Minutes of WS “Computer-based analysis of drama” now online

Am 12. und 13. März 2015 hat in München der Workshop Computer-based analysis of drama and its uses for literary criticism and historiography. Die computergestützte Analyse von Dramen ist ein gerade entstehendes Feld, das nur zum Teil an die quantitative Dramenanalyse des 20. Jahrhunderts (Solomon Marcus, Manfred Pfister) anschließt. Digitalisierte Korpora, neue Verfahren des Text Mining und die Verknüpfung von quantitativen Ergebnissen mit Fragen der Literaturgeschichtsschreibung (vgl. Matthew Jockers, Franco Moretti, Stephen Ramsay) haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass neue Forschung zu Dramen entstanden ist, die hier erstmals gebündelt wurde. Lesen Sie den Konferenzbericht in voller Länge hier. Der Blog soll in Zukunft auch eine Bibliographie und eine Liste von Projekten zur computer-gestützten Dramenanalyse bieten. Hinweise sind erwünscht.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4880

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Round Table II “Annotation von Digitalen Medien”

von Michael Bender, Luise Borek und Ruth Reiche, Technische Universität Darmstadt

Wenn Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Digital Humanities-Projekten über das Thema Annotationen diskutieren, kann es schon mal passieren, dass man zunächst aneinander vorbei redet. Für die einen steht ein Tool im Mittelpunkt, das Annotationen vor allem als flüchtige Anmerkungen im individuellen Forschungsprozess unterstützt. Andere begreifen Annotationen vor allem als Mikropublikationen, die am annotierten Gegenstand bzw. im jeweiligen Repositorium verankert sein müssen und einer langfristigen und nachnutzbaren Archivierung bedürfen. Annotationen als Zwischenschritt und Grundlage für Analyse- und Visualisierungsverfahren oder Machine Learning bilden eine weitere Perspektive auf das Thema.

Nicht nur die Ziele einer Annotation und die damit verbundenen Methoden können sehr verschieden sein, sondern auch die Gegenstände (bzw. ihre digitalen Repräsentationen), die annotiert werden. Sie bilden ein breites Spektrum aus unterschiedlichen Forschungsobjekten, darunter z.B. schriftsprachliche Texte und deren Abbildungen, graphische Elemente und Bilder, Videos, Noten oder gar 3D-Objekte. Doch nicht nur der Annotationsgegenstand, sondern auch die Annotationsinhalte selbst sind vielgestaltig. Annotationen sind nicht immer schriftsprachlich, auch die Unterstreichung eines Wortes, die strukturelle Untermalung einer Textseite, die formale Erfassung der Komposition eines Bildes stellen typische Beispiele für Annotationen dar.

Heterogenität und Diversität mögen auf den ersten Blick hinderlich wirken, um zu gemeinsamen Standards und Verfahrenswegen zu finden. Sie eröffnen jedoch auch die Chance, zu neuen Perspektiven und spezifischen Sichtweisen zu gelangen – sei es durch den wechselseitigen, praxisorientierten Austausch, die differenzierte Betrachtung verschiedener Annotationsverfahren oder die Bündelung einzelner Facetten im Annotationsprozess. Wenn Annotationen mehr als nur individuelle Gedankenstützen sein sollen, können sie ihr  Potential nur dann optimal entfalten, wenn bestimmte  Standards verwendet werden. Denn nur dadurch können  Austauschbarkeit und Nachnutzung von Forschungs(zwischen)ergebnissen gewährleistet werden. Um gemeinsame Lösungen möglichst nachhaltig zu entwickeln und das Thema in der geisteswissenschaftlichen Community zu diskutieren, ist die Kopplung an vorhandene Forschungsinfrastrukturen von großer Bedeutung.

Der von DARIAH-DE organisierte Expertenworkshop Annotation of Digital Media: Infrastructural Needs (Round Table II), der am 23. und 24. März 2015 an der Technischen Universität Darmstadt stattfand, zielte auf genau diese Punkte. Den Grundstein für die konstruktive Diskussionsrunde bildeten die Ergebnisse eines ersten Round Table, der im Juni 2014 von der HRA Heidelberg ausgerichtet wurde. Neben der definitorischen Abgrenzung, also der Frage, was Annotationen denn nun eigentlich sind, standen schon in diesem ersten Workshop Differenzierungen zwischen manuell und maschinell generierten Annotationen, verschiedenen Öffentlichkeitsgraden sowie zwischen Flüchtigkeit und Persistenz von Annotationen zur Diskussion. Daran anknüpfend wurde nun im Rahmen des zweiten Workshops versucht, zu konkretisieren, welche Kriterien und Ansatzpunkte für die Entwicklung von technisch-infrastrukturellen Lösungen relevant sind, um letztlich dem großen Ziel ein wenig näher zu kommen, Analyse- und Annotationsprozesse zusammenzuführen und hierdurch Zusammenhänge sichtbar zu machen  so wie es einst Niklas Luhmann mit seinem Zettelkasten vorgeführt hat.

Zwei Perspektiven erwiesen sich in diesen Zusammenhängen als besonders bedeutend: zum einen die auf Anforderungen an Annotations-Tools, zum anderen die auf Speicherorte bzw. Repositorien und Datenbanken. Damit waren Fragen verbunden wie: Auf welche Datenmodelle, Tagsets, Vokabulare oder Ontologien muss ein Annotationstool zurückgreifen können und inwiefern kann hierbei Standardisierung umgesetzt werden? Wo setzt ein Tool am Gegenstand an, worauf greift es zu, wo werden Annotationen verankert, abgelegt und verwaltet? Wie wird der Zugriff unterschiedlicher Akteure darauf organisiert? Wie stabil bzw. veränderbar muss oder kann der zu annotierende Gegenstand sein, wie die Annotationsebene? Wie geht man mit verschiedenen Versionen um? Wie kann bei Annotationen Zitierbarkeit und gleichzeitig Nachnutzbarkeit erreicht werden? Wie können verschiedene inhaltliche Schichten von Annotationen (z.B. aus verschiedenen Fachperspektiven) selektiv zugänglich gemacht werden? Wie lassen sich Annotationen zu einem Referenz- bzw. Wissensnetzwerk verknüpfen? Diese und noch viele weitere Fragen wurden vor allem  aber nicht nur  mit Blick auf technische Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Festgehalten werden die gemeinsam erschlossenen Lösungswege in einem kollaborativ verfassten Positionspapier, das in Kürze in den DARIAH-DE Working Papers erscheint.

Im Rahmen des DARIAH-DE-Clusters Fachwissenschaftliche Annotationen sind bereits weitere Workshops rund um das Annotieren geplant. Gelegenheit zur fächerübergreifenden und multiperspektivischen Diskussion bietet zudem auch die Mailingliste Annotationen. Wir freuen uns über rege Beteiligung!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4913

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BMBF geförderte Nachwuchsgruppe “eTRAP – electronic Text Re-use Acuisition Project”

gcdh_logo_highresWir freuen uns, die durch das Bundesministerium für Bildung und Foschung (BMBF) finanzierte und am Göttingen Centre for Digital Humanities (GCDH) angesiedelte Nachwuchsgruppe eTRAP (electronic Text Reuse Acquisition Project) bekannt machen zu dürfen.

eTRAP ist eine international und interdisziplinär zusammengestellte Forschergruppe, die ab 1. März 2015 für vier Jahre vor dem Hintergrund der Klassischen Philologie, Geschichte, den Digital Humanities, der Natürlichen Sprachverarbeitung sowie der Visualisierung und der Paläografie/Kodikologie (Handschriftenkunde) an der Georg-August-Universität Göttingen forschen und lehren wird.

Im Fokus der Arbeiten steht dabei das Interesse daran, wie Paraphrasen, Allusionen oder auch Übersetzungen (im Generellen Re-Use) von historischen Autoren in ihren Arbeiten weitergegeben wurden, warum Re-use weiter gegeben wurde und welche Intensionen und Einflüsse dabei eine Rolle gespielt haben. Die Nachwuchsgruppe möchte damit eine Methodik schaffen, mit der „Historischer Text Re-use“ trotz seiner starken Diversität (aufgrund langer Überlieferungslinien, sprachlicher und kultureller Einflüsse, Zerstörung) beschrieben und messbar gemacht werden kann. So werden beispielsweise viele statistische Maße unbrauchbar, wenn historische Texte einen signifikanten Anteil von Re-use enthalten. Diesen  gründlich zu erfassen, ist jedoch auf variantem, historischem Text noch keineswegs gelöst. Als Untersuchungsgrundlage werden Big Data hinzugezogen, also Daten, die zu umfangreich sind, um sie manuell bearbeiten zu können. Es werden Texte in den Sprachen Altgriechisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Latein bearbeitet.

Weitere Informationen zum Projekt und zur Nachwuchsgruppe finden Sie unter http://etrap.gcdh.de/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4853

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International Journal of Digital Art History – Call for Manuscripts

gemeldet von Dr. Harald Klinke M.Sc., Institut für Kunstgeschichte, LMU München

No_zeroThe Digital Age has revolutionized economy, society and our private lives. For decades now, digitalization has also touched most branches of the humanities. With the rising importance of the so called Digital Humanities, Art History is about to change significantly. Since the slide library is irreversibly replaced by image databases, the fact that our media have turned digital opens up to new possibilities. Academic books and journals are increasingly accessed and published via internet. Data-driven approaches enable us to visualize large data-sets and big image data. Computer vision, gamification and citizen science spur new epistemic approaches.

Many such approaches are currently evolving in the international sphere of Art History. Those ideas and projects are in need of a platform of interchange and discourse. A discourse that is linked to Digital Humanities, but regards the special interests and needs of Art History as a historical image science at the interface to Information Science. Thus, the “International Journal of Digital Art History” (DAH) will give authors in this field the opportunity to reach a wider audience, spark a discussion on the future of our discipline and generate an international and interdisciplinary network of scholars and practitioners.

This is a call for manuscripts. The first issue of DAH is scheduled for early 2015. It will focus on the definition of “Digital Art History” in relation to “non-digital”, to information science and general DH. It will encompass the range of the field and its vector into the future. It will also highlight exceptional projects and feature book reviews.

Featured author will be Lev Manovich. He is Professor at The Graduate Center, CUNY, and a Director of the Software Studies Initiative that works on the analysis and visualization of big cultural data.

Manuscripts may be sent to the editors Harald Klinke and Liska Surkemper (editors@dah-journal.org) by Jan, 30 2015. For more information for authors, please visit “Information for Authors”.

ISSN-Print 2363-5398
ISSN-Internet 2363-5401

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4327

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Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik” gestartet

mitgeteilt von Prof. Dr. Elisabeth Burr, Universität Leipzig.

An der Universität Leipzig gibt es ab sofort eine Vortragsreihe zu “Digital Humanities – Theorie und Methodik”.

Die Vortragsreihe soll den Begriff “Digital Humanities” mit Inhalten füllen, indem Fragen ihrer Theorie und Methodik einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Die Vortragsreihe wird mit den folgenden Vorträgen eröffnet:

Montag, 10. November 2014, 15:15-16:45 und 17:15-18:45
Prof. Dr. Elena Pierazzo (Université Stendhal-Grenoble 3): “Modelling Texts, Modelling Editions, Modelling Documents”

Dienstag, 11. November 2014, 17:15-18:45
Dr. Evelyn Gius (Universität Hamburg): “Textanalyse in Zeiten der Digital Humanities. Zur Annotation und Auswertung geisteswissenschaftlicher Textdaten mit CATMA”

Informationen zu den Vorträgen und den beiden Referentinnen können unter http://db.uni-leipzig.de/~ifabdez5/_veranstaltungen/data/dokumente/php20141031020528.pdf abgerufen werden.

Die Vorträge finden im Vortragsraum der Bibliotheca Albertina, Beethovenstr. 6, Leipzig statt. Die Vorträge  sind öffentlich. Alle interessierten Studierenden und Kolleg_innen aus nah und fern sind herzlich willkommen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4234

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“Eine schöne Nebenbeschäftigung”? Perspektiven einer altertumskundlich-mediävistischen Wissenschaftsgeschichte 2.0

Nach der kürzlichen Veröffentlichung eines kleinen E-Books zur “Wissenschaftsgeschichte im digitalen Zeitalter” (https://verlag-ripperger-kremers.de/fluechtigkeit-der-information) möchte ich – aus meiner Perspektive als literaturwissenschaftlicher Mediävist – an dieser Stelle einige Aspekte der Publikation perspektivieren und damit zur weiterführenden Diskussion einladen. Meine Überlegungen verstehe ich als Positionsbestimmung in einer disziplinübergreifenden Wissenschaftslandschaft und als Versuch einer konstruktiven Zusammenführung aktueller Diskussionspotenziale zwischen historisch arbeitenden Disziplinen und den Digital Humanities. Hingewiesen sei nicht zuletzt auch auf weitere Bände der neuen Reihe “Transformationen von Wissen und Wissenschaft im digitalen Zeitalter” (https://verlag-ripperger-kremers.de/ebook-reihe/transformationen-des-wissens).

Es ist eine Klage, die sich durch Jahrzehnte zurückverfolgen lässt: der zunehmende Orientierungsverlust der Geisteswissenschaften hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgabe – Orientierungslosigkeit als “Signum der Gegenwartsphilosophie” (K. W. Zeidler). Verschiedene Gründe werden ins Feld geführt: wachsende Dominanz diffus so bezeichneter ‘Kulturwissenschaften’, vermeintlicher Verfall wissenschaftlicher Werte und Traditionen angesichts von digital turn und open access… Man ist bisweilen erstaunt, wie mühelos kausallogische Zusammenhänge konstruiert werden. Interessanter erscheint die implizite Prämisse, diese Geisteswissenschaften könnten überhaupt eine Orientierungsleistung erbringen. Es geht dann nicht allein um Fragen der Methode, sondern um Zwecke und Ziele, unter denen solche Wissenschaften sich konstituieren. Fragen also, die sich als ungemein stimulierend erweisen können, doch zugleich einer Vielzahl an Meinungen Tür und Tor öffnen, die immer noch regelmäßig im erklärten Niedergang ‘der’ Geisteswissenschaften gipfeln.

Man kann diesen Fragenkomplex als Aufgabe der Fach-Philosophen von sich weisen. Oder sich der vermeintlich unverfänglichen Pflege etablierter Fronten von ‘Theorie’ und ‘Praxis’ widmen, wie sie sich im digitalen Zeitalter wieder verschärft zu haben scheinen. Eine solche Haltung muss aber zumindest in zweifacher Hinsicht verwundern. Zum ersten sind diese Fragen, wie gesagt, bereits seit Jahren, teils Jahrzehnten gestellt, sodass weder Geisteswissenschaften noch Wissenschaftsverlage heute, 2014, unvermittelt vor eine unerwartete Herausforderung gestellt sind, wie manche Diskussion indes suggeriert.[1] Zum zweiten ist die Reflexion von Bedingungen, unter denen Forschung und Theoriebildung sich vollziehen, doch seit jeher Voraussetzung einer fortwährenden Teilhabe an Wissenschaft. Anders gesagt: Die Geisteswissenschaften sind in ihrem Wesen reflexiv und damit gleichsam angewiesen auf Krisen, die dieses Bewusstsein gegenüber dogmatischer Erstarrung schärfen.

Desinteresse und Pessimismus angesichts sich vollziehender Transformationsprozesse mögen auch darauf beruhen, dass der Terminus ‘Wissenschaftsgeschichte’ im 20. Jahrhundert vielfältige Positionen befördert hat, die in ihren Relationen oft schwerlich überschaubar sind. Dahinter steht auch ein generelles terminologisches Problem, angesichts einer Vielzahl so genannter Schlüsselbegriffe, die in Fach- wie Alltagssprache in diversen Varianten verwendet und damit nicht selten zur assoziativen Auslegungsfrage werden. Wenn in den letzten Jahren Tendenzen einer verstärkten Wiederaufnahme und Weiterentwicklung begriffshistoriographischer Fragestellungen zu verzeichnen ist,[2] so sollte man dies zum Anlass nehmen, die Debatte auf breiterer Front wieder zu etablieren.

Das umrissene Desiderat betrifft auch die interdisziplinären Fachbereiche der Germanischen Altertumskunde und Mediävistik, denen die Geschichte des 20. Jahrhunderts eine besondere Aufgabe gestellt hat.[3] Das Erfordernis einer wissenschaftsgeschichtlichen Reflexion präsentiert sich weiterhin als Herausforderung, zumal mit Fokus auf Entwicklungen der Nachkriegsjahrzehnte;[4] gerade die 1980er Jahre kristallisieren sich als Zeitraum eines beschleunigten Orientierungswandels heraus.[5] So sollte man auch in altertumskundlich-mediävistischen Disziplinen (ich ziehe hier bewusst keine scharfen Grenzen) den Versuch wagen, Wissenschaftsgeschichte nicht allein als Geschichte der Wissenschaften im Mittelalter zu verfolgen, sondern sie als jüngere und – Stichwort: digital – jüngste Geschichte einzelner Disziplinen fruchtbar zu machen, zwischen Positionen zu vermitteln.

Damit ist die Frage der Perspektive gestellt, gibt ‘Wissenschaftsgeschichte’ doch kein verbindliches, gleichsam abzuarbeitendes Methodenspektrum an die Hand. Hier ist eine intensivierte Diskussion gefordert. So hat, um einen Ansatzpunkt zu nennen, Otto Gerhard Oexle in den letzten zwei Jahrzehnten das Konzept der ‘Problemgeschichte(n)’ in der Mediävistik befördert, im Sinne einer Orientierung an transdisziplinär zu bearbeitenden Fragestellungen.[6] Über Disziplingrenzen hinaus sind seine Vorschläge bisher aber – soweit ich sehe – allenfalls punktuell rezipiert worden. Zugleich wird daran beispielhaft deutlich, dass die historisch-systematische Hinterfragung disziplinärer Potenziale für ein Bewähren dieses zunehmend verkündeten, aber immer noch vagen Forschungsprinzips ‘Transdisziplinarität’ – in dem an erster Stelle zu lösende Probleme das Verbindende sein sollen – unerlässlich ist. Doch müssen solche ‘Probleme’ als wissenschaftliche (Re-)Konstruktionen in ihrer Geltung begründet sein.

Es kann der Wissenschaftshistoriographie ja nicht einfach um den Nachvollzug einer linear abstrahierten Genese von Wissen und Wissenschaft, eine “Autobiographie der eigenen Vernunft” (J. Mittelstraß) gehen, die dogmatisch am Status quo einer Disziplin orientiert wäre. Es geht um den Nachvollzug von Argumentationen, die darauf gründen, zweckmäßig und zielorientiert zu sein. Erst in der aktualisierenden Verhandlung solcher Argumentationsstrukturen kann Wissen konstituiert und somit relevant werden. Aber wo beginnt und wo endet Argumentation? Es sind ja dynamische Prozesse angesprochen, bei deren Erfassung vielfach mit den Begriffen ‘Innovation’ und ‘Tradition’ operiert wird, einerseits also Potenziale zur Diskussion stehen, andererseits die Unhintergehbarkeit von Wirkungsgeschichten mitgedacht ist. Der Hermeneutik sind beide Begriffe inhärent. Doch ist die Forderung nach hermeneutischer Reflexion vielfach Gemeinplatz geworden: Hermeneutik muss als reproblematisierendes Diskussionsfeld einzelner Disziplinen wieder kultiviert werden![7]

Die Digital Humanities versprechen einen Ausweg aus dem skizzierten Dilemma, erheben sie doch selbstbewusst den Anspruch, eine zukunftsträchtige Form der Geisteswissenschaften zu etablieren.[8] Aber was ist damit gemeint? Wenn regelhaft ‘überprüfbare Antworten’ zum Ziel erklärt werden, so rückt die bekannte Frage der praktischen Relevanz der Geisteswissenschaften in den Fokus, in Orientierung an den so genannten exakten Wissenschaften. Wie verhält sich dieser Anspruch der ‘Exaktheit’ zur angedeuteten philosophischen Dimension der Aufgabe? Ein ‘Antwortenkönnen’ funktioniert in den Geisteswissenschaften ja allein im kulturellen Kontext, setzt dort also weiterhin eine hermeneutische Kompetenz voraus, die sich nicht in Ja/Nein-Entscheidungen erschöpft  – ‘Wissen’ ist dort eben doch noch etwas anderes als in den Naturwissenschaften.[9] Die Leistungsfähigkeit digitaler Werkzeuge liegt aber in Prozessen, die nach eben diesem binären Prinzip automatisiert sind. Einen praktischen Nutzen von Suchfunktionen und Datenbanken wird andererseits niemand in Frage stellen wollen, der diese Leistungsfähigkeit erfahren hat. Doch ist mit der Selektion und Strukturierung abstrakter Daten zu Informationen nicht automatisch ein ‘Wissen’ generiert, um dessen zukunftsträchtige Bewahrung und Aktualisierung es in der Wissenschaft doch gehen soll. Es wird deutlich, dass künftig stärker der Dialog aller Beteiligten zu suchen ist, um etablierte Fronten zu entspannen. Es steht zu hoffen, dass zunehmende – und zunehmend ernst genommene – Blog-Diskussionen dazu ihren Beitrag leisten werden.

In der vorgestellten Publikation konkretisiere ich die vorausgehenden Überlegungen am Beispiel des “Reallexikons der Germanischen Altertumskunde” sowie der vor einigen Jahren daraus hervorgegangenen “Germanischen Altertumskunde Online”.[10] In diesem rund 50.000 Druckseiten umfassenden Großprojekt finden Archäologie, Geschichtswissenschaft, Philologie und Religionswissenschaft zusammen; die Frage der kulturwissenschaftlichen Inter- und Transdisziplinarität ist umso dringlicher gestellt. Waren unlängst aber noch voluminöse Registerbände vonnöten, um Fragestellungen auf einer Metaebene zu verknüpfen, so erscheint die Kombination leistungsfähiger Datenbanken und Suchfunktionen mit digitalen Darstellungsmöglichkeiten (die über bloße Listen ja längst hinausführen) als künftige Option, Problemstellungen der Wissensgenerierung und ‑tradierung visuell zu ‘materialisieren’ – und an einer solchen Darstellung neue Fragen zu entwickeln.

Wo ansetzen? Im Nachvollzug disziplinärer und überdisziplinärer Entwicklungsprozesse treten als Kristallisationspunkte von Diskursen Begriffe hervor, die weiterhin zum konstruktiven Ausgangspunkt einer Untersuchung von ‘Problemen’ gereichen könnten. Es ginge aber nicht darum, weiterhin in enzyklopädischer Weise unter ausgewählten Lemmata disziplinäre Positionen zu versammeln. Es ginge darum, über die Leistungsfähigkeit digitaler Werkzeuge semantische Netze zu generieren, deren Strukturen nach Wirkungszusammenhängen fragen lassen. Die Plausibilität gesetzter ‘Probleme’ wäre dann nicht zuletzt zu bemessen an deren Potenzial, neue ‘Probleme’ zu erschließen; Wissenschaft verwirklicht sich im fortdauernden Prozess. Einer strikten Hierarchie von Fragestellungen und Thesen (und damit schließlich von Disziplinen) wären Netze potenzieller Problemrelationen entgegengestellt, die schließlich auch ‘Unerwartetes’[11] hervorbringen könnten – und damit nicht nur jene curiositas stimulieren, sondern auch der Forderung nach Transdisziplinarität Rechnung tragen würden.

Die Möglichkeiten des digitalen Mediums stehen zu ‘traditioneller’ Wissenschaft somit keinesfalls konträr. Es ist aber an der Zeit, “daß die Theoretiker ihre Überheblichkeit und die Praktiker ihre Ignoranz ablegen”,[12] um programmatischen Bekenntnissen aktive Zusammenarbeit folgen zu lassen. “Das freundliche Ende der Geisteswissenschaften”, das Hans Ulrich Gumbrecht unlängst in der F.A.Z. proklamierte – Geisteswissenschaften als schöne Nebenbeschäftigung (amenity) –,[13] sehe ich noch nicht eingeläutet. Solange indes Bescheidenheit[14] den (‘traditionellen’) geisteswissenschaftlichen Betrieb bestimmt, wird man Gumbrechts Formulierung von einem “Über-Leben auf Gnade und an der intellektuellen Peripherie” zustimmen müssen. Gefordert ist keine neue Form der Geisteswissenschaften. Gefordert ist ein neues Selbstbewusstsein ihrer Vertreterinnen und Vertreter, die sich der Reflexionsform und der Orientierungsfunktion ihrer Tätigkeit – über Fachgrenzen hinaus – wieder bewusst werden und unter den Bedingungen und Möglichkeiten des frühen 21. Jahrhunderts stellen.

Jan Alexander van Nahl 2014: Die Flüchtigkeit der Information. Wissenschaftsgeschichte im digitalen Zeitalter. (Transformationen von Wissen und Wissenschaft im digitalen Zeitalter 3.) Ripperger & Kremers, Berlin.



[1] Vgl. van Nahl, Jan Alexander 2014: Odyssee 2.0? Wege und Irrwege digitaler Publikationen in den Geisteswissenschaften. In: Ulrich Seelbach (Hg.), Zwischen Skylla und Charybdis? Forschung, Wissenschaftsverlage und Web 2.0, S. 129–136. Bern.

[2] Vgl. Eggers, Michael/Matthias Rothe (Hg.) 2009: Wissenschaftsgeschichte als Begriffsgeschichte. Terminologische Umbrüche im Entstehungsprozess der modernen Wissenschaften. Wetzlar.

[3] Vgl. Zernack, Julia 2005: Kontinuität als Problem der Wissenschaftsgeschichte. Otto Höfler und das Münchner Institut für Nordische Philologie und Germanische Altertumskunde. In: Klaus Böldl/Miriam Kauko (Hg.), Kontinuität in der Kritik. Zum 50jährigen Bestehen des Münchener Nordistikinstituts. Historische und aktuelle Perspektiven der Skandinavistik, S. 47–72. Freiburg.

[4] Vgl. meine exemplarischen Bemerkungen zu “Walter Baetke” in: Germanischen Altertumskunde Online 01/2014 (s.u.). Abrufbar unter: http://www.degruyter.com/view/GAO/GAO_32 [20.10.2014].

[5] Vgl. van Nahl, Jan Alexander 2013: Verwehter Traum? Ältere Skandinavistik zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Hartmut Bleumer et al. (Hg.), Turn, Turn, Turn? – Oder: Braucht die Germanistik eine germanistische Wende?, S. 139–142. Siegen.

[6] Vgl. u.a. Oexle, Otto Gerhard 2007: Krise des Historismus – Krise der Wirklichkeit. Eine Problemgeschichte der Moderne. In: Otto Gerhard Oexle (Hg.), Krise des Historismus – Krise der Wirklichkeit. Wissenschaft, Kunst und Literatur 1880–1932, S. 11–116. Göttingen.

[7] Vgl. auch meine Diskussion zu “Veröffentlichungsformen der Zukunft” mit Christian Schwaderer und Jan Keupp unter http://mittelalter.hypotheses.org/3893 [20.10.2014].

[8] Vgl. Thaller, Manfred 2011: Digitale Geisteswissenschaften. Abrufbar unter: http://www.cceh.uni-koeln.de/Dokumente/BroschuereWeb.pdf [20.10.2014]. Es seien an dieser Stelle die Vertreterinnen und Vertreter der Mediävistik daran erinnert, dass Manfred Thaller bereits seit den späten 1970er Jahren (!) zu grundlegenden Fragen einer digitalen Geschichtswissenschaft arbeitet.

[9] Vgl. Rheinberger, Hans-Jörg 2004: Wozu Wissenschaftsgeschichte? In: Rudolf Seising/Menso Folkerts/Ulf Hashagen (Hg.), Form, Zahl, Ordnung. Studien zur Wissenschafts- und Technikgeschichte, S. 51–62. Stuttgart.

[10] http://www.degruyter.com/view/db/gao [20.10.2014].

[11] Rheinberger, Hans-Jörg 2007: Man weiß nicht genau, was man nicht weiß. Über die Kunst, das Unbekannte zu erforschen. In: Neuer Zürcher Zeitung 05.05.2007. Abrufbar unter: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleELG88-1.354487 [20.10.2014].

[12] Peckhaus, Volker 1999: Chancen kontextueller Disziplingeschichtsschreibung in der Mathematik. In: Volker Peckhaus/Christian Thiel (Hg.), Disziplinen im Kontext. Perspektiven der Disziplingeschichtsschreibung, S. 77–95. (Erlanger Beiträge zur Wissenschaftsforschung.) München, hier: S. 92.

[13] Gumbrecht, Hans Ulrich 2013: Ein freundliches Ende der Geisteswissenschaften? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Digital/Pausen 04.10.2013 Abrufbar unter: http://blogs.faz.net/digital/2013/10/04/freundliches-ende-geisteswissenschaften-379 [20.10.2014].

[14] Vgl. Heidbrink, Ludger/Harald Welzer (Hg.) 2007: Das Ende der Bescheidenheit. Zur Verbesserung der Geistes- und Kulturwissenschaften. München.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4170

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AIME – An Inquiry into Modes of Existence (B. Latour)

Screen Shot 2014-08-28 at 13.44.01Einige kennen ihn vielleicht aus Laussane von einem sehr interessanten Vortrag im Rahmen des DH 2014-Opening Plenary: Bruno Latour, Soziologe und Philosoph, Schüler u.a. von Gabriel Tarde – gemeinsam mit Michel Callon und John Law prägender Kopf der ‘material-semiotischen’ Methode der sog. Akteur-Netzwerk-Theorie (oft abgekürzt ‘ANT’). Neben anderen hat David M. Berry dieser DH-Vortrag Latours im Rahmen seines Blogs ganz offensichtlich inspiriert.

Als Professor der Sciences Po, Paris – und gemeinsam mit einem großen Team von Mitarbeitern dort sowie weiteren weltweiten Beiträgern – publiziert Latour nun sein neuestes Buch ‘An Inquiry into Modes of Existence’ im Rahmen einer sehr ansprechend gestalteten, zweisprachigen Internetseite (Zugriff: Anmeldung erforderlich): http://www.modesofexistence.org/

Neben einem Projektblog bietet die Seite Vollzugriff auf den Text Latours (“book”) mittels mehrerer interessanter Technologien, wobei hier neben dem “Notizbuch” und der Volltextsuche insb. die dezente und zugleich  intuitive, vielgenutzte Annotationsmöglichkeit besticht. Sie bildet gewissermaßen eine dritte Spalte des Texts. So finden sich auf o.g. Präsenz neben dem Print-Text (und einer Notizbuch-Funktionalität) auch weitere Anmerkungen, u.a. Latours, es entstehen Diskussionen u.v.m.

Hervorzuheben sind daneben aber auch jene ‘disamalgamierenden’ Text-Zugänge (“crossings”), die Textbereiche des Buchs über eine zweite Spalte, die anfangs als alphabetisch angeordnete Abbreviaturen-Liste erscheinen mag, verknüpfend durchziehen – oder aber thematisch angeordnet sowie mittels übersichtlich vernetzter ‘Punkt’-Einstiege einen weiteren Einstieg erlauben. Mehrere, einblendbare Tutorials, teils in Form von Videos, führen begleitend auch in diese experimentelleren Bereiche ein. Nicht zuletzt diese lohenen einen Besuch.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3979

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Rotkäppchen und der böse Wolf? – Das Titelthema „Digitale Geisteswissenschaften“ in Humboldt Kosmos

Kenneth Whitley, „Once upon a time“, ca. 1939. Bildnachweis: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, http://www.loc.gov/pictures/item/98518274/ (public domain).

Kenneth Whitley, „Once upon a time“, ca. 1939. Bildnachweis: Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, http://www.loc.gov/pictures/item/98518274/ (public domain).

Die Digitalen Geisteswissenschaften bleiben im Gespräch! Nach der großen Herrenhausen-Tagung der Volkswagen Stiftung im Dezember 2013, dem ausführlichen duz-Themenheft vom November 2013, das den schönen Titel „Digitale Geisteswissenschaften – Die Nerds unter den Denkern“ hatte, sowie der ersten Jahrestagung des Verbands der Digitalen Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum (DHd) in Passau mit über 350 TeilnehmerInnen, stehen die Digitalen Geisteswissenschaften nun erneut im Fokus der geisteswissenschaftlichen Öffentlichkeit: Im August diesen Jahres ist Humboldt Kosmos, das Magazin der Alexander von Humboldt Stiftung, mit dem Titelthema „Digital Humanities – Rotkäppchen 2.0“ erschienen (Heft 102/2014).

Das Titelthema wird im Kontext des Wissenschaftsjahrs 2014 präsentiert, das unter dem Motto „Die digitale Gesellschaft“ steht, und erscheint sowohl auf deutsch als auch auf englisch. Auch das Engagement der Humboldt-Stiftung in diesem Bereich, insbesondere mit der Einrichtung der hochdotierten Humboldt-Professur „Digital Humanities“ in Leipzig, die bekanntlich mit Gregory Crane besetzt wurde, dürfte eine Rolle bei der Wahl des Themas gespielt haben.

Der Beitrag der Wissenschaftsjournalistin Lilo Berg beleuchtet verschiedene Einsatzgebiete digitaler Daten und Methoden in den Geisteswissenschaften und zeigt überzeugend deren Nützlichkei für die Forschung auf, nicht ohne auch problematische Aspekte anzusprechen. Der Haupttext, in dem zahlreiche prominente deutsche VertreterInnen der digitalen Geisteswissenschaften sowie einige kritische Stimmen zu Wort kommen, wird flankiert von Kurzprofilen der Beitragenden, einer Übersicht zu relevanten Studienangeboten und Zentren, einer kurzen Geschichte der Digital Humanities sowie einer Liste von Zeitschriften, Verbänden und Projekten aus dem Bereich der Digitalen Geisteswissenschaften. Ohne Zweifel bringt ein solcher Beitrag dem Thema viel Aufmerksamkeit und man kann sich daher eigentlich nur darüber freuen! Zugleich stolpert man als selbst in den Digitalen Geisteswissenschaften engagierter Wissenschaftler doch über die eine oder andere Passage, die das Feld weniger überzeugend porträtiert.

Zunächst einmal wird aber der große Nutzen digitaler Daten und Methoden für genuin geisteswissenschaftliche Fragestellungen, die zudem auf breites Interesse stoßen, nicht nur an zahlreichen Beispielen aus der Forschungspraxis der für den Beitrag befragten ForscherInnen aufgezeigt, sondern eben auch an dem wunderbaren Beispiel, das dem Themenheft seinen Titel gibt: Rotkäppchen. Was für die Gebrüder Grimm mangels Daten und Methoden eine unerreichbare Herausforderung war, nämlich die Ergründung der weltweiten Verbreitung des Rotkäppchen-Themas und die Suche nach einem möglichen Ursprung der Erzählung, wird mit digitalen Daten und Methoden erstmals möglich. Der Beitrag berichtet von den Arbeiten des Anthropologen Jamshid Tehrani, der auf der Grundlage zahlreicher (allerdings bei weitem nicht aller) Fassungen von Rotkäppchen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und unter Nutzung digitaler Methoden, unter anderem Algorithmen aus der Phylogenetik, zu verlässlichen und neuen Ergebnissen kommt: Er zeigt, dass die Frage nach einem gemeinsamen Ursprung schlecht gestellt ist, sondern dass es vielmehr drei große Familien des Themas gibt, wie sie in Asien, Afrika und Europa existieren. (Wer den Originalbeitrag von Tehrani lesen möchte, kann dies übrigens in der ausgezeichneten Zeitschrift PLOSone tun, wo der Beitrag im Open Access erschienen ist.)

So schön dieses und weitere Beispiel sind, so schade ist allerdings auch, dass der Artikel immer wieder etwas verkürzend oder unkritisch verfährt, sowohl wenn es um bestimmte Details der digitalen Forschungspraxis und -methoden geht, als auch insbesondere dann, wenn es um die Argumente der Kritiker der Digitalen Geisteswissenschaften geht. Ein erster Punkt betrifft das disziplinäre Profil der Digitalen Geisteswissenschaften. Es fällt zum Beispiel (insbesondere den Literaturwissenschaftlern unter uns) auf, dass die Linguistik und Archäologie als Pioniere der Digitalen Geisteswissenschaften genannt werden, dann weitere Disziplinen genannt, die Literaturwissenschaft aber an dieser Stelle überhaupt nicht erwähnt, sondern offenbar unter die Linguistik subsumiert wird. Im überwiegenden Teil des Beitrags geht es dann umgekehrt vor allem um literaturwissenschaftliche Gegenstände und Methoden, und die Literaturwissenschaften im weitesten Sinne sind – mit Gregory Crane, Martin Hose, Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Jan-Christoph Meister, Claudine Moulin, und Gerhard Wolf – die bei weitem am Besten vertretene Disziplin im Beitrag. Zwar kommen Archäologie und Linguistik noch kurz zur Sprache, die zahlreichen Aktivitäten und Initiativen in anderen Bereichen der Digitalen Geisteswissenschaften in Deutschland – man denke insbesondere an die Geschichte, Kunstgeschichte oder Musikwissenschaft, bleiben leider unerwähnt. Das disziplinäre Profil der Digitalen Geisteswissenschaften ist viel breiter und viel interdisziplinärer, als es der Beitrag vermittelt.

Ziemlich befremdlich ist außerdem, dass ohne jegliche kritische Distanz die Digitalen Geisteswissenschaften für ein bestimmtes Übel der Gegenwart verantwortlich gemacht werden. Es mag ja sein, dass die Konzentrationsfähigkeit und sprachliche Sicherheit von Studierenden (zumindest aus Sicht der ProfessorInnen) unzureichend ist, und vielleicht stimmt es ja tatsächlich, dass diese beiden Kompetenzen bei Studienanfängern über die Jahre hinweg abnehmen. Die Digital Humanities, so wird im Beitrag Gerhard Wolf zitiert, verstärkten diesen Trend! Wenn es diesen Trend gibt (der Punkt ist durchaus umstritten), so ist dafür doch allenfalls die übergreifende Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens und der Medien insgesamt verantwortlich zu machen, nicht jedoch ein noch kleiner Teil des Wissenschaftsbetriebs, mit dem die allermeisten StudienanfängerInnen während ihrer Schulausbildung und Sozialisation bis dahin wohl kaum in Berührung gekommen sein dürften. Glücklicherweise ist das wirklich ein Randthema des Beitrags.

Wirklich ärgerlich wird es allerdings beim Thema Forschungsförderung. Hier übernimmt der Beitrag unkritisch die Strategie eines seiner Beiträger, etablierte und digitale Geisteswissenschaften gegeneinander auszuspielen. Einer der Kritiker der Digitalen Geisteswissenschaften, Gerhard Wolf, wird mit folgendem Hinweis zitiert: „Digitalprojekte verschlingen Ressourcen, die wir dringend für unser geisteswissenschaftliches Kerngeschäft bräuchten“. Dass die dann von Wolf genannten Kernaufgaben, „interpretatives Erforschen und Editieren“ selbstverständlich von den digitalen GeisteswissenschaftlerInnen praktiziert werden, bleibt unerwähnt. Auch sei die Langzeitverfügbarkeit digitaler Objekte “nicht gewährleistet” und die “Abhängigkeit von der Technik nehme besorgniserregend zu”. Hier bleibt die Tatsache unerwähnt, dass die Langzeitverfügbarkeit papierbasierter Editionen auch nicht an sich gewährleistet ist, sondern erst durch eine über Jahrhunderte gewachsene und institutionalisierte Bibliothekslandschaft möglich wird, mithin durch Infrastrukturen, von denen wir abhängig sind. Die Anstrengungen, um eine vergleichbar tragfähige und dauerhaft verlässliche digitale Infrastruktur für digitale Objekte zu schaffen (in der Tat nach wie vor eine Herausforderung!), in der Digitalisate sicher aufbewahrt, langfristig verfügbar und unter neuen Fragestellungen nutzbar sind, werden erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit und mit vergleichsweise geringen Mitteln betrieben. Niemand würde fordern, statt Bibliotheken doch lieber Forschung zu fördern, denn Bibliotheken sind unbestrittene Grundlage für Forschung. Ebenso verhält es sich mit der digitalen Infrastruktur: auch sie ist Grundlage (digitaler) Forschung und auch sie muss in vergleichbarer Weise wie die analoge Forschungsinfrastruktur institutionalisiert und dauerhaft gefördert werden. Vor allem aber: Alle GeisteswissenschaftlerInnen sollten an einem Strang ziehen, um ihre wissenschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung sichtbar zu machen und mit ihren (auch, aber nicht nur finanziellen) Bedürfnissen bei Politik und Forschungsförderern gehört zu werden!

Was bleibt als Fazit? Einen Blogpost über einen wissenschaftsjournalistischen Beitrag schreibt man nicht, um seine Stärken zu loben. Daher lag hier der Schwerpunkt auf einigen Aspekten des Beitrags, die aus Sicht der Digitalen Geisteswissenschaften eher kritisch zu sehen sind. Es bleibt zu hoffen, dass sich die sicherlich zahlreichen GeisteswissenschaftlerInnen, die den Beitrag lesen werden, in der Lage sind, die Verkürzungen des Beitrags zu erkennen und ihnen vor allem die wunderbaren Anwendungsbeispiele im Gedächtnis bleiben, die zeigen, wie vielfältige neue Erkenntnisse und neue Fragestellungen durch digitale Daten und Methoden möglich werden!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3953

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Erstes Treffen des DARIAH-DE Stakeholdergremiums “Wissenschaftliche Sammlungen” in Göttingen

Am 23.07.2014 fand an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen das erste Treffen des Stakeholdergremiums „Wissenschaftliche Sammlungen“ statt. Das Expertengremium wird als regelmäßiges Plenum des Austausches zwischen Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen, BibliothekarInnen, ArchivarInnen und InformationswissenschaftlerInnen dienen, um fachwissenschaftliche Anforderungen an digitale wissenschaftliche Sammlungen zu artikulieren. Ziel des Gremiums ist es, Erfahrungen im Umgang sowie potentielle Nutzungsszenarien von wissenschaftlichen Sammlungen zur Sprache zu bringen, die von DARIAH-DE entwickelten Konzepte und Nutzungsszenarien in Bezug auf wissenschaftliche Sammlungen kritisch zu evaluieren, entsprechende Empfehlungen und Konzepte zu erarbeiten und für ihre Dissemination Sorge zu tragen sowie weitere relevante Fragen im Bereich zu identifizieren und zu diskutieren.

Mehr Informationen hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3867

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Round Table „Annotation von digitalen Medien”

von Luise Borek und Ruth Reiche, Technische Universität Darmstadt

Wer kennt ihn nicht, den Drang beim Lesen eines Textes ein paar Zeilen zu unterstreichen, eine Notiz an den Rand zu schreiben oder wichtige Stellen mit einem Post-It zu versehen, um sie bei Bedarf schnell wieder zu finden? Annotieren ist ein urmenschliches Bedürfnis, im Analogen wie auch im Digitalen. Doch ist bei einer Transformation vom Analogen ins Digitale ein Mehrwert zu erwarten, der Annotationspraktiken als Arbeitsinstrument für die Geistes- und Kulturwissenschaften neue Qualitäten verleiht, insofern digitale Annotationen medienübergreifend wirken, leicht mit anderen geteilt und von anderen ergänzt werden können und so die Entstehung von Wissen über einen längeren Zeitraum nachvollzogen werden kann.

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Prinzipiell können alle Arten von digitalen Objekten annotiert werden, nicht nur Texte, sondern z.B. auch Bilder oder Videos. In diesem thematischen Kontext hat sich der Round Table „Annotation von digitalen Medien” positioniert, organisiert von der HRA Heidelberg und mit TeilnehmerInnen verschiedener Fachdisziplinen aus Berlin, Darmstadt, Essen, Heidelberg und Rom. Er fand am 5. und 6. Juni 2014 im Heidelberger Karl Jaspers Centre statt. Anhand konkreter Beispiele aus den jeweiligen Forschungsprojekten ist die Runde gemeinsam fünf Kernfragen digitalen Annotierens nachgegangen:

  1. Was sind Annotationen?
  2. Wer nutzt Annotationen?
  3. Zu welchem Zweck?
  4. Wie werden sie eingesetzt?
  5. Warum überhaupt Annotationen?

Die Frage danach, was Annotationen sind, entspringt dem Bedürfnis einer definitorischen Abgrenzung des Gegenstandsbereichs. Auch wenn alles, was auf ein ‚Datum’ referenziert, ein ‚Metadatum’ ist, so gehen Annotationen doch über rein deskriptive Metadaten hinaus. Vielmehr können manuelle Annotationen als Mikro-Publikationen eines Autors oder einer Autorin verstanden werden, denen maschinell generierte Annotationen gegenüberstehen. Bei einer solchen Gegenüberstellung darf allerdings nicht vergessen werden, dass letzteren die Leistung zum Design des automatisierten Verfahrens vorausgeht. Weiter können wissenschaftliche, private sowie projektinterne Annotationen unterschieden werden, die sich in ihrem Zugang unterscheiden (öffentlich vs. privat) sowie in ihrer Dauerhaftigkeit (persistent vs. flüchtig). Mit diesen drei Typen und ihren Anforderungen sind auch schon unterschiedliche Nutzergruppen impliziert.

Doch aus welchem Grund annotieren welche Nutzer? Hier sind verschiedene Szenarien denkbar, die stark vom jeweiligen Workflow abhängen, in dem die Annotationen auftreten und der somit ihre Anforderungen bedingt. In einem kollaborativen Arbeitsprozess besitzen Annotationen z.B. oftmals vorläufigen Charakter. Erst nach erfolgter Prüfung werden diese im späteren Verlauf durch feststehende Annotationen abgelöst. Letztere bedürfen selbstverständlich eines anderen Status als ihre kurzlebigen (und nicht mehr benötigten?) Vorgänger, denn die Grundlage der Wissenschaftlichkeit besteht in der Nachprüfbarkeit von Belegen. Deshalb sind persistente Annotationen für wissenschaftliche Nachnutzbarkeit dringend notwendig. Konsequent umgesetzt entsteht ein verlässliches Netzwerk des Wissens, das die Idee des Konzepts ‚Linked Data’ mittels eines standardisierten Referenzsystems für wissenschaftliche Kontexte weiterdenkt.

Neben den bereits skizzierten Themenfeldern rund um das Annotieren eröffnet sich mit Fragen nach Raum- und Zeitkomponenten von zu annotierenden Objekten ein weiterer Bereich, der in diesem Kontext noch wenig diskutiert wurde: Objekte verändern sich über die Zeit. Folglich wird nicht ein Objekt annotiert, sondern dessen Zustand bzw. eine Version des Objekts, die das vorliegende Digitalisat repräsentiert.

Der Round Table hat sich als ein geeignetes Format für praxisorientierten Austausch über Annotationen erwiesen und allen TeilnehmerInnen Anregungen für ihre Forschungsprojekte gegeben. Im Rahmen von DARIAH-DE kann das Annotationscluster als Plattform für weitere Gespräche über dieses verbindende Thema fungieren. Zu diesem Zweck ist bereits eine Mailingliste eingerichtet. Wir laden alle Interessierten zum Erfahrungsaustausch ein und freuen uns auf rege Diskussionen. Let’s post-it!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3831

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