend von verschiedenen Episoden, den Umgang Sigismunds von Luxemburg mit der Türkengefahr in seiner Funktion als römischer König. Mithilfe aller erdenklichen Mittel bemühte sich Sigismund um Aufklärung über die Türkengefahr; vehement versuchte er, die Reichsfürsten von der Notwendigkeit eines Krieges gegen die seit 1419 an der Donau stehenden und das ungarische Königreich bedrohenden Feinde zu überzeugen. Obgleich sich mit jeder neuen Krone für den Herrscher größere Handlungsmöglichkeiten eröffneten, musste der König sich, wie Whelan anhand Sigismunds Korrespondenz mit dem Deutschen Orden sehr anschaulich zeigte, doch überraschend hartnäckig selbst um Kleinigkeiten bemühen und scheiterte letztlich auch mit seinem wiederholten und nicht ohne Herzblut vorgetragenen Aufruf zur Türkenbekämpfung.
Die Politik Kaiser Sigismunds stand auch im Mittelpunkt des folgenden Vortrages. Alexandra Kaar (Wien) fragte in ihrem Beitrag nach der Verknüpfung von Wirtschaft und Krieg beim Hussitenfeldzug und untersuchte den darin ablesbaren, individuellen Herrschaftsstil. Dabei nahm sie vor allem die Urkundentätigkeit Sigismunds in den Blick und interpretierte diese als Akt symbolischer Kommunikation. Handelte es sich beim Handelsverbot gegen die Hussiten um eine im Kampf gegen Ketzer übliche Maßnahme, lässt sich an der Form seiner Kommunikation doch in gewissem Maße die Demonstration eines spezifischen Herrschaftsstiles erkennen. So stellte sich Sigismund in seinen Urkunden bewusst als Schützer der rechten, christlichen Ordnung dar, der mit harter Hand gegen die Hussiten vorging. Demnach sah die Referentin im hussitischen Handelsverbot ein Mittel zur Herrschaftsausübung wie zur wirksamen Kommunikation des Herrschaftsstiles.

Den Abend des zweiten Konferenztages bereicherte Eva Schlotheuber (Düsseldorf) – sie übernahm die Vertretung für den leider erkrankten Jiří Fajt (Berlin/Leipzig) – mit einem öffentlichen Vortrag zur Kaiserkrönung Karls IV. und dessen Verbindung zum päpstlichen Legaten Aegidius Albornoz: Die mit der Kaiserkrönung 1355 verbundenen Schwierigkeiten resultierten zu einem großen Teil aus den ungeklärten italienischen Machtverhältnissen während des avignonesischen Exils. So stand mit der Kaiserkrönung letztlich auch eine Klärung des päpstlich-kaiserlichen Verhältnisses im Kirchenstaat auf der Tagesordnung. Weiteres Konfliktpotenzial erwuchs aus den Bestimmungen der Goldenen Bulle, die sowohl das Reichsvikariat als auch das Approbationsrecht des Papstes bewusst unerwähnt ließen. .Interessanterweise akzeptierte Innozenz VI. diese Minderung seiner Rechte jedoch stillschweigend und beharrte lediglich auf einer Absicherung gegenüber Herrschaftsansprüchen des Kaisers in spe, betreffend Rom und den Kirchenstaat. Trotz der päpstlichen Einwilligung zur Kaiserkrönung sollte sich deren Ausführung noch weiter verzögern. Grund dafür war das Verhalten des mit der Krönung beauftragten Kardinalslegaten Aegidius Albornoz. Obgleich Karl IV. ihn auf Bitten des Papstes militärisch unterstütze, war Albornoz zunächst nicht bereit, sich zur Krönung einzufinden und der Herrscher musste einige Ehrminderungen über sich ergehen lassen. Seiner umsichtigen, auf Konfliktvermeidung  ausgerichteten Verhandlungspraxis, die sich schon mehrmals als typisch für seinen Herrschaftsstil erwiesen hatte, war es zu verdanken, dass es im April 1355 endlich doch noch zur Krönung kam. Die Einschätzung der damaligen Verhältnisse von Seiten der Kirche erläuterte Schlotheuber anhand des prächtig illustrierten Treueschwurregisters aus dem Besitz Albornoz‘ , das dieser für die Mark Ancona anfertigen ließ. Hier findet sich eine bisher von der Forschung unbeachtete Darstellung von Papst und Kaiser, die starke Parallelen zur Verbildlichung der Konstantinischen Schenkung in der Silvesterkapelle von Ss. Quattro Coronati in Rom aufweist. Abweichend davon sind in der Illumination des Treueschwurregisters die fünf wichtigsten Städte des restituierten Patrimonium Petri zu erkennen. Daran zeigte sich der Verzicht des Kaisers auf Machtentfaltung im Kirchenstaat; im Gegenzug erkaufte er sich – so eine zentrale Aussage des Vortrags – damit das stillschweigende Einverständnis des Papstes im Hinblick auf die Vereinbarungen der Goldenen Bulle. Mit der Beschränkung auf eine Zustimmung ex silentio hielt sich der Papst jedoch die Möglichkeit zu einem späteren Veto offen.

Mit den Verflechtungen der luxemburgischen Herrschaftsstile beschäftigte sich die vierte und letzte Tagungssektion, deren Moderation Pierre Monnet (Paris/Frankfurt a. M.) übernahm.
Den Auftakt machte Nils Bock (Münster) mit seinem Vortrag über die Heroldsämter der Luxemburger. Er erläuterte zunächst die Entwicklung des Heroldsamtes zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert und verwies auf die Schlüsselfunktion der luxemburgischen Zeit, während der sich das Amt, von England und Frankreich ausgehend, auch im Reich professionalisierte. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung standen die Bestallungs- und Geleitbriefe der Herolde, da sich hier der Grad der Institutionalisierung besonders gut ablesen lässt. Bei einer diachronen Betrachtung der unter Karl, Wenzel und Sigismund ausgestellten Mandate zeigte sich eine Stärkung des herrscherlichen Einflusses zur Zeit Sigismunds. Im Vergleich zum französischen und englischen Heroldswesen erwies sich die moralische Belehrungsfunktion der Herolde im Reich als stärker ausgeprägt. Dies unterstreicht die Funktion des Königs als Richter über die Adeligen seines Reiches. In Form des Herolds wurde seine Person den Adeligen vergegenwärtigt; jener hatte folglich eine stark ausgeprägte symbolisch-repräsentative Funktion, wenn diese auch keine rechtliche Gültigkeit besaß. Letztlich lässt sich die alte These vom Kulturtransfer aus West nach Ost hinsichtlich des Heroldsamtes zwar grundsätzlich bestätigen, Bock betonte jedoch die typisch luxemburgischen Traditionen, die das Amt im Osten ergänzten und von der westlichen Ausprägung unterschieden.
Drei eng miteinander verbundenen Frömmigkeitspraktiken – Heiltumsweisungen, Pilgerzeichen und Wallfahrten – widmete sich Jan Hrdina (Prag) in seinem Vortrag, der die Bedeutung ostentativer wie privater Frömmigkeit für den Herrschaftsstil der Luxemburger anhand eines vorwiegend archivalischen Zugriffs beleuchtete. Zunächst richtete Hrdina seinen Blick auf die jährlichen Heiltumsweisungen in Prag, betonte die Öffentlichkeitswirkung der Veranstaltung und bewertete sie als Bestandteil eines bewusst auf die Betonung von Frömmigkeitspraktiken ausgerichteten Herrschaftsstiles. Hinsichtlich der überlieferten Prager Pilgerzeichen erläuterte der Referent anschaulich die an ihrer Verwendung ablesbaren internationalen Verflechtungen und bewertete sie ebenso wie die Heiltumsweisungen als Mittel zur Herrschaftsrepräsentation, die in diesem Fall jedoch mehr vom künstlerischen Aspekt denn von einer Betonung der Frömmigkeit getragen wurde. Im letzten Teil seines Vortrages betrachtete Hrdina die Verbindung der Luxemburger zum Wallfahrtsort Wilsnack. Obgleich die Wallfahrt seines Erachtens in erster Linie als Ausdruck privater Frömmigkeit gesehen werden muss, beförderte sie dennoch das frömmigkeitsbetonte Image der Herrscher und trug zur steigenden Popularität des örtlichen Kultes bei. Zugleich gelang es ihm auf der Basis von Pilgerzeichen-Abgüssen auf mitteldeutschen Glocken überzeugend zu zeigen, dass das einzige überlieferte Pilgerzeichen der Prager Heiltumsweisung in die 1390er Jahre datiert werden muss und nicht zu Lebzeiten Karls IV. entstanden ist, wie von der Forschung bisher angenommen.
Im Anschluss befasste sich Lukas Wolfinger (Göttingen) in seinem Vortrag zu Albrecht II. und Rudolf IV. von Österreich mit einer weiteren interessanten Verflechtung von Herrschaftsstilen. Dabei ging er der Frage nach, wie sich der Wandel in der habsburgischen Selbstdarstellung beim Übergang vom Vater zum Sohn abseits der von Zeitgenossen wie älterer Forschung vielfach unterstellten charakterlichen Motivation erklären lässt. So fällt bei genauerer Betrachtung auf, dass die von den Zeitgenossen häufig kritisierte, da überaus aufwendige Inszenierung Rudolfs nicht erst mit seinem Amtsantritt, sondern bereits im Kindesalter begann, was auf entsprechende Absichten des sich selbst eher bescheiden gebärdenden Vaters hindeutet. Das königsähnliche Auftreten Rudolfs lässt sich dabei mit seinen weitreichenden Machtbestrebungen, die sich zunächst auf Ziele im schwäbisch-elsässischen Raum, in letzter Konsequenz jedoch auf die römische Königskrone richteten, erklären. Während seine körperliche Versehrtheit eine Kandidatur Albrechts ausschloss, rechnete dieser sich für seinen Sohn einige Chancen aus und war von Anfang an bemüht, ihm mithilfe einer herrscherwürdigen Inszenierung zu einer möglichst guten Ausgangslage für die Königskandidatur zu verhelfen.
Zum Abschluss der Sektion rückten mit dem Beitrag Julia Burkhardts (Heidelberg) über die Herrschaftspraxis Elisabeths von Luxemburg und Elisabeths von Habsburg erstmals die weiblichen Luxemburger in den Mittelpunkt des Interesses. Die Referentin hinterfragte insbesondere die Tragfähigkeit einer personalen Herrschaftsinterpretation und verdeutlichte anhand der beiden Frauen, wie bereits Lukas Wolfinger am Beispiel Rudolfs und Albrechts, die Kontextbezogenheit jedweden Herrscherhandelns. Diese strukturellen Rahmenbedingungen wurden, so Burckhardt, ergänzt durch tendenziell unreflektierte, situative Handlungen des Individuums sowie durch eine wohlüberlegte Inszenierung der Herrschenden nach außen, die durch reflektiertes Handeln geprägt war. Sowohl bei Elisabeth von Luxemburg als auch bei ihrer Tochter Elisabeth von Habsburg ist eine stark familien- und dynastiepolitische Ausrichtung erkennbar, hinsichtlich der Gestaltung und Umsetzung finden sich jedoch einige Unterschiede. So fällt vor allem die bei ihrer Mutter in diesem Maße nicht vorhandene Betonung von Religiosität und Frömmigkeit unter Elisabeth von Habsburg ins Auge, während jene unter anderem durch ihre Multilingualität überzeugte. Letztlich erkannte die Referentin jedoch bei beiden Frauen einen pluralistischen Herrschaftsstil, der sich aus einem Ensemble verschiedener Handlungselemente zusammensetzt.

In Form einer Abschlussrunde erfolgte zuletzt eine resümierende Betrachtung der Tagung und des dort diskutierten Forschungskonzeptes. Daran  beteiligten sich Bernd Schneidmüller (Heidelberg), Milena Bartlová (Prag) und Gerrit Jasper Schenk (Darmstadt.)
Schneidmüller widmete sich dem Konzept aus lexikalischer Sicht und forderte ein erneutes Hinterfragen der verwendeten Begriffe. Zudem plädierte er für eine Abkehr vom Gedanken an die Einheitlichkeit des „langen Jahrhunderts“ sowie den endgültigen Abschied vom Bild des Kulturtransfers, wie es aufgrund der älteren Forschung noch immer in Überresten präsent ist, und ermunterte stattdessen zu einer verstärkten Beachtung der Alteritäten.
Einer kunsthistorischen Perspektive entsprang die kritische Einschätzung Bartlovás, in deren Zentrum eine begriffsgeschichtliche Betrachtung stand. Sie zeigte auf, dass mit ‘Stil’ ursprünglich die individuelle Handschrift eines Menschen bezeichnet wurde, während der Begriff in der Frühen Neuzeit eine rhetorische Komponente trug und die Art und Weise beschrieb, in der eine Rede aufgebaut wurde, um dem Zuhörer den größtmöglichen Nutzen zu bieten. Seit dem frühen 19. Jahrhundert hielt der Stilbegriff Einzug in die Kunstgeschichte und wird seitdem mit einem in der Kunst gespiegelten Zeitgeist in Verbindung gebracht. Darauf aufbauend plädierte Bartlová für eine Rückkehr zur intentionalen Konzeption des rhetorischen Stilbegriffes und betonte das kaum trennbare Zusammenspiel zwischen Künstlern, Auftraggebern und Rezipienten. Insgesamt zeigte sie sich jedoch skeptisch gegenüber einer produktiven Nutzung des Konzepts in der Geschichtswissenschaft.
Demgegenüber bewertete Schenk das Forschungskonzept als grundsätzlich fruchtbar. Er ordnete das Konzept der Herrschaftsstile forschungsgeschichtlich zwischen der älteren Politik- und Verfassungsgeschichte sowie neueren, struktur- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen ein und plädierte diesbezüglich für einen Ausbau des medien- und kommunikationsanalytischen Ansatzes. Mehr als der dahinter stehende Realitätsgehalt solle dabei die Kommunikation und Rezeption der Herrschaftsrepräsentation im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen. Den Stilbegriff schätzte er aufgrund seiner suggestiven Kraft und der transdisziplinären Brückenfunktion grundsätzlich vorteilhaft ein, bemerkte jedoch auch die aus dem divergierenden Verständnis von Historikern und Kunsthistorikern erwachsende Problematik. Weiterhin forderte Schenk neben einer diachronen Differenzierung des Konzepts eine Stärkung der komparatistische Perspektive, befürchtete allerdings, dass im Vergleich mit anderen Dynastien die vermeintlich spezifisch luxemburgische Komponente an Eindeutigkeit verlieren könnte. Bei der Zuschreibung einer individuellen Note müssten zudem jeweils der Zeitgeschmack sowie die Bandbreite des kontextuell bedingten Handlungsspielraums berücksichtigt werden.

Insgesamt eröffneten die Beiträge der Konferenz ein breites Panorama möglicher Zugriffe auf das Forschungskonzept, das lediglich durch eine Konzentration der Vorträge auf die zweite Hälfte des luxemburgischen Jahrhunderts etwas eingeschränkt wurde. Anhand verschiedenster Untersuchungsgegenstände näherten sich die Referenten dem Herrschaftsstil mit jeweils anderen Methoden sowie aus der Perspektive unterschiedlicher Disziplinen und zeigten davon ausgehend diverse Manifestationen luxemburgischer Herrschaftsstile auf, wobei an vielen Stellen der personale Einfluss des Herrschers zu erkennen war. Deutlich wurde jedoch auch, dass die Person des Herrschers, seine charakterliche Disposition und sein individueller Stil kaum von den Beeinflussungen durch höfische Beraterkreise zu trennen sind, sodass ein Arbeiten mit dem bereits zitierten Herrscher „in Anführungszeichen“ durchaus geboten scheint. Dies bedeutet jedoch nicht, dass von einer Annäherung an das Individuum gänzlich Abstand genommen werden muss. Zwar wird man sich zwangsläufig auf eine Annäherung beschränken müssen, diese jedoch erscheint insbesondere anhand des (mutmaßlich) situativ-spontanen Alltagshandelns, wie es etwa Mark Whelan am Beispiel Sigismunds von Luxemburg illustrieren konnte, durchaus möglich und sinnvoll. Daneben zeigte sich, ganz besonders deutlich am Beitrag Lukas Wolfingers über Albrecht II. und seinen Sohn Rudolf IV., wie wichtig, aber auch wie schwierig es sein kann, die Bedingtheit der Herrscherrepräsentation durch die jeweiligen historisch-politischen Umstände auszuloten. Mitunter könnten die verschiedenen äußeren Einflüsse demnach so prägend gewesen sein, dass nur noch unter großen Schwierigkeiten von einer dezidiert personalen Prägung des Herrschaftsstiles gesprochen werden kann. Problematisch erscheint zudem die eindeutige Zuschreibung eines klar unterscheidbaren Herrschaftsstiles zu einer bestimmten Herrscherperson. So war Sigismund keinesfalls in allen Situationen ein „Wüterich“, ebenso wenig wie sich sein Vater Karl IV. immer und überall als „Heiliger“ gebärdete. Hier sollte mit der Vermischung unterschiedlicher Elemente auch innerhalb einer Herrschaft gerechnet werden. Bei allen Schwierigkeiten und Stolpersteinen zeigen die Ergebnisse der Tagung jedoch letztlich ganz deutlich, dass für alle behandelten Luxemburger personale Prägungen von Herrschaft erkennbar sind. Für deren Auswertung kann das Konzept des Herrschaftsstils meines Erachtens dann fruchtbar gemacht werden, wenn wir von einem offenen Stilbegriff ausgehen – wenn wir in Betracht ziehen, dass mehr als nur ein Einzelner den Pinsel geführt haben könnte, dass innerhalb eines Stiles mitunter verschiedene Register gezogen wurden. Die Sammlung wertvoller Mosaiksteinchen, welche die Konferenzbeiträge zu Tage gebracht haben, sinnvoll zueinander in Bezug zu setzen, Kontinuitäten, Verflechtungen und Brüche aufzuzeigen, bedarf es nun eines aktiven Dialogs. In dieser Hinsicht zeigte sich die Tagung sehr vielversprechend, war sie doch entscheidend vom offenen Austausch zwischen den Nationen, Disziplinen und Generationen geprägt. Dabei wurde deutlich, dass untereinander großer Gesprächs- und zuweilen auch Klärungsbedarf besteht, der dank der kollegialen Atmosphäre und der guten Organisation auch auf angenehme Weise gedeckt werden konnte.

Das Konferenzprogramm findet sich hier.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/2736

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16. Erinnerung ans Vergessen

Stolpersteine

Gegen Jahresende ballen sich die Erinnerungszumutungen. Allenthalben muss memoriert werden, was in den vergangenen elf Monaten geschehen ist. Deswegen ist der Dezember üblicherweise auch so ein ereignisloser Monat, in dem nichts – oder fast nichts – geschieht. Schließlich sind alle so intensiv mit Erinnern beschäftigt. So wie auf kollektiver Ebene die Jahresrückblicke einander die Klinke in die Hand geben, wird auch im Privaten dem Gewesenen gedacht, werden die familiären Chroniken in kondensierter Form unters befreundete Volk gebracht, werden Bilder und Filme und Sonstiges, das sich an diversen Orten angesammelt haben, fein säuberlich sortiert. Ein Jahr vorbei, das nächste kann kommen.

Gegen diese Form der Erinnerungsarbeit wäre wohl gar nichts zu sagen, wenn sie auf den Dezember beschränkt bliebe. Aber man muss zuweilen den Eindruck haben, dass ein nicht ganz unerheblicher Teil des gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens auch während der übrigen elf Monate für das Erinnern draufgeht. Gedenktage, Erinnerungsorte, Kranzabwurfstellen wo man hinschaut. Geschichte (was auch immer das sein soll) wird nahezu im Minutentakt zelebriert. Kaum ein Tag des Jahres, der nicht mit Erinnerungs- und Gedenkmarkierungen belegt ist, gerne auch mehrfach.

Da stellt sich die Frage, ob das nicht des Guten zu viel ist. Tut man der ‚Erinnerungsarbeit‘ einen Gefallen, wenn man sie zum dauerhaften Automatismus erstarren lässt? Sollte der Wert des Erinnerns – das ja gerade im deutschen Kontext immer ein mahnendes Erinnern an die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts ist – nicht gerade in einer pointierten Prägnanz anstatt in einer industrialisierten Dauerveranstaltung liegen? Lebt nicht auch die ‚Erinnerungsarbeit‘ wie jede gute Arbeit davon, auch mal eine Pause einzulegen?

Eine memoriale Zwickmühle

Knifflige Fragen, nicht zuletzt weil damit ja nicht nur, und noch nicht einmal vornehmlich, historische Probleme angesprochen sind. Zwar wird in der öffentlichen Wahrnehmung das historische Geschäft vielfach mit der Notwendigkeit zum Erinnern identifiziert (Medien, Politik, Interessenverbände und einschlägige Persönlichkeiten der Geschichtswissenschaft tragen das Ihre dazu bei, um diesen Eindruck zu bestärken). Tatsächlich handelt es sich aber nicht um ein geschichtswissenschaftliches, sondern um ein gesellschafts- und identitätspolitisches Phänomen. Die erinnerungsmäßige Zwickmühle ist daher schnell ausgemacht: Einerseits führt das Zuviel an Erinnerung zu Überdruss, andererseits steht die politische und moralische Notwendigkeit des Erinnerns außer Frage, so dass es niemand wagt, die Erinnerungsintensität ein wenig zu drosseln, will man nicht als Relativierer und Revisionist dastehen.

Sicherlich ist Erinnerung wichtig. Auch abgesehen von der historisch-moralischen Plumpheit, dass sich die deutsche Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht wiederholen darf, kann man erkennen, was passiert, wenn das gesellschaftliche Erinnern vergessen wird. Zum Beispiel im Bereich der Wirtschaft. Ein Problem, das sich in derzeitigen ökonomischen Praktiken identifizieren lässt, ist die nahezu programmatische Erinnerungslosigkeit. Krise war gestern – was zählt, ist der mögliche Gewinn von morgen. Das ökonomische Zeitmodell basiert auf einer Scheuklappentechnik, die weder nach rechts noch nach links und schon gar nicht nach hinten schaut.

Probleme der Erinnerungskultur

Woher dann aber trotzdem dieser diffuse Eindruck, dass mit der Erinnerungskultur irgendetwas nicht stimmt? Weshalb nervt Erinnerung, obwohl sie ‚richtig‘ ist? Ein Blick in ein neues Buch von Aleida Assmann kann bei der Beantwortung helfen [1]. „Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur“ versucht Assmann mit gewichtigen Argumenten auszuräumen. Implizit wird aber deutlich, wieso dieses Unbehagen nicht von ungefähr kommt.

Problem 1: Bloß weil die ‚Erinnerungspraxis‘ an sich gut und begrüßenswert ist, bedeutet das nicht, dass es auch die Ergebnisse der konkreten ‚Erinnerungsarbeit‘ immer sein müssen. Aufgrund der moralischen Aufladung fällt es schwer, dem Gedenken vorzuwerfen, es sei qualitativ schlecht. Assmann hebt in ihrem Buch ausführlich die Fernsehserie „Unsere Mütter, unsere Väter“ als ein wertvolles Beispiel jüngster Erinnerungskultur hervor. Wenn ich hingegen der Meinung bin, dass es sich um eine bedauerliche Form der Verharmlosung handelt, weil aufrechte, moralisch integre, junge deutsche Menschen vorgeführt werden, die zufällig auch überhaupt nicht antisemitisch sind, die noch nicht einmal für Krieg und Verbrechen verantwortlich gemacht werden können, weil sie Opfer übermächtiger, anonymer historischer Kräfte sind – zweifle ich dann schon die Bedeutung von Erinnerungskultur an sich an?

Problem 2 hängt unmittelbar damit zusammen: Erinnerungskultur entzieht sich tendenziell der Beurteilung, weil sie sich immer schon auf der moralisch richtigen Seite weiß. Das macht kritisches Nachfragen schwierig, zuweilen sogar verdächtig.

Problem 3: Erinnerungskultur geht nicht selten mit einer vulgärpsychologischen Dauerpathologisierung einher. Stichwort ‚Trauma‘! Da insbesondere die Deutschen, aber auch der Rest Europas und der Welt immer noch ‚traumatisiert‘ sind von Judenmord und Zweitem Weltkrieg und allen anderen Grausamkeiten, die die Geschichte der letzten hundert Jahre zu bieten hat, und zwar traumatisiert bis in die Enkel- und Urenkelgeneration hinein, muss – so der memoriallogische Schluss – notwendigerweise erinnert werden. Die Traumadiagnose wird zum Passepartout, das durch seine Dauerverwendung jegliche Aussagekraft verliert. Das ist bedauerlich, insbesondere für die tatsächlich Traumatisierten, hier und anderswo.

Problem 4: Erinnerungskultur ist nicht nur ein Geschäft, sie ist eine Industrie, die allein schon aus Gründen des eigenen wirtschaftlichen Überlebens nicht daran interessiert sein kann, die Memorialfrequenz zu verringern. Zu viele Jobs, Institutionen sowie öffentliche und private Gelder stecken in diesem Bereich, der sich nach wie vor über mangelnde Nachfrage nicht beschweren kann.

Diese erinnerungskulturelle Infrastruktur ist aber zugleich verstrickt in eine Überschuss-, und damit auch Überdrussproduktion, mit der sie sich – so meine Vermutung – keinen Gefallen tut. Sie könnte zum Eigentor werden. Was, wenn sich niemand mehr aus eigenem Antrieb aktiv erinnern will, weil ja schon immer passiv für einen erinnert wird? Dann geschieht eben doch das, was Aleida Assmann bestreitet, dann wird das Datum im Kalender eben doch zu einer „allgemeinen und gleichförmigen Erinnerungsverordnung“ (19).

Die größte Katastrophe?

Für das Vergessen Werbung zu machen, ist gar nicht nötig. Vergessen geschieht ohnehin beständig und ganz von selbst. An das Vergessen zu erinnern, soll auch gar nicht dazu auffordern, das Erinnern nun zu vergessen. Das ließe sich kaum dekretieren, und wäre zudem ein Missverständnis des Vergessens. Vergessen ist nämlich – entgegen landläufiger Meinung – nicht das Gegenteil von Erinnern, ist keine Vernichtung oder Auslöschung memorialer Inhalte. Daran wird man durch ein Buch aufmerksam gemacht, das fast gleichzeitig mit demjenigen von Assmann erschienen ist: „Die Formen des Vergessens“ von Marc Augé [2]. Vergessen erweist sich demnach nicht nur als überlebensnotwendig, sondern als Formvorgabe der Erinnerung und als produktive Praxis, mit der Kulturen ihre Wirklichkeit gestalten. Das Vergessen bleibt unterbelichtet, wenn es nur als Schattenseite der Erinnerungskultur verstanden wird. Denn das Verhältnis von Erinnern und Vergessen gestaltet sich nicht nach der Logik von Gewinn und Verlust, sondern nach der Differenz von Aktualität und Potentialität. Vergessen löst das Erinnerte nicht auf (denn ansonsten könnte man ja nicht wissen, dass man es vergessen hat), sondern es deaktualisiert bestimmte Wissensbestände.

Eines Morgens wurde ich an der von mir regelmäßig frequentierten Bushaltestelle von hungernden Menschen aus der Sahel-Zone angeblickt. Sie befanden sich auf einem Plakat der Diakonie Katastrophenhilfe, begleitet von dem Satz „Die größte Katastrophe ist das Vergessen“. Auch wenn die Intention dieser Kampagne richtig ist, so stimmt doch der Satz nicht. Man kann den Hunger auf der Welt nicht ‚vergessen‘. Man kann ihn nicht beachten, kann ihn beiseiteschieben oder verdrängen, aber ‚vergessen‘ kann man ihn nicht. Die größten Katastrophen sind daher Irrelevanz, Bedeutungslosigkeit, Unachtsamkeit.

Auf diesem Weg in den Aufmerksamkeitsverlust könnte sich die Erinnerungskultur befinden, wenn sie beliebig und unterschiedslos alles als der Erinnerung wert einstuft und das Vergessen verbietet. Einerseits produziert sie dadurch selbst Vergessen, nämlich in all denjenigen historischen Themenfeldern, die nicht Teil der Erinnerungskultur sind. Andererseits könnte sie selbst über kurz oder lang mit Deaktualisierung bestraft werden, wenn sie immer mehr vom Immergleichen einfordert.

[1] Aleida Assmann: Das neue Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention, München 2013

[2] Marc Augé: Die Formen des Vergessens, Berlin 2013


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Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2013/12/18/16-erinnerung-ans-vergessen/

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Adventskalender 2013 – 18. Türchen

Bettelschale 13. Jahrhundert Herkunft (Allgemein): Iran (Land) Quarzfritte, außen Lüsterbemalung auf opaker weißer Glasur, innen transparent hellblau glasiert; mit Kupferblech eingefasst Höhe: 5,5 cm Breite: 6,8 cm Tiefe: 13,2 cm Bettelschale, die aus einer Scherbe von der Schulter eines lüsterbemalten … Continue reading

Quelle: http://jameel.hypotheses.org/384

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Auflösung der Arbeitsgemeinschaft Historischer Forschungseinrichtungen und neue Trägerschaft der Historischen Bibliographie

AHF-Newsletter, Dezember 2013 Sehr geehrte Abonnentinnen und Abonnenten, nach langer Pause melden wir uns mit dieser Dezember-Ausgabe des Newsletter zurück. Inzwischen hat eine außerordentliche Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen am 20. September beschlossen, die AHF auf Grund fehlender finanzieller Mittel zum Jahresende aufzulösen. Das Kernprodukt der bisherigen Tätigkeit des Vereins, also die bibliographische Dokumentation

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/12/4821/

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1 Jahr dk-blog – ein Rückblick

Im Dezember 2012, also vor einem Jahr, nahm der dk-blog konkrete Formen an, so daß ich zum neuen Jahr mit dem wissenschaftlichen Bloggen richtig loslegen konnte. Mittlerweile neigt sich auch das Jahr 2013 dem Ende zu – Anlaß genug, um einmal innezuhalten und zu reflektieren, wie sich das Format in den vergangenen Monaten entwickelt hat.

Nach meinem eigenen Eindruck verging die Zeit sehr schnell, und auch der allwöchentliche blogpost war schnell geschrieben; immer noch sind Themen endlos vorhanden – so viel Material, so viele Anregungen. Die leisen Bedenken im Vorfeld, daß es irgendwann nichts mehr gebe, über das zu schreiben wäre, hatten sich ganz früh verflüchtigt.

Für die Themenfindung hat sich aber kaum ein festes Schema entwickelt. Viele Anregungen kommen aus der (aktuellen) Literatur oder den Titeln, die gerade auf meinem häuslichen Schreibtisch sind. Vielleicht noch mehr Freude machen mir allerdings die kleinen, an Quellenschnipseln aufgehängten Episoden, die manchmal ins Skurrile abgleiten oder nur schwer zu deuten sind. Über das Bloggen ist mir noch einmal deutlicher geworden, wie bunt historische Befunde sind. Aber auch, wie sehr man sich daran abarbeiten muß, in dieser verwirrenden Vielfalt Muster für Interpretamente zu erkennen.

Es hört sich im ersten Moment abweisend an, ich weiß: Aber mir ist schnell klar geworden, daß ich hier in erster Linie für mich schreibe. Was nicht überrascht, denn in den meisten Fällen möchte ich mir ja über ein bestimmtes Phänomen Klarheit verschaffen, versuche also, erste ordnende Gedanken zu formulieren. Diese Einstellung hat natürlich meine Freude über Reaktionen seitens der Leserschaft überhaupt nicht verhindert, zumal vielfach meine eigenen Beiträge ganz wesentlich gedanklich erweitert und bereichert wurden. An der Stelle also auch ein herzlicher Dank an all die, die sich hier aktiv zu Wort gemeldet haben.

Letztlich wenig überraschend ist, daß das Gros der Besucher stumm geblieben ist. Interessanterweise passierte dies auch in den Fällen, wenn sie etwas zu sagen hatten. Das habe ich in einigen Fällen im Nachhinein erfahren, als Kollegen mich später (per Mail, im Telefonat oder beim persönlichen Gespräch) auf das eine oder andere hinwiesen, manchmal eingeleitet mit der wundervollen Bemerkung: „Fast hätte ich einen Kommentar zu diesem blogpost geschrieben …“. So ganz habe ich mir auf dieses Verhalten keinen Reim machen können.

An der Stelle also einige Gedanken als Jahresrückblick, unvermeidlicherweise aus der Innenansicht – aber vielleicht gibt es dazu ergänzende und/oder korrigierende Meinungen seitens der Leserschaft?

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/362

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