aventinus antiqua Nr. 23 [27.03.2014]: Ernährung und Gastronomie in einer antiken Stadt am Beispiel dreier Quellen [=historia.scribere 1 (2009), S. 611-623]

Die vorliegende Arbeit untersucht unter dem Aspekt des Lebens in einer antiken Stadt die Ernährung und Gastronomie anhand von Quellen. Hierfür werden drei Texte herangezogen, die Informationen über verschiedene Gerichte sowie mit Mahlzeiten verbundene Bräuche und Sitten enthalten. http://bit.ly/1m8OBb2

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/03/5004/

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“Wer führt hier das Kommando?” Sigmar Polke und Gerhard Richter


EK_polke-richterNur ein einziges Mal haben die Künstlerfreunde Sigmar Polke und Gerhard Richter eine Gemeinschaftsausstellung veranstaltet. Im März 1966 zeigten sie ihre Bilder zusammen in der neueröffneten galerie h in Hannover. Viele heute bekannte Gemälde der beiden Künstler waren damals erstmals zu sehen. Berühmt geworden ist die Ausstellung aber durch ihren begleitenden Katalog, ein von Polke und Richter gestaltetes Künstlerbuch, das beide sogar in die Werkverzeichnisse ihrer Editionen aufgenommen haben. Die Originalentwürfe zu der Publikation hat das Gerhard Richter Archiv vor einigen Monaten erwerben können und stellt sie vom 8. April bis 1. Juni im Schaukabinett des Dresdner Albertinum erstmals zusammen mit zahlreichen weiteren Dokumenten aus.

Am 17. August 1965 berichtete Gerhard Richter  in einem Brief an seinen Münchener Galeristen Heiner Friedrich von dem neuen Ausstellungsprojekt und beruhigte ihn zugleich, dass keine kommerzielle Konkurrenz zu befürchten sei: „Ich habe vielleicht die Absicht in Hannover (neu eröffnete Galerie Haseke im Dezember) mit Polke und wahrscheinlich auch Lueg eine demonstrative Ausstellung zu machen. (…) Mit Verkauf wäre dabei kaum zu rechnen, die Galerie scheint unbedeutend zu sein. Uns ginge es um Demonstration, um ein Papier mit Bild und Text.“

Richter betont hier bereits den demonstrativen Charakter der Ausstellung und ergänzt, dass kaum Hoffnungen auf Verkäufe bestehen. Umso wichtiger erschien den beiden Künstlern die begleitende Publikation, die sie ganz nach ihren eigenen Vorstellungen gestalteten und die anders als die üblichen dokumentarischen Kataloge sein sollte.

Bis auf kurze Biografien und zwei Werkreproduktionen, besteht das 20-seitige Heft aus einer Collage gefundener Textzitate aus trivialen Heftromanen sowie eigenen Texten und inszenierten Fotografien der Künstler. Vor allem bei der Science-Fiction-Reihe „Perry Rhodan“ haben sie sich bedient. „Wir hatten das Zeug gelesen, und es passte in dieses utopische Zeitalter der 60er Jahre mit den Vorstellungen von anderen Planeten. Dieses Unkünstlerische, diese populäre Qualität, die ging so zusammen mit Fotos, Magazinen, Illustrierten, das war die Pop-Seite“, begründete Richter in einem Interview von 1993 ihre Vorliebe für die trivialen Texte.

Während der gedruckte Katalog alle Arbeitsspuren verbirgt und die unterschiedlichen Textquellen nivelliert, lässt die von den Künstlern geklebte Vorlage den Collagecharakter des Werkes mit seinen unterschiedlichen, gedruckten, getippten und handschriftlichen Quellen deutlich erkennen. Der Text wird von elf Fotografien begleitet, auf welchen sich die beiden Künstler in unterschiedlichen Situationen und Posen inszenieren. Insgesamt sind zu dem Projekt mehr als 40 Aufnahmen entstanden. Einige der damals für die Collage nicht verwendeten Aufnahmen sind jetzt in der Ausstellung zu sehen. „Quatsch machen“, kommentierte Richter später einmal ihre Fotoinszenierungen.

Die eigenen Statements im Katalog, das gefundene Textmaterial und die inszenierten Fotografien bilden drei eigenständige, dabei aber ineinander verwobene Handlungsstränge, die in das Werk eine Bedeutung injizieren, welchen die bloßen Texte nicht aussagen und die Fotos allein nicht zeigen können. Polkes und Richters Adaption fremder Beiträge und ihre Integration in die künstlerischen Bild-Text-Montagen erweist sich dabei als eine Parallelaktion zu der Übernahme medialer Bilder in ihrer Malerei.

Am 18. Januar 1966 sandte Sigmar Polke den fertigen Klebeumbruch an August Haseke nach Hannover. In seinem Begleitschreiben pries Polke das Ergebnis selbstironisch, aber auch mit unverkennbarem Stolz: „Hier ist der Entwurf zu unserem Katalog. Wir glauben, dass er sehr gut gelungen ist und bestimmt viel Aufmerksamkeit und Beachtung findet, in jeder Weise (um es ehrlich zu sagen, es wird der beste Katalog der jemals – jedenfalls bis heute – gemacht worden ist…).“

Zwei Tage nach der Eröffnung der Ausstellung am 1. März 1966 berichtete Richter wiederum an Heiner Friedrich: „In Hannover war es ganz schön. Die Ausstellung sieht sehr gut aus. Verkauft haben wir nichts.“

 

Archivkartepolke / richter. Dokumentation einer Ausstellung
08.04.2014 – 01.06.2014
Eine Ausstellung des Gerhard Richter Archiv im Schaukabinett des Albertinum

Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Tzschirnerplatz 2
01067 Dresden

Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung:
08.04-2014 / 16.04.2014 / 07.05.2014 immer 16:30 Uhr
“Wer führt hier das Kommando?” – Sigmar Polke und Gerhard Richter
Kunstgespräch in der Ausstellung

 

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1237

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Livestream der Tagung Charlemagne am DHI Paris | Section 5

Vom 26. bis zum 28. März findet am Deutschen Historischen Institut in Paris die internationale Tagung  aus Anlass des 1200. Todestags Karls des Großen († 28.01.814) statt. Sie wird veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut Paris in Zusammenarbeit mit den Universitäten Paris 1 Panthéon-Sorbonne, Paris Ouest Nanterre La Défense, Paris-Est Marne-la-Vallée und Reims Champagne-Ardenne.

Hier können Sie den Livestream der fünften Section: Communications et réseaux live  sehen.

Alternativ besteht auch die Möglichkeit den Stream über Google+ zu schauen.

Présidence: Patrick Corbet (Nancy)

Jean-Pierre Devroey et Nicolas Schroeder (Bruxelles): Mettre l’Empire en réseau. Approvisionner et manger à la table de Charlemagne

Florian Hartmann (Bonn): “A textual community”? Kommunikation und geteiltes Wissen bei den karolingischen Gelehrten am Hof Karls des Großen

Lawrence Nees (Newark): Networks or Schools? The Production of Illuminated Manuscripts and Ivories during the Reign of Charlemagne

Courtney M. Booker (Vancouver): By Any Other Name? Charlemagne, Nomenclature, and Perfomativity

Simon Coupland (Kingston-upon-Thames): Charlemagne and His Coinage

Quelle: http://charlemagne.hypotheses.org/343

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XX. Else Lasker-Schüler-Forum 2014

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Die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. rückt das Jahr 1914 und die Hoch-Zeit des Expressionismus in den Mittelpunkt des  XX. Else Lasker-Schüler-Forums 2014. Der Titel des Forums lautet: ”Der blaue Reiter ist gefallen”. Die Veranstaltungen finden vom 27. bis 30. März 2014 in Solingen statt.

Den Auftakt macht die Eröffnung der Fotoausstellung „Die Natur des Bösen – Menschen hinter den Kriegen“ von Ursula Meissner am 27. März um 16.30 Uhr im Zentrum für Verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen.

Im Anschluss an das Forum finden bis zum 4. Mai zahlreiche weiterführende Veranstaltungen statt. Informationen zu den einzelnen Terminen sowie die Veranstaltungsorte finden Sie im Programm-Magazin und der Einladung zur Forumseröffnung.

 

Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/1145

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mediaevum.net: Charlemagne – Les temps, les espaces, les hommes. Construction et déconstruction d’un règne

charlemagne.hypotheses.org “Vom 26. bis zum 28. März findet am Deutschen Historischen Institut in Paris die internationale Tagung  aus Anlass des 1200. Todestags Karls des Großen († 28.01.814) statt. Sie wird veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut Paris in Zusammenarbeit mit den Universitäten Paris 1 Panthéon-Sorbonne, Paris Ouest Nanterre La Défense, Paris-Est Marne-la-Vallée und Reims Champagne-Ardenne.” http://charlemagne.hypotheses.org/apropos […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/03/4999/

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Reflexionen über diplomatische Herausforderungen im 19. Jahrhundert und heute

von Gesche Schifferdecker (Max Weber Stiftung)

Um mich inhaltlich auf das WeberWorldCafé „Bürger, Blogger, Botschafter: neue Medien und Akteure in der Diplomatie des 21. Jahrhunderts“ vorzubereiten, bin ich am 28. Februar 2014 zum Deutschen Historischen Institut Paris gefahren und habe an dem Studientag „Diplomatie unter Druck? Legitimität als diplomatisches Problem im 19. Jahrhundert“ teilgenommen. Da ich mich vorher hauptsächlich mit diplomatischen

Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert beschäftigt hatte, fand ich es wichtig, die Perspektive der „klassischen“( in der Regel bilateralen Diplomatie) kennenzulernen, um diese in Relation zu setzen zu den mannigfaltigen Akteuren und Interaktionsformen, die heute die diplomatische(n) Bühne(n) prägen. Deswegen soll es im Folgenden nicht nur um ausgewählte Thesen der Vortragenden des Studientages am DHI Paris gehen, sondern ich möchte anhand der drei Kategorien Vertrauen, Legitimität und Information auch Bezug nehmen auf gegenwärtige Entwicklungen und Fragestellungen in den internationalen Beziehungen.

Vertrauen

Das 19. Jahrhundert ist als Referenzpunkt für diplomatische Beziehungen besonders interessant, weil man – zumindest in Deutschland – in den 1820er Jahren sukzessive begonnen hat, Diplomaten professionell auszubilden. Gleichzeitig erfolgte eine Differenzierung des Berufs in verschiedene Vertreter bestimmter Segmente, zum Beispiel Konsuln, Militärattachés und Presseattachés. Unter anderem mit dieser Professionalisierung setzte sich Verena Steller (Frankfurt) auseinander, die den Eröffnungsvortrag des Studientages hielt. Diplomatie im 19. Jahrhundert bedeutete Steller zufolge hauptsächlich Diplomatie von Angesicht zu Angesicht, das heißt Diplomatie durch persönliche Interaktion. Ein zentraler Faktor war hier das Vertrauen, das durch die persönliche Begegnung unterstützt und intensiviert werden sollte. Dieses Vertrauen war zwar nicht einklagbar, half aber, Handlungen vorauszusehen. Vertrauensbildende Maßnahmen prägen auch heute diplomatische Beziehungen ganz wesentlich – und wenn einem Staat von offizieller Seite das Vertrauen entzogen wird, wie es zum Beispiel bei Iran im Kontext der Kritik an dessen Urananreicherungen der Fall war, kann dies schwerwiegende Folgen nicht nur für die politische Reputation, sondern auch die wirtschaftliche Situation des Landes haben. Umgekehrt hat das Vertrauen vieler Staaten massiv unter dem NSA-Skandal gelitten, nicht nur im Verhältnis zwischen den transatlantischen Partnern, sondern auch zwischen EU-Staaten, zwischen Bürgern und ihren Regierungen und das Vertrauen in die Sicherheit von Informationsdienstleistungen.

Legitimität

Fragen der Legitimität, mit denen sich Verena Steller am Beispiel Frankreichs nach der Reichsgründung 1870/71 beschäftigte, hatten einen hohen Stellenwert in den diplomatischen Beziehungen. 1870/71 befanden sich französische Diplomaten in einer prekären Situation: Mit dem Wechsel der Staatsform von der Monarchie zur Dritten Republik hatten die Provisorische Regierung und ihre Vertreter sowohl um die Gestalt jeglicher Repräsentation als auch um die diplomatische Anerkennung von Legitimität und Gewährung von gegenseitiger Anerkennung vor allem durch den deutschen Kriegsgegner zu ringen. Dabei handelte es sich bei der französischen Botschaft in Berlin um den wichtigsten diplomatischen Posten der Republik: Auf „feindlichem“ Boden diente er der Beobachtung und Überwachung, ermöglichte aber auch einen Dialog mit dem „Feind“, wie Marion Aballéa (Genf/Straßburg) feststellte.

Katrin Rack (Bielefeld/Paris) analysierte die Situation der deutschen Diplomaten, die zwischen 1815 und 1870/71 in Paris tätig waren. Auch sie waren mit vielfältigen Standort- und Anerkennungsproblemen konfrontiert – zeitweise waren dort 10 verschiedene deutsche Vertretungen präsent. Eine (gesamt-)deutsche Botschaft gab es erst ab 1871, sie entstand im Kontext der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Anhand der Diskussion über die Legitimität der Repräsentanten zeigte sich, dass es sich hier zwar um originäre Problematiken des 19. Jahrhunderts handelte, die unter anderem aus den spezifischen Machkonstellationen, die sich nach dem Wiener Kongress in Europa etabliert hatten, resultierten. Im Sinne des Völkerrechts waren alle Staaten gleich – de facto gab es aber Souveräne (Großmächte) und Mi-Souveräne (kleine und mittelgroße Staaten), wie Thomas Müller (Bielefeld) auseinandersetzte. Die Frage der Legitimität in den internationalen Beziehungen hat jedoch eine gleichbleibende Aktualität und wird gegenwärtig diskutiert zum Beispiel anhand des Krim-Referendums, das nicht nur von der EU und den Vereinigten Staaten abgelehnt wird, sondern dessen Rechtmäßigkeit auch eine Minderheit der Krim-Bewohner anzweifelt.

Information

Zur Bedeutung der Auslandskorrespondenten für die diplomatischen Beziehungen am Beispiel des im März 1893 wegen unliebsamer Berichterstattung aus Paris ausgewiesenen deutschen Journalisten Otto Brandes referierte Sonja Hillerich (Duisburg-Essen). Sie betonte, dass, obwohl das Ansehen der Presse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessive wuchs, Auslandskorrespondenten trotzdem häufig anonym berichteten, weil die Zensurbestrebungen ausgeprägt waren: Es gab noch kein „Recht auf Information“, wie es heute – zumindest in demokratisch verfassten Staaten – besteht. Dennoch stellte sich in dieser Zeit zum ersten Mal die Frage, ob Presse als ein Mittel oder sogar als Akteur der diplomatischen Beziehungen identifiziert werden müsse.

Im 21. Jahrhundert haben die Medien diesen Status längst erreicht. Gleichzeitig haben sich durch die digitale Revolution die Möglichkeiten vervielfacht, so dass einzelne oder Gruppen von JournalistInnen, aber auch Kulturschaffende, WissenschaftlerInnen oder andere nicht-staatliche Akteure, sich auch ohne die Unterstützung institutioneller oder bürokratischer Strukturen global vernetzen und Debatten beeinflussen können. Ethan Zuckerman, Wissenschaftler am Berkman Center for Internet and Society, beschreibt die veränderten Kommunikationsstrukturen wie folgt: „They provide a new rhetorical space where a new generation of leaders can think and speak freely. In the long run, this ability to create a new public sphere, parallel to the one controlled by the state, will empower a new generation of social actors.“ Dies betonten auch die Macher des Films über den Wikileaks-Gründer Julian Assange, als sie diesen mit „Die fünfte Gewalt“ untertitelten.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Während es im 19. Jahrhundert in erster Linie darum ging, Vertrauen aufzubauen und als Souverän anerkannt zu sein, um „im Konzert der Mächte“ mitzuspielen, bewegen sich DiplomatInnen im 21. Jahrhundert in ihrem ehemaligen „Hoheitsbereich“ nun in einem unüberschaubaren Netz von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren. FachvertreterInnen im Ausland zusammenbringen und orchestrieren müssen, ohne dabei den Anspruch oder auch nur die Kapazitäten zu haben, die Interessen des Entsendestaates exklusiv zu repräsentieren bzw. in allen Diskursen selbst immer die führende Expertise einbringen zu können, gehört mittlerweile zu den größten Herausforderungen des diplomatischen Alltags.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/46

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Vom Jubiläum zur Jubiläumitis

 

Jubiläen, Jahrestage, Gedenktage, Feiertage usw. Der Zufall des Kalenders und die ihn bestimmenden astronomischen Konstellationen definieren zunehmend und heute fast schon ausschließlich, wann sich unser Geschichtsbewusstsein womit beschäftigt. Wenn unsere aktuelle Geschichtskultur – unsere tägliche Praxis der öffentlichen Selbstverständigung, Traditionsversicherung und Identitätsstiftung – wirklich derart dominant kalendergetrieben sein sollte, was bedeutet das für die Akteure der historisch-politischen Bildung?

 

Kampf um den Kuchen

Wir befinden uns im Jahr des 1.-Weltkrieg-Hypes. Der 100. Jahrestag. Mit langem Anlauf haben HistorikerInnen und ihre Verlage teils bewunderungswürdige Buchprojekte lanciert, Museen ihre Sonderausstellungen geplant, Gedenkstätten ihre Objekte herausgeputzt, Buchläden ihre Schaufenster und Kassenstapel neu sortiert, Fernsehen und Radio ihre Geschichtsredaktionen auf die Spur gebracht, Magazine Sonderhefte geplant, PrintjournalistInnen ihre Federn gespitzt. Vom Aufmerksamkeitskuchen wollen sehr viele ein möglichst großes Stück auf ihren Teller. Die deutsche Bundesregierung ist schon Mitte des vergangenen Jahres hart dafür kritisiert worden, dass sie – anders als einige Nachbarregierungen – noch kein offizielles regierungsamtliches Gedenkkonzept vorzulegen hatte.1 Als ob es für die Regierung eines der großen Staaten Europas in der Staatsschuldenkrise nichts Dringenderes zu tun gegeben hätte und als ob die deutschen Parteien mitten im Bundestagswahlkampf die Kraft für ein überparteiliches Geschichtskulturkonzept hätten aufbringen können. Dieser Tage hat die Bundesregierung mit einem Konzept nachgezogen.2 Soll man jetzt aufatmen?

Nichts Neues?

Erinnert sich noch jemand der jüngst vergangenen Hypes? – 2013: der 200. Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht und der 75. Jahrestag der Novemberpogrome, 2012: 70. Jahrestag der Wannseekonferenz, 2011: 50 Jahre Mauerbau, 2010: 20 Jahre Deutsche Einheit … die Liste ließe sich lange fortsetzen, und jeder könnte weitere geschichtskulturelle Hypes hinzufügen. – Ist es nur die kapitalistische Aufmerksamkeitsökonomie unserer Zeit, rastlos angetrieben durch die nimmersatten Informationstechnologien, die uns zu Hörigen des Kalenderzufalls macht? Gewiss nicht zuletzt, ja. Aber diese Girlande ritualisierten Gedenkens bedient sich anscheinend auch der menschlichen Wahrnehmung und älterer Bedürfnisse der biografischen Ordnung. Jubiläen erscheinen uns z.B. nicht als menschengemacht, sondern als natürliche Dinge.3 Die Gegenständlichkeit des Kalenders verstärkt diese Täuschung. Eine klassische Entfremdung: Die Wahrnehmung bietet uns Selbstgemachtes als Fremd-Objektives. In dieser Weltwahrnehmung hat sich eine formale Begründungsanalogie privater und öffentlicher Sonder-Feiern (fröhlicher wie trauriger) Geltung verschafft – bei diesen ist es „das Runde“ einer zeitlichen Differenz, das ins Eckige eines Mindestabstands kommt. Ob solche Konstellationen privat schon immer gefeiert wurden? Eher nicht. Anthropologisch eingewurzelt sind rituelle Jahresfeiern, die sich am Fruchtbarkeitszyklus orientieren, die christlich-kirchlichen sind davon abgeleitet. Wir feiern sie alljährlich privat noch heute. Öffentlich geht dagegen die neuartige, nicht mehr organische Feierbegründung auf die breite Vorbildwirkung sächsischer Reformationsjubiläen in der Zeit großer politischer Bedrängung zurück.4 Sie knüpft an die „Erfindung“ des Jubiläums durch Papst Bonifaz VIII. (1300) an, der den Anlass aus seinem alttestamentlichen Kontext des Sabbatjahres löste (Lev 25, 8-55) und der Funktion einer kulturell-politischen Identitätsstiftung zugänglich machte.5 Diese zyklischen, aber eben nicht-annualen Sonderfeiern – die „Jubiläen“ – leben von einer doppelten Anmutung von Natürlichkeit und sind doch eine Institution spezifisch abendländischer Moderne, die von Anfang an historisch-politischen Zwecken diente und von Anfang an auch ein Einfallstor zur Kommerzialisierung der Geschichtskultur war.

Wie geht man damit um?

Die Kulturwissenschaften haben sich vor 10-15 Jahren intensiv bemüht, die Institution des „Jubiläums“ aufzuklären, ohne dass allerdings seitdem zu erkennen gewesen wäre, dass diese Forschungen in der eigenen Zunft eine läuternde Wirkung gehabt hätten. Die vielen stillen KärnerInnen im Weinberg des Herrn gehen ihrer Arbeit nach, des Jubiläumszirkus’ Erregungsschleifen bedienen sich Wenige virtuos und in der Sache auch exzellent, der Rest staunt. Die Akteure der historischen Bildung hecheln oftmals hinterher. Denn was auch sonst? Heutige Lernende leben in einer Welt ständig neuer Jubiläumskampagnen, sie haben Fragen dazu (oder sollten sie zumindest haben). Eine Politik- und Geschichtsdidaktik, die diese Jubiläumszyklik ihrer geschichtskulturellen Lebenswelt ignorierte, wäre de facto lebensfremd und lernfeindlich. Vielleicht ist es so, dass wir uns in Unterricht und Hochschullehre sogar viel intensiver mit dem gesellschaftlichen Phänomen „Jubiläum“ auseinandersetzen sollten – und zwar kritisch-analytisch. Etwas ironisierend könnte man von einer nötigen „Jubiläums-Kompetenz“ sprechen: Diese haben alle Heranwachsenden nötig.

“Jubiläums-Kompetenz” – schon alles?

Nein. Es geht um mehr. Die Tagesordnung unserer kulturellen Selbstverständigung und Identitätsdebatte sollten wir uns nicht vom Kalender und seinen interessierten AusbeuterInnen diktieren lassen. Und wenn die kapitalistische Aufmerksamkeitsökonomie dank ihrer massenmedialen Verstärker in ihrer sachfremden Dynamik wirksam geworden ist und das öffentliche Bewusstsein thematisch zu bestimmen vermag, dann sollten Intellektuelle diese Dynamik durchschaubar machen, kritisieren und eigene begründete Inhalte zu setzen versuchen: Jubiläumitis braucht Therapie. Keinesfalls sollten sie aber eine sachfremde, im Kern ökonomische Dynamik befeuern. Agenda Setting ist ein Königsrecht, wir sollten es nicht einfach aufgeben.

 

 

Literatur

  • Brix, Emil / Stekl, Hannes (Hrsg.): Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa, Köln u.a. 1997.
  • Müller, Winfried (Hrsg.): Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, Münster 2004.
  • Münch, Paul (Hrsg.): Jubiläum, Jubiläum … Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005.

Externe Links

 


Abbildungsnachweis
Auslage einer Basler Buchhandlung im März 2014 © M. Demantowsky

Empfohlene Zitierweise
Demantowsky, Marko: Vom Jubiläum zur Jubiläumitis. In: Public History Weekly 2 (2014) 11, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1682.

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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-11/vom-jubilaeum-zur-jubilaeumitis/

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Datenauswertung in practise

Ich bin gerade mal wieder mit der Feldpost von Philipp Weinheimer beschäftigt. Ich habe nun die Hälfte der Feldpostdaten systematisch gesammelt – allerdings erst die des Eingangs. Ich nutze dafür, recht primitiv, Excel. Senkrecht links die Namen, die ich dann … Continue reading

Quelle: http://ockenheim.hypotheses.org/343

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Livestream der Tagung Charlemagne am DHI Paris | Section 3

Vom 26. bis zum 28. März findet am Deutschen Historischen Institut in Paris die internationale Tagung  aus Anlass des 1200. Todestags Karls des Großen († 28.01.814) statt. Sie wird veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut Paris in Zusammenarbeit mit den Universitäten Paris 1 Panthéon-Sorbonne, Paris Ouest Nanterre La Défense, Paris-Est Marne-la-Vallée und Reims Champagne-Ardenne.

Hier können Sie den Livestream der dritten Section: Uniformisation et résistance sehen.

Alternativ besteht auch die Möglichkeit den Stream über Google+ zu schauen.

Présidence: Sylvie Joye (Reims)

Warren Pezé (Paris): Un faussaire à la cour. Les accusations de falsfication et leurs enjeux lors de la controverse adoptianiste.

Steffen Patzold (Tübingen): Prozesse der Vereinheitlichung: unitas, concordia und pax

Charles West (Sheffield): The Controversial Capitulum in pago Cenomannico datum

Francois Bougard (Nanterre): Le législateur du monde? Sur une image de Charlemagne.

Sebastian Scholz (Zürich): Normierung durch Konzile

Quelle: http://charlemagne.hypotheses.org/339

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CFP: Kein Bund fürs Leben? Eheleute vor kirchlichen und weltlichen Gerichten

CFP: Kein Bund fürs Leben? Eheleute vor kirchlichen und weltlichen Gerichten
Workshop zur Ehegerichtsbarkeit vom Mittelalter bis in die Neuzeit
Wien, 10. bis 11. September 2014

Einsendeschluss: 15. Mai 2014

Als einen (vorläufigen) Schlusspunkt des Forschungsprojekts veranstalten wir im September einen Workshop, zu dem wir Forscherinnen und Forscher einladen, um Ideen, Konzepte, Begriffe, Probleme und (Zwischen-)Ergebnisse zu diskutieren. Neben dem Austausch auf theoretisch-methodischer Ebene bzw. auf einer konkreten empirischen Basis soll das In-Beziehung-Setzen von Studien zur Ehegerichtsbarkeit unterschiedlicher Regionen und Zeiten im Mittelpunkt des Workshops stehen.

Willkommen sind Vortragsvorschläge geplanter, laufender oder abgeschlossener Forschungen, die sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von Eheauflösungen, der ehegerichtlichen Praxis, Konfliktfeldern wie physischer Gewalt, Emotionen, Ökonomie, Sexualität, dem Zusammenleben, verbaler Gewalt und Ehre, Konfession und Religion befassen. Neben den vielfältigen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten erscheinen uns insbesondere folgende Themenfelder und Fragestellungen als relevant:

  • das Prozessrecht, das neben dem kanonischen und weltlichen Eherecht die Handlungsoptionen der Ehefrauen und Ehemänner maßgeblich beeinflusste
  • das regional und zeitlich unterschiedliche Ehegüter- und Erbrecht als (neben Konfession und Religion der Eheleute) wesentlicher Einflussfaktor auf den Verlauf und Ausgang der Gerichtsverfahren
  • die Regelungen und Vereinbarungen in Hinblick auf die Scheidungs- bzw. Trennungsfolgen (Unterhaltszahlungen, Vermögensaufteilung, Kinderfürsorge etc.)
  • die Bedeutung außergerichtlicher Schlichtungs- und Vergleichsinstrumente sowie -institutionen
  • die Frage, warum in bestimmten Fällen um eine Annullierung der Ehe, in anderen um die Trennung von Tisch und Bett angesucht wurde
  • die Frage nach Zufluchtsorten vor der Gewalt des Ehemanns oder der Ehefrau
  • der Umgang des Gerichts mit und die Präsenz von Kindern

Senden Sie Ihren Vortragsvorschlag bitte in Form eines ein- bis zweiseitigen Abstracts (3.000–4.000 Zeichen) bis zum 15. Mai 2014 per E-Mail an andrea.griesebner@univie.ac.at und georg.tschannett@univie.ac.at.

PS: Wir weisen darauf hin, dass in der Regel keine Reise- und Aufenthaltskosten übernommen werden können.


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2014/03/26/cfp-kein-bund-furs-leben-eheleute-vor-kirchlichen-und-weltlichen-gerichten/

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