Neues Hausnummernsystem für Südkorea tritt demnächst in Kraft

Die NZZ berichtet heute darüber, dass in Südkorea ab 1.1.2014 endgültig ein neues Adresssierungssystem in Kraft tritt, dessen Einführung ab 1996 vorbereitet wurde und für das 160.000 Straßennamen und mehr als 5 Millionen Hausnummern vergeben wurden. Der Autor Hoo Nam Seelmann beschreibt auch die davor gebräuchlichen Adressierungssysteme:

In Korea galt vom 14. Jahrhundert an bis zur Kolonialisierung durch Japan 1910 ein eigenes Adresssystem. Fünf Häuser fasste man zur kleinsten Einheit zusammen, die «Tong» genannt wurde, und jedes Haus hatte eine Hausnummer. Eine Adresse bestand somit im Falle der Hauptstadt aus dem Namen der Stadt, des Stadtbezirks, des Viertels und der Nummer von Tong und Haus. Am Schluss stand der Name des Empfängers.

Die japanische Kolonialmacht führte dann 1918 ein vorwiegend der Steuereintreibung dienendes System ein, das am Grundeigentum orientiert war und als System der Nummerierung des Bodens bezeichnet wurde. Es enthielt die Namen von Provinzen, Städten und Stadtvierteln, aber eben keine Strassennamen. Seelmanns Darstellung des japanischen Systems lautet wie folgt:

An deren [der Straßennamen, AT] Stelle tritt eine Nummer, die wie folgt zustande kommt: Ein Stadtteil wird in eine bestimmte Anzahl von Parzellen eingeteilt, die je eine Nummer bekommen. Jeder Eigentümer einer Parzelle wiederum erhält je nach der Reihenfolge der Eintragung ins Grundbuch eine Nummer zugeteilt, die zum Bestandteil der Adresse wird. Wenn beispielsweise die Parzelle Nr. 1 eines Viertels 10 verschiedene Eigentümer hat, bekommen diese die Nummern 1 – 1, 1 – 2, 1 – 3, usw. Wird jedoch das Grundstück 1 – 1 in zwei Teile geteilt, werden daraus 1 – 1 und 1 – 11. Ist ein Grundstück gross und fand die Aufteilung wiederholt statt, kann es vorkommen, dass 1 – 1 und 1 – 100 nebeneinander stehen. Das Problem dieses Systems: Mit der Verstädterung wurden die Grenzen der alten Parzelleneinteilung (...) bis zur Unkenntlichkeit verwischt. So entstand ein Labyrinth von Zahlen, in dem sich ausser Briefträgern kaum noch jemand auskannte.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/462310556/

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Vorlagen als Kategorie der Systematischen Aktenkunde

Im neuesten Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte hat Stephan Lehnstaedt einen lesenswerten Artikel zu den 2002 beschlossenen Ghettorenten veröffentlicht. Seine Hauptquellen sind Unterlagen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem vergangenen Jahrzehnt, die er auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes einsehen konnte. Der Umgang mit diesen Quellen in den Fußnoten ist handwerklich sauber, weist aber auf eine Fehlstelle in der zeithistorischen Aktenkunde hin: Die Klassierung des behördeninternen Schriftverkehrs.

Worum geht es dabei? Adressierte Schreiben zwischen Korrespondenten, die nicht derselben Organisation angehören, werden üblicherweise in der Form “X an Y, Datum” im Anschluss an die Archivsignatur zitiert; so auch hier. Daneben greift Lehnstaedt aber häufig auf Schriftstücke zurück, die ihm formal als deutlich anderer Typ auffielen und die er (offensichtlich behelfsweise) als Interne Schreiben anspricht, z. B. “Internes Schreiben des BMAS an den Minister, 9.4.2009″ (Anm. 93, willkürlich herausgegriffen). Das lässt schon in verwaltungskundlicher Sicht stutzen: Eine Behörde schreibt an ihren Chef?

Ein Ministerialbeamter hat sofort ein klares Bild von diesem Schriftstücktyp vor Augen, den er als “Vorlage” kennt. Vorlagen sind die Hauptinstrumente der formalisierten Kommunikation zwischen der Arbeits- und der Leitungsebene eines Ministeriums. Sie dienen der Entscheidung oder der Unterrichtung, was in der Regel deutlich vermerkt wird, und sind in ersterem Fall mit einem Votum verbunden (vgl. aus Sicht des Praktikers Beuth 2005: 123).

Sie tragen eine Geschäftsgangsverfügung, die alle zu durchlaufenden Hierarchiestufen bis zum Staatssekretär oder gar Minister aufführt. Jeder dieser Beamten hat die Möglichkeiten, mit dem ihm zugewiesenen Farbstift zu kommentieren, zu streichen oder zu ergänzen – und das sowohl auf dem Weg nach “oben”, zur Beeinflussung der anstehenden Entscheidung, als auch auf dem Rückweg nach “unten”, zur Interpretation und Ausgestaltung der getroffenen Entscheidung. Der knappe Platz bedingt dabei verknappte Äußerungen, die in einem hoch formalisierten Verfahren entstehen und verarbeitet werden. Die Vorlage ist ein recht komplexes Instrument.

Heutige Vorlagen kommen den im Briefstil gehaltenen Behördenschreiben in der Tat recht nahe, seit nämlich die Geschäftsgangsverfügung vom Ende des Kontexts in den Kopf des Schriftstücks gerückt ist, also an die Stelle einer Adresse. Im Auswärtigen Amt geschah dieser Wandel um 1970. Dadurch wird der formengeschichtliche Ursprung der Vorlage verdeckt: der Aktenvermerk. In älteren Vorlagen wird dies deutlicher, schon allein durch die Selbstbezeichnung als “Aufzeichnung”. Hier ein Beispiel der 1950er-Jahre aus dem Auswärtigen Amt (PA AA, B 51-400-405, Bd. 52):

Vorlage 1955

Es handelt sich um eine Vorlage des stellvertretenden Leiters der Wirtschaftsabteilung, Junker, an Bundesaußenminister v. Brentano, auf dem Weg nach “oben” mit Rotstift abgezeichnet (und damit gebilligt) von Staatssekretär Hallstein. Das Votum (Billigung des beigefügten Antwortentwurfs) ist nicht explizit formuliert. Brentanos Billigung wird von der grünen Verfügung “Abschrift an Bu[ndes]wi[rtschafts]mi[nisterium] ebenfalls nur impliziert.

Der Aktenvermerk wird generell zu den immobilen Aufzeichnungen gezählt, die nicht zum Versand an einen Empfänger gedacht sind, sondern zum Festhalten von Wissen zum späteren Gebrauch der aktenführenden Stelle (vgl. Papritz 1959: 340). Nun war es schon in der 19. Jahrhundert üblich, solche Aufzeichnungen mit einem Votum zu versehen und höheren Orts zu vorzulegen. Sie deshalb aber mit Meisner (1969: 198) “besser zu den Berichten (Verkehrsschriftstücken)” zu rechnen, berücksichtigt zum einen nicht genügend die formalen Eigentümlichkeiten des Aktenvermerks, insbesondere die Ersetzung der Adresse durch einen Geschäftsgangsvermerk, der mitunter sogar in den Kontext integriert ist. Zum anderen verwischt die Einordnung in das bekannte Schema von Erlass und Bericht die Urschriftlichkeit als Grundcharakteristikum der Behördenarbeit mit Vorlagen: Auf eine Vorlage folgt eben kein Erlass im Sinne eines separaten oder auch nur aufgesetzten, jedenfalls eigenständigen Schreiben, sondern verschiedene Stellen arbeiten (unter Wahrung der Hierarchie: kollaborativ) an demselben Dokument.

Für die Quellenkritik hat das natürlich weit reichende Konsequenzen. Die präzise Benennung in der Zitation weist nach, dass der Autor den Typ seiner Quelle richtig erkannt hat. Nur kann man für den Bereich der Zeitgeschichte Historikern keinen Vorwurf machen, wenn die Aktenkunde selbst die Besonderheiten des Aktenwesen des 20. und 21. Jahrhunderts bislang nicht wirklich durchdrungen hat.

Literatur:
Beuth, Heinrich W. (2005), Regiert wird schriftlich: Bericht, Weisung und Vorlage, in: Auswärtiges Amt. Diplomatie als Beruf, hrsg. von Enrico Brandt/Christian F. Buck, 4. Aufl., Wiesbaden, S. 119–128.
Meisner, Heinrich Otto (1969), Archivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918, Leipzig.
Papritz, Johannes (1959), Die Motive der Entstehung archivischen Schriftgutes, in: Mélanges offerts par ses confrères étrangers à Charles Braibant, Brüssel, S. 337–448.

 

 

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/89

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Guck mal, wer da bloggt 8! Blogs bei de.hypotheses.org

3391941385_d4086708e5_oAuf Entdeckungstouren kann ein Begleiter hilfreich sein, der auf Offensichtliches wie auch auf versteckte Schätze hinweist. Bei de.hypotheses.org gibt es immer viel Neues, und damit hier niemand die “Wald vor lauter Bäumen”-Situation erlebt, gibt es die Serie “Guck mal, wer da bloggt!”. Auch heute machen wir uns wieder auf den Weg und stellen fünf Blogs vor, die allemal Aufmerksamkeit verdienen. Es kann losgehen!

Blogs, Blogs, Blogs

Weblog Kulturgut

Mit Klaus Graf und Maria Rottler sind hier zwei Profis in Sachen Bloggen am Werk, die sich an dieser Stelle in den Dienst des Kulturgutschutzes stellen. “Anlass für die Gründung des Weblogs war die “Causa Stralsund”, die im Herbst 2012 bekannt gewordenen Verkäufe historischer Buchbestände aus dem Stadtarchiv Stralsund.”, so im Blog nachzulesen. “Das “Weblog Kulturgut” begleitet wissenschaftlich die Debatte zum Erhalt historischer Kulturgüter als wertvolle und schützenswerte Geschichtsquellen.” Der Zugang für Wissenschaft und Öffentlichkeit ist ein weiteres relevantes Stichwort. Zu diesem Anliegen wird hier interessant und gut aufbereitet informiert!

Geschichte verwalten – Studienmanagement im Historischen Seminar

Ob zum Whistleblowing, zur Causa Schavan oder zur Bologna-Reform: Andreas Frings versammelt in seinem Blog Gedanken und Kommentare zum aktuellen (Wissenschafts-) Geschehen und dessen Wiedergabe in Presseberichten sowie private Reflexionen zu seiner beruflichen Tätigkeit als Studienmanager am Historischen Seminar der JGU Mainz. “Es geht um Fragen der Hochschuldidaktik im Fach Geschichte, um Hochschulreformen, um die Organisation von Studium und Lehre im Fach Geschichte.” Interessant, kritisch, lesenswert? Ganz einfach: dreimal ja.

Übergangsgesellschaften: Ländliche Politik in der europäischen Moderne – ein Forschungsprojekt

Anette Schlimm berichtet in diesem Blog vom Fortgang des laufenden Projekts zur vergleichenden mikrogeschichtlichen Erforschung ländlicher Politikformen zwischen 1850 und 1950 im deutsch- und französischsprachigen Zentraleuropa. Außerdem weist sie auf Termine und Veranstaltungen hin und berichtet von allem, was ihr bei der Arbeit ins Netz geht. Die Autorin ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Zeitgeschichte der LMU München und regt mit ihren Beiträgen zur Diskussion an. Und es ist noch gar nicht lange her, da wurde Wie global ist eigentlich gobal? von der Redaktion für den Bilderdurchlauf der Startseite ausgewählt.

Heraldica Nova – Medieval heraldry in social and cultural-historical perspectives

Die Forschung zur Heraldik ist nach Meinung des Münsteraner Juniorprofessors Torsten Hiltmann kaum von der Entwicklung in den Geisteswissenschaften der letzten 30 Jahren beeinflusst worden. Dieses Blog soll nun Raum bieten für die Diskussion von neuen Fragestellungen, die Vorstellung von Ideen und Forschungsprojekten. Interessierte Wissenschaftler können als Autoren mitwirken – auf Deutsch, Englisch und Französisch. Und dass dieses Angebot bereits gut angenommen wird, das lässt sich an der Zahl der Beiträge und Autoren gut ablesen… Glückwunsch zu dieser großen Resonanz!

MusErMeKu

“MusErMeKu steht für Museum, Erinnerung, Medien und Kultur.” Dies als Erläuterung des zunächst etwas kryptisch anmutenden Titels. Inhaltlich geht es an dieser Stelle um die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ausstellungsthemen und -konzepten, Schwerpunkt ist die Erinnerungskultur. Das Blog ist eine deutsch-spanische Koproduktion: die Redakteure Angelika Schoder und Damián Morán Dauchez schreiben – unterstützt von Gastautoren – in deutscher und spanischer Sprache. Auch hier vergeben wir überzeugt das Prädikat “lesenswert”!

Siehe auch

Mareike König, Guck mal wer da bloggt! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 24.4.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/485

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 2! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 11.6.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/527

Mareike König, Guck mal wer da bloggt 3! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 27.8.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/622

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 4! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in Redaktionsblog, 22.10.2012. http://redaktionsblog.hypotheses.org/732

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 5! Neue Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 11.01.2013. http://redaktionsblog.hypotheses.org/875

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 6! Blogs bei de.hypotheses.org, in Redaktionsblog, 09.07.2013. http://redaktionsblog.hypotheses.org/1452

Inger Brandt, Guck mal wer da bloggt 7! Blogs bei de.hypotheses.org, in: Redaktionsblog, 01.08.2013. http://redaktionsblog.hypotheses.org/1528

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aventinus interna Nr. 6 [27.08.2013]: aventinus-Korrekturrichtlinien für Herausgeber und Redakteure

Unter der Federführung des Reakteurs für abetilungsübergreifende Aufgaben Yves V. Grossmann wurden Korrekturrichtlinien für Herausgeber und Redakteure bei aventinus entwickelt, deren Beachtung auch den Autoren empfohlen wird. Hierbei werden sowohl formale, als auch sprachliche Empfehlungen gegeben. http://www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/9824

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/08/4667/

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Eine Archäologie historischer Persönlichkeiten – Trend und Sensations-Hascherei?

Die Archäologie ist ein Fach, das von der Presse gemocht wird. Meistens…Zumindest wenn ein Museumsneubau nicht Millionen von Euro verschlingt oder durch Ausgrabungen Parkplätze in der Innenstadt wegfallen. Der Begriff „Sensation“ ist bei den Schlagzeilen obligatorisch und wird nicht selten von den Archäologen gleich selbst benutzt, um die Bedeutung des Fundes oder Befundes zu unterstreichen.  Presseleute scheinen aber regelrecht auszuflippen, wenn man einen Fund mit einer historischen Persönlichkeit in Verbindung bringen kann.

Kürzlich wurde heftig darüber spekuliert, ob denn das Grab Alexanders des Großen gefunden worden sei. Die zuständigen griechischen Archäologen hatten alle Mühe, diese Behauptungen zu dementieren. Um die Welt ging die Meldung trotzdem.

Begleitet von einer faszinierten Weltöffentlichkeit wurde vor ein paar Wochen das Grab der angeblichen Mona Lisa, Lisa Gherardini, in Florenz geöffnet.

Die Feuilletons waren entzückt von der Exhumierung Richards III in Leicester Anfang dieses Jahres und die beschauliche Schweiz schien Kopf zu stehen, als die angebliche Leiche Jürg Jenatschs, dem Graubündner Volkshelden des Dreißigjährigen Krieges, ausgegraben wurde.

Im letzten Jahr legte man in Duisburg im Rahmen einer Bauvoruntersuchung das Wohnhaus Gerhard Mercators frei, ausgerechnet zum 500. Jubiläum des Kartographen. Die Duisburger waren beglückt.

Zwei große Mittelalter-Ausstellungen in Mannheim und Magdeburg wurden mit Persönlichkeiten überschrieben, Benedikt von Nursia und Kaiser Otto dem Großen. In Erinnerung dürften noch die Ausgrabungen im Elternhaus Martin Luthers sein und nicht zuletzt befasst sich dieses Blog ja mit der Archäologie rund um das Hospital der Heiligen Elisabeth von Thüringen.

Dem geneigten Leser wird eine gewisse Häufung von archäologischen Pressemeldungen bezüglich berühmter Persönlichkeiten in den letzten zwei Jahren auffallen. Es sind Schlagzeilen, aber nicht hinter jeder Schlagzeile steckt eine Sensation und nicht hinter jeder Schlagzeile verbirgt sich Sensations-Hascherei. Das Bedürfnis nach öffentlicher Aufmerksamkeit haben alle diese Meldungen gemeinsam, aber ist das zu begrüßen oder zu verurteilen?

Die Aufmerksamkeit, die das angebliche Grab Alexanders des Großen erfuhr, bekam es wohl gänzlich gegen den Willen der vor Ort tätigen griechischen Ausgräber. Die Gerüchte wurden von Hobby-Experten über das Internet gestreut. Die Fragen, die sich mir stellen, sind: Warum meldet das die Deutsche Presse Agentur und warum stürzen sich unsere sogenannten Qualitätsmedien darauf?

Die Relevanz der Öffnung des Grabes der vermeintlichen Mona Lisa erschließt sich mir nicht. Auch die Aufmerksamkeit, die dieses kleine Gemälde genießt, verstehe ich nicht, aber da ich mit dieser Ansicht wohl eher in der Minderheit bin, erkläre ich mir diesen Rummel mit der mystischen Legendenbildung um die dargestellte junge Frau. Wenn man ihr Gesicht rekonstruiert, könnte man zum Beispiel herausfinden, ob Leonardo wirklich so gut malen konnte, wie man allgemein annimmt. Auch könnte eine DNA-Analyse feststellen, dass dieses seltsame Lächeln auf eine Krankheit zurückgeht.

Der Wirbel um die Ausgrabungen der sterblichen Überreste von Richard III und Jürg Jenatschs sind für mich hingegen etwas nachvollziehbarer. Es sind Personen der nationalen Geschichte, der DNA-Abgleich kann den ultimativen Beweis bringen, dass das der Mensch auch tatsächlich ist. Im Falle von Richard III konnte man den Nachweis führen, bei Jürg Jenatsch gab es widersprüchliche Resultate. Richard III bekam ein Gesicht rekonstruiert und die Engländer konnten einem Teil ihrer Geschichte wahrhaftig in die Augen blicken. Man könnte das als Sensations-Hascherei bezeichnen und anmerken, dass es aber für die Forschung an sich nichts bringt. Aber das ist zu kurz gedacht, denn der faszinierte Schauer, der mir bei diesem „In die Augen blicken“ den Rücken runter lief, ergriff bestimmt auch den ein oder anderen Schüler, Zeitungsleser oder Passanten an der Bushaltestelle. Ein „Blick in die Augen der Geschichte“ kann Interesse an Geschichte und Archäologie wecken und das ist an sich doch zu begrüßen.

2006 zeigte das Historische Museum der Pfalz in Speyer eine kleine aber feine Ausstellung zu Heinrich IV, in der die Ergebnisse dreier verschiedener Gesichtsrekonstruktions-Methoden zu sehen waren. Anlässlich des 900 Todestages des Salierkaisers verband man Archäologie mit kriminaltechnischen Methoden, um diesen für die Besucher zu vergegenwärtigen. Allerdings beschränkte sich diese Ausstellung nicht darauf, sondern versuchte ein rundes Bild der Zeit und der Lebensumstände zu geben.[1]

Eher zufällig legte man im vergangenen Jahr in Duisburg das Wohnhaus Gerhard Mercators frei. Die archäologischen Grabungen waren im Zuge einer Bauvoruntersuchung nötig geworden. In der Stadt wurden sehr schnell Stimmen laut, die eine Rekonstruktion des erst 1924 abgebrochenen Hauses forderten und es begann eine öffentliche Debatte über die Art des Wiederaufbaus der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Fund des Wohnhauses dieser historischen Persönlichkeit war in Duisburg Anlass über Stadtentwicklung, städtische Identitäten und den Verlust der eigenen Altstadt nachzudenken. MinusEinsEbene berichtete darüber. Hier, hier und hier.

Die beiden großen Mittelalter-Ausstellungen in Mannheim und Magdeburg 2012 wurden mit Benedikt von Nursia und Kaiser Otto I betitelt. Aber die Ausstellungen gingen beide stark über die Darstellung von Biographien hinaus. Benedikt, der als Gründungsvater des abendländischen Klosterwesens gilt, war nicht Objekt und Inhalt der Ausstellung, sondern die Geschichte des mittelalterlichen Klosterwesens in seinen Facetten.[2] Die Ausstellung in Magdeburg 2012 wurde anlässlich des 1100. Geburtstages Kaiser Otto des Großen veranstaltet, mit dem Magdeburg insbesondere verbunden ist. Aber auch hier beschäftigte sich die Ausstellung weniger mit der Person, sondern mit dem Kaisertum in Europa und seine Entwicklung von der Antike bis in die frühe Neuzeit.[3] Die historischen Persönlichkeiten stehen hier pars pro toto. Sie sind Anlass oder Stichwortgeber.

Ebenfalls Schlagzeilen machten die archäologischen Untersuchen im Elternhaus Martin Luthers. Ein Beitrag auf der Webseite des Projektes ist sogar mit „Lutherarchäologie“ überschrieben.

Das besondere bei diesem Projekt ist, dass um die Ausgrabungen im Lutherhaus in Mansfeld ein umfassendes und langjähriges Forschungsprojekt mit vielen Beteiligten und Kooperationen gestrickt wurde, dass das Leben und Arbeiten Luthers, seiner Angehörigen und der Menschen im Mitteldeutschland im Übergang von Spätmittelalter zur frühen Neuzeit untersucht.[4] Viele Ergebnisse sind bereits in die Ausstellung „Fundsache Luther“[5] eingebracht worden und weitere werden zum Lutherjahr 2017 präsentiert werden.

Alles in allem sehen wir, dass Archäologie historischer Persönlichkeiten Sensations-Hascherei sein kann, aber nicht sein muss.

Warum auch immer wecken die Namen historischer Persönlichkeiten das Interesse. Die gewonnene Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit kann man nutzen, um damit echte wissenschaftliche Inhalte zu präsentieren, wie im Falle der „Lutherarchäologie“, welche die Forschung ernsthaft voranbringt. Auch kann ein archäologischer Grabungsbefund eine gesellschaftliche Debatte auslösen, über eine städtische Entwicklung, wie in Duisburg. Man kann die Archäologie historischer Persönlichkeiten also nicht an sich verdammen oder begrüßen. Es kommt darauf an, was die Wissenschaftler und Kulturverantwortlichen daraus machen.

[1] Historisches Museum der Pfalz Speyer, Heinrich IV. Kaiser, Kämpfer, Gebannter. Herrschergestalt zwischen Kaiserkrone und Büßergewand (Speyer 2006)

[2] A. Wieczorek- G. Sitar (Hrsg.) Benedikt und die Welt der frühen Klöster (Regensburg 2012)

[3] M. Puhle- G. Köster (Hrsg.) Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter. Ausstellungskatalog (Regensburg 2012)

[4] H. Meller (Hrsg.), Luther in Mansfeld. Forschungen am Elternhaus des Reformators. Archäologie in Sachsen-Anhalt Sonderband 6 (Halle 2007)

[5] H. Meller (Hrsg.), Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Reformators (Stuttgart 2007)

 

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/764

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Gedenken 2.0 – Das Forschungsprojekt „Holocaust Websites“ (Teil 2)

In ihrem zweiten Gastbeitrag geht Eva Pfanzelter auf weitere Beispiele ihres aktuellen Forschungsprojektes „Holocaust Websites“ ein und stellt das Projekt näher vor. Anders als das im ersten Beitrag erwähnte Beispiel Yad Vashem, bei dem der Internet-Auftritt auch einen „Ort der … Weiterlesen

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/573

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Erinnerungen eines Antirassisten

Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, schreckt auch vor gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht zurück, wenn es darum geht, den zur Staatsdoktrin erhobenen österreichischen Rassismus zu kritisieren (vgl.: 1 / 2); seine bei Mandelbaum erschienenen Erinnerungen können zugleich als Geschichte der zweiten Republik aus radikal linker Perspektive gelesen werden. Eine Rezension liefert Thomas Schmidinger in der aktuellen Ausgabe des Falters.

Genner, Michael: Verleitung zum Aufstand. Ein Versuch über Widerstand und Antirassismus. Wien: Mandelbaum, 2012. [Verlags-Info]

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/453148231/

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Digital Humanities in Österreich – Veranstaltungen im Oktober

Die Digitalen Geisteswissenschaften haben in Österreich noch nicht die Öffentlichkeit wie in Deutschland oder der Schweiz. Sie sind aber dennoch aktiv, wie folgende Doppelveranstaltung belegt:

24. Oktober 2013
Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters:
Forschungsinfrastrukturen in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften
Ort: Haus der Industrie, Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien
weitere Informationen unter http://www.oeaw.ac.at/icltt/node/83

25. Oktober 2013
Was können und wollen Digital Humanities
Ort: Österreichische Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1015 Wien
Weitere Informationen und Anmeldung unter: http://dhtagungwien.eventbrite.de

Die Veranstaltungen sind inhaltlich aufeinander abgestimmt und dienen der Information und dem Austausch über digitale Forschungsinfrastrukturen in Österreich. Nähere Informationen folgen in Kürze!

Für die Organisation und Beiträge zu den Veranstaltungen sind verantwortlich:
Zentrum für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaften an der Universität Graz
Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Österreichische Nationalbibliothek
Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2139

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Workshop philtag, 26.-27. September 2013, Universität Würzburg

Am Do. 26. und Fr. 27. September 2013 findet der nun 11. Workshop der Reihe philtag am Lehrstuhl für Computerphilologie der Universität Würzburg statt.

Innerhalb der Workshopreihe philtag kommen Wissenschaftler der Geistes- und Kulturwissenschaften zusammen, die verstärkt digitale Methoden in ihren Forschungen anwenden. Dabei werden aber nicht nur Forschungen mit primär philologischen Inhalt vorgestellt, sondern das Vortragsspektrum reicht von digitalen Editionen bis hin zu „Vektorzeichnungen von Keilschrifttafeln aus 3D-Modellen“ (Hubert Mara, Universität Heidelberg) der Informatik  und „Geovisualisierung und Dialektlexikographie“ (Eveline Wandl-Vogt, Österreichische Akademie der Wissenschaften) der Korpuslinguistik. Einen besonderen Höhepunkt stellt der Abendvortrag von Hugh Craig (University of Newcastle) zu „Traditional, experimental, typical, aberrant: a distant reading of 376 late twentieth-century British novels“ dar.

Veranstaltungsort ist der Hubland-Campus der Universität Würzburg (Am
Hubland, Neues Hörsaalgebäude, Räume 02.002-02.004 im 2. Stock).

Formlose Anmeldungen sind noch bis 25.09.2013 möglich.

Eine Tagungsgebühr wird nicht erhoben.

Weitere Infos unter:

http://go.uni-wuerzburg.de/philtag11

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2146

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