Rolle vorwärts. Warum Mikrofilme endlich aus den Archiven verschwinden müssen

Viel zu lange und trotz guter Alternativen haben Historikerinnen und Historiker geschwiegen. Doch jetzt muss es raus: Mikrofilme und Mikrofiches haben in den Archiven des 21. Jahrhunderts nichts mehr verloren. Meine momentane Recherche im Hauptstaatsarchiv München brachte das Fass zum Überlaufen. Was ich dort sehen will, ist auf den Mikrofilmen, die ich bekam, teilweise gar nicht und immer so abgelichtet, dass eine wissenschaftliche Rückverfolgbarkeit nicht gewährleistet werden kann. Dazu kommen die üblichen Schwierigkeiten mit dem Format Mikrofilm. In Zeiten des digitalen Wissensmanagements droht der status quo in deutschen Archiven in Vergessenheit zu geraten. Zeit also für ein Wutpamphlet in sechs Punkten.


Mikrofilm-Lesegeräte im Hauptstaatsarchiv Stuttgart.
Quelle: www.landesarchiv-bw.de

1. Quellenbestände auf Mikrofilmen sind unübersichtlich und oft schlampig gespeichert. Was auf den langen Rollen abgelichtet ist, bleibt bisweilen unklar. Das liegt an ihrer schieren Länge – mitunter dutzende Aktenbestände wurden aneinandergereiht. Nummerierungen und Bezeichnungen stimmen nicht mit dem überein, was in den Findbüchern steht. Mehrmals ist es mir schon passiert, dass in den Schächtelchen falsche Rollen lagen. Zudem scheint mir die Verfilmung, die zumindest bei den mich interessierenden Beständen oft aus den 1960er Jahren stammt, ungenau und unsystematisch. Im aktuellen Münchner Fall wurden aus einer Bestandsgruppe Aktenteile fast willkürlich durcheinander aufgenommen. Es mangelt an einer klaren Führung durch den Mikrofilm.

2. Mikroformate sind oft unleserlich und lassen zentrale Quellenbestandteile verschwinden. Jeder, der schon mal eine Quelle auf Mikrofilm gelesen hat, kennt das Problem. Sie sind oft verwischt, undeutlich oder zu kleinformatig aufgenommen. Problematisch wird das besonders bei vormodernen Dokumenten, an denen die Zeit besonders genagt hat und deren Schrift und Sprache wissenschaftlich besonders anspruchsvoll sind. Für diese ist in puncto Analysefähigkeit der Mikrofilm die schlechteste Wahl. Allgemein problematisch ist die schwarz-weiß-Verfilmung. Unterschiedliche Schriftfarben oder farbige Vermerke – die entscheidend sind für die korrekte Quelleninterpretation – sind so nicht erkennbar. 

3. Die Arbeit an Mikroformat-Lesegeräten ist gesundheitsschädlich. Die Benutzer/innen sind an die Lage des Apparats gefesselt. Anders als bei Papierdokumenten oder am Netbook können sie die Position des Arbeitsgeräts oder die eigene Haltung nicht wirklich wechseln. Das geht auf den Rücken, genauso wie die oft schlechten Verfilmungen, die zum ständigen Vorbeugen zum Bildschirm zwingen. Die schaden auf Dauer den Augen. Oft stehen die Lesegeräte in separaten Kabinen, die durch die Apparate schnell warm werden. Die schlechte Luft, das ungünstige Sitzen und die schlechte Dokumentqualität erschweren die Konzentration. Es leiden Gesundheit und wissenschaftliche Qualität.

Kein guter Arbeitsplatz: Mikrofilm-Lesegerät.

4. Mikrofilme sind schwierig und teuer zu reproduzieren. Wenn schon die Verfilmungen schlecht sind, gilt das um so mehr für die Abzüge von den Filmen. Bedenkt man, dass die meisten Historikerinnen und Historiker heute nicht zum Exzerpieren, sondern zum Reproduzieren in die Archive gehen, hat das negative Folgen für den wissenschaftlichen output. Denn am heimischen Schreibtisch sind manche Mikrofilme so schlecht reproduziert, dass die Auswertung schwierig wird. Zudem sind meiner Erfahrung nach Mikrofilm-Kopien immer teurer als Kopien aus den Originalen. Warum, bleibt mir rätselhaft. Die Benutzerinnen und Benutzer zahlen mehr, bekommen aber eine schlechtere Qualität der Repros.

5. Die Lesegeräte sind störanfällig, die Technik ist oft veraltet. Auch dieses Phänomen kennen Archivbesucherinnen und -besucher. Gerade hat man sich auf der unübersichtlichen Filmrolle zurechtgefunden, in eine Handschrift eingelesen und angefangen zu kopieren oder zu exzerpieren – da geht das Licht aus und das Lesegerät macht schlapp. Alte Geräte überhitzen leicht und geräuschvoll. Moderne Lesegerät-Technik ist nicht Standard in deutschen Archiven.

6. Mikrofilme entfremden von den Quellen. Dieser Vorwurf wird von Traditionalisten gerne an Historikerinnen und Historiker gerichtet, die mit digitalisierten Quellen arbeiten oder selbst in Archiven (was in Deutschland selten genug der Fall ist) Quellen digitalisieren. Wo bleibt der Geschmack des Archivs? Der ist bereits seit den 1960er Jahren durch die Mikrofilme verloren gegangen. Wo hingegen Digitalisate authentischer abbilden oder die Reproduktion selbst am Original vorgenommen werden muss, ist der Kontakt mit den Quellen viel direkter, physischer und visuell nachdrücklicher. All das fällt bei Mikrofilmen weg. Sie stehen unüberwindlich zwischen Historiker/in und Quelle – zumal die Originaldokumente von den Archiven mit dem Hinweis auf die Mikrofilme hermetisch unter Verschluss gehalten werden.

Oft unübersichtlich und unsorgfältig: Mikrofilm-Rollen.

Mikrofilme eignen sich also nicht für eine qualitativ hochwertige, exakte, kostengünstige und effektive historische Arbeit. Sie schaden sogar dem Leistungsvermögen der Archivbesucher und verbauen den direkteren Gang ad fontes. Dennoch prägen sie vielfach den Archivalltag, v.a. in den großen Archiven. Darüber muss gesprochen werden. Denn es gibt Alternativen: Digitalisierung, Foto-Reproduktion durch die Benutzer/innen (wie es etwa in den Archives départementales in Frankreich auch für vormoderne Dokumente möglich ist) oder der direkte Zugriff auf die Quellen. Und schon vorweg: gerade für alte Dokumente dürfte die Bestellfrequenz ohnehin nicht sonderlich hoch sein. Zudem werden die Originale von geprüften und gut ausgebildeten Fachleuten eingesehen, die wissen, wie man mit altem Schriftgut umgeht. Alles ist besser als Mikrofilme.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/348

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Fotografieren im Archiv | Teil 2 – Entwickeln und Organisieren

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Die einzelnen Digitalfotos können in Adobe Lightroom mit einer Farbmarkierung, Flaggen und Sternbewertung versehen werden. Dadurch erhält man einen besseren Überblick und neue Filtermöglichkeiten. Rechts befindet sich die Liste der Tags.[/caption]

Quelle: http://umstrittenesgedaechtnis.hypotheses.org/98

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Archivreport digital: Archiv des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen

Das Hessische Fernsehen berichtete in März 2012 über das sogenannte “Holocaust-Archiv”, welches Dokumente und Habseligkeiten von Opfern des Nationalsozialismus verwahrt, um Auskünfte über den Verbleib von vermissten Personen geben zu können. Via Archivalia [06.04.2012], http://archiv.twoday.net/stories/96988033/

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/09/3291/

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Digitale Bestandserhaltung in Bibliotheken und Archiven


Als im März 2009 das Historische Archiv der Stadt Köln im Untergrund versank, riss es tausend Jahre dokumentierte Geschichte mit sich. Nach dem Schock reagierten die Sammlungsverantwortlichen schnell. Dokumente und Bücher wurden aus dem eingestürzten U-Bahnschacht gerettet, gefrostet, restauriert und digitalisiert. Mittlerweile stehen den Forschern, Expertinnen und Bürgern wieder 424.365 Dokumente online zur Verfügung.

Unmittelbar nach dem Archiveinsturz standen den Kölner Sammlungsbeauftragten Experten aus Weimar zur Seite. Denn Sie erlebten Ähnliches fünf Jahre zuvor, als im September 2004 ein Brand das Gebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) und den wertvollen Buch- und Kunstbestand schwer beschädigte. Während das historische Bibliotheksgebäude am 24. Oktober 2007 wiedereröffnet werden konnte, dauert die Restaurierung und der Wiederaufbau der Bibliothek bis heute an.

Bei dem Wiederaufbau spielt die umfassende Originalerhaltung durch Restaurierung und Neuankauf eine genauso große Rolle, wie die Digitalisierung. Sie ermöglicht es die ca. 4.000 sogenannten Weimarer “Aschebücher” zu sichern und wieder verfügbar zu machen. Das auf fünf Jahre angelegte und von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt hat nun Halbzeit und lädt Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Bibliotheken und Archiven sowie eine interessierte Fachöffentlichkeit zu einem Kolloquium ein:

Bestandserhaltung digital – Sicherung und Identifizierung stark geschädigten Schriftguts
Weimar, Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek
07.11.2012-07.11.2012

Weiterführende Informationen zum Kolloquium, das Tagungsprogramm sowie Abstracts der Vorträge finden Sie hier.

 

Quelle: http://dss.hypotheses.org/243

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Fotografieren im Archiv – Teil 1

  Ich bin vor wenigen Tagen von einer Archivreise aus Oslo zurückgekehrt. Während meiner Recherche am Riksarkivet und dem Archiv des Norges Hjemmefrontmuseum (NHM) wurde mir wieder vor Augen geführt, wie viele Arbeitsschritte es gibt, über die ich mir im Vorfeld der Archivarbeit nicht oder nur unzureichend Gedanken gemacht habe. Ein solches Beispiel ist das Abfotografieren von Archivalien (vorausgesetzt, dies wird von Seiten des Archives erlaubt). Besonders als Doktorand mit geringem Reise- und Kopiebudget ist dies ein wichtiges Thema. Jedoch ist mir bis heute kein [...]    

Quelle: http://umstrittenesgedaechtnis.hypotheses.org/77

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Der Weg zur Quelle: Die erste Forschungsreise nach Frankreich – Interkulturelle Erfahrungen auf ungewohntem Terrain

Telse Först In den letzten Jahren werden in der Forschung vermehrt Fragen zur transnationalen Geschichte in den Blick genommen. Damit ist es für HistorikerInnen auf diesem Gebiet unumgänglich, die alltägliche Arbeit in Archiven und Bibliotheken auf neue Felder über nationale … Weiterlesen

Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/1325

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Der Weg zur Quelle: Die erste Forschungsreise nach Frankreich – Interkulturelle Erfahrungen auf ungewohntem Terrain

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Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/1325

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Archiv-Blogosphäre: Wird das Blog der Archive des Kreises Siegen-Wittgenstein beispielgebend?

Das Bloggen wurde unter den deutschsprachigen ArchivarInnen bisher so gut wie nicht gepflegt. Außer dem von mir 2003 begründeten Gemeinschaftsweblog Archivalia, an dem auch der Siegener Kreisarchivar Thomas Wolf eifrig mitarbeitet, gab es bislang nichts Nennenswertes. Seit dem Frühjahr 2008 besteht als einziges deutschsprachiges institutionelle Archivblog das von mir dienstlich betreute Weblog des Hochschularchivs der RWTH Aachen. Als Gemeinschaftsblog mehrerer Archive kam nun das von dem bereits erwähnten Thomas Wolf inaugurierte siwiarchiv.de hinzu, das seit dem 16. Januar 2012 bereits einige interessante Beiträge veröffentlicht hat. Da nicht zuletzt in den USA Archivblogs als geeignetes Mittel der Öffentlichkeitsarbeit anerkannt sind (die NARA, das US-Nationalarchiv, unterhält allein elf Blogs!), ist zu hoffen, dass es bald noch weitere solche Angebote im deutschsprachigen Raum gibt. Wenn sich mehrere Archive wie im Siegerland zusammentun, hat dies den Vorteil, dass die “Last” des Artikelschreibens auf mehreren Schultern ruht.

Als früher Mitarbeiter im Blog netbib habe ich es immer bedauert, dass man dort außer deutschsprachigen Quellen fast nur englischsprachige ausgewertet hat, also beispielsweise der ganze frankophone Bereich weitgehend ignoriert wurde. In Archivalia habe ich daher von Anfang an darauf geachtet, über den nationalen Tellerrand zu schauen, also dass Informationen aus Ausland (und zwar nicht nur aus dem deutschsprachigen) zu ihrem Recht kamen – auch wenn es aus Gründen der Sprachkompetenz überwiegend bei der Rezeption englischsprachiger Quellen blieb und bleibt. Vergleichsweise viel berichten wir dort über die Niederlande, aber ich war doch sehr erstaunt, als ich bei einem Sonntagsauskunftschat mit dem Niederländischen Nationalarchiv von der Archivarin, die antwortete, erfuhr, dass sie Archivalia liest. Wenn es nach mir ginge, wäre Archivalia noch viel internationaler. Es ist aber bezeichnend, dass zu der in Google+ und in Archivalia sowie in der Archivliste gestellten Frage nach den Informationsquellen für fremdsprachige Archiv-News nur zwei Antworten kamen. Thomas Wolf verwies auf Twitter und den Aggregator Archivesblogs, den ich selbst aufgrund der eigenartigen Zusammensetzung der ausgewerteten Feeds (Übergewicht der spanischsprachigen Quellen, wichtige US-Blogs fehlen ebenso wie die frankophone Blogosphäre und z.B. auch Archivalia) nur als bedingt brauchbar erachte. Frau Jonker von der niederländischen Archivschule nutzt zwar nicht RSS, sichtet aber regelmäßig diverse Blogs und Listen. Französisches sei kaum bekannt, etwa http://www.marieannechabin.fr. Aus der frankophonen Welt habe ich die Archiveilleurs und die nicht mehr aktive Tribune des Archives (letzter Eintrag leider 13. Februar 2011) in meinen Feeds. Eine natürlich sehr lückenhafte Liste der international existierenden Archiv-Blogs bietet auf Wiki-Basis das Archival and Special Collections Blog Directory. Eine Vernetzung der archivischen Blogs untereinander ist so gut wie nicht existent. Wir müssen dringend mehr Brücken über die nationalen und sprachlichen Gräben bauen!

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/243

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