Lizenzen, so könnte man es positiv formulieren – sollen es ermöglichen Daten(sätze)und Datafakten innerhalb der Grenzen der geltenden Gesetze so öffentlich verfügbar zu machen wie möglich. Demgegenüber stehen die Unsicherheiten und die Unkenntnis darüber, was überhaupt lizensiert werden kann und darf, was die diversen Lizenzen auf dem Markt zu leisten vermögen, wie sich die jeweiligen Lizenzen in welchem Punkt unterscheiden. Auch herrscht meist Unklarheit darüber, wie Schutzkraft von Lizenzen einzuschätzen ist. Was schließen die jeweiligen Lizenz ein und was schließen sie aus? Wo liegen die jeweiligen Stärken und Schwächen, Chancen und Grenzen der Lizenz und wie komme ich überhaupt an diese? Angesichts möglichst freier, überregionaler und langfristiger Zugriffe auf Daten zu gewährleisten, sind gerade Lizenzen ein unumgänglicher Teil im Prozess der globalen Austausches. Allerdings erscheinen Lizenzprozesse und -entscheidungen für viele Wissenschaftler ein kaum zu bewältigendes und überschaubares Minenfeld zu sein. Dies führt teilweise zu falschen Entscheidungen in Bezug auf die Lizenzierung, so dass eine freier, überregionaler und langfristiger Zugang schwierig ist, oder es wird keine Lizenz vergeben, ohne zu bedenken, dass ohne eine explizierte Lizenz die Weiterverwendung stark beschränkt ist.
Durch das enorm gewachsene Interesse am offenen Zugang zu Forschungsdaten bzw. deren Bereitstellung in den historisch arbeitenden Wissenschaften, wird es immer dringlicher eine Regelung für die offene Frage der Urheber- und Verwertungsrechte an Forschungsdaten zu finden, da Forschungsdaten Grundpfeiler wissenschaftlicher Erkenntnis darstellen und Grundlage weiterer Forschung sind.[1] Zudem ergeben sich aus Projekten (wie z.B. WissGrid) und durch die gesteigerten Anforderungen durch Geldgeber immer mehr Notwendigkeiten sich mit dem “Datenmanagement” zu beschäftigen, welches auch die Beschäftigung mit Datenlizenzierung und Entscheidungsprozessen für eine Lizenz mit impliziert.
Diese und andere Problemkonstellationen waren Anlass am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz zusammen mit dem Deutschen Archäologischen Institut in Berlin als Partner in DARIAH-DE am 12./13.06. 2014 ausrichtete. Der Workshop war explizit zur Lizensierung von Forschungsdaten und Datafakten für die historisch arbeitenden Wissenschaften gedacht. In theoretischer und praktischer Perspektive wurden die Lizensierungsmöglichkeiten, die Lizensierungsprozesse und -entscheidung in den Blick genommen und diskutiert.
Am ersten Tag (12.6) wurde mit Experten in Input-Talks auf die Grundlagen der Forschungsdatenlizensierung eingegangen und die Themenkomplexe Urheberrecht, Nutzungsrechte und Datenschutz behandelt. Einzelne Projekte und Einrichtungen stellten ihre Modelle und Lösungen mit Lizenzierungsentscheidungen und -prozessen für den nationalen und internationalen Datenaustausch vor.
Zunächst stellte WIBKE KOLBMANN (Berlin) das Infrastrukturprojekt DARIAH-DE vor und verdeutlichte die Notwendigkeit an und von europäischen Infrastrukturprojekten zur Schaffung von Interoperabilität von Datenbeständen bzw. Datafakten sich stärker als bisher mit Fragen rund um die Lizensierung von Forschungsdaten zu beschäftigen.
JOHANNES PAULMANN (Mainz) als Direktor des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte unterstrich in seinem Grußwort die Dringlichkeit der Fragen nach den sozialen und wissenschaftlichen Regeln für Bereitstellung und Nutzung von Daten. Er verwies dabei auf die Notwendigkeit des freien Zugangs zu Forschungsdaten und Publikationen in Form von Open Access und Open Data. Er verwies dabei auf die eigenen Erfahrungen mit dem Projekt Europäische Geschichte Online und den in diesem Projekt bereitgestellten Metadaten zu Beiträgen und Multimediaelementen. So wies er darauf hin, dass die Beiträge zumeist unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht würden und dadurch potentiellen Nutzern die Bedingungen für die (Weiter-)Nutzung deutlich gemacht würden und müssten.
Der Jurist und Kulturmanager PAUL KLIMPEL (Berlin) gab einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Daten. Er machte nochmals deutlich, dass zunächst wissenschaftliche Daten nicht grundsätzlich einem urheberrechtlichen Schutzbereich angehören und damit diese nicht per se geschützt sind. Vielmehr tritt hier die Notwendigkeit von Lizenzen und Lizensierungsprozessen zutage, denn in juristischer Hinsicht sind Lizenzen rechtsverbindliche Verträge, die den Gebrauch und Nutzung von Daten(-beständen) eindeutig regeln. So machte Klimpel auch darauf aufmerksam, dass der Lizenzhinweis ein wichtiges Element darstelle, insbesondere dann, wenn dieser maschinenlesbar ist (z.B. als RDF), da dieser dann als rechtlich Metadatum gelten könne.
Die Leiterin des Arbeitspaketes “Standards und Richtlinien” im Projekt APEx (ArchivPortal Europa Exzellenznetzwerk) am Bundesarchiv SUSANNE WAIDMANN (Berlin) vertiefte den Aspekt zur Angabe des Lizenzhinweises anhand von archivischen Daten im Kontext des Archivportals Europa und dem Europeana-Projekt. Sie erläuterte anhand der Aufarbeitung der archivischen Daten in XML-Dateien das Format EAD (Encoded Archival Description) und die anschließende Konvertierung in das Europeana Daten Modell (EDM), wobei in diesem Schritt die Rechteinformationen mit in die Dateien eingebaut würden. Auch in Bezug auf die Metadaten kann METS (Metadata Encoding and Transmission Standard) als Containersystem für digitale Objekte und deren Präsentation in Kombination mit METSRights eine Einbindung von Rechteinformationen über digitale Objekte erreicht werden. Allerdings gäbe es keine Einigkeit über die Nutzung von Lizenzen (so z.B. bei Europeana CC) bei Erschließungsangaben bzw. Informationen, was allerdings teils auch an den nationalen Gesetzgebungen, so dass auf CC-By-Lizenzen zurückzugreifen wäre, wie es auch das Bundesarchiv mit CC BY-NC-SA mache. Es könne aber keinen generellen Aussagen darüber gemacht werden, wann und wie Lizenzen genutzt werden, sondern hänge immer noch stark vom jeweiligen Einzelfall ab, was ein zeit- und kostenintensives Unternehmen ist. Es müsse von daher ein valider Workflow entwickelt werden, der Arbeitsaufwand und Nutzen in ein rechtes Verhältnis setze.
ALINE DEICKE und ANNA NEOVESKY (Mainz) von der Digitalen Akademie verdeutlichten in ihrem Vortrag zu OpenAccess im Akademienprogramm zunächst die Rahmenbedingungen von OpenAccess und Lizensierungen unter der spezifischen Perspektive der Akademieprogramme. Sie berichteten aus den aktuellen Projekten im Umgang mit dem Einsatz von Lizenzen und stellten sowohl grundlegende Gedanken an und brachten diese in Zusammenhang mit gewonnenen Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag. Sie machten darauf aufmerksam, dass es keinen Automatismus zwischen der Online-Verfügbarkeit und OpenAccess gäbe, insbesondere wenn die zur Verfügung gestellten Daten unter keine Lizenz gestellt wurden, da die Unklarheit der rechtlichen Lage zur Nicht-Nutzung führen würden. In den Projekten in den Akademieprogrammen würden sich Tendenzen zu CC-Lizenzen in der Form von CC-BY-SA abzeichnen, aber die Entscheidung über Lizenzen würde immer wieder an die Erfordernisse des Projektes abgestimmt. Einige Projekte haben für eine Entscheidung die General Public License genutzt, um zu einem Ergebnis zu kommen. Für Deicke/Neovesky sei es allerdings offen, wie es mit Lizenzen, Entscheidungen und Prozessen angesichts von kollaborativen Projekten umgegangen werden müsse und wie die Lizensierung sich auch auf die Möglichkeiten der Langzeitarchivierungsstrategien auswirken würden.
MICHAEL KAISER (Bonn) von der Max-Weber-Stiftung in seinem Beitrag “Wissen, Bewusstsein, Praktikabilität” auf die rechtlichen Implikationen des digitalen Publizierens hin. Er zeigte dies an dem von ihm betreuten Projekt perspectivia.net und betonte, dass im Durchlaufen der Phasen von der Konzeptionierung bis zum Alltagsbetrieb die lizenzrechtliche Klärung immer ein wichtiges Element darstelle. Auch die Rollenverteilung zwischen den beteiligten Akteuren auf jeder Ebenen in allen Phasen der Konzeption und Durchführung von “digitalen” bzw. hybriden Projekten spiele eine wichtige Rolle. Er konstatierte, dass die Akzeptanz von und das Bewusstsein für Lizenzen auf allen Ebenen und Dimensionen der Projektphasen noch steigerungsbedürftig seien, wobei oft der Aspekt des Designs der Lizenzierung allzu oft in den Hintergrund gerät und das Spektrum der angebotenen Lizenzen bei weitem nicht genutzt wird. Er machte am Schluss seiner Ausführung darauf aufmerksam, dass auch die Internationalisierung von Lizenzen bisher noch unzureichend bedacht und umgesetzt ist, so dass sich Probleme bei dem Umgang mit der Mehrsprachigkeit und den Konflikt mit ausländischen Rechtsnormen noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt würde, wenngleich dies nicht zu einem Alarmismus führen sollte.
Am zweiten Tag (13.6) wurden verschiedene Tools zur Lizenzentscheidung und -erstellung vorgestellt.
THOMAS KOLLATZ (Essen) stellte die Creative Commons Lizenzen mit Chancen und Grenzen vor und deren Lizensierungsportal Choose a license vor. Er zeigte auf, wie die CC-Lizenzen in verschiedenen Datenformaten Verwendung finden können (z.B. TEI, (x)html, EDM XML).
NIKO BEER (Paderborn) stellte das Licensing decision tool als Teil des OER IPR Support Project vor. In diesem Projekt werden umfangreiche Informations- und Hilfsmaterialien, sowie Werkzeuge zur Verfügung gestellt und verschiedenste Wege der Offenheit der Daten und ihrer Lizensierung mit bedacht werden kann.
WIBKE KOLBMANN (Berlin) stellte wiederum den Public Domain Calculator des Projektes Europeana Connect vor. Dieser entstand im Zuge der Suche nach einem Europeana Licensing Framework und soll die Klärung der Rechtslage und Empfehlung für Datenanbieter im Hinblick auf die Lizenzierung ihrer Daten für Europeana fördern. Er ist ein Instrument zur Bestimmung, ob Schutzfristen für ein Werk ausgelaufen sind, ob andersweitige Fakten vorliegen oder ob es sich um ein neu entstandenes Werk handelt, welches freiwillig als gemeinfrei veröffentlich werden kann. Allerdings wies Kolbmann in ihren Ausführungen nochmals darauf hin, dass der Anwendungsbereich des Tools durch die Auswahl der Medienformate eingeschränkt und zudem nicht für die Evaluierung von Metadaten geeignet sei.
Abschließend testeten die Teilnehmer an eigenen Rechnern die vorgestellten Tools, die sie bei der Lizenzentscheidung und -erstellung unterstützen können anhand ihrer eigenen Daten. Jeweilige Anwendungsfragen konnten direkt mit den jeweiligen BeraterInnen von DARIAH-DE diskutiert und gelöst werden.
In der Abschlussdiskussion wurde nochmals deutlich, dass es einen enormen Bedarf an Aufklärungs- und Beratungsarbeit in Bezug auf die Entscheidungsprozesse für oder wider eine Lizenzart gibt. Es war allgemeiner Konsens, dass es eine zentrale Stelle geben sollte, um sich bei Fragen der Lizensierung von Daten und Datafakten in den historisch arbeitenden Wissenschaften beraten zu lassen. Grundsätzlich wurde aber die Notwendigkeit für die Verwendung und den Nutzen der Lizenzierung von Forschungsdaten nicht mehr in Frage gestellt, was wiederum auch ein wichtiges Ergebnis des Workshops darstellt.
Workshopübersicht
Begrüßung Johannes Paulmann (Mainz)
Einführung Wibke Kolbmann (Berlin), Lizenzen als Thema von Infrastrukturprojekten – DARIAH-DE
Theorie und Praxis – Perspektiven und Herausforderungen der Datenlizenzierung
Paul Klimpel (Berlin), Rechtliche Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Daten – Ein Überblick
Susanne Waidmann (Berlin), Rechteangaben rund um archivische Daten im Archivportal Europa und Europeana
Aline Deicke / Anna Neovesky (Mainz), OpenAccess im Akademienprogramm – Anwendung und Herausforderungen
Michael Kaiser (Bonn), Wissen, Bewusstsein, Praktikabilität – rechtliche Implikationen des digitalen Publizierens
Methoden und Tools ? Praktische Perspektiven der Datenlizenzierung
Thomas Kollatz (Essen), creative commons 4.0
Niko Beer (Paderborn), OER Licensing Decision Tool
Wibke Kolbmann (Berlin), Public Domain Calculator
Fragen und Perspektiven
Hands-on-Session mit den vorgestellten Tools anhand von eigenen Daten und Datafakten und anschließender Diskussion mit Teilnehmern und Veranstaltern.
[1] So die Wissenschaftsallianz in ihren Grundsätzen zum Umgang mit Forschungsdaten. Die DFG sieht hierin auch die Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3773