15.02.2017 Anna Strommenger
Es gilt in der Forschung zur Bedeutung von Heimat als nahezu unbestritten, dass diese zunehmend dann in den Fokus gesellschaftlicher Verhandlung rückt, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – in die Krise gerät oder prekär zu werden droht. Erst der tatsächliche oder geglaubte Verlust eines zuvor unhinterfragt bleibenden Nahverhältnisses zwischen Mensch und Umwelt evoziert die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Neubestimmung von Heimat und lässt diese so zu einem Reflexionsbegriff gesellschaftlichen Veränderung werden.1 Für eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Prävalenz von Kontingenz ist die Analyse (historischer) Heimatkonjunkturen dabei von doppeltem Interesse: Sie macht nicht nur gesellschaftlicher Kontingenzerfahrung sichtbar, sondern lässt gleichzeitig Rückschlüsse auf verschiedene Formen der Kontingenzbewältigung zu.
Wenn an dieser Stelle für eine neue Perspektive auf das historisch spezifische Spannungsverhältnis von Kontingenz und Heimat im deutschen Kaiserreich plädiert wird, so geschieht dies vor dem Hintergrund aktueller Debatten um das, was Heimat ausmache. Neue Forschungsperspektiven entstehen nicht zuletzt in der Konfrontation vergangener Gegenwart mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, da die Deutung und Konturierung von Vergangenem stets auch von gegenwärtigen Problemlagen affiziert wird.
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