Europäische Netzwerke der geistlichen Ritterorden an der Kurie im 13. Jahrhundert

1000 Worte Forschung: Laufendes Habilitationsprojekt im Fach Mittelalterliche Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Ausgangspunkt und Fragestellung

Den drei großen geistlichen Ritterorden, den Templern, Johannitern und dem Deutschen Orden, unterstellt man vielfach ähnlich den etwas später entstandenen Bettelorden eine große Nähe zu den Päpsten. Sie hätten, beim Deutschen Orden wegen dessen Nähe zu den Staufern natürlich mit Einschränkungen, als eine Speerspitze der römischen Kurie bei der Durchsetzung von deren Zielen vor Ort gegen die Diözesanbischöfe sowie gegen lokale und regionale Machthaber gewirkt. Im Gegenzug seien sie von den Päpsten reich privilegiert worden. Dass sowohl die Ritter- als auch die Bettelorden wegen ihrer exemten Stellung kritisiert wurden, ist unbestreitbar. Aber welchen Einfluss sie an der römischen Kurie wirklich hatten, ist bisher noch nie im vergleichenden Zusammenhang untersucht worden. Das Habilitationsprojekt möchte dies für die geistlichen Ritterorden in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts versuchen.



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Quelle: https://mittelalter.hypotheses.org/11268

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Ein süddeutsches Graduale des Deutschen Ordens: die Handschrift St. Peter a VII 20 in Salzburg

Bernhart Jähnig zum 75. Geburtstag gewidmet Gliederung 1. Einleitung 2. Die Handschrift: Kodikologie 3. Die Handschrift: Inhalt und Besonderheiten 3.1. Das Temporale 3.2. Das Sanktorale 3.2.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/8903

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Die Deutschordenskommende Freiburg und ihre Unterstützer im 13. Jahrhundert

Freiburg_im_Breisgau_(Sickinger_1589)_Ausschnitt_Neuburg_markiert

Ausschnitt der Freiburg Neuburg aus dem Vogelschauplan des Gregorius Sickinger von 1589. Die Deutschordenskommende ist in rot markiert

In loser Folge werden bei Mittelalter am Oberrhein Abschlussarbeiten mit Bezug zum Untersuchungsraum vorgestellt. Als vierter Beitrag dieser Reihe stellt nun Benjamin Torn die Ergebnisse seiner unter Betreuung von Prof. Dr. Jürgen Dendorfer verfassten Bachelorarbeit vor.

Nachdem in den 1190er Jahren im Heiligen Land mit dem Deutschen Orden der dritte große Ritterorden gegründet worden war, entstanden im Lauf des 13. Jahrhunderts zahlreiche Ordensniederlassungen in Europa und vor allem nördlich der Alpen. Kurz nach der Jahrhundertmitte lässt sich auch erstmals eine Niederlassung in Freiburg im Breisgau nachweisen.

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Quelle: https://oberrhein.hypotheses.org/1868

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Die Außenpolitik des Deutschen Ordens unter Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407)

1000 Worte Forschung: Abgeschlossene Dissertation Hamburg 2015, erscheint Mitte 2016 bei V&R unipress in der Reihe Nova Mediaevalia, Band 15. „Blüthenzeit“ – mit dieser Bezeichnung wurde die Hochmeisterschaft Konrads schon von Johannes Voigt 1834 charakterisiert.[1] Anlass für eine solche Bewertung…

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/8114

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Ein Jahrzehnt und alles ist anders – Das Selbstverständnis Peters von Dusburg und Nicolaus` von Jeroschin im Vergleich

Übersetzungen von Texten sind zu allen Zeiten eine nicht ganz einfache Angelegenheit. Wer auch heute einen deutschsprachigen Text in eine andere Sprache übersetzt, erfährt diese Schwierigkeiten immer wieder von neuem und selbst. Dass dies auch in früheren Zeiten der Fall war, ist schon lange Gegenstand mediävistischer Forschung. Besonders eindrücklich ist dieser Umstand an der Übersetzung der Chronica terre Prussie von Peter von Dusburg durch Nicolaus von Jeroschin zu erkennen. Der folgende Beitrag möchte gerade die strukturellen Probleme von sprachlichen Übertragungen an diesen beiden Texten aufweisen.

1. Beurteilungen und Urteile der Werke
Um 1326 hatte Peter von Dusburg auf Anregung des Hochmeisters Werner von Orsel die Chronica terre Prussie fertig gestellt. Damit hatte er die erste Chronik des Deutschen Ordens geschrieben. Bereits ein Jahrzehnt später übersetzte Nikolaus von Jeroschin dieses für den Orden so wichtige Werk in die deutsche Sprache. Der Auftrag dazu wurde von Hochmeister Luder von Braunschweig erteilt und durch Dietrich von Altenburg erneuert.
Dass Jeroschin zu dieser Leistung befähigt war, zeigt eine schon vorher im Auftrag Gottfrieds von Heimburg gefertigte Übersetzung der Adalbert-Legende des Johannes Canaparius.
,Übersetzenʽ heißt in Jeroschins Fall jedoch nicht, modern verstanden, ein für gewöhnlich zu erwartendes, eng am Original orientiertes Übertragen eines Textes einer Sprache in eine andere.
Gisela Vollmann-Profe erklärt dies, indem sie feststellt, dass

„[.] es bei der Übertragung darum gehen mußte, die Wirkung der Vorlage möglichst zu erhalten, [so] daß er [Jeroschin] gerade um dieser Bewahrung des Effektes Willen Veränderungen vornehmen mußte.“ [1]
Denn das Ziel war es, einen Text von Interesse für den Orden den Brüdern leichter zugänglich zu gestalten, diesen an ihre eigenen Erfahrungen mit Literatur anzupassen, man könnte vielleicht sogar sagen, den Text den Ordensbrüdern nahezubringen, statt zu erwarten, dass die Ordensbrüder dem Text näher treten. [2]
Darum heißt es auch bei Vollmann-Profe weiter:
„Möglichst getreu zu bewahren war die stoffliche Basis. Denn die Dignität des Gegenstandes – gottgewollte und von Gott unterstützte Kämpfe gegen die Ungläubigen -, wahrheitsgetreu aufgezeichnet, forderte Respekt. Zugleich aber garantierten die mitgeteilten Heldentaten das Interesse der Rezipienten, handelte es sich doch um die gesta fortia der Vorgänger im eigenen Orden. Jeroschin hat sich dementsprechend verhalten: Er übersetzte »ziemlich accurat« […].“ [3]

Zumindest die frühere Forschung fällte das Urteil einer ‚ziemlich akkuraten Übersetzung‘. Schon Hartknoch äußerte sich 1679 [4] in der Weise. Auch Max Töppen sprach sich 1853 dafür aus, wenn er bemerkt, dass „Jeroschin sich im Ganzen überaus treu an sein Original gehalten habe […].“ [5] Helmut Bauer nimmt diesen Umstand wiederum anders wahr, indem er 1935 feststellt:
„Die andere Sprache und der andere Mann mußten die Übersetzung zu etwas anderem machen. Zwar wurde der Ge-samtentwurf Dusburgs von Jeroschin beibehalten, aber seine Einstellung steht den Ordenschroniken des ausgehenden 14. Jahrhunderts, die sich in jeder Weise von Dusburg entfernen, näher als Dusburg selbst.“ [6]
Wie man an dieser kleinen historischen Umschau erkennen kann, wechselte die Einstellung des Betrachters je nach Forschungsfrage und Zweck. Der eine favorisierte Dusburg, der andere Jeroschin. Strehlke, der Herausgeber der ‚Scriptores rerum prussicarum‘, fühlte sich noch in der Einleitung zum Abdruck der Schrift Jeroschins 1861 genötigt, diesen mit dem Wert der Sprache zu begründen [7] , während Ziesemer später Dusburg als weniger relevant erachtete. [8]

2. Die Chronica terre Prussie
In diesem Beitrag soll jedoch gezeigt werden, dass beide Texte eigenständige Werke bilden und einen eigenständigen Wert besitzen. Um dies zu erreichen, wird der Prolog beider Texte miteinander verglichen.
Dusburg strukturierte seinen Text, indem er ihn in vier Teile gliederte:
1. Gründung des Ordens,
2. Ankunft der Brüder im Ordensland,
3. Ereignisse im Preußenland,
4. Geschichte der Päpste und Kaiser (auf dem Rande). [9]

Dabei scheint Dusburg sich selbst als eine Art Evangelist zu begreifen, wenn es im Widmungsbrief heißt:
„Antedebant enim ad illud Tobie verbum, quod opera Domini revelare honorificum est.[Herv. im Original] Quorum imitatus sum vestigia, […].“ (Sie merkten nämlich auf jenes Wort des Tobias, daß „die Werke des Herrn zu enthüllen ehrenvoll sei.“ Ihren Spuren bin ich gefolgt […].) [10] Diese Deutung wird unterstützt, indem Dusburg an einer weiteren Stelle bemerkt:
„Dictum est in actibus apostolorum, quod Stephanus plenus gracia et fortitudine faciebat signa magna.[Herv. im Original] Nec dubitandum est, quin fratres domus Theutonice pleni fuerint gracia et fortitudine, cum ipsi pauci numero tam potentem et ferocem et innumerabilem Pruthenorum gentem sibi subdierunt, quam eciam multi principes, licet sepius attemptarent, non poterant sibi aliqualiter subiugare.“ (In der Apostelgeschichte heißt es, daß „Stephanus, voll der Gnade und Kraft, große Zeichen vollbrachte.“ Und es ist kein Zweifel, daß die Brüder des Deutschen Hauses voll der Gnade und Kraft waren, als sie, wenige an Zahl, sich das so mächtige, wilde und unzählbare Prußenvolk unterwarfen, das selbst viele Fürsten trotz häufiger Versuche sich nicht im geringsten hatten unterjochen können.) [11] Die Stellung des Werkes ist weiterhin durch die Sprache bestimmt. Dass Dusburg die Chronik in lateinischer Sprache verfasste, scheint auf ein sakrales Selbstverständnis zu verweisen. Der Auftrag zur Abfassung erfolgte zwar durch den Hochmeister, wird aber in einer eher heilsgeschichtlich verstandenen Tradition verortet.

3. Die Kronike von Pruzinlant
Nikolaus von Jeroschin übersetzte die Chronica ungefähr ein Jahrzehnt später. Er verfasste die Kronike von Pruzinlant in Reimversen. Als eine wesentliche Veränderung ist wohl zu verstehen, dass Jeroschin Dietrich von Altenburg als Auftraggeber benennt, sich selbst aber nicht mehr in der Tradition der Evangelisten versteht, die entsprechende Verortung ist bei der Übersetzung vollständig verschwunden. Stattdessen berichtet der Autor, dass eine erste Übersetzung, die schon durch Luder von Braunschweig in Auftrag gegeben wurde, während der Erstellung vernichtet wurde: „[…] di von dem argen tire vortilgit wurdin, goteweiz!“ [12] Insofern findet man an dieser Stelle doch noch etwas von dem „heiligen Kampf“ den auch der Autor austragen muss, doch eben nicht mehr das Selbstverständnis, das noch Peter von Dusburg kennzeichnete. Auch versteht Jeroschin sich damit wohl nicht mehr als Teil des früheren heiligen Vorgangs, ist er doch angewiesen auf göttlichen Beistand:

„Berûche mich, getrûwir got:
Der vatir sende mir dî macht,
daz iz werde vollinbrâcht,
des ich hî gedenke ;
des sunis wîsheit lenke
mîne cranken sinne,
daz ich vornumft gewinne ;
ȏ sûzir geist, dîn gûte
dî sele mîn durchvlûte
mich waschende von erge,
daz ich dir ein herberge
muge sîn nâch dînre lust.
Bewone, hêrre, mîne brust
Mich sêliclîch irlûchtinde
Und an genâdin vûchtinde ;
Daz dich mîner zungen ort
Gelobe mit getichte,
dar ûf ich mich hî richte,
alse mir gebotin hât
des gebot mir obe stât!“ [13]

Weiterhin scheint Jeroschin auch nicht mehr von einem Heilsgeschehen zu erzählen, so wie es bei Dusburg war. Denn Jeroschin versteht sich als Dichter, („Ouch des tichteres zunge an der materien straze […]“ ) [14] der den Text „nach predigères sitte“ teilt. Dabei erwähnt auch er vier Abschnitte, wobei aber die Abschnitte drei und vier seiner Vorlage zusammengeführt werden:

„Nu ist min sin darûf gekart,
daz ich daz teil wil mischin
den andren teilen zwischin
inhant der rede ein stucke
vlechtinde in ein lucke,
swâ daz ich dî gelege
gevûclich noch gewege,
sô daz diz und gene mêr
sich irvolgen î gewêr
an der zal der jâre. [15]

4. Fazit
Der Beitrag beschäftigte sich mit dem Selbstverständnis der ersten Chronisten des Deutschen Ordens. Bedeutend ist ihr Verhältnis, da Nicolaus von Jeroschin eine Übersetzung des Textes von Peter von Dusburg vornimmt. Doch wurde nur der Stoff übersetzt. Wie der Vergleich des Selbstverständnisses gezeigt hat, nehmen beide Autoren vollkommen andere Positionen ein, um die Eroberung des Preußenlandes durch den Deutschen Orden zu beschreiben. Für Peter von Dusburg ist der Vorgang gleichwertig mit dem Wirken Jesu auf Erden, für Jeroschin schon nur noch eine Dichtung. Es scheint sogar so, dass Jeroschin den intendierten Sinn seiner Vorlage gar nicht mehr nachvollziehen kann, betrachtet man die Leichtigkeit, mit der er die Struktur umgestaltet und damit eine gänzlich andere Zentrierung auf das Thema vornimmt.
In dieser Hinsicht besitzt Helmut Bauers schon wiedergegebenes Wort noch immer Gültigkeit, wenn er dazu anmerkt: „Die andere Sprache und der andere Mann mußten die Übersetzung zu etwas anderem machen.“ [16]

  1. Vollmann-Profe, Gisela (2003): Ein Glücksfall in der Geschichte der preußischen Ordenschronistik. Nikolaus von Jeroschin übersetzt Peter von Dusburg. S. 125-140. Erschienen in: Brunner, Horst; Williams-Krapp, Werner (Hrsgb.): Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. Festschrift für Johannes Janota. Tübingen. Hier S. 128.
  2. Siehe dazu auch Vollmann-Profe (2003): S. 132-135.
  3. Dies.: S. 128.
  4. Zitiert nach Ziesemer, Walther (1906): Nicolaus von Jeroschin und seine Quelle. (Kapitel I und II.). Berlin. Hier S. 11.
  5. Töppen, Max (1853): S. 17.
  6. Bauer, Helmut (1935): Peter von Dusburg und die Geschichtsschreibung des Deutschen Ordens im 14.Jahrhundert in Preußen. Erschienen in der Reihe: Ebering, Emil (Hrsgb.): Historische Studien. Berlin 1935. Nachdruck Vaduz. Hier S. 57.
  7. Siehe dazu Dusburg, Petri de: Chronicon terre Prussiae. Ediert von Töppen, Max. Erschienen in: Hirsch, Theodor; Töppen, Max; Strehlke, Ernst (Hrsgb.): Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bnd. I Leipzig 1861. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1965. S. 292. Siehe auch Vollmann-Profe, Gisela (2007):S. 135ff.
  8. Ziesemer, Walther (1907): S. 110.
  9. Dusburg, Peter von: Chronik des Preussenlandes. Übers. u. erl. v. Scholz, Klaus; Wojtecki, Dieter. Erschienen in der
    Reihe: Buchner, Rudolf; Schmale, Franz-Josef (Hrsgb.): Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Bnd. 25. Darmstadt 1984. Der lateinisch-sprachige Text folgt der Edition: Dusburg, Petri de: Chronicon terre Prussiae. Ediert von Töppen, Max. Erschienen in: Hirsch, Theodor; Töppen, Max; Strehlke, Ernst (Hrsgb.):Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bnd. I Leipzig 1861. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1965. S. 36.
  10. Dusburg, Peter von (1984): S. 26.
  11. Dusburg, Peter von (1984): S. 28.
  12. Jeroschin, Nicolaus von: Di Kronike von Pruzinlant. Strehlke, Ernst (Hrsgb.). Erschienen in: Scriptores Rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bnd. I Leipzig 1861. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1965. Z. 190-191.
  13. Jeroschin, Nikolaus von: V. 66-86.
  14. Jeroschin, Nikolaus von: V. 236-237.
  15. Jeroschin, Nicolaus von: V. 282-291.
  16. Bauer, Helmut (1935): S. 57.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/9475

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Gottesstaat und Prußens Beitrag

1. Einleitung [1]
Nach der Plünderung Roms durch Alarichs Heer im Jahr 410 wurde das Werk De civitate dei durch Augustinus verfasst. Er konzipierte die Schrift als positiven Gegenentwurf des Vorwurfs, dass an dieser Katastrophe die Vernachlässigung der herkömmlichen Götterverehrung schuld sei. [2] In diesem Werk findet sich eine geteilte Konzeption von Gesellschaft. Zum einen die Civitas Dei, zum anderen die Civitas Diaboli. Christoph Horn interpretiert diese Konzeption als moralische Klassifizierung. Die Civitas Dei ist dem Ideal des Staates des Himmels, das den Staat Gottes oder eben den Gottesstaat darstellt, näher, als die Civitas Diaboli, der der Himmel aufgrund ihrer moralischen Verworfenheit verwehrt ist. [3] Der Staat Gottes ist also nicht auf Erden zu realisieren, es ist Aufgabe der Civitas Dei, an diesem Ideal zu partizipieren und sich ihm anzunähern.
Die wohl bedeutendste Chronik des Deutschen Ordens, die Chronica terre Prussie des Peter von Dusburg, so an dieser Stelle die Behauptung, stellt genau diese Konzeption vor.
Darum wird nun zuerst die Chronica vorgestellt und anschließend der Versuch vorgenommen, zu zeigen, dass der Autor Peter von Dusburg diese Teilung der Welt bei der Verschriftlichung vor Augen hatte.
Peter von Dusburg hat im Jahr 1326 die Chronica terre Prussie fertiggestellt. Er unterteilte das Werk in vier Bücher:

1. Buch eins stellt die Gründungsgeschichte des Ordens dar.
2. Buch zwei erzählt den Einzug der Ordensbrüder ins Preußenland.
3. Das dritte Buch behandelt die Eroberung desselben und
4. das vierte Buch bildet ein Kompendium der außerpreußischen Geschichte.

Tatsächlich sind das dritte und vierte Buch in den Handschriften einander gegenübergestellt. [4]
An diese Abschnitte schließt sich das sogenannte Supplementum an, eine Erweiterung der wohl ursprünglichen Chronik, veranlaßt durch die Ermordung des Hochmeisters Werner von Orsel durch den Bruder des Ordens Johannes von Endorf.
Die Idee, dass Dusburg eine augustinische Staatsidee vertrat, kann auf der Trennung der Bücher drei und vier fußen. Wie bereits oben erwähnt, stellt das dritte Buch die Geschichte des Deutschen Ordens im Pruzzenland dar, das vierte Buch berichtet von außerpreußischen Ereignissen, die durch die Folge von Päpsten und Kaisern strukturiert wird.
Dies allein rechtfertigt jedoch noch nicht die Vermutung, dass eine augustinische Theorie zugrunde liegt.

2. Peter von Dusburg und der Deutsche Orden in der Chronicon terre Prussie [5]
Erhärtet wird die Annahme einer augustinischen Konzeption der Chronicon terre Prussie aufgrund der Selbstverortung, die Dusburg in der Epistola vornimmt. Dort heißt es:
„Mit welch sorgfältiger Umsicht und umsichtiger Sorgfalt die alten und heiligen Väter die wunderbaren Werke unseres Herrn Jesus Christus, die er selbst oder durch seine Diener zu wirken die Gnade hatte, zu seinem Lob und seiner Ehre und zur Belehrung der Gegenwärtigen und Zukünftigen aufgezeichnet haben, ist einem jeden offenbar, der seinen Blick auf sie richtet. […] Ihren Spuren bin ich gefolgt, […].“ [6]

Mit diesen wenigen Sätzen scheint sich Dusburg unmittelbar in die Folge der Evangelisten des neuen Testaments zu stellen. Man kann diese Annahme sicherlich noch schärfer fassen und behaupten, dass Dusburg sich als Evangelisten versteht. Doch zeichnet er sehr bewusst nicht die Taten Jesu auf, sondern die Taten des Deutschen Ordens. Doch diese werden hier als gleichwertig und gleichwürdig der Taten Jesu verstanden. Zugleich wird der Deutsche Orden damit als Nachfolger in Jesus verstanden. Weiter heißt es dann auch:
„So habe ich die Kriege, die wir und unsere Vorgänger, die Brüder unseres Ordens, siegreich geführt haben, aufgezeichnet und in diesem Buche niedergelegt.“ [7]
Der nun sich anschließende Prolog erhärtet noch die oben gefasste Annahme, indem Dusburg zunächst Daniel 3,99 zitiert [8] :
„Zeichen und Wunder hat der erhabende Herr an mir getan. Daher gefiel es mir, kund zu tun seine Zeichen, denn sie sind groß und seine Wunder, denn sie sind mächtig.“ [9]

Es heißt darauffolgend:
„Diese Worte darf auch der Verfasser dieses Buches gebrauchen, der für die heilige Gemeinschaft der Brüder des Hospitals Sankt Marien vom Hause der Deutschen zu Jerusalem sagen konnte: […].“ [10]

Erst auf den Prolog folgend beschreibt Dusburg selbst die Struktur seines Textes. In der Tat bestimmt Dusburg hier selbst sein Werk als in vier Teile geteilt. Diese Passage gibt die gedachte Struktur des Textes klar und deutlich wieder:
„Dies Buch ist in der folgenden Weise gegliedert: Zuerst werde ich beschreiben, zu welcher Zeit, durch wen und wie der Orden des Deutschen Hauses seinen Anfang nahm, sodann, wann und wie die Brüder in das Preußenland kamen, drittens von den Kriegen und anderem, das sich in diesem Lande zutrug; […]. Zum vierten werde ich auf dem Rande die Päpste und Kaiser vermerken, die seit der Stiftung dieses Ordens regiert haben und einige beachtenswerte Geschehnisse, die sich zu ihren Zeiten zutrugen.“ [11]

Von nicht unerheblichem Interesse ist indes doch die Formulierung „auf dem Rande“. Im lateinischen-sprachigen Originaltext steht dafür „Quarto ponam in margine[...]“. Diese Formulierung, dafür möchten die Ausführungen plädieren, sind wörtlich zu verstehen. Das jedoch hieße, dass es eine Rangordnung der dargelegten Vorkommen gibt. Und innerhalb dieser Rangordnung stehen die „Taten und Wunder“ des Deutschen Ordens bei der „Eroberung“ der preußischen Lande vor und über den „in margino“ gesetzten Ereignissen, die auch die Päpste und Kaiser umfassen.

2.1 Die Prußen in der Chronicon terre Prussie
Nachdem die Selbstbeschreibung des Deutschen Ordens in der Chronicon terre Prussie aufgezeigt wurde, soll nun die Darstellung der Prußen folgen. Wie der Titel andeutet sind die Prußen die „großen Gegenspieler“ des Ordens. Doch auch in diesem Teil gibt es „Rangstufen“. Das größte Übel, dem der Deutsche Orden im Prußenland begegnet, ist Herzog Swantopolk aus Pomerellen [12] . Dieser wird wiederholt als „ein Sohn der Missetat und Verderbnis“ [13] oder auch als „der Sohn des Teufels“ [14] bezeichnet. Die Prußen hingegen werden von ihm zum Widerstand verführt. [15] Verführt werden können sie, da die Prußen „keine Kenntnis von Gott“ [16] hatten. Weiter heißt es an entsprechender Stelle: „Weil sie einfältig waren, konnten sie ihn mit dem Verstand nicht begreifen, und da sie die Buchstaben nicht kannten, konnten sie ihn auch durch die Schrift nicht erkennen.“ [17] Doch erschöpft sich damit die Andersartigkeit der Prußen nicht, neben der Schilderung ihrer nicht christlichen Glaubensinhalte wird auch folgendes erzählt:
„Ferner lag mitten im Gebiet dieses ungläubigen Volks, nämlich in Nadrauen, ein Ort namens Romow, der seinen Namen von Rom herleitete; hier wohnte einer, der Criwe hieß und den sie als Papst verehrten; wie nämlich der Herr Papst die gesamte Kirche der Gläubigen regiert, so lenkte jener mit Wink oder Befehl nicht nur die Prußen, sondern auch die Litauer und die anderen Völker Livlands.“ [18]

Damit wird eine Parallelwelt der Prußen gestaltet, die ein Zerrbild der christianitas darstellt. Das die Prußen jedoch auf den wahren Weg des Glaubens gelenkt werden können, zeigt eine anschließende Wundergeschichte, in der ein Pruße namens Dorge von einer Furcht vor weißen Pferden geheilt werden kann und zu einem großem „Eiferer für den Glauben und die Gläubigen und ein glühender Verehrer Gottes und der Heiligen“ [19] wurde.

3. Fazit
Die obigen Ausführungen sprachen sich dafür aus, in der Chronicon terre Prussie eine Konzeption aufzufassen, die in der Tradition des augustinischen De civitate Dei steht. Dabei konnte der Deutsche Orden als irdische Institution erfasst werden, die zum einen einem göttlichen Auftrag folgt, aber auch fast schon Jesu gleichgestellt ist. Erhärtet wird diese Annahme durch die Selbstverortung des Autors Peter von Dusburg, der sich als Evangelist zu erfassen scheint. Doch kann deswegen der Ordensstaat wohl noch nicht als Gottesstaat bezeichnet werden. Zumindest ist der Deutsche Orden aber auf der moralisch besseren Seite, was der Interpretation der De civitate Dei durch Horn folgt.
Die Prußen, so konnte gezeigt werden, bilden ein Spiegelbild dieser Konzeption. Doch nicht nur des Ordens allein, sondern der gesamten Christenheit. Man kann aber auch erkennen, dass sie, aufgrund ihrer Beschreibung, grundsätzlich erkenntnisfähig wären. Da sie dies jedoch nicht machen, so könnte man behaupten, sind sie moralisch verworfen und bilden darum die civitas diaboli.
Doch ist dies eine sehr spezifische Lesart der Chronicon terre Prussie, die sicherlich noch genauer überprüft werden müsste.

  1. Angeregt wurden die folgenden Ausführungen durch eine kurze Anmerkung in: Neecke, Michael (2008): Literarische Strategien narrativer Identitätsbildung. Eine Untersuchung der frühen Chroniken des Deutschen Ordens. Regensburg. S. 32.
  2. Röd, Wolfgang (2000): Der Weg der Philosophie. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert. Bnd. 1. Altertum, Mittelalter, Renaissance. München S. 306.
  3. Horn, Christoph (1995): Augustinus. München. Hier S. 111-127.
  4. Siehe dazu Wenta, Jarosław (2004): 'Peter von Dusburg' S. 1187-1192. Erschienen in: Wachinger, Burghart u.a. (Hrsgb.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begr. v. Stammler, Wolfgang. Fortgeführt von Langosch, Karl. Bnd. 11; Nachträge und Korrekturen. 5. Lieferung. 2. Aufl. Berlin, New York.
  5. Um eine einfachere Lesbarkeit zu gewährleisten, werden im Folgenden die entsprechenden Textstellen direkt in Übersetzung wiedergegeben. Das heißt der Text folgt folgender Ausgabe: Dusburg, Peter von: Chronik des Preussenlandes. Übers. u. erl. v. Scholz, Klaus; Wojtecki, Dieter. Erschienen in der Reihe: Buchner, Rudolf; Schmale, Franz-Josef (Hrsgb.): Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters. Bnd. 25. Darmstadt 1984. Der lateinischsprachige Text folgt der Edition: Dusburg, Petri de: Chronicon terre Prussiae. Ediert von Töppen, Max. Erschienen in: Hirsch, Theodor; Töppen, Max; Strehlke, Ernst (Hrsgb.): Scriptores rerum Prussicarum. Die Geschichtsquellen der preussischen Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft. Bnd. I Leipzig 1861. Unveränderter Nachdruck Frankfurt a.M. 1965.
  6. Dusburg, Peter von (1984): S. 27.
  7. Ebd.
  8. Die Zitierung weiterführender Quellen folgt hier den Angaben, die die Übersetzer machen. Siehe dazu Anmerkung 1.
  9. Dusburg, Peter von (1984): S. 27.
  10. Ders.: S. 29
  11. Ders.: S. 35.
  12. Dusburg, Peter von (1984): S. 135.
  13. Ebd.
  14. Ders. S. 139
  15. Ders.: S. 139.
  16. Ders.: S. 135.
  17. Ders.: S. 103.
  18. Ebd.
  19. Ders. S. 107

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8986

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Serge Schmid: Die Erinnerung der Gegenwart. Identitätskonstruktionen in den Chroniken des Deutschen Ordens (Abstract)

Serge Schmid (Universität Trier): Die Erinnerung der Gegenwart. Identitätskonstruktionen in den Chroniken des Deutschen Ordens 

Abstract des Vortrags bei der Tagung “MONASTICA HISTORIA II: Ordenshistoriographie in Mitteleuropa – Gestaltung und Wandlung des institutionalen und persönlichen Gedächtnisses in der Frühen Neuzeit”, die am 22. und 23. September 2014 im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten stattfand.

 
1525 wandelte der Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach, das preußische Deutschordensgebiet in ein weltliches Herzogtum unter der Führung des polnischen Königs Sigismund I. um. Aufsehenerregend war dieser Akt zum einen, weil die preußischen Lande ein geschlossenes Ordensgebiet des Deutschherrenordens bildeten und damit auch Kerngebiet seines Handelns darstellten, zum anderen, da Albrecht I. zugleich die Konfession wechselte. Damit endete das fast 300jährige Engagement des Ordens in den betreffenden Gebieten, das sowohl vom Papsttum als auch vom Kaiserreich unterstützt wurde. Dieses Engagement zeigt sich nicht nur in den baulichen Hinterlassenschaften und dem Aufbau einer kirchlichen Verwaltung in den Ländereien, sondern auch in der Chronistik des Ordens.

Der Vortrag geht von den Ergebnissen der bisherigen Identitätsforschung zu den Chroniken des Deutschherrenordens aus. Dabei bindet er auch die Ergebnisse bereits erfolgter eigener Forschung zu diesen Fragen mit ein. Im Kern sind damit die Statuten und die frühesten Chroniken des Ordens angesprochen. Der Vortrag verwendet als theoretischen Hintergrund das Konzept der organizational identity in der Gestalt S. Alberts und D. Alldreds. Dabei wird herausgearbeitet, dass in den Statuten eine Entindividualisierung des Ordensmitgliedes vorgenommen wird, während in den Chroniken, ausgehend von der Livländischen Reimchronik (Ende 13. Jh.) über die Chronica terre Prussie des Peter von Dusburg (beendet ca. 1326) hin zu ihrer Übertragung durch Nikolaus von Jeroschin (ca. 1336), eine zunehmende Individualisierung zu erfassen ist. Dadurch wird das Individuum zunehmend in den Orden als Träger desselben eingebunden. Zugleich wird die Leistungsfähigkeit des Individuums gegenüber dem Orden angesprochen und nicht etwa der Orden als Begründung des Individuums angesehen.

Der Vortrag baut auf diesen Ergebnissen auf und untersucht die Identitätskonstruktionen zweier späterer Chroniken, der sogenannten Chronik der vier Orden  von Jerusalem (nach 1489) und der sogenannten Jüngeren Hochmeisterchronik (beendet 1495).

Der Vortrag arbeitet die Entwicklungslinien heraus, die, trotz der großen zeitlichen Spanne, zu erkennen geben, dass das anzusprechende Individuum nicht mehr in den Orden geführt werden kann und eine geistige Krise des Ordens in Bezug auf eine gemeinsame Identität verortet werden muss.

 

Serge Schmid, geb. 22.11.1983 in Hildesheim, 2004 Abitur in Koblenz, 2006-2014 Studium der Germanistik und Philosophie an der Universität Trier (1. Staatsexamen). Abschlussthema: Identitätsstiftung in der Deutschordensdichtung.

Seit 2014 Dissertation.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/8143

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Ein unbekanntes Fragment mit den Homilien des Beda Venerabilis

In den letzten Jahren wurden die 386 liturgischen Fragmente, die sich hauptsächlich an den Amtsrechnungen der ehemaligen preußischen Ämter befanden, wissenschaftlich bearbeitet.[1] Ein weiterer Band soll nun die nicht-liturgischen Fragmente erschließen, so dass der gesamte Fragmentbestand aus dem Historischen Staatsarchiv in Königsberg dann der Forschung vorliegt. Die meisten der in diesem Bestand vorhandenen deutschsprachigen Fragmente wurden von Ralf Päsler bereits aufgearbeitet.[2] Gleichwohl sollen diese deutschen Fragmente und die neu aufgetauchten in dem abschließenden Katalog erneut aufgeführt werden.

Recto-Seite 2 mit Beschriftung des Trägerbandes GStA Berlin, vorläufige Signatur XX. HA, Hs 86, Nr. 21 (Bild: Anette Löffler)

Recto-Seite 2 mit Beschriftung des Trägerbandes
GStA Berlin, vorläufige Signatur XX. HA, Hs 86, Nr. 21
(Bild: Anette Löffler)

In diesem Fundus befindet sich ein Doppelblatt aus Pergament, das als Kopert zur Jahresrechnung des Amts Neuhaus in den Jahren 1600/1601 gedient hatte, wie die Kopert-Beschriftung aus dem frühen 17. Jahrhundert ausweist.[3] Die Bindungslöcher der Jahresrechnung sind noch sichtbar, ebenso der Platz des ehemaligen Signaturschildchens. Das für die Sekundärverwendung als Kopert an den Rändern umgeknickte Pergament wurde inzwischen in der Restaurierungsabteilung des GStA geglättet. Die 1. Seite des Doppelblatts wurde am Rand beschnitten, was einen Textverlust von ca. 20% nach sich zog. Mit einem Schriftraum von 370 x 230 mm und einem Außenmaß der kompletten Seite von 400 x 260 mm besaß der ehemalige Codex eine stattliche Größe im Großfolio-Format.

Die Ausstattung ist vergleichsweise unspektakulär. Die Überschriften sind in roten Majuskeln gehalten. Neben einzeiligen schwarzen Lombarden existiert zu Beginn einer neuen Homilie eine vierzeilige rote Lombarde mit ornamentaler Verzierung. Bei der Schrift handelt es sich um eine spätkarolingische Minuskel. Die Datierung dieser Minuskel sowie die Provenienzbestimmung gestaltet sich hingegen schwieriger als erwartet.

Das Schriftbild der Minuskel ist sehr einheitlich und weist einen gleichmäßigen Duktus auf. Die einzelnen Buchstaben sind wenig geneigt. Ober- und Unterlängen sind vergleichsweise kurz, lediglich beim x sind sie weiter nach unten ausladend.  Abbreviaturen werden außerordentlich zurückhaltend verwendet. Der Schreiber benutzt sie lediglich bei Worten wie dni/dno/dns (domini/domino/dominus), xpo/xpm/xpi (Christo/Christum/Christi), apli/aplis (apostoli/apostolis), usq (usque), ee (esse), spu (spiritu), frs (fratres), nros (nostros), kmi (karissimi), nob (nobis), oma (omnia), sci (sancti), dm/ds/do (deum/deus/deo). Pro wird selten abgekürzt (z. B. proposita: Verso-Seite 2, rechte Spalte, Z. 23), dasselbe gilt für per (z. B. semper: Recto-Seite 1, rechte Spalte, 5, Z. von unten). Generell verwendet der Schreiber den gängigen Abkürzungsstrich für m und n. Eine spezifische Ausprägung findet sich bei e caudata, also etwa in den Wörtern nre (nostre) oder ecce (ecclesie). Hier führt der Schreiber von der unteren Rundung des e einen keilförmigen Strich von rechts oben nach links unten.

Aufgrund der Schriftmerkmale ergibt sich eine Datierung in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts. Allerdings weist das äußere Erscheinungsbild auf die Abschrift von einer wesentlich älteren Vorlage. Darauf  weist bspw. auch der Schriftmodus auf der Verso-Seite 1 hin, wo eine neue Homilie beginnt. Sowohl die Schrift als auch die Anlage dieser Textstellen verweisen auf einen älteren Text. Die Rubriken führen wie im Homéliaire bavarois folgenden Text [vi]gilia sancti Petri [et Pauli] euangelium secundum Iohannem, gefolgt von dem Text aus Iohannes 21,15-19. Im Anschluss findet sich die Rubrik Omelia [venera]bilis Bede presbiteri [de eode]m lectione.[4] Auch die Schrift ist einer älteren Quelle nachempfunden, indem die Rubriken in Majuskeln ausgeführt werden und zudem auch die Schrift der Vorlage imitiert wird. Dies zeigt sich bspw. an dem Majuskel-M, das durch seine Bögen ganz eindeutig auf entsprechende alte Quellen hinweist.

Ein Vergleich mit anderen Texten ergibt bezüglich der Datierung ein gewissermaßen leicht diffuses Bild. Eine Datierung in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts erscheint deshalb angebracht.[5] In Verbindung mit einer möglichen Provenienz gestaltet sich das Bild allerdings nicht einheitlicher. Zwar sind die meisten der von der Schrift vergleichbaren Handschriften im weitestgehend süddeutschen Raum einzuordnen, dennoch dürfte das hier vorliegende Fragment nicht zwangsläufig ebenfalls in dieser Gegend zu verorten sein. Ähnliche Schriftelemente finden sich bspw. in einem möglicherweise aus Köln stammenden Psalter Hs 45, der um 993/996 geschrieben wurde, wobei diese Datierung für die hier vorliegenden Fragmente nicht in Frage kommen.[6] Gleiches gilt für die ähnliche Schriftausprägung in dem Homiliar Cod. Aug. perg. XVI von der Reichenau, das in das 2. Drittel des 10. Jahrhunderts datiert wird.[7] Zwei weitere liturgische Handschriften bzw. Fragmente aus der Mitte des 11. Jahrhunderts sind von der Schrift noch vergleichbar. Dies ist einmal ein Pontifikale aus Südost-Deutschland, welches sich heute in der Stadtbibliothek Schaffhausen befindet,[8] sowie ein wahrscheinlich aus England stammende Psalterfragment aus dem Bestand des Schlossmuseums Sondershausen.[9]

Die in diesem Fall statthaft erscheinende Datierung in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts ist eben auch der uneinheitlichen Überlieferung sowie der alten Vorlage geschuldet. Damit ist aber auch wahrscheinlich, dass das vorliegende Homiliar-Fragment nur ganz allgemein aus dem deutschen Überlieferungsbereich stammt. Eine Entstehung in Preussenland scheidet aufgrund des Alters somit vollständig aus.

Auf welchen Wegen diese Handschrift nach Preussenland gelangte, ist nicht mehr rekonstruierbar. Im Ordensland müssten selbstverständlich eine erhebliche Anzahl derartiger Handschriften in Benutzung gewesen sein. Allein schon für das Stundengebet waren derartige Bücher notwendig. Allerdings sind kaum Hinweise auf die Existenz von Homiliaren im Ordensland zu finden. In den Statuten des Deutschen Ordens finden sich weder in der Regel noch in den Gesetzen oder in den Gewohnheiten entsprechende Indizien für eine Verwendung von Homiliaren.[10] Im Großen Ämterbuch des Deutschen Ordens, in dem auch der Buchbesitz in den einzelnen Komtureien, Pfarren und Kirchen wenn auch sehr plakativ und lediglich in quantitativem Maßstab aufgeführt wird, kommt nur zum Jahr 1405 für die Pfarrei Thorn ein omelia de sanctis vor.[11] Nicht von der Hand zu weisen ist natürlich auch die Vermutung, dass die Handschriften, die wir heute als Homiliare bezeichnen in den mittelalterlichen Quellen anderweitig bezeichnet werden, etwa als Lectionarium, Sermonarium o.ä.[12] Auch Arno Mentzel-Reuters konnte in seiner Habilitation über den Buchbesitz im Deutschen Orden keine expliziten Homiliare erkennen.[13] Im Großen Ämterbuch finden sich unter den Begriffen buch mit sermones oder predigbucher wenigstens einige wenige Nachweise.[14] Auch ein buch dorinne lectiones kommt in den Jahre 1507 und 1508 für Preussisch Mark vor.[15]

Dennoch befanden sich im Ordensbesitz mit Sicherheit Homiliare. Nach der Reformation und der Umwandlung des preußischen Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum wurde ein Teil der ehemaligen Buchbestände der Ordenskonvente in der Ordensliberei Tapiau aufbewahrt.[16] Diese Bestände wurden 1541-1543 in die Schlossbibliothek nach Königsberg überführt. Von dieser Überführung existiert ein heute im GStA Berlin aufbewahrtes Verzeichnis.[17] Dort finden sich zwar mehrfach Predigtsammlungen sowie einige liturgischen Handschriften, unter den knapp 340 Büchern ist jedoch kein Homiliar genannt oder umschrieben.

Wie die meisten Jahresrechnungen der preußischen Ämter sind auch die des Amtes Neuhaus nahezu lückenlos überliefert. Weitere Fragmente wurden für einige Neuhauser Jahresrechnungen „verarbeitet“. So sind auch die Jahre 1593/94, 1601/02, 1605/06, 1607/08, 1614/15, 1615/16, 1617/18 sowie 1619/20 mit liturgischer Makulatur versehen.[18] In diesen Zeitraum fügt sich das vorliegende Fragmente den Rechnungsjahren 1600/01 perfekt ein. Außerdem legt dies den Gedanken nahe, dass diese Amtsrechnungen offensichtlich von demselben Buchbinder in einer Art konzertierter Aktion eingebunden wurden. Ihre Zugehörigkeit zu einer Konventsbibliothek des Deutschen Ordens gewinnt dadurch an Gewicht, dass es sich bei der liturgischen Makulatur um Handschriften handelt, die der Liturgie des Deutschen Ordens folgten.[19]

Beginn der Homilie zu Vigilia Petri et Pauli GStA Berlin, vorläufige Signatur XX. HA, Hs 86, Nr. 21 (Bild: Anette Löffler)

Beginn der Homilie zu Vigilia Petri et Pauli
GStA Berlin, vorläufige Signatur XX. HA, Hs 86, Nr. 21
(Bild: Anette Löffler)

Inhaltlich gesehen handelt es sich um Teile der Homilien 20 und 22 des Beda Venerabilis.[20] Aus den fehlenden Textteilen ergibt sich, dass es sich bei diesem Doppelblatt um das zweitinnerste einer Lage handeln muss. Beide Homilien entstammen dem Sanktorale. Homilia 20 birgt Teile zu dem Fest der Geburt Johannes des Täufers (24. Juni), Homilia 22 mit dem Initium Virtutem nobis perfectae dilectionis den Beginn zur Vigil von Petrus und Paulus (28. Juni). Diese beiden Homilien finden sich außer im Homéliaire bavarois noch im Homiliar von Mondsee, im Homiliar des Hrabanus Maurus sowie in der Sammlung des Smaragdus.[21] Ihren Stammplatz besitzen diese beiden Homilien allerdings im Homeliar des Paulus Diaconus, wo sie auch direkt aufeinander folgen.[22] In der genannten Reihenfolge erscheinen die beiden Homilien auch im Homeliar von Mont Saint-Michel, einer Handschrift des 12. Jahrhunderts.[23] Die Homilie zur vigilia von Petrus und Paulus ist allerdings nicht mit der im Fragment vorliegenden identisch, obwohl das Initium gleich beginnt, dann aber wie schon aus der Überschrift im Codex kenntlich sich als Omelia Claudii presb. de eodem lectione, also einem Auslegungsteil des Alcuin zum Johannes-Evangelium, erweist.[24]

Die textliche Überlieferung orientiert sich überwiegend an der Handschriftenfamilie, die in der Edition der Classis I B (Codices deteriores) zugehörig sind.[25] Lediglich mit der Handschrift L der Classis II A (Codices meliores) weist das Fragment weitere Gemeinsamkeit in der Textüberlieferung auf.[26]Alle vier Textzeugen stammen aus dem 10. bis 11. Jahrhundert. Allerdings sind im vorliegenden Fragment weitere, in der Edition nicht berücksichtigte, Textvarianten vorhanden. In Homilia 20 wird das Wort autem durch ein enim ersetzt.[27] Und zu Beginn der Homilia 22 heißt es im Fragment totiens statt toties und wenige Zeilen darunter in dominum statt in deum.[28] Noch eine weitere Abweichung taucht in Homilia 22 auf, nämlich die Einfügung von et gegen Ende des Textes.[29]

 

[1] Anette Löffler: Fragmente liturgischer Handschriften des Deutschen Ordens im Historischen Staatsarchiv Königsberg (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 18, hg. von Udo Arnold), Lüneburg 2001; dies.: Fragmente liturgischer Handschriften des Deutschen Ordens aus dem Historischen Staatsarchiv Königsberg/Preußen II (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 24, hg. von Udo Arnold), Marburg 2004; dies.: Fragmente liturgischer Handschriften des Deutschen Ordens im Historischen Staatsarchiv Königsberg/Preußen III (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 28, hg. von Udo Arnold), Marburg 2009.

[2] Ralf Päsler: Katalog der mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 15, hg. von Uwe Meves), Oldenburg 2000, hier S. 154-179. Dazu auch ders.: Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland bis 1500. Untersuchungen zu ihrer Überlieferung (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas 2, hg. von Klaus Garber und Axel E. Walter), Köln 2003.

[3] Signatur des Trägerbandes: GStA Berlin, XX. HA., Ostpr. Fol. 7662. Das Fragment trägt die vorläufige Signatur Hs 86, Nr. 21.

[4] Henri Barré: Les Homéliares carolingiens de l’École d’Auxerre. Authenticité – Inventaire – Tableaux comparatifs – Initia (Studi e Testi 225), Città del Vaticano 1962, S. 25-26 und 218.

[5] Für kollegialen Rat danke ich einmal mehr Prof: Dr. Herrad Spilling, Stuttgart.

[6] Glaube und Wissen im Mittelalter. Die Kölner Dombibliothek, Köln 1998, S. 219-224, mit weiterer Literatur.

[7] Vor dem Jahr 1000. Abendländische Buchkunst zur Zeit der Kaiserin Theophanu, Köln 1991, S. 116-117, mit weiterer Literatur.

[8] Europas Mitte um 1000, hg. von Alfried Wieczorek / Hans-Martin Hinz, 3 Bde., Stuttgart 2000, hier Bd. 3, S. 434-435.

[9] Bestandskatalog zur Sammlung Handschriften- und Inkunabelfragmente des Schloßmuseums Sondershausen, hg. von Gerlinde Huber-Rebenich / Christa Hirschler (Sondershäuser Kataloge III), bearb. von Matthias Eifler, Almuth Märker und Katrin Wenzel, Jena 2004, S. 119.

[10] Max Perlbach (Hg.): Die Statuten des Deutschen Ordens, Halle 1890, ND Hildesheim 1975.

[11] Walther Ziesemer (Hg.): Das Größe Ämterbuch des Deutschen Ordens, Danzig 1921, S. 462, Z. 7.

[12] Ein mitteldeutsches Lektionarfragment aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts befindet sich bspw. unter den deutschen Königsberger Fragmenten, s. Ralf Päsler: Katalog der mittelalterlichen deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, hg. von Uwe Meves (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 15), München 2000, S. 173.

[13] Arno Mentzel-Reuters: Arma spiritualia. Bibliotheken, Bücher und Bildung im Deutschen Orden (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 47, hg. von Michael Knoche), Wiesbaden 2003.

[14] Ziesemer (wie Anm. 11) für den obersten Marschall in der Komturei Königsberg in den Jahren 1431-1438 16 predigebucher, S. 29, Z. 15; S. 32, Z. 13; S. 34, Z. 35; S. 39, Z. 6; S. 40, Z.21 oder für die Sakristei der Komturei Osterrode 1449 5 bucher sermonen S. 337, Z. 31 und 35.

[15] Ziesemer (wie Anm. 11), S. 146, Z. 27 und S. 147, Z. 37.

[16] Hans-Georg Malz: Das Bibliothekswesen des Deutschen Ordens in Preußen unter besonderer Berücksichtigung des Verzeichnisses der Ordensliberei Tapiau, ungedruckte Diplomarbeit, Köln 1970, hier S. 55 ff.

[17] GStA Berlin, EM, Tit. 71,1, Nr. 43. Ein weiterer Abdruck auch bei Eckhard Grunewald: Das Register der Ordensliberei Tapiau aus den Jahren 1541-1543, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 1 (1993), S. 55-91.

[18] Löffler I (wie Anm. 1), Nr. 128, S. 157-158; Nr. 133-137, S. 162-169; Nr. 139, S. 170-172.

[19] Nr. 128, 135, 137, 139 und 140: Missale OT;Nr. 133 und 134: Antiphonarium OT;

[20] Beda Venerabilis Opera, Pars III: Opera homiletica, Pars IV: Opera rhytmica (Corpus Christianorum, Series Latina 122), Turnhout 1965, S. 333-334, 342, 344 und. 346-348. Patrologiae cursus completus, series Latina (künftig: PL), hg. von Jacques-Paul Migne, Paris 1844 ff., 94, Sp. 210-214 und 214-219.

[21] Barré (wie Anm. 4), S. 25-26 und 218.

[22] Reginald Grégoire: Homéliaires liturgiques médiévaux. Analyse de mansucrtits (Biblioteca della „Studi medievali“ 12), Spoleto 1980, S. 461, Nr. 44-45, in der Überlieferung der Karlsruher Handschrift Hs. Augiensis 15 aus dem 9. Jahrhundert..

[23] Raymond Étaix: Homéliaries patristiques latins. Recueil d’études de manuscrits médiévaux (Collection des études Augustiniennes, Série moyen âge et temps modernes 29), Paris 1994, S. 281, Nr. 129, zu Beginn des Sommerteils des Sanktorale.

[24] Étaix (wie Anm. 23), S. 281; PL 100, Sp. 1000D-1003B.

[25] CCSL 122 (wie Anm. 20), S. XVII-XVIII.

[26] CC SL 122 (wie Anm. 20), S. XVIII.

[27] CCSL 122, (wie Anm. 20), S. 333, Z. 178.

[28] CC SL 122 (wie Anm. 20), S. 344, Z. 7 und 10.

[29]  CC SL 122, (wie Anm. 20), S. 347, Z. 206, zwischen erant und ceteri.

Über die Autorin: Dr. Anette Löffler M.A. promovierte zu einem Thema der spätmittelalterlichen hessischen Landesgeschichte. Nach der Promotion war sie in verschiedenen Handschriftenabteilungen, in Bibliotheken und Archiven als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Liturgie des Deutschen Ordens, Fragmentforschung sowie die Erforschung mittelalterlicher Buch- und Bibliotheksbestände.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/889

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Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2283

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