Cui bono? Über Sinn und Nutzen einer Übersetzung der Werke Joachims von Fiore

By permission of the President and Fellows of Corpus Christi College, Oxford, ms 255A, Joachim von Fiore, Liber Figurarum, fol. 17v a) Autor und Edition Joachim von Fiore war lange Zeit eins der schwarzen Löcher des Mittelalters. Obwohl sein Name…

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/7166

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Individuum und Netzwerk: Favoriten und Adelsparteien im höfischen Umfeld

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“) Der Favorit tritt zumeist als Individuum auf. Er bewegt sich in einem System, in dem Höflinge um die Gunst und Zuneigung des Herrschers konkurrieren und auf Ämter und…

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6212

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Freund und Favorit: Begriffliche Reflexionen zu zwei Bindungstypen an spätmittelalterlichen Höfen

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“)1

Am Anfang der folgenden Überlegungen steht eine Irritation: Sie resultiert aus der Bourdieu’schen Theorie von der Existenz unterschiedlicher Kapitalformen – des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals –, die im sozialen Miteinander mehr oder weniger konvertierbar sein sollten und vom Individuum zur sozialen Positionierung eingesetzt werden können. Zur Erklärung der sozialen Dynamik spätmittelalterlicher Höfe ist dieses Modell gleichermaßen einleuchtend und hilfreich.2 Es weist aber mindestens eine Bruchstelle auf: So gut es viele (wenn auch nicht alle) Prozesse und Strategien des Handelns im höfischen Kontext erklärt, ist die Dynamik erst einmal angelaufen, so lässt es doch die Frage nach dem Eintritt in das Spiel offen. Woher kommt das Kapital, das Bewegung über die ständige Konvertierung hinaus ermöglicht? Oder anders gefragt: Wie gelingt Neuankömmlingen der Eintritt?

Eine mögliche Antwort bietet die Ressource des ‚Gefallens‘, die man auch als ‚emotionales Kapital‘ fassen könnte und die zwei Typen der sozialen Nahbeziehung verbindet, welche oft analytisch getrennt werden. Mit der folgenden knappen Skizze möchte ich diese Trennung kritisch hinterfragen, die dem ‚Freund‘ den ‚Favoriten‘3 gegenübergestellt – denn das ‚Gefallen‘ oder die ‚positive emotionale Zuwendung‘ scheint ja sowohl bei der Freundschaft wie beim Favoritentum von großer Bedeutung zu sein. Dabei will ich nicht verschweigen, dass die Rolle der Emotionen für die spätmittelalterliche Freundschaft recht umstritten ist4, während für den Favoriten – oder zumindest eine seiner Spielarten – Philippe Contamine ausdrücklich formulierte: „Le mignon doit plaire.

[...]

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6130

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Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München)

Portrait Hartmann Schedels aus BSB, Clm 30

Portrait Hartmann Schedels (Quelle: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 30, f. 2v, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0, bearbeitet)

Im jubiläenreichen Jahr 2014 gesellte sich ein weiterer für die deutschen Humanismusforscher zwar prominenter, von der breiteren Öffentlichkeit jedoch eher wenig gefeierter Jubilar dazu: der Arzt und Sammler Hartmann Schedel (1440–1514). Anlässlich seines 500. Todestags organisierte die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) die Ausstellung „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ in ihrer Schatzkammer in München. Dass die BSB überhaupt in den Besitz dieser außerordentlichen Sammlung, die eine der seltenen geschlossenen deutschen Privatbibliotheken des Spätmittelalters darstellt, gekommen ist, hat sie Melchior Schedel (1516–1571), Hartmanns Enkel und letztem überlebenden Nachfahren, zu verdanken. Wenig an den Büchern seines Großvaters interessiert, überging er dessen ausdrücklichen Willen, dass seine Bücher alle in der Liberey […] beieinander bleiben und den namen der Schedel und [s]einen Kinden und iren nachkommen zu nutz behalten werden sollen1 und verkaufte 1552 die Bibliothek für 500 Gulden an den Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger (1516–1575). Dieser, in Geldnöte geraten, trat sie wiederum zwei Jahrzehnte später an den bayerischen Herzog Albrecht V. ab, womit Schedels Sammlung trotz einiger Verluste als geschlossener Bestand in die Münchner Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der Bayerischen Staatsbibliothek, integriert werden konnte. Wer Hartmann Schedel heute dort sucht, wird ihn schnell finden, hat er doch in zahlreichen handschriftlichen und gedruckten Codices sein Monogramm HA. S. D.  – Hartmann Schedel doctor – hinterlassen. Von den über 370 Handschriften und 460 Drucken zeigt die Ausstellung eine repräsentative Auswahl von 40 Bänden, darunter fünf Ausgaben der Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert und einige Leihgaben, die wichtige Stationen in Schedels Leben und sein ungewöhnlich vielschichtiges Sammelinteresse dokumentieren.

Die Ausstellung ist auf zwei Räume verteilt. In der Schatzkammer stehen Hartmann Schedels Biographie und seine Sammlung im Vordergrund. Schedel steht auch physisch prominent im Zentrum des kleinen Raumes, denn dort ist das Arzneibuch des süditalienischen Arztes Mattheus Silvaticus aus Salerno ausgestellt; weniger wegen des Inhalts als seiner Bedeutung für Schedels Biographie ist es bemerkenswert: Es enthält das bekannte, zeitgenössische Portrait Schedels aus der Zeit seiner ersten Heirat 1475, das nachträglich aus dem Familienbuch Schedels herausgelöst und in den Codex inseriert worden ist. Es zeigt ihn im langen roten Mantel des gelehrten Arztes und mit roter Kopfbedeckung. Wie ein Gravitationszentrum scheint er so die rundherum angeordneten Schaukästen zusammenzuhalten.

Die Ausstellung beginnt mit zwei wichtigen Handschriften aus Schedels Besitz, seinem persönlichen Exemplar der lateinischen Weltchronik, das nicht nur auf Grund seiner prächtigen Ausstattung, sondern auch wegen der zahlreichen Beigaben und handschriftlichen Zusätze des Autors wertvoll ist, und der Abschrift des Familienbuchs für seinen Enkel Melchior (um 1552). Dieser Liber genealogiae et rerum familiarium ist im Original bis auf das bereits genannte Portrait verloren und nur durch zwei frühneuzeitliche Abschriften, die Johann Jakob Fugger nach dem Ankauf der Bibliothek anfertigen ließ, zu rekonstruieren. Beide sind als Leihgaben der Staatsbibliothek zu Berlin –Preußischer Kulturbesitz und aus Privatbesitz im ersten Ausstellungsraum zu sehen. Bereits hier ist die konzeptionelle Klammer zum letzten Exponat der Ausstellung aufgemacht, der Familienchronik und der Autobiographie des Melchior Schedel (um 1570), für die Hartmanns Enkel das Familienbuch als Quelle benutzte. Sie ist als Leihgabe der Landesbibliothek Coburg im zweiten Ausstellungsraum in einem eigenen Schaukasten zu besichtigen.

Im Uhrzeigersinn führen die weiteren Schaukästen durch Schedels Studienzeiten in Leipzig (1456–1463) und Padua (1463–1466). Dazwischen verklammern Wandtafeln mit Basisinformationen die Schaukästen. Ausgewählte Studien- und Fachliteratur zeigen Schedel als vielseitigen Studenten, der bald ein ausgeprägtes Interesse am Humanismus entwickelte und seine Büchersammlung dahingehend auch systematisch erweiterte. Neben medizinischer Fachliteratur ist zum Beispiel auch seine älteste Studienhandschrift (1456–1459) zu sehen, die Einblick in das Grundstudium gibt, das er in Leipzig absolvierte; ein Liederbuch dokumentiert wiederum nicht nur sein Interesse an Musik, sondern stellt auch eine selten überlieferte Quelle des 15. Jahrhunderts dar; mit dem Wechsel nach Padua für das Medizinstudium konnte Schedel auch seinen humanistischen Neigungen besser nachgehen. So erwarb er zahlreiche „Klassiker“ des italienischen Humanismus, zum Beispiel den ausgestellten Druck der Commedia Dantes. Ein kleines Elementarlehrbuch der griechischen Sprache zeigt außerdem, dass er nicht nur Latein beherrschte, sondern sich in Padua auch an einer weiteren, in dieser Zeit kaum mehr verbreiteten Fremdsprache versuchte. Dass er sie mit recht beachtlichem Erfolg gemeistert hat, wird im Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus deutlich. Darin hatte Schedel zahlreiche Inschriften, darunter auch viele griechische gesammelt. Dieses epigraphische Großwerk ist monumentaler Ausdruck von Schedels lebenslanger, antiquarischer Sammelleidenschaft.

Schön gelungen ist, dass neben Schedel auch andere Familienmitglieder und sogar seine akademischen Lehrer durch die ausgestellten Bücher immer wieder in Erscheinung treten. So geben ein Rechenbuch und ein venezianisch-nürnbergisches Sprachbuch Einblick in die kaufmännische Ausbildung des jüngeren Bruders Johannes, eine Bibelhandschrift führt zu den Grabners, der Familie von Schedels Mutter, schließlich wird Hermann Schedel, Hartmanns Vetter, durch eine vererbte Handschrift des Petrus de Abano sichtbar und etwas später findet man auch seine Söhne in einer astronomisch-astrologischen Handschrift, in die Schedel die Horoskope anlässlich ihrer Geburt eingetragen hat. Seine Professoren und Vorlesungen in Padua hielt Schedel in einer Liste am Ende des repräsentativen Codex Clm 13 fest. Zweien widmete er darin jeweils eine Seite mit Epigramm und den Portraits der Mediziner; über seinen hochverehrten Doktorvater Matteolo Mattioli verfasste er zudem eine sehr persönliche Biographie in der Weltchronik, die nicht nur dessen Fachexpertise, sondern auch seine Gelehrsamkeit in den Sieben Freien Künsten und in der Theologie rühmte. Diese ist allerdings nicht eigens ausgestellt.

Von der medizinischen Praxis Schedels zeugen das ausgestellte Rezeptarium, das ebenso als eine Art Kartei seiner Nördlinger und Amberger Patienten gelesen werden könnte. Für seine Nürnberger Zeit existiert ebenfalls ein Rezeptbuch, in das Schedel außer den ärztlichen Aufzeichnungen ein in mehrere Gruppen geordnetes Inventar seiner Bücher eingetragen hat. Es steht am Ende der Ausstellung und erinnert den Besucher daran, dass es hier um weit mehr als die 40 ausgestellten Bücher geht, nämlich um eine so immense Sammlung, die einen systematischen Katalog erforderlich gemacht hatte, um die benötigte Fachliteratur schnell zu finden.

Während seiner praktischen Tätigkeiten versorgte sich Schedel natürlich weiterhin mit aktueller medizinischer Fachliteratur, beschaffte sich zum Beispiel das erste deutsche Lehrbuch der Chirurgie oder Ausgaben von Hans Folz’ medizinischen Reimpaargedichten. Nebenbei hielt er sich über allerlei Neuerscheinungen in Italien und Deutschland auf dem Laufenden, wie die gedruckten Bücheranzeigen und manche „Bestellliste“ aus seinem Besitz dokumentieren. In diesem Teil der Ausstellung deutet sich schon der Übergang vom handschriftlichen Codex zum gedruckten Buch an, der sich auch in Schedels Bibliothek niedergeschlagen hat und der nun zum zweiten Teil der Ausstellung, der Weltchronik, überleitet.

Nach dem Durchgang durch Schedels Leben ist der Raum vor der Schatzkammer der Weltchronik gewidmet. Thematisiert werden ihre Hauptquellen, aber auch die Nachdrucke und erste Initiativen zur Überarbeitung und Ergänzung der Informationen. Hervorzuhaben sind darunter vielleicht Schedels Hauskalender für die Jahre 1502–1510, in denen er Familiennachrichten und wichtige Ereignisse wie seine eigene Erkrankung oder den Tod des langjährigen Freundes Hieronymus Münzer (1437–1508) eintrug, und ein eigenhändiger Brief des Johannes Trithemius (1462–1516) von 1502, mit dem er eine ausgeliehene Handschrift an Schedel zurücksandte. Dem, dass Schedel nur auf Grund seiner umfangreichen Büchersammlung in so kurzer Zeit die monumentale Weltchronik hat zusammenstellen können, wird man leicht zustimmen, nachdem im Raum vorher diese gelehrte Fachbibliothek vor dem geistigen Auge des Betrachters wiedererstanden ist. Wer weitere visuelle Hilfe braucht, dem bietet sich eine PC-Station, an der man die virtuelle Bibliothek Schedels durchstöbern kann.

Zusammenfassend kann man die Ausstellung durchaus als gelungen bezeichnen. Schon der geringe Platz macht eine Auswahl an Exponaten nötig. Dazu ist eine Ausstellung in einer Bibliothek über Bücher mit dem naheliegenden Problem konfrontiert, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen. Doch ist der Platz gut genutzt, die Auswahl der Exponate sehr treffend und auch der Medieneinsatz sorgt in dem kleinen Rahmen für eine sinnvolle Informationsfülle. In den wenigen, aber sorgfältig ausgewählten und präsentierten Büchern werden pointiert Lebensstationen Schedels gezeigt. Die großen Aufsteller zur Weltchronik geben über das bloße Buch hinaus Einblick in den Produktionsprozess eines spätmittelalterlichen Bestsellers. Beeindruckend für den aufmerksamen Betrachter ist hier sicher die Information, dass die Financiers mit einem Kapital von 1000 Gulden einstanden, während vorher bereits Schedels jährlicher Grundverdienst als Stadtarzt in Nördlingen mit 40 Gulden beziffert wurde. Für den Fachwissenschaftler gibt es außerdem Highlights wie die Familienbücher, die Rezeptbücher, das Handexemplar der Weltchronik, den Liber antiquitatum und natürlich auch die Leihgaben. Wer der Faszination des Originals weiterhin erliegt, den stört es auch nicht, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen.

Zur Ausstellung ist ein sehr schöner Katalog erschienen. Die Konzeption folgt dem Aufbau der Weltchronik. Das erst alter verfolgt den Aufstieg und Niedergang der Nürnberger Familie Schedel, anschließend werden Schedels Studienzeit in Leipzig und Padua, seine Tätigkeit als Stadtarzt in Nördlingen, Amberg und Nürnberg, seine Sammelinteressen und die Bibliothek, die Weltchronik und schließlich, im sibend alter, seine Bücher und ihr Schicksal behandelt. Jeweils ein einführender Aufsatz umreißt knapp und präzise die Lebensstation bzw. den Ausstellungsbereich. Es ist absolut empfehlenswert direkt mit dem Katalog durch die Ausstellung zu gehen. Denn die Wandtafeln und Schilder geben zwar einige Basisinformationen zu den jeweiligen Exponaten, doch sind diese im ersten Fall sehr knapp, im zweiten bibliographischer Natur, d.h. sie geben Titel, Material, Entstehungsort und –datum, Signatur, Folioangaben etc. an. Schön ist dabei, dass jeweils zusätzlich über die aufgeschlagenen Seiten informiert wird. Über den historischen Kontext und konkreten Entstehungszusammenhang, die Überlieferungsgeschichte und andere Besonderheiten, kurz: „den Sitz im Leben“ der jeweiligen Handschrift, geben nur die Artikel im Katalog fachkundig Auskunft. Durch ein eigenes PC-Symbol wird auch auf bereits digitalisierte Bände hingewiesen.

Dass Schedel nicht ohne sein Monumentalwerk der Weltchronik gezeigt werden kann, ist verständlich, umso schöner ist es, dass eine Woche nach der Eröffnung der Ausstellung in München am 28. und 29. November im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg die Jahrestagung der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft zur Erforschung von Renaissance und Humanismus e.V. zum Thema „Hartmann Schedel (1440–1514). Leben und Werk“ stattfand, wobei die Biographie und das Umfeld Schedels im Vordergrund standen. Wie eng die Kooperation und Abstimmung zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Pirckheimer-Gesellschaft war, zeigt nicht nur der Umstand, dass die Kuratorin Dr. Bettina Wagner als Referentin eingeladen war, sondern auch, dass die Vorträge die in der Ausstellung behandelten Themen aufgriffen, vertieften und auch sinnvoll erweiterten. Schedels Bücher bildeten bei vielen Vorträgen selbstredend die Basis der Ausführungen, doch kam hier wieder verstärkt der Mensch hinter den Büchern hervor. Erst wenn also das zugehörige Jahrbuch der Gesellschaft erscheinen wird, wird der Interessierte rundum informiert sein über die bekannteste Büchersammlung an der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. März. Es sind zwei Youtube-Videos und eine Bildergalerie verfügbar.

Zitationsempfehlung/Suggested citation: Karoline Döring: Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 19. Februar 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5303 (ISSN 2197-6120).

  1. Vgl. den Ausstellungskatalog: Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514), hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, München 2014, S. 155

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5303

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Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München)

Portrait Hartmann Schedels aus BSB, Clm 30

Portrait Hartmann Schedels (Quelle: München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 30, f. 2v, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0, bearbeitet)

Im jubiläenreichen Jahr 2014 gesellte sich ein weiterer für die deutschen Humanismusforscher zwar prominenter, von der breiteren Öffentlichkeit jedoch eher wenig gefeierter Jubilar dazu: der Arzt und Sammler Hartmann Schedel (1440–1514). Anlässlich seines 500. Todestags organisierte die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) die Ausstellung „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ in ihrer Schatzkammer in München. Dass die BSB überhaupt in den Besitz dieser außerordentlichen Sammlung, die eine der seltenen geschlossenen deutschen Privatbibliotheken des Spätmittelalters darstellt, gekommen ist, hat sie Melchior Schedel (1516–1571), Hartmanns Enkel und letztem überlebenden Nachfahren, zu verdanken. Wenig an den Büchern seines Großvaters interessiert, überging er dessen ausdrücklichen Willen, dass seine Bücher alle in der Liberey […] beieinander bleiben und den namen der Schedel und [s]einen Kinden und iren nachkommen zu nutz behalten werden sollen1 und verkaufte 1552 die Bibliothek für 500 Gulden an den Augsburger Kaufmann Johann Jakob Fugger (1516–1575). Dieser, in Geldnöte geraten, trat sie wiederum zwei Jahrzehnte später an den bayerischen Herzog Albrecht V. ab, womit Schedels Sammlung trotz einiger Verluste als geschlossener Bestand in die Münchner Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der Bayerischen Staatsbibliothek, integriert werden konnte. Wer Hartmann Schedel heute dort sucht, wird ihn schnell finden, hat er doch in zahlreichen handschriftlichen und gedruckten Codices sein Monogramm HA. S. D.  – Hartmann Schedel doctor – hinterlassen. Von den über 370 Handschriften und 460 Drucken zeigt die Ausstellung eine repräsentative Auswahl von 40 Bänden, darunter fünf Ausgaben der Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert und einige Leihgaben, die wichtige Stationen in Schedels Leben und sein ungewöhnlich vielschichtiges Sammelinteresse dokumentieren.

Die Ausstellung ist auf zwei Räume verteilt. In der Schatzkammer stehen Hartmann Schedels Biographie und seine Sammlung im Vordergrund. Schedel steht auch physisch prominent im Zentrum des kleinen Raumes, denn dort ist das Arzneibuch des süditalienischen Arztes Mattheus Silvaticus aus Salerno ausgestellt; weniger wegen des Inhalts als seiner Bedeutung für Schedels Biographie ist es bemerkenswert: Es enthält das bekannte, zeitgenössische Portrait Schedels aus der Zeit seiner ersten Heirat 1475, das nachträglich aus dem Familienbuch Schedels herausgelöst und in den Codex inseriert worden ist. Es zeigt ihn im langen roten Mantel des gelehrten Arztes und mit roter Kopfbedeckung. Wie ein Gravitationszentrum scheint er so die rundherum angeordneten Schaukästen zusammenzuhalten.

Die Ausstellung beginnt mit zwei wichtigen Handschriften aus Schedels Besitz, seinem persönlichen Exemplar der lateinischen Weltchronik, das nicht nur auf Grund seiner prächtigen Ausstattung, sondern auch wegen der zahlreichen Beigaben und handschriftlichen Zusätze des Autors wertvoll ist, und der Abschrift des Familienbuchs für seinen Enkel Melchior (um 1552). Dieser Liber genealogiae et rerum familiarium ist im Original bis auf das bereits genannte Portrait verloren und nur durch zwei frühneuzeitliche Abschriften, die Johann Jakob Fugger nach dem Ankauf der Bibliothek anfertigen ließ, zu rekonstruieren. Beide sind als Leihgaben der Staatsbibliothek zu Berlin –Preußischer Kulturbesitz und aus Privatbesitz im ersten Ausstellungsraum zu sehen. Bereits hier ist die konzeptionelle Klammer zum letzten Exponat der Ausstellung aufgemacht, der Familienchronik und der Autobiographie des Melchior Schedel (um 1570), für die Hartmanns Enkel das Familienbuch als Quelle benutzte. Sie ist als Leihgabe der Landesbibliothek Coburg im zweiten Ausstellungsraum in einem eigenen Schaukasten zu besichtigen.

Im Uhrzeigersinn führen die weiteren Schaukästen durch Schedels Studienzeiten in Leipzig (1456–1463) und Padua (1463–1466). Dazwischen verklammern Wandtafeln mit Basisinformationen die Schaukästen. Ausgewählte Studien- und Fachliteratur zeigen Schedel als vielseitigen Studenten, der bald ein ausgeprägtes Interesse am Humanismus entwickelte und seine Büchersammlung dahingehend auch systematisch erweiterte. Neben medizinischer Fachliteratur ist zum Beispiel auch seine älteste Studienhandschrift (1456–1459) zu sehen, die Einblick in das Grundstudium gibt, das er in Leipzig absolvierte; ein Liederbuch dokumentiert wiederum nicht nur sein Interesse an Musik, sondern stellt auch eine selten überlieferte Quelle des 15. Jahrhunderts dar; mit dem Wechsel nach Padua für das Medizinstudium konnte Schedel auch seinen humanistischen Neigungen besser nachgehen. So erwarb er zahlreiche „Klassiker“ des italienischen Humanismus, zum Beispiel den ausgestellten Druck der Commedia Dantes. Ein kleines Elementarlehrbuch der griechischen Sprache zeigt außerdem, dass er nicht nur Latein beherrschte, sondern sich in Padua auch an einer weiteren, in dieser Zeit kaum mehr verbreiteten Fremdsprache versuchte. Dass er sie mit recht beachtlichem Erfolg gemeistert hat, wird im Liber antiquitatum cum epitaphiis et epigrammatibus deutlich. Darin hatte Schedel zahlreiche Inschriften, darunter auch viele griechische gesammelt. Dieses epigraphische Großwerk ist monumentaler Ausdruck von Schedels lebenslanger, antiquarischer Sammelleidenschaft.

Schön gelungen ist, dass neben Schedel auch andere Familienmitglieder und sogar seine akademischen Lehrer durch die ausgestellten Bücher immer wieder in Erscheinung treten. So geben ein Rechenbuch und ein venezianisch-nürnbergisches Sprachbuch Einblick in die kaufmännische Ausbildung des jüngeren Bruders Johannes, eine Bibelhandschrift führt zu den Grabners, der Familie von Schedels Mutter, schließlich wird Hermann Schedel, Hartmanns Vetter, durch eine vererbte Handschrift des Petrus de Abano sichtbar und etwas später findet man auch seine Söhne in einer astronomisch-astrologischen Handschrift, in die Schedel die Horoskope anlässlich ihrer Geburt eingetragen hat. Seine Professoren und Vorlesungen in Padua hielt Schedel in einer Liste am Ende des repräsentativen Codex Clm 13 fest. Zweien widmete er darin jeweils eine Seite mit Epigramm und den Portraits der Mediziner; über seinen hochverehrten Doktorvater Matteolo Mattioli verfasste er zudem eine sehr persönliche Biographie in der Weltchronik, die nicht nur dessen Fachexpertise, sondern auch seine Gelehrsamkeit in den Sieben Freien Künsten und in der Theologie rühmte. Diese ist allerdings nicht eigens ausgestellt.

Von der medizinischen Praxis Schedels zeugen das ausgestellte Rezeptarium, das ebenso als eine Art Kartei seiner Nördlinger und Amberger Patienten gelesen werden könnte. Für seine Nürnberger Zeit existiert ebenfalls ein Rezeptbuch, in das Schedel außer den ärztlichen Aufzeichnungen ein in mehrere Gruppen geordnetes Inventar seiner Bücher eingetragen hat. Es steht am Ende der Ausstellung und erinnert den Besucher daran, dass es hier um weit mehr als die 40 ausgestellten Bücher geht, nämlich um eine so immense Sammlung, die einen systematischen Katalog erforderlich gemacht hatte, um die benötigte Fachliteratur schnell zu finden.

Während seiner praktischen Tätigkeiten versorgte sich Schedel natürlich weiterhin mit aktueller medizinischer Fachliteratur, beschaffte sich zum Beispiel das erste deutsche Lehrbuch der Chirurgie oder Ausgaben von Hans Folz’ medizinischen Reimpaargedichten. Nebenbei hielt er sich über allerlei Neuerscheinungen in Italien und Deutschland auf dem Laufenden, wie die gedruckten Bücheranzeigen und manche „Bestellliste“ aus seinem Besitz dokumentieren. In diesem Teil der Ausstellung deutet sich schon der Übergang vom handschriftlichen Codex zum gedruckten Buch an, der sich auch in Schedels Bibliothek niedergeschlagen hat und der nun zum zweiten Teil der Ausstellung, der Weltchronik, überleitet.

Nach dem Durchgang durch Schedels Leben ist der Raum vor der Schatzkammer der Weltchronik gewidmet. Thematisiert werden ihre Hauptquellen, aber auch die Nachdrucke und erste Initiativen zur Überarbeitung und Ergänzung der Informationen. Hervorzuhaben sind darunter vielleicht Schedels Hauskalender für die Jahre 1502–1510, in denen er Familiennachrichten und wichtige Ereignisse wie seine eigene Erkrankung oder den Tod des langjährigen Freundes Hieronymus Münzer (1437–1508) eintrug, und ein eigenhändiger Brief des Johannes Trithemius (1462–1516) von 1502, mit dem er eine ausgeliehene Handschrift an Schedel zurücksandte. Dem, dass Schedel nur auf Grund seiner umfangreichen Büchersammlung in so kurzer Zeit die monumentale Weltchronik hat zusammenstellen können, wird man leicht zustimmen, nachdem im Raum vorher diese gelehrte Fachbibliothek vor dem geistigen Auge des Betrachters wiedererstanden ist. Wer weitere visuelle Hilfe braucht, dem bietet sich eine PC-Station, an der man die virtuelle Bibliothek Schedels durchstöbern kann.

Zusammenfassend kann man die Ausstellung durchaus als gelungen bezeichnen. Schon der geringe Platz macht eine Auswahl an Exponaten nötig. Dazu ist eine Ausstellung in einer Bibliothek über Bücher mit dem naheliegenden Problem konfrontiert, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen. Doch ist der Platz gut genutzt, die Auswahl der Exponate sehr treffend und auch der Medieneinsatz sorgt in dem kleinen Rahmen für eine sinnvolle Informationsfülle. In den wenigen, aber sorgfältig ausgewählten und präsentierten Büchern werden pointiert Lebensstationen Schedels gezeigt. Die großen Aufsteller zur Weltchronik geben über das bloße Buch hinaus Einblick in den Produktionsprozess eines spätmittelalterlichen Bestsellers. Beeindruckend für den aufmerksamen Betrachter ist hier sicher die Information, dass die Financiers mit einem Kapital von 1000 Gulden einstanden, während vorher bereits Schedels jährlicher Grundverdienst als Stadtarzt in Nördlingen mit 40 Gulden beziffert wurde. Für den Fachwissenschaftler gibt es außerdem Highlights wie die Familienbücher, die Rezeptbücher, das Handexemplar der Weltchronik, den Liber antiquitatum und natürlich auch die Leihgaben. Wer der Faszination des Originals weiterhin erliegt, den stört es auch nicht, dass, nun ja, eben viele Bücher in den Schaukästen liegen.

Zur Ausstellung ist ein sehr schöner Katalog erschienen. Die Konzeption folgt dem Aufbau der Weltchronik. Das erst alter verfolgt den Aufstieg und Niedergang der Nürnberger Familie Schedel, anschließend werden Schedels Studienzeit in Leipzig und Padua, seine Tätigkeit als Stadtarzt in Nördlingen, Amberg und Nürnberg, seine Sammelinteressen und die Bibliothek, die Weltchronik und schließlich, im sibend alter, seine Bücher und ihr Schicksal behandelt. Jeweils ein einführender Aufsatz umreißt knapp und präzise die Lebensstation bzw. den Ausstellungsbereich. Es ist absolut empfehlenswert direkt mit dem Katalog durch die Ausstellung zu gehen. Denn die Wandtafeln und Schilder geben zwar einige Basisinformationen zu den jeweiligen Exponaten, doch sind diese im ersten Fall sehr knapp, im zweiten bibliographischer Natur, d.h. sie geben Titel, Material, Entstehungsort und –datum, Signatur, Folioangaben etc. an. Schön ist dabei, dass jeweils zusätzlich über die aufgeschlagenen Seiten informiert wird. Über den historischen Kontext und konkreten Entstehungszusammenhang, die Überlieferungsgeschichte und andere Besonderheiten, kurz: „den Sitz im Leben“ der jeweiligen Handschrift, geben nur die Artikel im Katalog fachkundig Auskunft. Durch ein eigenes PC-Symbol wird auch auf bereits digitalisierte Bände hingewiesen.

Dass Schedel nicht ohne sein Monumentalwerk der Weltchronik gezeigt werden kann, ist verständlich, umso schöner ist es, dass eine Woche nach der Eröffnung der Ausstellung in München am 28. und 29. November im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg die Jahrestagung der Willibald-Pirckheimer-Gesellschaft zur Erforschung von Renaissance und Humanismus e.V. zum Thema „Hartmann Schedel (1440–1514). Leben und Werk“ stattfand, wobei die Biographie und das Umfeld Schedels im Vordergrund standen. Wie eng die Kooperation und Abstimmung zwischen der Bayerischen Staatsbibliothek und der Pirckheimer-Gesellschaft war, zeigt nicht nur der Umstand, dass die Kuratorin Dr. Bettina Wagner als Referentin eingeladen war, sondern auch, dass die Vorträge die in der Ausstellung behandelten Themen aufgriffen, vertieften und auch sinnvoll erweiterten. Schedels Bücher bildeten bei vielen Vorträgen selbstredend die Basis der Ausführungen, doch kam hier wieder verstärkt der Mensch hinter den Büchern hervor. Erst wenn also das zugehörige Jahrbuch der Gesellschaft erscheinen wird, wird der Interessierte rundum informiert sein über die bekannteste Büchersammlung an der Wende vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. März. Es sind zwei Youtube-Videos und eine Bildergalerie verfügbar.

Zitationsempfehlung/Suggested citation: Karoline Döring: Ausstellungsbesprechung: „Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514)“ (Bayerische Staatsbibliothek, München), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 19. Februar 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5303 (ISSN 2197-6120).

  1. Vgl. den Ausstellungskatalog: Welten des Wissens. Die Bibliothek und die Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel (1440–1514), hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek, München 2014, S. 155

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5303

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App zu Ludwig dem Bayern in München


Studierende des Historischen Seminars der LMU München wecken die Erinnerung an den bayerischen Kaiser. Ein Münchner als König und Kaiser

Beispielbild aus der App

Ein Beispielbild aus der App: Wappenschild im Alten Rathaus.
(© Münchner Stadtmuseum)

Ludwig IV. (1314–1347), genannt der Bayer – deutscher König, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Münchner. Der schillernde und hoch umstrittene Herrscher hinterließ in dieser Stadt zahlreiche Spuren in Bau- und Kunstwerken. Viele davon sind noch heute im Stadtbild sichtbar und mit Hilfe einer kostenlosen App nun erlebbar: Die App http://www.kaiser-ludwig-in-muenchen.de/ verbindet die wichtigsten Erinnerungsorte zu einem digitalen Stadtrundgang, der zur Besichtigung vor Ort einlädt. Dabei werden wesentliche Ereignisse, aber auch vielfältige Aspekte der Persönlichkeit Ludwigs des Bayern durch kurze Erläuterungen und historische Aufnahmen und Bilder veranschaulicht.

Erarbeitet wurde diese App von Studierenden des Historischen Seminars der LMU München im Rahmen einer Lehrveranstaltung im Wintersemester 2013/14, unter der Leitung von Dr. Hubertus Seibert. Das Bildmaterial stellten verschiedene Museen, Archive und Bibliotheken der Stadt zur Verfügung. Das Historische Seminar förderte die Realisierung dieses innovativen Vorhabens finanziell.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3757

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