Fotografie im Nationalsozialismus

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Leitung: Prof. Dr. Michael Wildt
Projektkoordination: Dr. Ulrich Prehn
Projektmitarbeiterinnen: Linda Conze, M.A.; Julia Werner, M.A.

 

Für das nationalsozialistische Regime spielten Visualität und visuelle Repräsentation, insbesondere in Form des Mediums Fotografie, von Beginn an eine prominente Rolle. Mit der Fotografie bot sich ein wirksames Mittel zur Implementierung und Verbreitung von Weltanschauung und politischer Idee des Nationalsozialismus sowie zur Festigung seiner Herrschaft.

Der propagandistische Gebrauch der Fotografie und deren spezifische Ästhetik sind vergleichsweise breit untersucht worden. Gleichwohl prägen die offiziellen Selbstinszenierungen des Regimes bis heute das Bild dieser Epoche der deutschen Geschichte. Dabei hatte sich die Fotografie – jenseits der professionellen Bildproduktion – bereits vor 1933 zu einem Massenmedium entwickelt, das es breiteren Schichten ermöglichte, ihren Alltag – wie auch Nichtalltägliches – festzuhalten und aktiv, als Praxis, mitzugestalten.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Selbstaufnahme der sogenannten Volksgenossinnen und Volksgenossen sowohl im Hinblick auf die Inszenierung und Performanz von Gemeinschaft als auch auf Praktiken der Ausgrenzung, Gewalt und Stigmatisierung. Von besonderem Interesse sind dabei Bildserien, also z. B. Fotosammlungen aus einzelnen Orten über einen längeren Zeitraum hinweg (seit Ende der 1920er-Jahre bis in die frühe Nachkriegszeit) oder private Fotoalben. Aber auch Nachlässe von professionellen oder Amateur- und Hobby-Fotografen, die gewissermaßen als Bildchronisten für die Geschichte ihres Ortes, ihres Betriebes oder ihres Dienstalltags in den besetzten Gebieten gewirkt haben, sollen ausgewertet werden, wobei es mehr um den zivilen Blick geht als um den vergleichsweise gut untersuchten Blick von SS- oder Wehrmachtssoldaten.

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt).
Rückseitig beschriftet: „Arbeitsdienst Lippstadt W.
Ein zum Tod verurteilter [sic!]“

Das Forschungsprojekt gliedert sich in folgende drei Teil-Projekte:

 

Linda Conze
Das Fest im Bild. (Selbst-)Inszenierungen von Zugehörigkeit im öffentlichen Raum

Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit privater und semiprivater Fotografie aus der Zeit des Nationalsozialismus, genauer mit solchen Bildern, die im Kontext von Festen und Feiern unterschiedlicher Art entstanden sind. Im Fokus des Interesses steht dabei das Potenzial des Mediums Fotografie, in Prozessen von Vergemeinschaftung und Ausgrenzung Wirkmacht zu entfalten. Mit dem Deutschen Reich der 1920er-, 1930er- und 1940er-Jahre setzt die Studie einen spezifischen Rahmen, innerhalb dessen sie das Verhältnis von Fotografie und Gemeinschaft medienhistorisch ausloten möchte. Diese Rahmung orientiert sich unverkennbar an den politischen Zäsuren der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die jedoch zugleich kritisch hinterfragt und auf ihre Kongruenz mit einer Geschichte der privaten Fotografie überprüft werden sollen.

Die angestrebte Studie möchte sich der zeitgenössischen Festkultur in ihren vielfältigen Größenordnungen, Ausprägungen und ganz unterschiedlichen Graden von Öffentlichkeit zuwenden. Der Untersuchungsrahmen schließt nationalsozialistische Großveranstaltungen ebenso wie das private Hochzeitsfest, den halböffentlichen Maskenball oder das dörfliche Schützenfest ein. Sie interessiert sich für den fotografischen Blick auf Feste und Feiernde jenseits von Propaganda- oder Pressefotografie, für die Interaktion zwischen Fotograf/inn/en, Kamera und Fotografierten, deren Ergebnis das Bild ist. Das Feiern dient der Studie also einerseits als räumliche, zeitliche und motivische Sphäre, anhand derer das Verhältnis von Bild und Gemeinschaft durchexerziert werden soll. Andererseits ist das Feiern selbst gemeinschaftsstiftende Praxis, das Fest im Sinne eines Rituals selbst Medium – von Kollektivierung, aber auch von Ausgrenzung und Terror.

Als Quellengrundlage dienen zusammenhängende Foto-Serien und -konvolute aus unterschiedlichen Regionen des ehemaligen Deutschen Reichs, anhand derer sich Motive, Blickpositionen und fotografische Aufmerksamkeitstrends über längere Zeiträume hinweg untersuchen lassen.

Kontakt: linda.conze[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Ulrich Prehn
Tradition, „Eigen-Sinn“ und nationalsozialistische Formierung: Fotografien der Arbeitswelt

Die Sphäre der Arbeitswelt war bereits Jahrzehnte vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland ein Bereich, in dem die politisch-gesellschaftliche Mobilisierung von Menschen ebenso wie ihre „Einordnung“ in den Betrieb stark über visuelle Medien hergestellt wurde. Doch erst seit den 1920er-/30er-Jahren fotografierten Arbeiterinnen und Arbeiter in zunehmendem Maße auch sich selbst, ihre Arbeit und Freizeit sowie ihre sozialen und politischen Aktivitäten.

In der Studie werden Traditionen und Adaptionen, Überschreibungen und Neuerungen auf dem Feld fotografischer Repräsentationen von Arbeitswelt und Arbeiterkultur seit den 1920er-Jahren sowie deren Wandlungen im Nationalsozialismus in den Blick genommen. Zentral ist dabei die Frage nach den verschiedenen Repräsentationsweisen von „Arbeit“, Arbeiterinnen und Arbeitern sowie nach entsprechenden Modi der Erinnerungsproduktion, wenn es um so unterschiedliche Quellenbestände wie die professioneller Auftrags- und Industriefotografen und jene von Privatpersonen – ambitionierten Amateurfotografen und sogenannten Knipsern – geht.

Deswegen werden der quantitativ dominanten Werksfotografie und der unter genuin nationalsozialistischen Vorzeichen stehenden politischen Fotografie der Arbeitswelt sowie der „Organisation“ und Formierung der arbeitenden Menschen in der Analyse bewusst auch solche Aufnahmen an die Seite gestellt, die in anderen Kontexten überliefert sind. Diese zeigen zum Teil eine Sicht „von unten“ beziehungsweise dokumentieren sie mitunter eine individuelle fotografische „Handschrift“ und einen gewissen „Eigen-Sinn“. Solche Fotografien, für die bisweilen auch Spuren überwiegend privaten Gebrauchs oder privater „Aneignungen“ nachweisbar sind, stammen zumeist aus Nachlässen, privaten Sammlungen, Geschichtswerkstätten, kommunalen Archiven und Museen.

Kontakt: prehnulr[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Julia Werner
Im besetzten Polen: Fotografie und die Veränderung von Räumen

Mit dem Überfall auf Polen strömten Wehrmachtssoldaten, SS-Männer und Polizisten in den „neu eroberten Raum“; mit ihnen kamen auch Beamte, Unternehmer, Lehrer und ihre Familien. Doch nicht nur die deutschen Besatzer betraten „völliges Neugebiet“, Räume und Raumvorstellungen änderten sich für alle in dieser Region lebenden Menschen. Die unterliegenden Dynamiken waren jedoch von Gruppe zu Gruppe enorm verschieden. Zentral für die Veränderung von Räumen war die von den Nationalsozialisten nach rassistischen Kriterien operierende Bevölkerungspolitik, die Hunderttausende von Menschen auf verschiedenste Art und Weise in Bewegung setzte. Diese unterschiedlichen Formen von Massenbewegung, Vertreibungen, Umsiedlungen, Deportationen und Gettoisierungen treten uns aus vielfältigen fotografischen Quellen entgegen. Zur NS-Bevölkerungspolitik liegt eine breite Forschung vor; diese behandelt die Bevölkerungspolitik allerdings zumeist aus einer Perspektive des social engineering oder als Geschichte konkurrierender Institutionen und Ideologien. Die Folgen dieses bevölkerungspolitischen Planens und Handelns, die sehr konkrete Auswirkungen auf Leben und Alltag der Menschen hatten, stehen weniger im Fokus: So bewegten sich Hunderttausende unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen durch die Landschaft, zum Teil mit Gepäck, zum Teil ohne, mussten sich die Menschen zu Fuß oder mit dem Pferdewagen, mit dem Zug, dem Schiff, allein oder in großen Gruppen über lange Strecken bewegen. Die Studie möchte untersuchen, wie diese Bewegungen in Fotografien unterschiedlicher Provenienz visuellen Niederschlag finden.

Als Quellen dienen dem Projekt fotografische Bestände von nicht-professionellen Fotografen, insbesondere Fotoserien und Fotobestände, die von Fotografen über einen längeren Zeitraum hinweg geschaffen wurden. Der zeitliche Rahmen des Projekts ist durch die Zeit der Besatzung eng gesteckt, die Bildkonvolute erlauben aber einen Blick über die Grenzen von 1939-1945 hinaus, da die Bestände natürlich in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden sollen.

Wie also eigneten sich die Fotografierenden die sich stetig – auch durch ihr eigenes Handeln – verändernde Situation durch ihre fotografische Praxis an? Welche Darstellungs- und Repräsentationsformen wählten die unterschiedlichen fotografischen Akteure? Es geht also darum, die Perspektive des Fotografen aus dem historischen Kontext heraus zu verstehen, sowie die Formen, in der er die Realität durch seine Fotografie rahmte und wahrnahm. Über den Vergleich unterschiedlicher Bestände sollen jedoch größere Muster von Wahrnehmungsweisen und Darstellungsarten herausgearbeitet werden.

Kontakt: juliawerner[at]gmail.com

 

Fotografie im Nationalsozialismus. Alltägliche Visualisierung von Vergemeinschaftungs- und Ausgrenzungspraktiken 1933-1945

Humboldt-Universität zu Berlin

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/11/11/fotografie-im-nationalsozialismus/

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ND zu einem Theater-Abend über Ronald M. Schernikau und Dietmar Daths „Klassenkampf…

Gleich zwei spannende Artikel im ND: Einer über die im Deutschen Theater aufgeführte Ronald M. Schernikau-Collage "Die Schönheit von Ost-Berlin" - http://www.neues-deutschland.de/artikel/951825.der-letzte-vernuenftige-mensch.html - und eine Rezension von Dietmar Daths neuem Buch "Klassenkampf im Dunkeln".

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022369944/

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Ausschreibung einer Prae-Doc UniversitätsassistentInnenstelle mit Schwerpunkt Frühe…

Am Institut für Geschichte der Uni Wien ist die auf vier Jahre befristete Stelle einer Universitätsassistentin/eines Universitätsassistenten (Praedoc) für den Arbeitsbereich Geschichte der Neuzeit/Schwerpunkt Frühe Neuzeit ausgeschrieben;
erwartet wird u.a. die Bereitschaft zur Promotion im Bereich der Kulturgeschichte der Diplomatie und/oder der Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit.
Ende der Bewerbungsfrist: 30.11.2014

Weitere Informationen: https://univis.univie.ac.at/ausschreibungstellensuche/flow/bew_ausschreibung-flow?_flowExecutionKey=_c6E3A6984-F58F-8582-E40C-78FA35DA04C3_k90C05433-FCCE-7390-C64B-9B9DE1E229AD&tid=50413.28

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022369941/

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Volltext und Folien: Archivisches Bloggen in Deutschland (10.11. 2014, Wien)

Folien und Volltext (leicht gekürzt, aber mit den wichtigsten Nachweisen) meines Vortrags heute in Wien.

Archivisches Bloggen in Deutschland, 10.11.2014, Wien (Bloggen in Geschichtswissenshaft und Archiven – Workshop)

 Einführung

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Titel meines Vortrags ist natürlich eine Täuschung, wenn auch unbeabsichtigt. Ihnen in einem kurzen Vortrag einen Überblick über Archivblogs in Deutschland geben zu wollen, das würde nur zur vielen – und sehr verkürzten Beschreibungen führen. Und das könnten die dort Bloggenden auch viel besser.

Vor wenigen Jahren hätte man über ganz wenig berichten können bzw. nur ganz wenige Blogs aufzählen können: Neben „Archivalia“, das von Klaus Graf ja seit über 10 Jahren mit Themen und Meinungen rund ums Archivwesen befüllt wird, stehen ja seit einiger Zeit regional oder auch regionalgeschichtlich orientierte Archivblogs (gutes Beispiel: siwiarchiv, seit Anfang 2012); daneben sind quellenorientierte Blogs eine gute Option für Archive; ebenso möglich und genutzt werden Projektblogs (Bsp. Archivum Rhenanum), Blogs zu Veranstaltungen (zu denken ist da vor allem an die regionalen Archivtage, aber auch an das Blog der Konferenz „Offene Archive“), dann Blogs zu archivischen Spezialthemen (das geht von der Aktenkunde bis hin zur Frage des Web 2.0-Einsatzes – hier also wiederum „Offene Archive“); dann haben wir natürlich auch einige (oder eher: wenige) institutionelle Archivblogs. Daneben bloggen Kolleginnen und Kollegen auch in wachsender Zahl bei einigen Gemeinschaftsblogs mit – das passt natürlich besonders, wenn es um Kernkompetenzen wie Landesgeschichte und ähnliches geht.

Manches wird ja auch heute Nachmittag noch angesprochen werden, etwa das Blog des Archivamts in Münster gleich im Anschluss. Die gesteigerten Aktivitäten sind sicher dem Umstand zu verdanken, dass das Thema in der Archivwelt angekommen ist – wenn auch der überwiegende Teil der Archivarinnen und Archivare der Sache mit Skepsis gegenüber steht. Aber mein Eindruck ist, dass es nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wird. Und dass das Web 2.0 auf Archivtagen eigene Sektionen und ähnliches erhält, das ist ja sicherlich ein gutes Zeichen.

Woran liegt das? Es liegt sicherlich an Archiven, die einfach mal in die neue Welt eingestiegen sind. Und vielen, die dann gefolgt sind oder zumindest interessiert waren. Es liegt an Konferenzen und eben Blogs, die dem Thema sicherlich auch etwas den Weg geebnet haben und auch zeigen, dass man sachlich über die Dinge sprechen kann. Bestes Beispiel zuletzt ist ja die Diskussion zum Beitrag von Bastian Gillner auf „Offene Archive“ – über 60, oft längere Kommentare, und alles ohne die Nebengeräusche, die man von anderen Seiten kennen gelernt hat. [...]

Das Aufblühen der Blogs unter den Archiven und Archivaren mag auch daran liegen, dass es beispielsweise über de.hypotheses sehr einfach ist, ein Blog aufzubauen. Dass das nichts kostet und man noch technische Unterstützung und die Einbettung in eine geisteswissenschaftliche community dazu bekommt – das ist klasse und ich kann das nur empfehlen, auch aus Sicht eines Archivs, das derzeit vier Blogs über das Blogportal betreibt bzw. an Blogs mitbeteiligt ist.

Das Aufblühen der Blogs und generell der Sozialen Medien bei unseren Einrichtungen hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich die Möglichkeit habe, schnell und ohne Umwege oder lange Wartezeiten an die Öffentlichkeit zu kommen. Wer jemals in einer größeren Verwaltung gearbeitet hat, der weiß, dass die Wege ins Netz und die Betreuung einer Homepage nicht immer gottgegeben sind und dem Archiv in die Hand gelegt werden.

Doch jetzt genug davon. Ich möchte mit Ihnen nun noch einen Blick darauf werfen, welche Entwicklungen derzeit bei den deutschen Dachorganisationen des Archivwesens laufen. Ich meine damit zum einen den Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, dann aber auch die BKK, die Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag.

In beiden Fällen geht es auch um den Einsatz von Blogs.

VdA-Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsarbeit und Social Media“

Also zunächst zum VdA. Hier hat vor einigen Monaten die Einsetzung einer AG zum Thema Öffentlichkeitsarbeit und Social Media positiv überrascht – zumindest wird man mal davon ausgehen dürfen, wenn man sich die Ziele der AG vor Augen führt: Es geht um eine Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit der Verbandes. Die AG wurde vom Gesamtvorstand eingesetzt. Ihr gehören neben Vertretern aus dem Vorstand und der Geschäftsführung des VdA vor allem Kolleginnen und Kollegen an, die selbst bereits aktiv im Web 2.0 unterwegs sind – also ein Expertengremium, wenn man so will: Andrea Rönz, Bastian Gillner, Thorsten Unger, Jens Murken, Thomas Wolf und ich. Die Gruppe hat bereits die bisherigen PR-Kanäle des VdA unter die Lupe genommen – eine Erweiterung der zwei-Wege-Kommunikation war dabei Konsens. Die AG erarbeitet deshalb ein Gesamtkonzept für eine neue, erweiterte Öffentlichkeitsarbeit des VdA, die dann dem Gesamtvorstand vorgelegt wird. Hier wird es dann auch um Themen gehen wie:

Eigenschaften der neuen PR.

Instrumente der neuen PR.

Bestandsaufnahme.

Ziele und Zielgruppen.

 

Ein erklärtes Ziel ist es dabei vor allem, ein archivwissenschaftliches Blog aufzuziehen. Es könnte, was ja auch dem VdA-Aufbau nach Fachgruppen entspricht, nach Archivsparten gegliedert sein – also: staatliche, kommunale und kirchliche Archive, Archive der Wirtschaft, Medienarchive usw.

Es wird sicherlich Rubriken zum Verband, zu Veranstaltungen (wie dem deutschen Archivtag) und zu den VdA-Arbeitskreisen geben.

Die AG hat sich, ohne dass ich da zuviel verrate, auch bereits mit Themen wie guidelines für die Redaktion oder der Kommentarfunktion auseinandergesetzt – da geht es ja vor allem um die Frage der Moderierung und Freischaltung.

Als System soll übrigens wordpress verwendet werden.

Ich gehe davon aus, dass nächstes Jahr das VdA-Blog das Licht der Welt erblicken kann.

 

BKK-Unterausschuss „Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit“

Ein Indiz dafür, dass die deutschen Archivare der Meinung sind: wir kommen nicht mehr am Thema Soziale Medien vorbei – ein Indiz ist nicht zuletzt, dass der Dachverband der deutschen Kommunalarchive, die BKK, einen Unterausschuss mit der Sache beschäftigt. Die BKK verfügt ja über eine Reihe solcher Ausschüsse, die dann Empfehlungen beschließen – das geht von der Bestandserhaltung über IT-Fragen bis hin zum harten Brot der Personenstandsunterlagen und anderes, was einen Kommunalarchivar manchmal so quält. Damit nun die Sozialen Medien keine Qual werden, hat die BKK bereits Anfang 2013 den Auftrag vergeben, Empfehlungen zu erarbeiten.

Man könnte jetzt einwenden: warum Empfehlungen und nicht einfach mal machen? Einige der Mitglieder des Ausschusses sind ja nun mal seit Jahren auch voll in der Web 2.0-Praxis drin. Klar. Aber vielleicht ist das Vorgehen über Richtlinien, Empfehlungen, guidelines und was immer auch dem deutschen Archivwesen angemessen. Wir schweben halt nicht einfach jenseits aller Verwaltungsstrukturen. Und ehrlich gesagt: eine Empfehlung, die hauchzart auch den Stempel des deutschen Städtetags trägt, ist sicher keine schlechte Waffe, wenn das „einfach mal machen“ mal auf Widerstand stößt.

Also Empfehlungen. Sie sollen den Weg ins „Neuland“ erklären und ein Wegweiser sein, und eine Handlungsanleitung sein.

Sie werden, soviel kann man bereits sagen, die folgenden Bereiche umfassen:

Zunächst ein großes Auffangbecken namens Soziale Netzwerke (da geht es dann neben den üblichen Verdächtigen auch um Video- oder Fotoplattformen); vieles wird wohl eher in Form einer kommentierten Linkliste genannt werden können.

Dann wird an zweiter Stelle die Nutzung von Blogs thematisiert. Darauf folgen dann die Nutzerorientierung bei einer Kernaufgabe, nämlich der Erschließung, und die Nutzerorientierung bei der Ressourcengenerierung – hier als Stichwort crowdfunding. Dann folgt ein Blick auf eine eigentlich ebenso wichtige Sache: die eigene Organisation 2.0 im Archiv.

Wie sind die Kapitel nun untergliedert?

Das wäre zunächst eine kurze Definition der Anwendung bzw. der Gruppe von tools eines Bereichs. Dann folgt eine Erläuterung zu den möglichen Zwecken des Einsatzes – also für welches Arbeitsfeld des Archivs könnte das relevant sein usw.?

Es folgt ein Blick auf die Ressourcenfrage, inklusive der Frage möglicher Kosten. Das ist ja bei der derzeitigen finanziellen Situation vieler Archive und ihrer Träger nicht ganz unwichtig. Beim Thema Kosten darf man allerdings unterstellen, dass da mit einem ganz geringen finanziellen Aufwand ein Höchstmaß an Signifikanz in der Archivwelt (und weit darüber hinaus) erreicht werden kann.

Aus meiner Sicht geht es hier auch darum, zu erläutern, wie viel Aufwand ein Beitrag bei Facebook, ein Tweet bei Twitter oder ein Blogpost machen kann – und wann etwas schief läuft: schief läuft z.B. etwas, wenn die Vorbereitung eines Facebook-Beitrags Stunden dauert und das von der Anteilnahme der halben Archivbelegschaft begleitet wird).

Alle fünf Hauptkapitel der Handreichung sollen dann mit praktischen Beispielen enden – genauer: mit best-practice-Beispielen. Hier wird man sicher den Blick nicht allein auf den deutschen Sprachraum richten. Da sind uns manche Staaten mit ihren Archiven oder auch Archivverwaltungen meilenweit voraus. Aber es tut sich was, nicht zuletzt in der Welt der Archiv-Blogosphäre.

Andererseits werden neben größeren Leuchtturmprojekten gerade auch die Beispiele aus kleineren Archiven von Interesse sein – denn hier zeigt sich, was mit etwas Engagement und vergleichsweise wenig Aufwand möglich ist. In manchen Fällen werden sicherlich auch Schulungen helfen, die Berührungsängste abzubauen – die Workshops, die jetzt mehrfach in NRW durchgeführt worden sind, können da angeführt werden. Praktische Beispiele sollen aber vor allem dazu animieren, die Sozialen Medien einmal auszuprobieren; vielleicht erst einmal als (bloggende) Privatperson, also als Archivar/in XY, dann aber auch als Institution.

Und: Es lohnt sich in aller Regel und befreit so manches Archiv vom Staub der Jahrhunderte, und wenn es nur das Image ist (das staubig wirkt).

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/2201

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Zeitleiste Mediengeschichte im 19. und 20. Jahrhundert

Die Zeitleiste steht unter CC BY SA Lizenz und darf auch auf anderen Seiten weiterveröffentlicht werden (Anleitung)

Die auf der Lernplattform segu mittels Timeline JS erstellte Zeitleiste zur Mediengeschichte gibt einen Überblick zu sechs Themenbereichen mit folgenden Ereignispunkten| Zeitungen und Gedrucktes: Zeitungen – Buch – Zensur – Illustrierte – Litfaßsäule – Pressefreiheit – Bücherverbrennung – Spiegel-Affäre – E-Books und Online-Journalismus| Kommunikation: Brief – Telegrafie – Seekabel – Telefon – Feldpost – Telefonzelle – E-Mail – Mobiltelefon| Fotografie und Film: Fotografie – Stummfilm – Kleinbildkamera – Tonfilm – Farbfilm – Foto-Journalismus – Digitalkamera | Tonaufnahme und -wiedergabe: Phonograph – Schallplatte – Kompaktkasette – Compact Disc – MP3-Player| Hörfunk und Fernsehen: Radio – “Volksempfänger – Fernsehen | Computer und Internet: Computer – Homecomputer – Internet – Web2.0 – Smartphone – Digitale Überwachung. Die Zeitleiste verwendet ausschließlich frei lizensierte Bildmedien und kann als Open Educational Resources auch auf anderen Internetseiten weiterveröffentlicht werden.

Sowohl die Kategorisierung als auch die Auswahl an (teils exemplarischen) Ereignispunkten orientiert sich an einer schülerorientierten Darstellung. Dafür wird erstens ein Schwerpunkt auf die Entwicklung in Deutschland gelegt und zweitens versucht, auch gesellschaft-politische Auswirkungen mit einfließen zu lassen. In den Darstellungstexten wird auf weiterführende Informationen hauptsächlich aus der Wikipedia verlinkt. Wesentlich ist – soweit vorhanden – auch digital verfügbare Quellen und Darstellungen zu verlinken.

Anregungen, weitere Vorschläge zu möglichen Ereignispunkten und guten Links sowie ggf. Korrekturen sind sehr willkommen!

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2621

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„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“: Die Berichterstattung des Neuburger Anzeigeblattes im Sommer 1914

Wohl kein Datum in der jüngeren Geschichte Europas zeitigte größere und gravierendere Auswirkungen auf die Geschicke des Kontinents als der 28. Juni 1914. Das Attentat von Sarajevo, die Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares durch einen serbischen Nationalisten, sollte die politischen, die militärischen, die sozialen und kulturellen Koordinaten der sogenannten „Alten Welt“ für immer verschieben. Tatsächlich mündete der 28. Juni 1914 in ein „Katastrophenzeitalter“ (Eric Hobsbawm).

Oswaldk          Nur anderthalb Monate nach den Schüssen in der bosnischen Hauptstadt gingen – der britische Außenminister Grey hatte dies mit eben jenen Worten bereits am 3. August 1914 prophezeit – im wahrsten Sinne die Lichter in Europa aus: Ein Kontinent, in dem mit Ausnahme einiger Balkankriege im Gefolge des Niedergangs des Osmanischen Reiches mehr als vierzig Jahre Frieden geherrscht hatte, versank in einem vierjährigen Völkermorden, das sich bis heute ins kollektive Gedächtnis der daran beteiligten Nationen eingebrannt hat: Die grauenhaften Materialschlachten in Flandern; das fast einjährige Blutvergießen bei Verdun; der furchtbare Feldzug der deutschen Armee in Rumänien; die Zustände an der Front in Russland, die zu einem Bürgerkrieg führten, der seinerseits jegliche Vorstellung übersteigen sollte, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind; die sinnlosen Waffengänge in den Hochalpen; Gallipoli an den Dardanellen; schließlich die Verbrechen gegen die Menschlichkeit an den Armeniern, als Jungtürken unter Führung des Pascha-Clans einen der schlimmsten Völkermorde des noch jungen 20. Jahrhunderts begingen. Was zwischen dem Sommer 1914 und dem Herbst 1918 geschah, bildet für viele – nicht nur europäische – Völker bis heute einen zentralen Bestandteil ihrer nationalen Narrative.

Eingang in das kollektive Erinnern konnten die Schrecken des Ersten Weltkrieges allerdings nur deshalb finden, weil sich seit nunmehr fast einhundert Jahren Wissenschaft und Kunst an der „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts (George F. Kennan) abarbeiten. Zunächst wäre die historische Zunft zu nennen. Die Schüsse von Sarajewo hatten nicht zuletzt eine Blüte der Geschichtswissenschaft zur Folge: Zunächst auf die Frage der Kriegsschuld fokussierend, ging es ab den 1960er Jahren um die strukturellen und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen des Krieges und schließlich, bevor die letzten Zeitzeugen starben, um ein authentisches Bild von den Schlächtereien an den Front.

Doch nicht nur Historiker trugen auf ihre Weise zu einem wahrheits- und wirklichkeitsgetreuen Erinnern an die Grauen des großen Krieges bei. Auch die bildenden Künste, die Literatur, der Film müssen genannt werden. Wer kennt nicht die Bilder von Otto Dix, wer nicht Remarques „Im Westen nichts Neues“, wer nicht Papsts „Westfront 1918“ oder Stanley Kubricks „Wege zum Ruhm“? – Meisterwerke, die eine verklärende und ästhetisierende Sicht auf den Ersten Weltkrieg nahezu unmöglich machten.

Entstanden ist das Bild, das unsere Vorstellung vom Weltkrieg prägt, allerdings erst aus der Rückschau. Im Falle der Geschichtswissenschaft, die stets dreißig bis vierzig Jahre benötigt, um zu aussagekräftigen Urteilen zu gelangen, ist dies zu erwähnen, gewiss müßig. Doch auch die großen Kunstwerke, die das Völkermorden thematisierten, sind keineswegs „zeitnah“ entstanden. Remarque brachte jenen Roman, der ihm zu bleibendem Ruhm verhalf, erst Ende der 1920er Jahre auf den Markt, und ebenso benötigten wirklichkeitsgetreue Aufarbeitungen des Krieges durch den Spielfilm mehr als zehn Jahre, um ihren Weg in die Lichtspielhäuser zu finden.

In der Tat, würde man sich zur Rekonstruktion der Ereignisse zwischen 1914 und 1918 lediglich auf öffentlich zugängliches Material aus jenen Jahren stützen – von Langemarck, Verdun, der Somme, Tolmein oder Gallipoli würden wohl gänzlich andere Bilder entstehen. Nichts würde man wissen von Massensterben, nichts von grausamsten Verletzungen. Nichts wäre bekannt von den Niederlagen des eigenen Heeres, nichts von den Zurücknahmen der Front, nichts schließlich von den Übergriffen und Massakern, die an der gegnerischen Zivilbevölkerung begangen wurden. Es war die Art und Weise der Frontberichterstattung, die seit dem Sommer 1914 üblich war, die drei Jahre später den US-amerikanischen Politiker Hiram Johnson zu seinem berühmten Ausspruch veranlasste, dass die „Wahrheit“ immer das „erste Opfer des Krieges sei.

Doch auch wenn die Taktiken der Verschleierung, Beschönigung und Leugnung kennzeichnend für die Presse aller kriegführenden Nationen waren, so hatten darin Tageszeitungen, die innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches erschienen, eine ganz eigene Meisterschaft entwickelt.

Spätestens mit der Marne-Schlacht im September 1914 mussten Rückschläge an der Front der deutschen Bevölkerung als Siege verkauft werden. Irgendwie musste die „Heimatfront, jetzt, da der Krieg wohl länger dauern würde, bei Laune gehalten werden. So griff man zum Mittel des Beschweigens, auch zum Mittel der gezielten Desinformation.

Die Marne-Schlacht war ein Wendepunkt in der Kriegsberichterstattung. Nimmt man jedoch die Wochen davor etwas genauer in den Blick, so stellt man nur allzu rasch fest, dass auch bereits in jenen Tagen, in der die Siegesmeldungen von den Fronten noch der Wahrheit entsprochen haben dürften, nicht immer die unverblümte Wahrheit geschrieben wurde: Militärische Aktionen der französischen Armee fanden fast ausschließlich als Gräuelpropaganda Eingang in die Schlagzeilen, der Bruch der belgischen Neutralität beim Vormarsch der deutschen Armee nach Nordfrankreich wurde nicht in seiner völkerrechtswidrigen Dimension geschildet.

 Das Neuburger Anzeigeblatt im Sommer 1914

Keineswegs abseits vom journalistischen Mainstream bewegte sich das wichtigste Organ veröffentlichter Meinung in Neuburg. Auch das Anzeigeblatt beteiligte sich nach Kräften an Propaganda, Kriegshetze und Desinformation. Freilich: was hätte man von der wichtigsten Tageszeitung in der Region anderes erwarten sollen? Als Hauspostille Martin Loibls, der beim 15. Königlich-Bayerischen Infanterie-Regiment zum Berufsoffizier ausgebildet worden war und der nie die geringsten Berührungsängste gegenüber dem überbordenden Militarismus der späten Kaiserzeit zeigte, war der Weg des Anzeigeblattes in Richtung Kriegsbegeisterung vorgezeichnet: Die Zeitung stand rechts vom politischen Katholizismus. In diesem Sinne war sie sicherlich prädestiniert für geschönte Berichterstattung, Hurra-Patriotismus und dümmliche Kriegslyrik minderbegabter Dichter.

Daneben gab es im Anzeigeblatt aber auch eine Form der Berichterstattung, die man dort nicht zwangsläufig vermuten würde, eine Berichterstattung, die der zu vermutenden Propaganda geradezu entgegengesetzt war und die sich von der Begeisterung der ersten Kriegswochen zweifellos abgrenzen lässt.

Der Aufmarsch des deutschen Heeres im Westen, der Durchmarsch durch Belgien, schließlich das Scheitern in Nordfrankreich dauerten mehr als einen Monat. Ebenso lange aber nahm auch der Vorlauf des Krieges in Anspruch: Von den tödlichen Schüssen auf das österreichische Thronfolgerpaar, über den berüchtigten „Blankoscheck“ der deutschen Führung und das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien, bis hin zu den Kriegserklärungen Anfang August, vergingen fast fünf Wochen. In jenem „langen Juli“ waren die Berichte des Anzeigeblattes keineswegs von freudiger Erwartung auf einen in kulturpessimistischer Manier seit Jahren sehnlichst erwarteten Krieg geprägt. Eher war das Gegenteil der Fall: Loibls Zeitung verhielt sich abwartend, Formulierungen wurden abwägend und vorsichtig gewählt. Gegenüber dem deutschen Bündnispartner Österreich schließlich wurde schon fast eine neutrale Position eingenommen. Kriegsbegeisterung jedenfalls findet sich zunächst nicht.

 Sarajewo

Zunächst das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin. Dazu erschien im Anzeigeblatt am Montag, den 29. Juni, also einen Tag nach dem Mord, eine einseitige „Sonderausgabe“. Bei Lektüre der Berichte, die aus Sarajewo, Wien und München eingingen, fällt das Fehlen jeglicher Schuldzuweisungen an mögliche Hintermänner des Anschlags auf. Zwar wird der Attentäter mit Namen genannt, auch dessen Nationalität wird nicht verschwiegen. Daraus jedoch den Schluss zu ziehen, die Mordaktion sei nationalistisch motiviert gewesen, von großserbischen Kreisen ausgegangen, ja vielleicht sogar von Vertretern der Regierung in Serbien gedeckt gewesen, soweit geht das Anzeigeblatt nicht. Vielmehr zeigt man sich erstaunt darüber, dass ausgerechnet in Bosnien ein derartiger Anschlag verübt wurde:

„Der bosnische Boden war seit Langem als politisch besonders unruhiges Gebiet bekannt, auf dem die Verschwörungen in reicher Zahl emporschossen, aber gerade in der letzten Zeit hatte man nichts dergleichen mehr gehört, sodaß das jetzige Attentat umso entsetzlicher wirkt.“

Kein Verweis auf die zahlreichen Warnungen von Seiten der Geheimdienste, die von einer Tour gerade durch den Balkan abrieten, keinerlei Andeutung, auf welch ein Himmelfahrtskommando sich das Thronfolgepaar tatsächlich eingelassen hatte.

Könnte dabei die relativ zurückhaltende Berichterstattung unmittelbar nach dem 28. Juni noch auf einen ersten Schock über die Ermordung eines künftigen Kaisers zurückgeführt werden, so reicht eine derartige Erklärung mit Blick auf die Darstellung der aus dem Attentat folgenden Ereignisse nicht mehr hin. Tatsächlich ist im Anzeigeblatt noch den gesamten Juli hinweg nichts von Kriegsbegeisterung zu vernehmen, auch nichts von jener später so oft beschworenen „Nibelungentreue“ gegenüber dem österreichisch-ungarischen Bündnispartner.

Der „Blankoscheck“

Im Grunde hatte das Attentat von Sarajewo der Habsburger Monarchie eine unerwartete und willkommene Gelegenheit eröffnet, gegen einen aufstrebenden Konkurrenten auf dem Balkan vorzugehen. Es war das kleine Königreich Serbien, seit 1878 unabhängig, das sich anschickte, im geographischen Großraum des späteren Jugoslawien Vormacht aller Südslawen zu werden. In Serbien agierten extrem nationalistische Kräfte, die bestrebt waren, ihren Einfluss zunächst auf Bosnien-Herzegowina ausdehnen, das 1908 von Österreich-Ungarn aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches übernommen worden war. Schon unmittelbar nach den Ereignissen vom 28. Juni deutete nicht wenig darauf hin, dass auch der Mörder der österreichischen Thronfolger jenen großserbischen Kreisen entstammte. Würde folglich der serbische Trumpf ausgespielt, so glaubte man in Wien, so wäre ein probater Vorwand gegeben, um das unruhige Land im Süden militärisch in die Schranken weisen zu können. Das Problem bestand nur darin, dass hinter dem kleinen Serbien das riesige und mächtige Russland stand. Sollte also Österreich und dem Vorwand, Genugtuung für die Ermordung Franz Ferdinands und seiner Gattin zu fordern, nach Serbien einmarschieren, so würde wohl unweigerlich eine russische Kriegserklärung an die Adresse Wiens die Folge sein.

In dieser Situation beging nun die Außenpolitik des Deutschen Reiches ein diplomatisches Missgeschick sondergleichen. Anstatt auf den Bündnispartner mäßigend einzuwirken, sicherte Wilhelm II. die volle Unterstützung Deutschlands zu. Mehr noch: Der Kaiser bestärkte den Botschafter des Nachbarreiches noch darin, vollendete Tatsachen auf dem Balkan zu schaffen, sei Russland doch derzeit nicht hinreichend gerüstet und deshalb militärisch leicht zu besiegen. Aus dem Bericht des österreichischen Botschafters Berchthold an seinen Außenminister:

„(…) wenn wir aber wirklich die Notwendigkeit einer kriegerischen Aktion gegen Serbien erkannt hätten, so würde er [Kaiser Wilhelm] es bedauern, wenn wir den jetzigen für uns so günstigen Moment unbenutzt ließen.“

Wie schlug sich diese als „Blankoscheck“ in die Geschichte eingegangene Zusicherung des deutschen Kaisers in der Berichterstattung des Neuburger Anzeigeblattes nieder? Zunächst gar nicht. Vielmehr dauerte es fast eine Woche, bis zum 11. Juli, bis die Garantie uneingeschränkter Bündnistreue in Loibls Blatt zu finden war. Dann jedoch nicht als Aufmacher, sondern versteckt auf der zweiten Seite. Auf der Titelseite ging es um Zwangsversteigerungen in der Landwirtschaft, um den Spionageprozess gegen einen Kunstmaler und um die Reichsfinanzen. Es folgten die Rubriken „Aus Neuburg und Umgebung“ und „Vermischte Nachrichten“. Schließlich wurde kurz vor dem Ende des eigentlichen Nachrichtenteils auf die neueste Entwicklung im Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich Bezug genommen.

Überhaupt scheint man sich in der Redaktion des Anzeigeblattes, was die Bündnisverpflichtungen gegenüber Österreich anbelangte, Illusionen hingegeben zu haben. Bis Ende Juli 1914 werden die Aktionen der Habsburger Außenpolitik eher distanziert wahrgenommen, ist Loibls Organ um eine ausgewogene und neutrale Sichtweise auf den sich abzeichnenden österreichisch-serbischen Konflikt bemüht. Zwar werden durchaus die Mordexzesse, die die Geschichte des serbischen Königshauses durchziehen, betont. Gleichwohl aber werden ebenso die Gräueltaten, die an der serbischen Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina nach dem 28. Juni begangen wurden, nicht verschwiegen. In der Ausgabe vom 4. Juli 1914 etwa findet sich unter der Überschrift „Die Serbenverfolgung in Österreich“ folgender Bericht:

„Die (…) aus Mostar einlaufenden Nachrichten bekunden, daß beinahe alle Häuser, welche Eigentum von Serben waren, niedergebrannt und daß zahlreiche Serben getötet worden seien. Viele andere Ortschaften der Herzegowina und Bosniens seien heimgesucht worden. Die Lage der serbischen Bevölkerung soll sehr kritisch sein.“

Selbst als der Krieg auf dem Balkan bereits im Gange ist und die Bündnisfälle beginnen einzutreten, wird dies im Anzeigeblatt noch in einer Art und Weise geschildert, als ginge es das Deutsche Reich im Grunde nichts an. So erschien am 1. August 1914 im Anzeigeblatt ein Leitartikel, der den Eindruck erweckte, als handele es sich bei den kriegerischen Verwicklungen auf dem Balkan lediglich um einen kleinen, räumlich begrenzbaren Konflikt zwischen einer im Abstieg befindlichen Groß- und einer aufstrebenden Regionalmacht:

„Noch vor der am Montag nachmittag erfolgten Kriegserklärung hatten an der Donau die Feindseligkeiten begonnen, wenn es sich auch nur um belanglose Plänkeleien gehandelt hat. (…) So ganz einfach wird sich der Krieg für die Oesterreicher kaum gestalten, denn man hat mit mehreren Operationslinien zu rechnen. (…) Die Serben konzentrieren sich allem Anscheine nach bei Kragujewatz, nachdem sie Belgrad geräumt haben. Das geschah deshalb, weil die Festungswerke noch aus der türkischen Zeit stammen und von den modernen Geschützen in wenigen Stunden in Grund und Boden geschossen sind. Die Serben sind zwar bedeutend in der Minderzahl, aber die Beschaffenheit des Geländes kommt ihnen sehr zu statten, und man wird daher vorwiegend mit einem Kleinkrieg rechnen müssen (…).“

 Nationalistische Wende

Eines der wohl besten Beispiele für die Zurückhaltung, die das Anzeigeblatt bei Kriegsbeginn an den Tag legte, findet sich in der Ausgabe vom 4. August 1914, der Tag, an dem die Kriegserklärung Deutschlands an Russland vermeldet wird:

„Die folgenschwere Entscheidung ist nun gefallen; in dem Sinne, wie es nach dem Verlauf der letzten Tage bereits (…) befürchtet werden musste: Deutschland macht mobil.“

Und weiter:

„In München wurde die Kunde von der schicksalsschweren Entscheidung abends 7 Uhr bekannt und von der Bevölkerung in würdiger Haltung aufgenommen. Zahlreiche Soldaten in der feldgrauen Uniform belebten das Straßenbild. Infolge des Eintritts kriegerischer Ereignisse hat der Bayerische Landtag am Sonntag seine Session geschlossen. Die Reichsratskammer hielt um 8 Uhr, die Abgeordnetenkammer um 10 Uhr ihre Schlußsitzung ab. Die Abgeordneten traten sofort die Heimreise an, da von Montag ab auf eine sichere Beförderung wohl nicht gerechnet werden kann.“

„Folgenschwere Entscheidung“, „schicksalsschwere Entscheidung“, „Eintritt kriegerischer Ereignisse“ – Begeisterung liest sich anders. Diese Gefasstheit behält das Anzeigeblatt dann auch noch in den beiden darauffolgenden Tagen bei. Am Mittwoch, dem 5. August, ist die Titelseite überschrieben mit „Der Deutsch-Russische Krieg“ und der Leitartikel mit „Ein ernster Waffengang“, während am Donnerstag, dem 6. August, die entsprechenden Überschriften lauten: „Der bevorstehende Weltkrieg“ sowie „Die Thronrede des Kaisers“.

Ab dem 7. August aber hält in der Neuburger Presse ein anderer Ton Einzug – ein Umstand, der vor dem Hintergrund des damaligen Geschehens wohl auf den Kriegseintritt Großbritanniens zurückzuführen sein dürfte.

Der Plan des deutschen Generalstabes im Falle eines Zwei-Fronten-Krieges gegen Russland und Frankreich, meist als „Schlieffen-Plan“ bezeichnet, basierte auf folgender Überlegung: Zunächst sollte in einem Feldzug von nicht mehr als sechs Wochen Frankreich besiegt werden, worauf das Gros der deutschen Armee in den Osten zu verlagern gewesen wäre, um das russische Heer, von dem angenommen wurde, dass es erst anderthalb Monate nach einer Kriegerklärung einsatzbereit sei, in zwei oder drei großen Schlachten zu vernichten. In der Theorie setzte diese Strategie jedoch ein Vordringen des deutschen Heeres nach Frankreich nicht über Elsaß-Lothringen, sondern über Belgien voraus. In einer riesigen Umfassungsbewegung sollten die Armeen des Reiches das französische Heer zur Kapitulation zwingen.

Der „Schlieffen-Plan“ wies allerdings ein nicht zu unterschätzendes Problem auf: Belgien. Das Land war neutral. Marschierte das deutsche Heer durch Belgien in Richtung französische Hauptstadt, so musste dies als Bruch des Völkerrechts gewertet werden. Zwar mag die deutsche Militärführung darauf spekuliert haben, dass internationales Recht nicht würde eingeklagt werden. Mit einer weiteren Konsequenz jedoch rechnete sie nicht: mit dem Kriegseintritt Großbritanniens auf Seiten Frankreichs, der am 4. August erfolgte und der mit eben jenem Bruch der belgischen Neutralität begründet wurde.

Freilich, dass dies so kommen würde, damit war angesichts der Entwicklung der Bündnisverhältnisse seit Beginn des Jahrhunderts zu rechnen. In Berlin aber wurde dies geflissentlich verdrängt. Folglich kam aus deutscher Perspektive die Rolle des „Schurken“ Großbritannien zu. England, das „perfide Albion“, von dem man erwartete, sich herauszuhalten, wurde zu dem Schuldigen der Katastrophe erklärt.

Im Umkehrschluss bedeutete dies jedoch, dass auch der Grund für den Kriegseintritt des Empires klein geredet werden musste. Mit anderen Worten: das völkerrechtswidrige Vorgehen der deutschen Seite musste entweder ignoriert oder es musste gerechtfertigt werden – und damit beginnt in der Presse, auch im Neuburger Anzeigeblatt die Zeit der Verdrehungen und Unwahrheiten. Es beginnt die Zeit des Verschweigens.

Schon die Schlagzeile der Ausgabe vom 7. August 1914 deutete darauf hin, dass nun ein anderer journalistischer Wind wehen würde. Anstatt „Der große Krieg“ oder ähnliches zu titeln, prangte nun folgender „Aufmacher“ auf Seite eins: „Das Volk steht auf – der Sturm bricht los…“ Wirklich in sich aber hatte es an diesem Tag der Leitartikel. Darin wurde in indirekter Rede eine Ansprache des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg wiedergegeben, in dem exakt jene Mischung aus Unwahrheiten, Verdrehungen, Unterstellungen und Rechtfertigungen zu finden ist, wie sie für offizielle Verlautbarungen rasch typisch wurde:

„Dann schildert er [Bethmann-Hollweg] das Vorgehen Frankreichs, das trotz der Zusicherung einer zu respektierenden Zone von 10 Kilometern an der Grenze diese überschritten hat. Die Franzosen brachen einfach in Deutschland ein, ohne Erklärung des Kriegszustandes. (…) Wir sind jetzt in der Notwehr! Not kennt kein Gebot! Unsere Truppen haben Luxemburg besetzt und vielleicht auch schon belgisches Gebiet betreten müssen. Das widerspricht zwar dem Völkerrechte, aber wir wußten, dass die Franzosen trotz entgegenstehender Erklärungen zum Einfall über Belgien bereit sind. Das Unrecht, das wir jetzt machen müssen, werden wir wieder gut machen, sobald unser militärisches Ziel erreicht ist. Wer, wie wir kämpfen muß, darf nur daran denken, wie er sich durchhaut!“

 Kriegsverbrechen

Wer diesen Bericht zu deuten wusste, dem war klar, wohin die lokale Presse steuern würde. Ab jetzt galt als Generallinie: Deutschland wurde in den Krieg gezwungen und müsse nun eben auch Dinge tun, die nicht durch internationales Recht gedeckt seien. Bestes Beispiel für die Schieflage, in die der Journalismus wenige Tage nach Ausbruch des Krieges geriet, ist die Art und Weise, wie über die Zerstörung der belgischen Stadt Löwen berichtet wurde.

Ende August 1914 wurden in Löwen, nachdem unter den deutschen Besatzern Befürchtungen laut geworden waren, in der Stadt befänden belgische Freischärler, knapp 250 Bewohner ermordet, weitere 1500 Bürger interniert und mehr als 1000 Häuser in Brand gesteckt – darunter die Universitätsbibliothek, wobei ein unermesslicher Schatz an mittelalterlichen Büchern und Inkunabeln zerstört wurde. Löwen war eines der ersten Verbrechen, das von deutschen Besatzern im Ersten Weltkrieg begangen wurde. Im Neuburger Anzeigeblatt aber liest sich dies in der Ausgabe vom 30. August 1914 folgendermaßen:

„Bei dem Ausfall der 4 belgischen Divisionen aus Antwerpen überfielen alle Einwohner der Stadt Löwen die deutschen Kolonnen. Diesen organisierten Überfall hat die Stadt mit aller Schwere gebüßt. (…) Da sofort in schärfster Form Strafe erfolgte, so dürfte heute die an großen Schätzen reiche Universitätsstadt nicht mehr existieren.“

Ein gängiges Mittel der Presse, Gräueltaten und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung der Nachbarländer zu rechtfertigen, war der Abdruck von Feldpostbriefen. Konnte der Heimatfront dadurch doch auf sehr eindringliche Weise die Notwendigkeit einer rücksichtslosen Kriegsführung nahe gebracht werden. Wenn schon die eigenen Kinder davon berichten, wie hinterhältig der Feind ist, wer möchte dann noch an den Verlautbarungen der militärischen Führung zweifeln. Aus der Vielzahl an Schreiben von der Front, die in der Neuburger Lokalpresse veröffentlicht wurden, sei im Folgenden aus einem Brief zitiert, der dem Anzeigeblatt etwa Mitte August 1914 zuging. Der Brief stellt ein eindringliches Dokument dar, wie brutalisiert, wie verroht der einfache Soldat schon nach wenigen Tagen Fronteinsatz war:

„Lieber Schwager! Teile Euch mit, daß ich noch immer gesund bin. Wir sind einige Tage in Frankreich. Am Sonntag sind wir weiter vormarschiert und es kam zu einem kleinen Gefecht. Doch der Feind zog sich gleich zurück (…) Bei uns gab es nur ein paar Tote und einige Verwundete. Der Krieg hat begonnen und schon überall zeigt sich die Verwüstung. Die Artillerie hat schon einige Ortschaften in Brand geschossen und auch von uns sind einige Häuser angezündet worden, weil von der Zivilbevölkerung auf unsere Truppen geschossen wurde. Wir haben dann Biwak bezogen neben der brennenden Ortschaft. Es ist ganz schaurig, wenn alles brennt ringsum (…). Zu essen gibt es genug. Denn in der Ortschaft wird einfach Vieh geholt und geschlachtet.“

 Die Marneschlacht

Ein großes Problem, das die Presse in Deutschland nach einigen Wochen Krieg zu bewältigen hatte, bestand darin, das Ende des Vormarsches in Frankreich so zu schildern, als ob die Offensive noch in Gang wäre.

Gut einen Monat lang war in den Zeitungen Siegeszuversicht verbreitet worden. Von welch einem Triumph war die Rede! Alles schien noch schneller als 1870/71 zu gehen. Offenkundig vollzog sich der Vormarsch der Deutschen in Windeseile, eine vernichtende Niederlage der französischen Armee schien sich abzuzeichnen. Plötzlich aber, nach dem 5. September titelte das Anzeigeblatt nüchterner, fiel der Begriff „Sieg“ seltener. Stattdessen lauteten die Schlagzeilen in neun aufeinanderfolgenden Ausgaben: „Vom Kriegsschauplatz“. Ab dem 18. September schließlich wurde dann ganz lapidar getitelt: „Der Krieg“. Zwar verströmten die Berichte nach wie vor Siegeszuversicht, im Gegensatz aber zu dem, was bis in die ersten Septembertage zu lesen war, nahm sich das konservative Organ jetzt merklich zurück.

Was war geschehen? Vom 5. bis 12. September war die Marne-Schlacht in Gang: Das deutsche Heer hatte mit seiner ausgreifenden Zangenbewegung die Front erheblich überdehnt und war in den Flanken angreifbar geworden. Dies wiederum nutzte die französisch-englische Seite für wirkungsvolle Gegenstöße, bis sich schließlich am 9. September die deutsche Militärführung für eine Zurücknahme der Front entschied. Die Front im Westen kam zum Stehen, die Soldaten beider Seiten gruben sich ein und gingen in jenen Stellungskrieg über, der das kollektive Erinnern an den Ersten Weltkrieg in Großbritannien, Frankreich und Deutschland bis heute prägt.

Wie aber wurde die herbe Niederlage dem einfachen Volk beigebracht? Der deutsche Generalstab griff zu jener Methode, die er bis zum Ende des Krieges beibehalten sollte – er verschwieg die Wahrheit. Am 13. September gab die Oberste Heeresleitung lediglich Folgendes zur Lage in Frankreich bekannt:

„Auf dem westlichen Kriegsschauplatz haben die Operationen (…) zu einer neuen Schlacht geführt, die günstig steht. Die vom Feinde mit allen Mitteln verbreiteten für uns ungünstigen Nachrichten sind falsch.“

Damit war auch die Linie für die Presse vorgegeben, wie sie sich angesichts des Desasters an der Marne verhalten sollte. Sie hatte zu leugnen, zu beschwichtigen, schönzureden – auch in der Provinz, in Neuburg. Am 17. September 1914, fünf Tage, nachdem die Niederlage des deutschen Heeres offensichtlich war, schrieb das Anzeigeblatt:

„Siegesnachrichten wurden in Paris und Bordeaux verbreitet, weil der rechte Flügel der Deutschen nach einem blutigen Erfolge über die Franzosen aus strategischen Gründen sich zurückzog (…) Im Maulheldentum haben sich die Engländer und Franzosen bisher immer ausgezeichnet. Nach den neuesten Depeschen ist ein allgemeiner Kampf von Paris bis Verdun entbrannt (…). Die letzte amtliche Mitteilung meldet von Teilerfolgen, wollen wir hoffen, daß diesen der vernichtende Schlag folgt und die letzte französische Hauptarmee unter der Wucht des deutschen Anpralles zusammenbricht.“

 Wahrheiten

Dass es nichts mit einem schnellen Sieg werden würde, somit auch das zwangsläufige Grauen eines modern geführten Krieges keine kurze Episode darstellen würde – dies war bei aller Verschleierungstaktik mit den Händen zu greifen. Nachrichten, die auf die besagten militärischen Probleme im Westen hindeuteten, drangen auch nach Neuburg durch – in Form sogenannter „Verlustlisten“. Listen, die etwa das in Neuburg stationierte 15. Königlich-Bayerische Infanterie-Regiment betrafen.

Allein eine dieser Listen, für nur eine Kompanie der „Fünfzehner“, veröffentlicht am 22. September 1914, wies zehn Tote, zwölf Vermisste und knapp dreißig Schwerverwundete auf, wobei die Vermissten den Toten zuzuschlagen waren. Freilich scheinen mitunter auch diese Verlustlisten geschönt worden zu sein, beispielsweise wenn ein Kopfschuss als leichte Verletzung deklariert wurde. Die Zahl an Toten und Verwundeten aber, die in die Heimat gemeldet wurden, dürfte durchaus geeignet gewesen sein, den Zurückgebliebenen in Unruhe zu versetzen.

 Kriegslyrik

Massensterben, grauenhafte Verletzungen und Verstümmelungen würden zum Alltag werden – so viel stand fest. Dies aber vor der Heimatfront zu rechtfertigen, dafür bedurfte es diverser Strategien. Wie sahen diese aus?

Neben der Beschwörung des Opfers für das Vaterland, dürfte das gängigste Mittel, die Grauen des Krieges zu verschleiern, die Beschönigung, die Verklärung, die Ästhetisierung des Todes gewesen sein. Bekannt sind Ansichtskarten, auf welchen gefallene Soldaten von Engeln ins Jenseits geleitet werden. Die Körper der Toten sind unversehrt, sind rein. Nicht der geringste Hinweis auf die Realität an der Front.

Eine zweite künstlerische Möglichkeit, die Schrecken an der Front ästhetisch zu überhöhen, bot das Gedicht – ein Angebot, auf das nicht zuletzt das Neuburger Anzeigeblatt gerne zurückgriff. Zwei Beispiele seien zitiert. Das erste Gedicht erschien im am 10. September 1914, auf den Höhepunkt der Marne-Schlacht. Es trägt den Titel:

 „Auf ferner Wacht“:

„Sanft sinkt die Nacht mit Dämmergruß,

Still wandeln ihre Schatten.

Die Sonne drückt mit letztem Kuß

Die weiten grünen Matten.

            Ein Bächlein nur

In weiter Flur

Fließt ruhig in die Ferne.

Und von dem hohen Himmelszelt

Grüßt still das Gold der Sterne.

Ich stehe fern auf treuer Wacht

Von Kummer frei, von Sorgen;

Und doch, im Schirm der dunklen Nacht

Liegt Mord und Tod verborgen.

            Die feste Hand

            Dem Vaterland,

Dem deutschen Land ich weihe.

Für König, Recht und deutsches Gut

Schwör‘ ich die höchste Treue.

Und sucht der Tod sich meine Brust,

Wohlan, ich folg‘ mit Freuden.

Nur Treue bin ich mir bewußt

Den Heldentod zu leiden.

            Nur eine Blum

            Ziert meinen Ruhm

Im kühlen Gras am Boden.

Die Weide hängt den langen Zweig

Herab zu stillen Toten.“

Das zweite Beispiel, veröffentlicht am 22. September 1914 – Titel: „Des Freundes Tod“:

„Heiß brannte der Kampf und der Sieg war schwer;

Wild tobten die Kugeln vom feindlichen Heer;

Sie weckten in uns heiße Schlachtenlust;

Da traf das Blei den Freund in die Brust

Und dieser fiel nieder in den blutigen Sand.

Ich gab ihm zum letzten Male die Hand.

Er sprach: ‚Wenn du kehrst zur Geliebten heim,

So sage, sie möge nicht traurig sein.‘

Ich bin ja gestorben für Deutschlands Ehr‘.

Ich habe gekämpft zu seiner Wehr‘.

Leb wohl Kamerad du teurer du!‘

Dann schloß der Krieger die Augen zu.

Und der Tod zerschnitt das Lebensband;

Des Freundes Stimme ward leiser.

Er sprach noch: ‚ Hoch lebe das Vaterland!‘

Er stöhnte: ‚Es lebe der Kaiser.‘

Der Horizont färbte sich blutigrot.

Der treue Freund war tot.“

 

Resümee

„Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit“ – womöglich ist der berühmte Ausspruch Hiram Johnsons nichts anderes als eine Binsenweisheit. In diesem Sinne war es nicht die Absicht des Beitrages, das Neuburger Anzeigeblatt in besonderer Weise an den Pranger zu stellen. Verdrehungen, Lügen sowie Blut-und-Boden-Patriotismus waren kennzeichnend für die gesamte Presse in Deutschland während des Ersten Weltkrieges – und nicht nur in Deutschland. Es sollte lediglich illustriert werden, dass selbst ein Organ, dessen eigentliches Metier die Lokalberichterstattung war, sich nach Kräften an der Heranbildung eines völkisch ausgerichteten Deutschland beteiligte. Gleichwohl bleibt es beschämend, auf welchen Weg sich die Presse im Sommer 1914 begab – vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser Weg keineswegs unausweichlich war, auch nicht für eine konservative Tageszeitung vom Schlage des Neuburger Anzeigeblattes.

Quelle: http://neuburg.hypotheses.org/105

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Stellenausschreibung: Wiss. Mitarbeiter (m/w) musikalische Mensch-Computer-Interaktion

In dem neuen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt, mit dem die Universität Paderborn, die Hochschule für Musik Detmold und die Hochschule Ostwestfalen-Lippe gemeinsam ein Zentrum Musik–Edition–Medien (ZenMEM) aufbauen, sind an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe zum nächstmöglichen Zeitpunkt zwei Stellen als 

Wissenschaftliche Mitarbeiterin/

Wissenschaftlicher Mitarbeiter 

mit dem Forschungsschwerpunkt musikalische Mensch-Computer-Interaktion zu besetzen.

Vertreterinnen/Vertreter der Medienwissenschaften, der Musikwissenschaft und verschiedener Bereiche der Informatik erarbeiten gemeinsam im „Zentrum Musik–Edition–Medien“ Konzepte, Modelle und softwaretechnische Unterstützungen für digitale Musik-Editionen. Das auf drei Jahre angelegte Projekt legt hierbei einen Schwerpunkt auf die Erarbeitung nutzergerechter Werkzeuge für den Umgang mit nicht-textuellen Objekten wie Abbildungen, Film, Audio, Musiknotation und physischen Objekten. Im hier ausgeschriebenen Teilbereich stehen u. a. folgende Aspekte im Fokus der Forschung:

- die Entwicklung neuartiger Interaktionskonzepte für Musik- und Medienwissenschaftlerinnen/Medienwissenschaftler, Musikerinnen/Musiker, Musikliebhaberinnen/Musikliebhaber und Tonmeisterinnen/Tonmeister

- die Integration aktueller Interaktionsgeräte wie Tablets mit Stifteingabe, Smartphones oder Digital Pen & Paper sowie deren Einbindung und Evaluation im Kontext verschiedener musik- und medienbezogener Arbeitsprozesse

 

Wenn Sie folgende Anforderungen erfüllen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung:

- Sie verfügen entweder über ein überdurchschnittlich erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium (Master oder Diplom) aus dem Bereich der Informatik oder angrenzender Gebiete (darüber hinaus haben Sie musikalische und instrumentale Grundkenntnisse) oder Sie verfügen über ein abgeschlossenes musikalisch-künstlerisches Hochschulstudium (darüber hinaus haben Sie fundierte Kenntnisse der Informatik)

- Sie haben sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift

- Sie haben Spaß an interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Forscherinnen/Forschern aus anderen Fachgebieten und arbeiten gerne im Team mit anderen zusammen

 

Die Stellen sind zunächst auf zwei Jahre befristet mit der Möglichkeit zur Verlängerung. Die jetzt bewilligte erste Phase des Projektes hat eine Laufzeit von 3 Jahren. Die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Weiterqualifikation (Promotion) ist gegeben und ausdrücklich erwünscht. Die Vergütung erfolgt – je nach Ausbildungs- und Kenntnisstand – bis zur Entgeltgruppe 13 TV-L.

Dienstort ist Detmold am Zentrum für Musik- und Filminformatik der Hochschule für Musik Detmold und der Hochschule Ostwestfalen-Lippe (www.zemfi.de).

Frauen werden nach Maßgabe des Landesgleichstellungsgesetzes bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Schwerbehinderte Bewerberinnen/Bewerber werden bei gleicher Eignung vorrangig eingestellt.

Ihre aussagekräftige Bewerbung richten Sie bitte bis zum 25. November 2014 an die Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Dezernat Personal und Organisation, Kennzeichnung „ZenMEM“, Liebigstraße 87, 32657 Lemgo oder per E-Mail an: bewerbung@hs-owl.de (bitte zusammengefasst in einer PDF-Datei). Für Rückfragen steht Ihnen Herr Prof. Dr. Bock (steffen.bock@hs-owl.de / 05231 975-878) vorab gern zur Verfügung.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4254

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Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passet: Mongolei, nahe Ulaanbaatar, wahrscheinlich Damdinbazar, die achte Inkarnation des mongolischen Jalkhanz Kuthugtu, 17. Juli 1913.

Martin-Gropius-Bau, 1. August – 2. November 2014

 

Ausstellung „Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg“ im Martin-Gropius-Bau.

Ausstellung „Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg“ im Martin-Gropius-Bau.

Ausstellung: Filmaufnahmen aus Albert Kahns Sammlung „Archives de la planète“.

Ausstellung: Filmaufnahmen aus Albert Kahns Sammlung „Archives de la planète“.

Die kultur-, technik- und fotogeschichtliche Ausstellung Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg präsentiert drei Fotokampagnen, die die Schönheit und Vielfalt der Welt vor dem Ersten Weltkrieg dokumentieren sollen. Gezeigt werden 200 Farbfotos des Fotochemikers Adolf Miethe, seines Assistenten und Fotodokumentars des Russischen Reiches Sergei M. Prokudin-Gorskii und Fotos aus der Sammlung „Archives de la planète“ des französischen Bankiers Albert Kahn. Neben Bildkarten, Feldpostkarten, den ersten Fotobüchern und den „Kaiserpanoramen“ des Berliner Unternehmers August Fuhrmann wird auch die Entwicklung der Farbfotografie allgemein vorgestellt. In den letzten beiden Räumen sind Farbfotos aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu sehen, die aus dem Bereich der Kriegspropaganda stammen.

 

Ausstellungsplakat: Albert Kahn, Les archives de la planète, Stéphane Passet: China, Peking, Palast des Himmlischen Friedens, vierter Hof, östlicher Anbau, ein buddhistischer Lama in zeremoniellem Gewand, 26. Mai 1913.

Ausstellungsplakat: Albert Kahn, Les archives de la planète, Stéphane Passet: China, Peking, Palast des Himmlischen Friedens, vierter Hof, östlicher Anbau, ein buddhistischer Lama in zeremoniellem Gewand, 26. Mai 1913.

Eröffnet wurde die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau am 1. August 1914 – 100 Jahre nach Beginn des Kriegs, veranstaltet von den Berliner Festspielen im Zusammenhang mit dem „Europäischen Monat der Fotografie“. Der Landschaftsverband Rheinland-LVR gedenkt dem Ersten Weltkrieg in Form des Verbundprojekts „1914 – Mitten in Europa. Das Rheinland und der Erste Weltkrieg“, zu dem auch dieses Ausstellungskonzept gehört, welches bereits 2013 in Paris und Bonn zu sehen war. Das Kuratorenteam besteht aus dem Medienhistoriker Rolf Sachsse, dem stellvertretenden Direktor des LVR-LandesMuseums Bonn Lothar Altringer und dem Leiter des Verbundprojekts Thomas Schleper. Die Ausstellung konnte in Kooperation mit dem Musée Albert-Kahn in Boulogne-Billancourt realisiert werden.

Die Farbfotografie gilt als medialer Umbruch, die neben den neuen Möglichkeiten, die Welt möglichst naturgetreu abzubilden, auch Gefahren der Manipulation mitführte, wenn der scheinbare Beweischarakter nicht hinterfragt wurde. Die Brüder Auguste Marie und Louis Jean Lumière entwickelten 1905 ein eigene Farbfototechnik: das Autochromverfahren, deren Diapositive auf Glasplatten für den Drei- und Vierfarbdruck verwendet werden konnten und bis Mitte der 1930er-Jahre den Markt dominierten. Die Herausforderung des Autochromverfahrens lag in der langen Belichtungszeit von 2 bis 15 Sekunden, weshalb die Abbildung von Menschen und bewegten Objekten Ungenauigkeiten hervorrief und eine standbildartige Haltung benötigte.

Der Chemiker Adolf Miethe (1862 bis 1927) von der Technischen Universität Berlin erfand 1902 eine panchromatische Filmbeschichtung zur Fotoeinfärbung, die an das Dreifarb-Druckverfahren anschloss und besonders gut für Verlagswerke und Bildpostkarten geeignet war. Er ließ einen Projektor bauen und führte seine Fotodokumentation der deutschen Landschaften Kaiser Wilhelm II. und auch auf der Weltausstellung 1903 in St. Louis vor.

 

Ausstellung: Stollwerk Sammelalbum No. 7. Aus Deutschlands Gauen.

Ausstellung: Stollwerk Sammelalbum No. 7. Aus Deutschlands Gauen.

Danach erschienen die Fotos als Sammelbilder in Schokoladentafeln und wurden mit dem ersten Farbbildband Deutschlands dem „Stollwerck-Album“ verbreitet, das auch neben anderen Fotobüchern in der Ausstellung durchgeblättert werden kann. Das xm:lab der Hochschule der Bildenden Künste im Saarland stellte für die Besucher der Ausstellung das Drei-Farb-Verfahren zum selbst Ausprobieren und Fotografieren bereit.

Mit dem in der Ausstellung zu sehenden Original-Projektor von Miethes Assistent Sergei Mikhailovich Prokudin-Gorskii (1863 bis 1944), eine Leihgabe aus dem Deutschen Museum in München, soll dieser Zar Nikolaus II. von der Farbfotografie überzeugt haben:

 

Ausstellung: Projektor von Sergei Mikhailovich Prokudin-Gorskii, Leihgabe aus dem Deutschen Museum München.

Ausstellung: Projektor von Sergei Mikhailovich Prokudin-Gorskii, Leihgabe aus dem Deutschen Museum München.

Der Zar beauftragte ihn von 1909 bis 1916 mit einer Fotodokumentation des Russischen Reichs. Von den ca. 4500 Farbfotografien sind über 2000 erhalten geblieben, die sich als Digitalisate in der Library of Congress befinden. Die intendierte Verbreitung der Fotos scheiterte am teuren Reproduktionsverfahren.

Prokudin-Gorskiis Bilder verheimlichen die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes und zeigen vorwiegend Landschaften, Dorfansichten, Kirchen, die Entwicklung der Industrie und spiegeln die ethnische Vielfalt wider. Aufgrund der Aufnahmetechnik mussten Bilder von spontanen menschlichen Handlungen inszeniert werden.

Sergeĭ Mikhaĭlovich Prokudin-Gorskiĭ, 1909, Russisches Reich: Dinner during haying.

Sergeĭ Mikhaĭlovich Prokudin-Gorskiĭ, 1909, Russisches Reich: Dinner during haying.

Der Großteil der Ausstellung zeigt Farbfotos aus der fotografisch-filmischen Sammlungstätigkeit des reichen Bankiers Albert Kahn (1860 bis 1940) aus Boulogne bei Paris, der seit 1906/09 Stipendien und Aufträge für Fotodokumentationen in Europa, Asien und Afrika vergab. Er präsentierte die Arbeiten mithilfe eines Projektors in seinem Anwesen vor einem elitären Kreis, u.a. auch dem Kaiser. Bis auf wenige zeitgenössische Veröffentlichungen blieben die Bilder aber weitestgehend unbekannt, sodass manche von ihnen zum ersten Mal im Rahmen der Ausstellung publiziert worden sind.

Das 1908 von Kahn gegründete „Les Archives de la planète“ konnte von ihm bis 1931 finanziert werden und enthält neben Schwarz-Weiß-Bildern über 100 Stunden Filmaufnahmen, auch 72.000 farbige Diapositive/Autochromplatten. Kahns Archivleiter Jean Brunhes (1869 bis 1930) gilt als „Humangeograf“, der das Bildprogramm maßgeblich mitbestimmt haben soll. Die Bildmotive wurden in Bezug auf die Wechselbeziehungen zwischen den Menschen und ihrer natürlichen Umgebung ausgewählt. Dazu zählen lokale Landschaften, Menschen in traditioneller Kleidung und die Architektur.

 

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passet: Mongolei, nahe Ulaanbaatar, wahrscheinlich Damdinbazar, die achte Inkarnation des mongolischen Jalkhanz Kuthugtu, 17. Juli 1913.

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passet: Mongolei, nahe Ulaanbaatar, wahrscheinlich Damdinbazar, die achte Inkarnation des mongolischen Jalkhanz Kuthugtu, 17. Juli 1913.

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Auguste Léon: Bosnien-Herzegowina, Sarajevo, Brothändler auf dem Markt, 15. Oktober 1912.

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Auguste Léon: Bosnien-Herzegowina, Sarajevo, Brothändler auf dem Markt, 15. Oktober 1912.

 

Menschen sollten in ihrer Umgebung bei alltäglichen, beruflichen, aber auch kulturellen und religiösen Handlungen festgehalten werden. Ziel war es, die kulturelle Vielfalt zu dokumentieren, um durch sie eine Völkerverständigung zu fördern. Kahns Fotosammlung versteht sich somit als Friedensmission und Bewahrung einer verschwindenden Welt vor 1914. Trotz seiner philanthropischen Intention transportierten auch Kahns Bilder weiterhin Vorurteile gegenüber Bevölkerungsgruppen und ihren Sitten.

 

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passer: Mongolei, Ulaanbaatar, Verurteilter und Wärter im Gefängnis, 25. Juli 1913.

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passer: Mongolei, Ulaanbaatar, Verurteilter und Wärter im Gefängnis, 25. Juli 1913.

Die Ausstellung „Die Welt um 1914“ präsentiert vor allem Auftragsarbeiten der Fotografen Auguste Léon (1857 bis 1942) und Stéphane Passet (1875-unbekannt). Auguste Léon startete 1909 die erste Fotokampagne für Albert Kahn und reiste über Wien in den Balkan und die Türkei. Seine Fotos zeigen Spuren der Balkankriege, wie den zerstörten mittelalterlichen Markt in Shkodra im Oktober 1913. Der ehemalige französische Kolonialoffizier Stéphane Passet unternahm eine Reise von 1913 bis 1914 über China, die Mongolei, Indien und die Türkei. Das Musée Albert Kahn bewahrt 350 seiner Bilder, die neben der Architektur auch wenige Menschen zeigen, darunter vorwiegend bekannte Bevölkerungsgruppen und ihre alltäglichen Handlungsabläufe. Nach Passets Meinung fotografierte er auch bisher nie festgehaltene Szenen wie ein muslimisches Gebet in Delhi.

 

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passet: Frankreich, Paris, Eine Familie in der Rue du Pot de fer, 24. Juni 1914.

Albert Kahn, Les Archives de la planète, Stéphane Passet: Frankreich, Paris, Eine Familie in der Rue du Pot de fer, 24. Juni 1914.

Anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsausbruchs zeigt die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau auch vermehrt Farbfotos aus der Anfangsphase des Ersten Weltkriegs. Die Welt vor 1914 wird dabei als eine Welt im Verschwinden begriffen, die durch die Farbfotos positiv erinnert werden sollte. Zudem wird die Entwicklung der Bildpostkarten angesprochen, die sich seit dem deutsch-französischen Krieg als Feldpostkarten zum Massenmedium entwickelten. Vom Ersten Weltkrieg werden dem Besucher hauptsächlich Propagandabilder gezeigt, die das Leben hinter der Front, Landschaften und freundliches Miteinander unter den Soldaten abbilden sollen und die Zerstörungen, das Kriegstreiben oder das persönliche Leid verschweigen.

 

Ausstellung: Hans Hildenbrand: Bildpostkarten mit verschiedenen Motiven vor und um 1914, LVR-LandesMuseum Bonn.

Ausstellung: Hans Hildenbrand: Bildpostkarten mit verschiedenen Motiven vor und um 1914, LVR-LandesMuseum Bonn.

Zu sehen sind Arbeiten des Stuttgarter Fotografen Hans Hildebrand (1870 bis 1957), der als offizieller Fotojournalist des deutschen Propaganda-Hauptamts für das Elsass, die Vogesen und die Champagne zuständig war. Auch Kahns Auftragsfotografen wie Jules Gervais-Courtellemont (1863 bis 1931) arbeiteten als Kriegsfotografen für das französische Informations- und Kunst-Ministerium.

Die Ausstellung „Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg“ spiegelt eine philanthropische Sichtweise und die Begeisterung für die neue Technik der Farbfotografie wider. Durch die naturgetreuere Darstellung der Menschen, Landschaften und Gebäude scheint uns die Welt zu Anfang des 20. Jahrhunderts näher als auf den bekannteren Schwarz-Weiß-Bildern, die unsere Erinnerungen dominieren. Die Ausstellung und der dazugehörige Katalog zeigen eine fast touristische Perspektive auf faszinierende Sehenswürdigkeiten und Momentaufnahmen von posierenden Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen. Auch wenn ihr zeitgenössicher Beitrag zur Völkerverständigung und Friedenssicherung gering blieb, bleibt bis heute die generationsübergreifende Wirkmächtigkeit von Bildern aktuell.

 

 

Die Welt um 1914. Farbfotografien vor dem Großen Krieg

Albert Kahn, Sergei M. Prokudin-Gorskii, Adolf Miethe

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

1. August – 2. November 2014

 

Katalog: 1914 – Welt in Farbe. Farbfotografie vor dem Krieg

Hatje Cantz Verlag, 144 Seiten, 101 Abbildungen

Maße: 24,3 x 28,2 cm, ISBN: 978-3-7757-3644-2

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/11/10/die-welt-um-1914-farbfotografien-vor-dem-grossen-krieg/

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#wbgavie | Barbara Zeitelhack: NDig – Neuburg und der große Krieg. Ein Pilotprojekt zur Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert

Gastbeitrag von Barbara Zeitelhack (Neuburg an der Donau) anlässlich des Workshops „Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen“, der am 10. November 2014 in Wien stattfindet.

Bereits vor einigen Jahren, während der Arbeit an einer „Kleinen Stadtgeschichte“, hatten die Autoren des Bändchens diskutiert, ein Blog zur Geschichte der Stadt und des ehemaligen Fürstentums Neuburg zu starten. In der Publikation konnten viele Themen nur angerissen werden, die Quellen- und Literaturrecherche hatte umfangreiches und interessantes Material zu Tage gefördert, das häufig schwer oder nicht mehr zugänglich war, aber wichtige Impulse für eine neue stadtgeschichtliche Forschung geben konnte. Diese schien uns (den Autoren) zugunsten der Forschung zum Fürstentum Pfalz-Neuburg/Junge Pfalz arg vernachlässigt. Weiteres Movens waren die vielfältigen Möglichkeiten, die ein von verschiedenen lokalen Kulturinstitutionen getragenes Blog bietet: bessere Öffentlichkeitsarbeit, Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen, Publikation von Aufsätzen und Vorträgen (die so oft am fehlenden Geld scheitert), Hinweise auf Quellen und Literatur und nicht zuletzt die Möglichkeit, digitalisierte Archivalien der Forschung und allen an der Lokalgeschichte Interessierten zugänglich zu machen. Unterschätzt hatten die Initiatoren allerdings den schwierigen Prozess der Abstimmung zwischen den verschiedenen potentiellen Trägern und deren unterschiedliche Vorstellungen über die Inhalte des Blogs. Aus vielen (nicht zuletzt finanziellen) Gründen wurde die Idee nicht realisiert, blieb aber virulent.

Den Anlass für einen thematisch „verschlankten“ Neubeginn lieferte das von Maria Rottler initiierte Blog „HistBav“ und ihr Hinweis auf das nichtkommerzielle wissenschaftliche Blogportal hypotheses.org. Im Sommer 2014 konstituierte sich ein institutionell unabhängiges Redaktionsteam und erarbeitete ein neues Konzept. Thema des Blogs sind stadtgeschichtliche Forschungen am Beispiel der Garnisons- und ehemaligen Residenzstadt Neuburg an der Donau im 19. und 20. Jahrhundert. Untersucht werden sollen sämtliche Bereiche des städtischen Alltags. Zunächst wird der Fokus auf der Zeit des Ersten Weltkriegs liegen. Neben der Publikation von Forschungsergebnissen wird auf Veranstaltungen bzw. aktuelle Entwicklungen aufmerksam gemacht. Getragen wird das Vorhaben von einer Arbeitsgruppe (Historiker, die zur Stadtgeschichte Neuburg arbeiten), ist aber offen für alle Interessenten, besonders solche aus lokalen und regionalen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Inzwischen sind erste Inhalte eingestellt (und die Mitglieder der Arbeitsgruppe freuen sich – dank Frau Rottlers Hilfe – über eigene Fortschritte in der digitalen Welt).

NDig. Neuburg und der große Krieg. Ein Pilotprojekt zur Stadtgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert: http://neuburg.hypotheses.org

NDig

Barbara Zeitelhack ist Leiterin des Stadtarchivs Neuburg an der Donau.

Quelle: http://bioeg.hypotheses.org/785

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