Interdisziplinäres Frankreich-Zentrum an der WWU Münster

Im November 2011 ist an der WWU Münster das Interdisziplinäre Frankreich-Zentrum (iff) eröffnet worden, dessen Website jetzt online ist. Ziel des iff ist es, das in den verschiedenen Fächern und Fachbereichen vorhandene Interesse an der Kooperation mit französischen Partnern wie insgesamt an der französischen Geschichte und Kultur an der WWU Münster synergetisch zusammenzuführen. Das iff macht es sich zur Aufgabe, die Vielfalt der in Forschung und Lehre an der WWU vorhandenen deutsch-französischen Kooperationen und Initiativen sichtbar zu machen und das internationale Profil der Universität Münster weiter zu stärken. Gemeinsam organisierte Lehrangebote, Vortragsveranstaltungen und koordinierte Forschungsvorhaben sollen zukünftig dazu beitragen, das besondere Potenzial des Frankreich-Schwerpunktes im Rahmen einer interdisziplinären Kooperation an der WWU Münster stärker hervorzuheben.

Teil dieser Initiative sind auch die Internetseiten des iff. Diese informieren fortan über die Arbeit des Forums und seiner Mitglieder wie vor allem über die verschiedenen Vorträge und Lehrveranstaltungen, die in dessen Rahmen veranstaltet werden. Eine Präsenz in den sozialen Medien ist zukünftig geplant.

Internetseite des iff: http://www.uni-muenster.de/IFF/

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1165

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Twitter in der Wissenschaft: Ein Leitfaden für Historiker/innen

  Twitter (engl. für Gezwitscher) ist ein »Echtzeit-Informationsnetzwerk« zur Verbreitung von Kurznachrichten, sogenannten Tweets, die bis zu 140 Zeichen enthalten können. Aufgrund der vorgegebenen Kürze der Mitteilungen spricht man bei Twitter auch von Microblogging. Ein weiterer Dienst dieser Art ist z.B. ScienceFeed, das speziell für die Wissenschaften entwickelt wurde, jedoch nicht so weit verbreitet ist. Tweets können außer Text auch Fotos, Videos sowie Links auf Websites enthalten. Die Nachrichten sind in der Regel öffentlich und auch ohne Konto auf der Suchseite bei Twitter einsehbar. Wer selbst Tweets senden möchte, braucht jedoch eine Anmeldung. Twitter eignet sich in vielfacher Hinsicht als Informations- und Distributionskanal in den Wissenschaften. Dennoch gibt es gerade im deutschsprachigen Bereich noch wenige Historiker/innen, die auf Twitter aktiv sind, vielleicht auch, weil nicht klar ist, welches Potential und welche Einsatzmöglichkeiten Twitter hat und wie man den Dienst tatsächlich verwendet. Dieser Blogbeitrag versteht sich daher als praktische Hilfestellung für Historiker/innen, die Twitter zu wissenschaftlichen Zwecken einsetzen wollen. Die hier aufgeführten Anwendungsbeispiele und Tipps sind dabei lediglich als Hinweise zu verstehen, die dem eigenen, kreativen Umgang mit Twitter keinesfalls im Weg stehen sollen. Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Leitfaden nicht vollständig sein kann. Um Ergänzungen in den Kommentaren wird daher ausdrücklich gebeten.

Twittern als Historiker/in – wozu?

Twitter ist ein hervorragendes Mittel, um einerseits auf dem Laufenden zu bleiben und um andererseits die Fachkollegen/innen über die eigenen Publikationen, Vorträge und Tätigkeiten zu informieren. Damit ergänzt Twitter die Fachinformation, wie sie über Publikationen und Tagungen sowie seit dem Aufkommen des Internet über Mailinglisten, Blogs, Portale, etc. geführt wird. Die Einsatzbereiche von Twitter in der Wissenschaft sind sehr vielfältig und man könnte darüber ohne Mühe einen eigenen umfangreichen Beitrag verfassen. Da der Schwerpunkt hier auf der praktischen Anleitung liegt, seien die wichtigsten Bereiche nur kurz aufgezählt:
  • Informationssuche
  • auf dem Laufenden bleiben (thematisches Monitoring)
  • Verbreitung von Nachrichten
  • Austausch über einen wissenschaftlichen Gegenstand
  • interne und externe wissenschaftliche Kommunikation
  • Vernetzung mit Fachkollegen/innen
  • universitäre Lehre[1]
  • wissenschaftliche Tagungen
  • Doktorandenchats[2]
  • Kollaboratives Arbeiten, z.B. zur Identifizierung eines alten Manuskripts[3]
  • Wissenschaftsmarketing und PR (auch von Instituten und Universitäten…)
Mit Twitter kann man das eigene Netzwerk erheblich erweitern und besser Kontakt halten, als es über ein- bis zweimalige Treffen pro Jahr auf Konferenzen möglich ist. Der Umgang ist weniger formal als in Emails oder Briefen und es ist einfacher, mit anderen in Kontakt zu treten. Twittern bietet daher gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute Möglichkeit zur Vernetzung, die zudem Spaß macht. Nicht zuletzt können aus den Kontakten in den sozialen Netzen auch Freundschaften entstehen.

Und los geht’s: die Anmeldung

Zunächst eröffnet man bei Twitter ein Nutzerkonto. Anders als bei Google+ sind bei Twitter Pseudonyme zugelassen. Zu überlegen ist also, ob man bei Twitter anonym auftreten will oder nicht. Soll Twitter für Eigenmarketing und für Kontaktpflege genutzt werden, ist es sinnvoll, sich unter dem eigenen Namen anzumelden, um von den Fachkollegen/innen gefunden zu werden. Anschließend wird ein Nutzername festgelegt, der mit einem @ beginnt. Der Nutzername kann aus dem richtigen Namen bestehen, daraus abgeleitet sein oder völlig frei gewählt werden (bei Richard Evans z.B. @RichardEvans36, bei Peter Haber @peha64, bei Claudine Moulin @ClaudineMoulin). In manchen Augen kann der Nutzername als Indiz für die Seriosität eines Accounts gelten. Doch in den sozialen Netzen darf es ruhig persönlich oder kreativ sein und es ist eine Frage des Stils, für welchen Namen man sich entscheidet. Bei Twitter werden im Vergleich nur wenige persönliche Daten abgefragt und gespeichert. Das persönliche Profil kann mit einem Foto, Ort, URL einer Website und einer kurzen Beschreibung ergänzt werden. Die Korrektheit dieser Angaben wird nicht überprüft. Eine Ausnahme bilden die Konten von bekannten Persönlichkeiten, die einen authentifizierten Account beantragen können, erkennbar am kleinen blauen Haken hinter dem Namen (z.B. @fr_Schirrmacher Frank Schirrmacher). Ob, wie und in welcher Sprache man diese Angaben ausfüllt und welches Foto man wählt, hängt ebenfalls davon ab, wie man Twitter selbst nutzen möchte. Wer erkannt werden will, wählt ein Foto von sich, wer ein Statement abgeben will, verwendet ein anderes Motiv. Es ist der Vernetzung dienlich, wenn die Beschreibung den Hinweis enthält, dass man Historiker/in ist sowie ggf. das eigene Forschungsthema und die wissenschaftlichen Interessen. Anders als der Nutzername ist die Beschreibung, die aus 160 Zeichen bestehen darf, jederzeit änderbar. Profil des Twitter-Accounts der "Weberin"

Abb. 1: Anonymes Twitter-Konto der “Weberin”, Schwerpunkt Geschichte, Digital Humanities und allerlei

Wem folgen?

Über das Abonnement der Tweets eines anderen Twitterkontos wird man selbst zum Verfolger (Follower). Das Einverständnis der Person, der man folgen möchte, ist nicht notwendig, es sei denn, ein Konto ist als privat gekennzeichnet (erkennbar an einem kleinen Schloss als Zeichen neben dem Namen). Laut einer Aufstellung von Mark Scheloske (März 2012) gibt es derzeit rund 300 twitternde Wissenschaftler/innen in Deutschland. Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig und Studierende dürften darin überwiegend fehlen. Man kann diese Liste aber nutzen, um Personen zu finden, denen man folgen möchte. Außerdem ist es im Sinne der Eigenwerbung ratsam, sich selbst für den Eintrag in der Liste anzumelden (am besten per Tweet an Mark Scheloske @werkstatt). Weitere twitternde Wissenschaftler/innen in Deutschland findet man in der Twitterliste »Twissenschaftler«, die 169 Mitglieder hat (zum Gebrauch von Listen bei Twitter siehe unten). Speziell für Historiker/-innen hat Erika Fagen (@erfagen) die Liste »European Twitterstorians« angelegt, die derzeit die Tweets von 58 europäischen Historiker/-innen enthält. Weitere Listen für Historiker/innen sind:
  • Historische Zeiten von Thomas Endl (@Histonaut), 78 Mitglieder
  • Geschichte von Philipp Spreckels (@epenschmied): Historisch-bedeutendes,Historiker und Geschichtsjournalismus im weitesten Sinne, 31 Mitglieder
  • Geschichte von Michael Schmalenstroer (@MschFr), 28 Mitglieder
  • @TheHistoryList: A new tool for local and national organizations to publicize theirhistory-related events and exhibits, sites and museums, 528 Mitglieder
  • Historians Who Tweet von HNN (@myHNN): A comprehensive list of historians on Twitter! 204 Mitglieder
  • Twithistosphère von Émilien Ruiz (@mXli1): quand les historien-ne-s tweetent…französische Liste mit 64 Mitgliedern.
  • Sowie weitere historische Twitterempfehlungen im Blog Zeittaucher.
Darüber hinaus lohnt es sich, verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen zu folgen, wie z.B. der eigenen Universität, der Bibliothek oder des Fachbereichs, sofern auf Twitter aktiv, wissenschaftlichen Stiftungen wie z.B. L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung (@portalLISA) oder auch den wenigen Archiven, die derzeit twittern (in Deutschland z.B. @Archiv_LinzRh und @Speyer_Archiv). Ich erlaube mir, auch die Einrichtungen zu nennen, mit denen ich verbunden bin, also das DHI Paris (@dhiparis), die Max Weber Stiftung (@perspectivia) sowie das Blogportal für die deutschsprachige Geisteswissenschaften de.hypotheses.org (@dehypotheses). H-Soz-u-Kult sendet ebenfalls Tweets (@hsozkult und @hsozkultservice für Jobs, Stipendien…), wobei dort derzeit nur das gepostet wird, was auch über die Mailinglisten läuft. Weitere wissenschaftliche Einrichtungen findet man in der bereits oben erwähnten Aufstellung von Mark Scheloske sowie in der Übersicht „Deutsche Wissenschaft auf Twitter“ von Beatrice Lugger. In der PC-Ansicht von Twitter werden außerdem Konten vorgeschlagen, die einen interessieren könnten. Es lohnt sich, diese Vorschläge hin und wieder durchzusehen, um das eigene Netzwerk zu erweitern. Es gibt die Möglichkeit, einem Konto auch wieder zu entfolgen, wenn man nach einiger Zeit feststellt, dass die Tweets nicht von Interesse sind. Anders als bei neuen Followern erhält ein Twitteruser keine Mail, wenn sich jemand dazu entschließt, das Abonnement abzubestellen. Mit einem Dienst wie Twunfollow  oder NutshellMail, der auch sonst nützlich ist, kann man Abokündigungen verfolgen (siehe auch weiter unten Applikationen und Dienste).

Die Timeline

Die eigene Timeline bei Twitter ist eine personalisierte Chronologie mit den Tweets der Konten, die man abonniert hat. Sie sieht daher bei jedem Twitteruser anders aus, handelt es sich doch um einen “individuell strukturierten Diskursraum”[4]. Die Reihenfolge der Tweets ist wie bei Blogs umgekehrt chronologisch, d.h. die neueste Mitteilung steht ganz oben.   Abb. 2: Beispiel einer Timeline Je nach Tweets der Konten, denen man folgt, sieht man darin, was die Kollegen/innen gerade publiziert haben, lesen, als Lektüre empfehlen, im Archiv entdeckt haben, auf welcher Tagung sie sind und welche Neuigkeiten es bei dieser oder jener Universität, Bibliothek oder Wissenschaftsinstitution gibt usw. Die Timeline ist nicht wie die Inbox eines Mailkontos zu verstehen, die abzuarbeiten ist. Man kann keine einzelnen Tweets anderer Personen aus der eigenen Timeline löschen, wenn man sie gelesen hat oder wenn diese einem nicht gefallen. Hier gibt es nur die Möglichkeit, dem gesamten Account zu entfolgen. Da viele Personen ihren Twitteraccount sowohl privat als auch beruflich nutzen, ist auch die eigene Timeline eine Mischung aus Tweets mit wissenschaftlichen und Tweets mit privaten Inhalten (siehe auch Privates twittern?).

Wie lesen?

Eine verbreitete Fehleinschätzung bei Neulingen auf Twitter dürfte sein, dass sie meinen, ausnahmslos alle Tweets in der eigenen Timeline lesen zu müssen. Dies wird durch manche Applikation für Smartphonegeräte unterstützt, die einen dazu zwingen, die Timeline von hinten nach vorn zu überblättern. Ab einer bestimmten Anzahl von Abonnements ist die systematische Lektüre der geposteten Tweets jedoch schlicht unmöglich. Hier erweist sich der Einsatz von Listen als sehr hilfreich (siehe unten). Eine Strategie kann sein, nur bestimmte Personen systematisch zu lesen und die Tweets anderer Personen vertikal durchzugehen. Beim Vorbeiblättern der Kurznachrichten bleibt man manchmal an einem Namen oder an einem Wort hängen und liest diesen Tweet dann genauer. Retweets weisen darauf hin, dass eine Nachricht interessant sein könnte. Auch für das Lesen der Tweets gibt es keine Vorgabe, sondern allerhöchstens Empfehlungen. Jeder kann den Dienst so nutzen, wie er es für richtig hält und wie es in die eigenen Arbeitsabläufe passt. Es kann durchaus vorkommen, einige Tage gar nicht in die Timeline zu schauen. Da es bei Twitter die Möglichkeit gibt, Personen direkt anzusprechen und auf Nachrichten hinzuweisen, kann man sich gegenseitig auf Informationen aufmerksam machen. Das geht natürlich auch per Mail; Twitter lädt aber zu dieser Praktik des gegenseitigen Monitorings geradezu ein, und man braucht dabei den Dienst nicht zu wechseln.

Was twittern?

Ursprünglich war ein Tweet die Antwort auf die Frage „Was machst Du gerade?“ Das wurde 2009 geändert in „Was gibt es Neues?“, da die Twitternutzer sehr viel kreativer mit ihren Statusmeldungen waren, als von den Programmierern gedacht. Mittlerweile heißt es in der deutschen PC-Fassung neutral: „Verfasse einen neuen Tweet“, womit der Tatsache Rechnung getragen wird, dass Twitter nicht nur ein Ort ist, an dem sich Privatpersonen über Banalitäten austauschen. Generell wird unterschieden zwischen Tweets, die sich auf eine Aktivität beziehen und Tweets, die sich auf Gedanken beziehen. Im wissenschaftlichen Einsatz von Twitter kommt beides vor. Hier beantworten Tweets z.B. Fragen über:
  • die aktuelle Lektüre
  • aktuelle eigene Veröffentlichungen
  • was gerade erschienen und empfehlenswert ist
  • welche Tagung, Veranstaltung, Ausstellung… man derzeit oder demnächst besucht
  • welchen Vortrag man gerade zu welchem Thema vorbereitet
  • weitere Neuigkeiten aus den eigenen Interessensgebieten, z.B. aus Geschichtsblogs[5]
Doch damit erschöpfen sich die möglichen Einsatzmöglichkeiten von Twitter keineswegs. Erik Kwakkel (@erik_kwakkel) twittert beispielsweise über mittelalterliche Manuskripte und hängt den Nachrichten regelmäßig Fotos an. Kulturgutverwahrende Institutionen präsentieren über Twitter ausgewählter Stücke ihres Bestandes, z.B. #bilderfreitag oder die Aktion Foto Freitag des niederländischen National Archief[6]. Es gibt Twitter-Projekte wie @Mauer61_Stasi, über den Zeitraum vom 13.07. bis 13.09.1961, basierend auf Berichten der Staatssicherheit aus dem Archiv des BStU ergänzt durch andere Quellen[7]. Dass man bei solchen Vorhaben Vorsicht walten lassen muss, zeigt die Kritik rund um das Projekt @RealTimeWW2 eines 24jährigen englischen Geschichtsstudenten, der den zweiten Weltkrieg über Tweets live nacherzählt[8]. In Tweets kann man auch Fragen stellen an die #followerpower, die geballte Kraft und Kenntnisse der eigenen Follower. Diese leiten die Anfrage an ihre jeweils eigenen Follower weiter und so fort, so dass man potentiell eine große Anzahl an Personen erreicht. Beispiele für diese Art der gegenseitigen Hilfe wären etwa die Nachfrage nach Empfehlungen bezüglich einer Software, wo es einen bestimmten Text online frei zugänglich gibt oder ob jemand Literaturhinweise zu einem Thema hat. Natürlich funktioniert das erst dann richtig gut, wenn man bereits aktiver Teil einer Online-Community ist und sich bei Twitter eine Gefolgschaft aufgebaut hat.

Privates twittern?

Kurze Texte in den sozialen Medien unterscheiden sich in Stil und Duktus klar von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Bei Twitter darf es ruhig persönlich werden, man darf „ich“ schreiben und sollte die eigene Meinung zum Ausdruck bringen. Wie viel Privates man über Twitter mitteilen möchte, ist eine Stilfrage und bleibt jedem selbst überlassen. Wer bei anderen keine „Guten-Morgen-Tweets“ lesen will, wird auch selbst nicht posten, was es gerade zum Mittagessen gibt. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Grenzen zwischen der privaten und beruflichen Nutzung bei Twitter wie auch bei anderen sozialen Medien leicht verschwimmen. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zufolge nutzten zwei Drittel ihre Microblogging-Accounts sowohl privat als auch beruflich[9]. Es ist denkbar, dass die über Twitter verbreiteten eigenen öffentlichen Statements der Institution, der man angehört, nicht passen. Dies war beispielsweise bei der Washington Post der Fall, die für ihre Journalisten Social-Media-Regeln erlies, denen zufolge die Journalisten nicht der offiziellen Politik der Zeitung widersprechen durften. Einige Twitteruser weisen daher in der Beschreibung des eigenen Accounts darauf hin, dass hier als Privatperson und nicht im Namen der wissenschaftlichen Einrichtung, der man angehört, getwittert wird.

Nur 140 Zeichen…

Tweets sind Nachrichten, die bis zu 140 Zeichen enthalten können. Das ist oft ausreichend, manchmal aber auch sehr kurz. Für viele Tweets muss man daher die eigenen Gedanken stark kondensieren sowie Abkürzungen[10]. verwenden. Das führt zu einer für linguistisch Forschende interessanten Anwendung der Sprache, an die man sich zunächst gewöhnen muss. Es ist möglich, eine Aussage über zwei Tweets zu ziehen. Dazu gibt man am Ende des ersten Tweets an, dass es sich um Tweet 1 von insgesamt X handelt. Bei zwei Tweets schreibt man also: 1/2. Den nachfolgenden Tweet beginnt man dann mit 2/2. Dieses Aufteilen auf mehrere Tweets stört jedoch den schnellen Lesefluss und wird nur in Ausnahmen verwendet. Mit TwitLonger steht eine Applikation bereit, um längere Tweets zu senden. Über Twitter tauchen Aphorismen wieder im „digitalen Gewand“ auf[11]. Dies können aktuelle Zitate sein, aber auch historische, so dass ein Tweet zum Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Recherche zu spätmittelalterlichen Spruchweisheiten werden kann[12]. Besonders schön: “Das kürzeste Konradin-Drama aller Zeiten auf Twitter”: Abb. 3: Das kürzeste Konradin-Drama aller Zeiten auf Twitter Manche Personen unterhalten sich bei Twitter mit sich selbst oder neigen zu Monologen, wobei ich das bisher vor allem bei den französischen Kollegen beobachten konnte. Diese twittern manchmal ganze Texte stückweise und nehmen dabei in Kauf, 7-8 Follower zu verlieren, denen das zu viel wird[13]. Von der eigenen Freiheit, einem Account zu folgen oder auch wieder zu entfolgen, kann man bedenkenlos Gebrauch machen.

Retweeten: erneut zwitschern

Abgekürzt RT. Retweeten bedeutet, dass man einen Tweet aus der eigenen Timeline an seine Follower erneut sendet. Man kann sich das wie das Weiterleiten einer Mail vorstellen. Durch das erneute Senden wird der Tweet in der Chronologie wieder nach oben gesetzt und bleibt damit aktuell. Dadurch wird die manchmal virale Verbreitung der Nachrichten erreicht. Retweets dienen dazu, Inhalte weiter zu geben und sind oftmal auch Zustimmung zum Gesagten. In der Wissenschaft werden Retweets auch als Teil der Zitationskultur gesehen. Laut einer Studie retweeten Wissenschaftler/-innen häufiger als andere Twitteruser[14]. Retweets können kommentiert werden, sofern die 140 Zeichen noch nicht ausgeschöpft sind. Der Kommentar steht dann am Anfang der Nachricht, gefolgt von RT und dem Text des ursprünglichen Tweets, z.B.: „Unbedingt lesen! RT [ursprünglicher Tweet]“ Damit Platz für Kommentare bleibt, geben einige Anweisungen den Rat, nur Tweets mit maximal 125 Zeichen zu versenden. Da das aber nicht immer möglich ist, kann man bei einem Retweet, der kommentiert werden soll und kein Platz vorhanden ist, den ursprünglichen Tweet verändern oder abkürzen. Dies wird dann durch ein MT (= modified tweet) deutlich gemacht, z.B.: „Unbedingt lesen! MT [ursprünglicher Tweet in modifizierter Form]“. Per Klick auf die kleine Sprechblase im modifizierten Tweet kann man sich die ursprüngliche Nachricht jederzeit anzeigen lassen. Retweets zeigen Communities an und sind von daher nicht nur inhaltlich interessant. Es lohnt sich, darauf zu achten, wen Personen, die man selbst interessant findet und die einen beeinflussen (sog. Influencer), retweeten, um so auf weitere einschlägige Twitterkonten aufmerksam zu werden.

Hashtag

Zur inhaltlichen Erschließung der Tweets können Schlagwörter verwendet werden. Diese werden bei Twitter als Hashtags bezeichnet. Sie setzen sich zusammen aus dem Rautezeichen »#« (engl. hash) und einem Schlagwort (engl. tag), z.B. #twitterstorians für twitternde Historiker/innen. Hashtags dürfen keine Bindestriche oder Leerzeichen enthalten, da dann die Verlinkung nur für das erste Wort funktioniert. Besteht ein Hashtag aus mehreren Begriffen, werden die Worte einfach hintereinander weggeschrieben, z.B. #früheneuzeit. Die Groß- oder Kleinschreibung der Wörter ist dabei unerheblich. Manche bilden aus ganzen Sätze einen Hashtag, z.B. #werhättedasgedacht? Hashtags werden dann selbst Teil des Inhalts eines Tweets und können das im Tweet Gesagte erweitern oder ihm manchmal erst den Sinn geben. Hashtags bilden ein Universum für sich. Per Klick darauf werden aktuelle Tweets zu einem bestimmten Thema angezeigt. Diese Tweets sind aufgrund der fehlenden Archivierung (siehe unten) in der Regel allerdings nicht älter als einige Tage. Sehr hilfreich sind Schlagwörter bei Tagungen, bei denen man sich vorher auf einen gemeinsamen Hashtag geeinigt hat. Über den Gebrauch dieses Hashtags sieht man, welche anderen twitternden Wissenschaftler/innen noch anwesend sind. Nur 5 Prozent aller Tweets sind mit einem Hashtags versehen[15]. Für ihre Nutzung im wissenschaftlichen Bereich liegen keine Zahlen vor, sie dürfte aber höher liegen. Eingeführte Hashtags im Bereich der Geschichtswissenschaft sind beispielsweise laut den Rückmeldungen meiner #followerpower über Twitter: Übersichten über englische Hashtags im Bereich der Geschichte gibt es hier und hier. Wer unsicher ist, fragt am besten über Twitter, ob es für das eigene historische Thema bereits einen verabredeten Hashtag gibt.

Trending Topics

Trending Topics eines bestimmten Landes werden anhand von Retweets und anhand der Verwendung des gleichen Hashtags ermittelt. Eine wissenschaftliche Konferenz beispielsweise, bei der der gleiche Hashtag von verschiedenen Twitterern häufig verwendet wird, kann es zum Trending Topic für eine bestimmte Zeit schaffen (so geschehen bei der Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften oder: Vom Entstehen einer neuen Forschungskultur[16]. Diese erhöhte Aufmerksamkeit für ein Thema hat den Nachteil, dass der als trendig identifizierte Hashtag dann ebenfalls von Spammern verwendet wird.

Favoriten

Besonders interessante Tweets kann man als Favorit markieren und damit im eigenen Profil speichern. Dies ist hilfreich, wenn man gerade keine Zeit hat, einen Text, auf den im Tweet verlinkt wird, zu lesen. Durch das Markieren als Favorit kann man den entsprechenden Tweet auch zu einem späteren Zeitpunkt aufrufen (was bei anderen Tweets aufgrund der fehlenden Archivierung nur begrenzt möglich ist). Die eigenen Favoriten sind für andere öffentlich einsehbar. Es kann anregend sein, die Favoriten anderer twitternder Historiker/innen durchzugehen, um auf Interessantes zu stoßen. Favorisierte Tweets kann man auch mit dem social bookmarking Dienst Diigo speichern, was den Vorteil hat, dass diese Websites damit in die eigene Linksammlung integriert sind.

Listen

Seit 2009 bietet Twitter die Möglichkeit, Listen nach thematischen, geographischen oder anderen Kriterien anzulegen. Sie dienen der inhaltlichen Ordnung der Twitterkonten, denen man folgt. Für das Monitoring einzelner Themen oder Disziplinen sind sie eine große Hilfe. Es gibt private und öffentliche Listen, wobei es möglich ist, öffentliche Listen anderer Personen zu abonnieren. Öffentliche Listen, die twitternde Historiker/innen folgen und die man folglich abonnieren kann, sind oben genannt. Hilfreich kann es sein, Listen der Teammitglieder eines Projektes oder einer Tagung anzulegen, um sich untereinander zu vernetzen.

Erwähnungen und Gespräche 

Bei Twitter können Gespräche geführt werden, indem man einen Tweet mit dem Nutzernamen eines anderen beginnt oder indem man auf den Tweet einer anderen Person antwortet. In diesem Fall benutzt man die Funktion „Antworten“: Dies setzt den Empfänger mit seinem Benutzername ganz nach vorn in den Tweet. Er wird per Mail darüber benachrichtigt, dass ihn jemand auf Twitter erwähnt hat. Man kann jemandem auf diese Weise eine Nachricht schicken, auch wenn die Person nicht zu den eigenen Followern gehört. Diese kann auch antworten, ohne einem selbst zu folgen. Solche Erwähnungen sind eine gute Möglichkeit, um unkompliziert mit Personen in Kontakt zu treten. Das Besondere daran ist, dass es sich um eine private Unterhaltung handelt, die gleichwohl in der Öffentlichkeit geführt wird. Ein solcher Tweet ist für eine bestimmte Person gedacht, aber von allen lesbar. Diese Funktion wird benutzt, weil ein Tweet neben der einen Person, die die Information nicht verpassen soll, auch andere interessieren könnte. Über den Klick auf die kleine Sprechblase (Gespräch anzeigen) kann man sich die gesamte Unterhaltung ansehen und sich gegebenenfalls einmischen, ganz so, als ob man beim Kaffeeautomaten in eine Unterhaltung kommt und dann mitredet.

Direkte Nachrichten

Abgekürzt DM (= Direct Message). Man kann einer Person, die einem folgt, eine direkte, für die Öffentlichkeit nicht einsehbare Kurznachricht schicken. Dies funktioniert wie bei Mails, nur dass direkte Nachrichten maximal 140 Zeichen haben dürfen. Diese Funktion wird genutzt, wenn man ohnehin auf Twitter ist und nicht das Medium wechseln will oder weil man Personen folgt, deren Email man nicht kennt und diese nicht erst recherchieren möchte. Direkte Nachrichten können nur an Personen versandt werden, die einem folgen. Will man mit anderen Kontakt aufnehmen, so geht das nur über Erwähnungen. Über eine bestimmte Syntax kann man das Verschicken einer Direktnachricht auch per Tweet durchführen: Dazu wird der Tweet mit „d“ eingeleitet, gefolgt vom Benutzernamen der angeschriebenen Person ohne das @-Zeichen, z.B.: „d Archivalia_kg“ schickt einen Tweet an @Archivalia_kg, der nur vom Besitzer dieses Kontos, Klaus Graf, einsehbar ist.

Tweets speichern

Twitter eignet sich nicht für die nachhaltige Dokumentation, da Tweets nur ca. 10-15 Tage online zugänglich sind. Danach sind sie nur noch auffindbar, wenn man die eindeutige Identitätsnummer, mit der jeder Tweet gekennzeichnet ist, kennt. Die Library of Congress hat 2010 das Twitterarchiv erworben. Dieses Archiv ist aber nicht öffentlich zugänglich. Mehrere Dienste bieten die Speicherung von Tweets an, so z.B. All my Tweets, mit dem man ganz einfach die letzten 3.200 Tweets eines Kontos aufrufen kann, Snapbird für 100 Tweets  oder wie schon erwähnt Diigo für das Speichern der eigenen Favoriten. Eine Anleitung, wie man ein Twitterarchiv (z.B. für eine Tagung) mit TAGS anlegt, gibt es in diesem Tutorial von Martin Hawksey. Fortgeschrittene Nutzer/innen können sich damit auch an die Visualisierung von Tweets und Communities wagen.

 Suchen bei Twitter

Die Suchfunktion von Twitter ist leider sehr unzuverlässig. Prinzipiell kann man nach Nutzerkonten oder nach Tweetinhalten suchen. Suchbar ist theoretisch jedes Wort aus einem Tweet, nicht nur Hashtags (diese haben jedoch den Vorteil der Verlinkung). Es ist oftmals schwierig, Personen auf Twitter zu finden, wenn man deren Nutzernamen nicht kennt. Da liefert Google teilweise die besseren Ergebnisse. Eine Suchmaschine speziell für Twitter- und Facebookeinträge ist Kurrently, die jedoch auch nicht alle Inhalte zu erfassen scheint.

#FF: Follow Friday

Eine von der Community eingeführte Praktik ist die Empfehlung anderer Accounts jeweils am Freitag, der sogenannte FollowFriday. Dabei werden unter dem Hashtag #FF die Nutzernamen von Personen getwittert, denen man selbst folgt und die man empfehlen kann. Man lädt damit nicht nur andere zum Entdecken dieser Accounts ein, sondern kann damit auch die eigenen Kreise erweitern. Gerade für Neutwitterer ist diese Praktik nützlich, da die empfohlene Person vermutlich nachschauen wird, wer einen als Freitagsempfehlung gekennzeichnet hat. Hilfreich für andere ist es, wenn man im Tweet schreibt, warum man die Personen empfiehlt. Mittlerweile gibt es Dienste, die einem bei der Auswahl der zu empfehlenden Konten helfen, z.B. FollowFridayHelper, wobei zu fragen ist, ob man sich Empfehlungen tatsächlich von einem Algorithmus abnehmen lassen sollte.

Applikationen und Dienste

Man kann Twitter am Computer nutzen und über einen Webbrowser Tweets lesen und schreiben etc. Die Internetseite ist im Vergleich zu den mobilen Applikationen, was das Lesen der Timeline anbelangt, komfortabler. Auch gibt es die Möglichkeit, einen Tweet zu „öffnen“. Darüber kann man auf einen Blick sehen, wie oft eine Nachricht retweeted wurde und wie oft favorisiert. Dagegen werden Interaktionen und eigene Erwähnungen auf der Internetseite von Twitter weniger deutlich als bei den mobilen Applikationen. Abb. 4: Geöffneter Tweet Betreut man gleichzeitig mehrere Twitterkonten so ist Tweetdeck eine große Hilfe. Damit kann man u.a. auch Tweets zeitversetzt verschicken. Twitter lässt sich auch über ein Smartphone oder andere mobile Geräte bequem bedienen. Es gibt zahlreiche Applikationen für Apple-Geräte wie Echofon, Tweetbot oder TwitterFon und für Android-Geräte wie z.B. Plume, Twitter, TweetDeck… Wofür man sich entscheidet, ist sicherlich Geschmackssache. Ich persönlich komme mit Echofon sehr gut klar. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Applikationen rund um Twitter. Einige davon sind im Text genannt, weitere Dienste findet man hier und hier.

Auf Tagungen: Live Tweet, Twitterwall und Tweets während des eigenen Vortrags

Immer häufiger treten twitternde Wissenschaftler/innen bei Tagungen in Erscheinung. Während die Organisatoren über Twitter updates zur Tagung verschicken, können die Teilnehmer/innen selbst die wichtigsten Thesen eines Vortrags zusammenfassen und kommentieren, erwähnte Links verschicken sowie die Atmosphäre auf der Tagung beschreiben und Fotos versenden. Dabei spricht man von Live Tweets. Diese Tweets können allen Teilnehmer/innen vor Ort über eine Twitterwall zugänglich gemacht werden. Dabei werden die Tweets, die man über einen vorher vereinbarten Hashtag filtert, an die Wand projiziert. Dienste zum Einrichten einer Twitterwall sind z.B. Twittbee  oder Twitterwall.me. Für Fortgeschrittene User gibt es Dienste, um während des eigenen Vortrags Tweets zu versenden, die das Gesagte mit Links, Fotos etc. anreichern. Ein solcher Dienst ist beispielsweise keynotetweet für Apple und AutoTweet, wenn man Powerpoint unter Windows verwendet. Wie das geht, ist hier beschrieben.

Kuratierungsdienste

Über Kuratierungsdienste kann man aus Twitternachrichten und Mitteilungen aus anderen sozialen Netzen ganz einfach eine eigene Online-Zeitung herstellen, z.B. mit paper.li. Dabei sucht man in seinen eigenen Accounts nach Nachrichten zu einem bestimmten Thema und stellt mit wenigen Klicks die Ausgabe der Zeitung zusammen. Eine Möglichkeit, eine Erzählung bzw. Bericht aus digitalen Inhalten wie Tweets, Facebook Status Updates, YouTube-Videos, SoundCloud-Audioaufnahmen, Flickr-Fotos oder Google-Suchergebnissen zusammenzustellen, zu veröffentlichen und auf Websites einzubinden bietet z.B. Storify[17].

Umgang mit Spam

Auch bei Twitter wird gespamt und so bekommt man manchmal einen Tweet oder eine Nachricht von einem unbekannten Account (meist ohne Foto), die nur einen Link enthält. Diesen Link nicht öffnen. Löschen kann man diese Nachrichten oder Tweets nicht, jedoch kann man Spammer melden. Und es gibt die Möglichkeit, einzelne Accounts vom Lesen der eigenen Tweets auszuschließen. Dazu verwendet man die Funktion „blockieren“.

Erfolgreich Twittern?

Ob man auf Twitter erfolgreich ist oder nicht, hängt in erster Linie von den eigenen Zielen ab, die man mit seiner Twitteraktivität verfolgt. Wer nur lesen möchte, um auf dem Laufenden zu bleiben, muss selbst keinen einzigen Tweet absetzen und braucht auch keine Follower. Wer sich eine Online-Identität aufbauen und die eigenen Publikationen und Aktivitäten bekannt machen möchte, wünscht sich dagegen in erster Linie eine große Gefolgschaft. Die Verbreitung von Tweets ist ebenso messbar wie die Entwicklung der eigenen Followerzahlen. Kostenlose Dienste für diese Art des Monitorings sind z.B. Twittercounter  und Tweetreach. Für wissenschaftliche Einrichtungen ist die Überprüfung des Erfolgs der eigenen Strategie in den sozialen Medien sicherlich unerlässlich und mittlerweile zu einem eigenen Markt geworden. Bei persönlichen Profilen einzelner Wissenschaftler/innen zählen dagegen neben der Verbreitung der eigenen Inhalte die Informationen, die man über Twitter bekommt wie auch die soziale Komponente mindestens genauso. Persönlich halte ich daher manche der Vorschläge zum erfolgreichen Twittern für hinfällig. Einige Ratgeber weisen beispielsweise darauf hin, dass man zum Aufbau einer Community möglichst immer zu denselben Zeiten twittern soll. Gemeint sind Zeiten, an denen die meisten Twitterer online sind, das heißt z.B. morgens zwischen 8h und 9h (siehe unten). Auch soll man sich per Tweet an- und abmelden und somit den Followern anzeigen, ob man virtuell anwesend ist oder nicht. Mit der Verzögerung von Tweets und deren Aufheben für die Stoßzeiten (z.B. mit einem Dienst wie Tweetdeck) – so strategisch richtig sie sein kann, um möglichst viele Leser/innen zu erreichen – wird aus meiner Sicht die Kommunikation in Echtzeit ad absurdum geführt. Abgesehen davon, gibt es Tweets, die man nur in diesem einen Moment tweeten kann. Und mit einem Retweet zu warten, bis mehr Personen online sind, finde ich ebenso sinnlos. Daran schließt sich die Frage an, ob man den gleichen Tweet mehrfach, aber zu unterschiedlichen Tageszeiten absetzen sollte, um möglichst viele Personen zu erreichen. Eigentlich sollte es genügen, einen Tweet einmal zu twittern. Die in dem Moment gerade nicht anwesenden Follower erfahren die Nachricht über Retweets oder weil sie andere Filtermethoden haben. Wenn man will, dass eine bestimmte Person die Nachricht liest, kann man das mit einer Erwähnung im Tweet absichern. Dies vorausgeschickt, seien die gängigen Regeln für ein erfolgreiches Tweeten, die in den Anweisungen leicht variieren, dennoch kurz aufgezählt:
  • mindestens ein Tweet pro Tag
  • beste Tweetzeiten: 8h-9h, 14h, 15h, 17h
  • nicht zu viele Tweets auf einmal senden
  • Links nach ca. ¼ des Tweets setzen
  • Tweets sollten kürzer als 125 Zeichen sein, um einen manuellen Retweet mit Kommentar zu erlauben
  • am Wochenende twittern bedeutet mehr Klicks aber weniger Retweets

 Ja, aber dafür habe ich keine Zeit…

Gründe für die Nichtnutzung von Twitter sind neben dem vielfach befürchteten Übermaß an Information vor allem Zeitmangel. Sicherlich kostet das Lesen und Schreiben von Tweets Zeit, doch ist diese Zeit gut investiert, wenn man sich die vielen positiven Seiten dieses Dienstes vor Augen hält. Darüber hinaus hilft Twitter auch, Zeit zu sparen, da man Informationen erhält, die man sich ansonsten auf andere Weise hätte besorgen müssen oder die einem schlicht entgangen wären.  

Im Text erwähnte Literatur sowie weitere Twitter-Anleitungen

Bon, François, Twitter et comment s’en servir, in: Tiers livres, 26.05.2012, http://www.tierslivre.net/spip/spip.php?article2931. Dernbach, Christoph, Anleitung: Twitter für Einsteiger – Tipps und Tricks für den Microblogging-Dienst (1+2), in: Mr. Gadget, 21.04.2012, http://www.mr-gadget.de/howto/2012-04-21/twitter-fuer-einsteiger-tipps-und-tricks-fuer-den-microblogging-dienst-1 und http://www.mr-gadget.de/howto/2012-04-21/anleitung-twitter-fur-einsteiger-tipps-und-tricks-fur-den-microblogging-dienst-2. Graf, Klaus, König, Mareike: Entwicklungsfähige Blogsphäre – ein Blick auf deutschsprachige Geschichtsblogs, in: Redaktionsblog, 9.12.2011 http://redaktionsblog.hypotheses.org/40. Jung, Christian: Sollen Historiker bloggen und twittern?, in: Zeittaucher, 15.8.2010, http://www.scienceblogs.de/zeittaucher/2010/08/sollen-historiker-bloggen-und-twittern.php. König, Mareike: Twitter in der Lehre (Schule und Universität): eine kleine Literaturliste, in: Redaktionsblog, 13.08.2012, http://redaktionsblog.hypotheses.org/585. König, René, Nentwich, Michael: Cyberscience 2.0: Research in the Age of Digital Social Networks, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 2012. Kwakkel, Erik: A Window Display of 140 Characters: Why and How Twitter Works for Me as an Academic, in: medievalfragments, 11.08.2012, http://medievalfragments.wordpress.com/2012/08/11/a-window-display-of-140-characters-why-and-how-twitter-works-for-me-as-an-academic/. Lugger, Beatrice: Deutsche Wissenschaft auf Twitter, in: Scilogs, 21.06.2012, http://www.scilogs.de/blogs/blog/quantensprung/2012-06-21/deutsche-wissenschaft-auf-twitter-iii . Maireder, Axel: Links auf Twitter. Wie verweisen deutschsprachige Tweets auf Medieninhalte?, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, 4.4.2011, https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:64004/bdef:Content/get. Mollet, Amy, Moran, Danielle, Dunleavy, Patrick: Using Twitter in university research, teaching and impact activities. A guide for academics and researchers, LSE Public Policy Group 2011, http://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/files/2011/11/Published-Twitter_Guide_Sept_2011.pdf. Nazlin: Twitter for researchers, in: Newsam News, 23.09.2011, http://newsamnews.ioe.ac.uk/?p=1864. Scheloske, Mark: Wissenschaft & Wissenschaftler auf Twitter | Twitterstudie, in: Wissenswerkstatt, 01.03.2012, http://www.wissenswerkstatt.net/wissenschaft-wissenschaftler-auf-twitter-twitterstudie/. Social Networking for Scientists: The Wiki, http://socialnetworkingforscientists.wikispaces.com/Twitter. Weller, Katrin, Dröge, Evelyn, Puschmann, Cornelius: Citation Analysis in Twitter: Approaches for Defining and Measuring Information Flows within Tweets during Scientific Conferences. Paper presented at the #MSM2001,1st Workshop on Making Sense of Microposts, 30.05.2011, Heraklion, URL: http://files.ynada.com/papers/msm2011.pdf.

Titel-Abbildung

You are a genius von Éole, CC-BY-NC-SA 2.0

Anmerkungen

  1. Siehe Mareike König: Twitter in der Lehre (Schule und Universität): eine kleine Literaturliste, in: Redaktionsblog, 13.08.2012, http://redaktionsblog.hypotheses.org/585.
  2. Unter dem Hashtag #phdchat trifft sich jeden Mittwoch eine Gruppe von Studierenden und Wissenschaftler/innen immer mittwochs zwischen 19h30 und 20h30 und diskutiert ein vorher festgelegtes Thema.
  3. Mit Dank an Klaus Graf für diesen sowie viele weitere Hinweise für diesen Artikel: http://standrewsrarebooks.wordpress.com/2012/03/12/a-conundrum-solved-collectively-a-15th-century-italian-manuscript-identified/
  4. Vgl. Axel Maireder: Links auf Twitter. Wie verweisen deutschsprachige Tweets auf Medieninhalte, 2011, https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:64004/bdef:Content/get
  5. Über Blogs in der Geschichtswissenschaft siehe Klaus Graf, Mareike König: Entwicklungsfähige Blogsphäre – ein Blick auf deutschsprachige Geschichtsblogs, in: Redaktionsblog, 09.12.2011 http://redaktionsblog.hypotheses.org/40.
  6. Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/64974709/ und http://archiv.twoday.net/stories/6503987/
  7. http://archiv.twoday.net/stories/34630727/
  8. Zur Diskussion vgl. http://archiv.twoday.net/stories/49623676/#49803659
  9. König, René, Nentwich, Michael: Cyberscience 2.0: Research in the Age of Digital Social Networks, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 2012, S. 53.
  10. Eine Übersicht der Abkürzungen gibt es hier: http://www.windows7-tipps.de/twitter-lexikon_abkuerzungen_was_bedeuten_dm_rt_un.html
  11. Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/6388242/
  12. http://archiv.twoday.net/stories/59211631/
  13. Vgl. François Bon: Twitter et comment s’en servir, in: Tiers livres, 26.05.2012,  http://www.tierslivre.net/spip/spip.php?article2931
  14. Weller, Katrin, Dröge, Evelyn, Puschmann, Cornelius: Citation Analysis in Twitter: Approaches for Defining and Measuring Information Flows within Tweets during Scientific Conferences. Paper presented at the #MSM2001,1st Workshop on Making Sense of Microposts, 30.5.2011, Heraklion, http://files.ynada.com/papers/msm2011.pdf
  15. Johannes Beus: Twitter Nutzung, in: Sistrix, 06.11.2009, http://www.sistrix.de/news/910-twitter-nutzung.html
  16. Klaus Graf: Rückblicke auf die Münchner Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften“, in: Redaktionsblog, 12.3.2012 http://redaktionsblog.hypotheses.org/407
  17. Zu Kuratierungsdiensten siehe auch: http://archiv.twoday.net/stories/42992367/

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1072

Weiterlesen

Twitter in der Wissenschaft: Ein Leitfaden für Historiker/innen

Twitter (engl. für Gezwitscher) ist ein »Echtzeit-Informationsnetzwerk« zur Verbreitung von Kurznachrichten, sogenannten Tweets, die bis zu 140 Zeichen enthalten können. Aufgrund der vorgegebenen Kürze der Mitteilungen spricht man bei Twitter auch von Microblogging. Ein weiterer Dienst dieser Art ist z.B. ScienceFeed, das speziell für die Wissenschaften entwickelt wurde, jedoch nicht so weit verbreitet ist. Tweets können außer Text auch Fotos, Videos sowie Links auf Websites enthalten. Die Nachrichten sind in der Regel öffentlich und auch ohne Konto auf der Suchseite bei Twitter einsehbar. Wer selbst Tweets senden möchte, braucht jedoch eine Anmeldung.

Twitter eignet sich in vielfacher Hinsicht als Informations- und Distributionskanal in den Wissenschaften. Dennoch gibt es gerade im deutschsprachigen Bereich noch wenige Historiker/innen, die auf Twitter aktiv sind, vielleicht auch, weil nicht klar ist, welches Potential und welche Einsatzmöglichkeiten Twitter hat und wie man den Dienst tatsächlich verwendet. Dieser Blogbeitrag versteht sich daher als praktische Hilfestellung für Historiker/innen, die Twitter zu wissenschaftlichen Zwecken einsetzen wollen. Die hier aufgeführten Anwendungsbeispiele und Tipps sind dabei lediglich als Hinweise zu verstehen, die dem eigenen, kreativen Umgang mit Twitter keinesfalls im Weg stehen sollen. Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Leitfaden nicht vollständig sein kann. Um Ergänzungen in den Kommentaren wird daher ausdrücklich gebeten.

Twittern als Historiker/in – wozu?

Twitter ist ein hervorragendes Mittel, um einerseits auf dem Laufenden zu bleiben und um andererseits die Fachkollegen/innen über die eigenen Publikationen, Vorträge und Tätigkeiten zu informieren. Damit ergänzt Twitter die Fachinformation, wie sie über Publikationen und Tagungen sowie seit dem Aufkommen des Internet über Mailinglisten, Blogs, Portale, etc. geführt wird. Die Einsatzbereiche von Twitter in der Wissenschaft sind sehr vielfältig und man könnte darüber ohne Mühe einen eigenen umfangreichen Beitrag verfassen. Da der Schwerpunkt hier auf der praktischen Anleitung liegt, seien die wichtigsten Bereiche nur kurz aufgezählt:

  • Informationssuche
  • auf dem Laufenden bleiben (thematisches Monitoring)
  • Verbreitung von Nachrichten
  • Austausch über einen wissenschaftlichen Gegenstand
  • interne und externe wissenschaftliche Kommunikation
  • Vernetzung mit Fachkollegen/innen
  • universitäre Lehre[1]
  • wissenschaftliche Tagungen
  • Doktorandenchats[2]
  • Kollaboratives Arbeiten, z.B. zur Identifizierung eines alten Manuskripts[3]
  • Wissenschaftsmarketing und PR (auch von Instituten und Universitäten…)

Mit Twitter kann man das eigene Netzwerk erheblich erweitern und besser Kontakt halten, als es über ein- bis zweimalige Treffen pro Jahr auf Konferenzen möglich ist. Der Umgang ist weniger formal als in Emails oder Briefen und es ist einfacher, mit anderen in Kontakt zu treten. Twittern bietet daher gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute Möglichkeit zur Vernetzung, die zudem Spaß macht. Nicht zuletzt können aus den Kontakten in den sozialen Netzen auch Freundschaften entstehen.

Und los geht’s: die Anmeldung

Zunächst eröffnet man bei Twitter ein Nutzerkonto. Anders als bei Google+ sind bei Twitter Pseudonyme zugelassen. Zu überlegen ist also, ob man bei Twitter anonym auftreten will oder nicht. Soll Twitter für Eigenmarketing und für Kontaktpflege genutzt werden, ist es sinnvoll, sich unter dem eigenen Namen anzumelden, um von den Fachkollegen/innen gefunden zu werden. Anschließend wird ein Nutzername festgelegt, der mit einem @ beginnt. Der Nutzername kann aus dem richtigen Namen bestehen, daraus abgeleitet sein oder völlig frei gewählt werden (bei Richard Evans z.B. @RichardEvans36, bei Peter Haber @peha64, bei Claudine Moulin @ClaudineMoulin). In manchen Augen kann der Nutzername als Indiz für die Seriosität eines Accounts gelten. Doch in den sozialen Netzen darf es ruhig persönlich oder kreativ sein und es ist eine Frage des Stils, für welchen Namen man sich entscheidet.

Bei Twitter werden im Vergleich nur wenige persönliche Daten abgefragt und gespeichert. Das persönliche Profil kann mit einem Foto, Ort, URL einer Website und einer kurzen Beschreibung ergänzt werden. Die Korrektheit dieser Angaben wird nicht überprüft. Eine Ausnahme bilden die Konten von bekannten Persönlichkeiten, die einen authentifizierten Account beantragen können, erkennbar am kleinen blauen Haken hinter dem Namen (z.B. @fr_Schirrmacher Frank Schirrmacher). Ob, wie und in welcher Sprache man diese Angaben ausfüllt und welches Foto man wählt, hängt ebenfalls davon ab, wie man Twitter selbst nutzen möchte. Wer erkannt werden will, wählt ein Foto von sich, wer ein Statement abgeben will, verwendet ein anderes Motiv. Es ist der Vernetzung dienlich, wenn die Beschreibung den Hinweis enthält, dass man Historiker/in ist sowie ggf. das eigene Forschungsthema und die wissenschaftlichen Interessen. Anders als der Nutzername ist die Beschreibung, die aus 160 Zeichen bestehen darf, jederzeit änderbar.

Profil des Twitter-Accounts der "Weberin"

Abb. 1: Anonymes Twitter-Konto der “Weberin”, Schwerpunkt Geschichte, Digital Humanities und allerlei

Wem folgen?

Über das Abonnement der Tweets eines anderen Twitterkontos wird man selbst zum Verfolger (Follower). Das Einverständnis der Person, der man folgen möchte, ist nicht notwendig, es sei denn, ein Konto ist als privat gekennzeichnet (erkennbar an einem kleinen Schloss als Zeichen neben dem Namen).

Laut einer Aufstellung von Mark Scheloske (März 2012) gibt es derzeit rund 300 twitternde Wissenschaftler/innen in Deutschland. Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig und Studierende dürften darin überwiegend fehlen. Man kann diese Liste aber nutzen, um Personen zu finden, denen man folgen möchte. Außerdem ist es im Sinne der Eigenwerbung ratsam, sich selbst für den Eintrag in der Liste anzumelden (am besten per Tweet an Mark Scheloske @werkstatt).

Weitere twitternde Wissenschaftler/innen in Deutschland findet man in der Twitterliste »Twissenschaftler«, die 169 Mitglieder hat (zum Gebrauch von Listen bei Twitter siehe unten). Speziell für Historiker/-innen hat Erika Fagen (@erfagen) die Liste »European Twitterstorians« angelegt, die derzeit die Tweets von 58 europäischen Historiker/-innen enthält. Weitere Listen für Historiker/innen sind:

  • Historische Zeiten von Thomas Endl (@Histonaut), 78 Mitglieder
  • Geschichte von Philipp Spreckels (@epenschmied): Historisch-bedeutendes,
    Historiker und Geschichtsjournalismus im weitesten Sinne, 31 Mitglieder
  • Geschichte von Michael Schmalenstroer (@MschFr), 28 Mitglieder
  • @TheHistoryList: A new tool for local and national organizations to publicize their
    history-related events and exhibits, sites and museums, 528 Mitglieder
  • Historians Who Tweet von HNN (@myHNN): A comprehensive list of historians on Twitter! 204 Mitglieder
  • Twithistosphère von Émilien Ruiz (@mXli1): quand les historien-ne-s tweetent…
    französische Liste mit 64 Mitgliedern.
  • Sowie weitere historische Twitterempfehlungen im Blog Zeittaucher.

Darüber hinaus lohnt es sich, verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen zu folgen, wie z.B. der eigenen Universität, der Bibliothek oder des Fachbereichs, sofern auf Twitter aktiv, wissenschaftlichen Stiftungen wie z.B. L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung (@portalLISA) oder auch den wenigen Archiven, die derzeit twittern (in Deutschland z.B. @Archiv_LinzRh und @Speyer_Archiv). Ich erlaube mir, auch die Einrichtungen zu nennen, mit denen ich verbunden bin, also das DHI Paris (@dhiparis), die Max Weber Stiftung (@perspectivia) sowie das Blogportal für die deutschsprachige Geisteswissenschaften de.hypotheses.org (@dehypotheses). H-Soz-u-Kult sendet ebenfalls Tweets (@hsozkult und @hsozkultservice für Jobs, Stipendien…), wobei dort derzeit nur das gepostet wird, was auch über die Mailinglisten läuft. Weitere wissenschaftliche Einrichtungen findet man in der bereits oben erwähnten Aufstellung von Mark Scheloske sowie in der Übersicht „Deutsche Wissenschaft auf Twitter“ von Beatrice Lugger.

In der PC-Ansicht von Twitter werden außerdem Konten vorgeschlagen, die einen interessieren könnten. Es lohnt sich, diese Vorschläge hin und wieder durchzusehen, um das eigene Netzwerk zu erweitern.

Es gibt die Möglichkeit, einem Konto auch wieder zu entfolgen, wenn man nach einiger Zeit feststellt, dass die Tweets nicht von Interesse sind. Anders als bei neuen Followern erhält ein Twitteruser keine Mail, wenn sich jemand dazu entschließt, das Abonnement abzubestellen. Mit einem Dienst wie Twunfollow  oder NutshellMail, der auch sonst nützlich ist, kann man Abokündigungen verfolgen (siehe auch weiter unten Applikationen und Dienste).

Die Timeline

Die eigene Timeline bei Twitter ist eine personalisierte Chronologie mit den Tweets der Konten, die man abonniert hat. Sie sieht daher bei jedem Twitteruser anders aus, handelt es sich doch um einen “individuell strukturierten Diskursraum”[4]. Die Reihenfolge der Tweets ist wie bei Blogs umgekehrt chronologisch, d.h. die neueste Mitteilung steht ganz oben.

Abb. 2: Beispiel einer Timeline

Je nach Tweets der Konten, denen man folgt, sieht man darin, was die Kollegen/innen gerade publiziert haben, lesen, als Lektüre empfehlen, im Archiv entdeckt haben, auf welcher Tagung sie sind und welche Neuigkeiten es bei dieser oder jener Universität, Bibliothek oder Wissenschaftsinstitution gibt usw.

Die Timeline ist nicht wie die Inbox eines Mailkontos zu verstehen, die abzuarbeiten ist. Man kann keine einzelnen Tweets anderer Personen aus der eigenen Timeline löschen, wenn man sie gelesen hat oder wenn diese einem nicht gefallen. Hier gibt es nur die Möglichkeit, dem gesamten Account zu entfolgen. Da viele Personen ihren Twitteraccount sowohl privat als auch beruflich nutzen, ist auch die eigene Timeline eine Mischung aus Tweets mit wissenschaftlichen und Tweets mit privaten Inhalten (siehe auch Privates twittern?).

Wie lesen?

Eine verbreitete Fehleinschätzung bei Neulingen auf Twitter dürfte sein, dass sie meinen, ausnahmslos alle Tweets in der eigenen Timeline lesen zu müssen. Dies wird durch manche Applikation für Smartphonegeräte unterstützt, die einen dazu zwingen, die Timeline von hinten nach vorn zu überblättern. Ab einer bestimmten Anzahl von Abonnements ist die systematische Lektüre der geposteten Tweets jedoch schlicht unmöglich. Hier erweist sich der Einsatz von Listen als sehr hilfreich (siehe unten). Eine Strategie kann sein, nur bestimmte Personen systematisch zu lesen und die Tweets anderer Personen vertikal durchzugehen. Beim Vorbeiblättern der Kurznachrichten bleibt man manchmal an einem Namen oder an einem Wort hängen und liest diesen Tweet dann genauer. Retweets weisen darauf hin, dass eine Nachricht interessant sein könnte.

Auch für das Lesen der Tweets gibt es keine Vorgabe, sondern allerhöchstens Empfehlungen. Jeder kann den Dienst so nutzen, wie er es für richtig hält und wie es in die eigenen Arbeitsabläufe passt. Es kann durchaus vorkommen, einige Tage gar nicht in die Timeline zu schauen. Da es bei Twitter die Möglichkeit gibt, Personen direkt anzusprechen und auf Nachrichten hinzuweisen, kann man sich gegenseitig auf Informationen aufmerksam machen. Das geht natürlich auch per Mail; Twitter lädt aber zu dieser Praktik des gegenseitigen Monitorings geradezu ein, und man braucht dabei den Dienst nicht zu wechseln.

Was twittern?

Ursprünglich war ein Tweet die Antwort auf die Frage „Was machst Du gerade?“ Das wurde 2009 geändert in „Was gibt es Neues?“, da die Twitternutzer sehr viel kreativer mit ihren Statusmeldungen waren, als von den Programmierern gedacht. Mittlerweile heißt es in der deutschen PC-Fassung neutral: „Verfasse einen neuen Tweet“, womit der Tatsache Rechnung getragen wird, dass Twitter nicht nur ein Ort ist, an dem sich Privatpersonen über Banalitäten austauschen.

Generell wird unterschieden zwischen Tweets, die sich auf eine Aktivität beziehen und Tweets, die sich auf Gedanken beziehen. Im wissenschaftlichen Einsatz von Twitter kommt beides vor. Hier beantworten Tweets z.B. Fragen über:

  • die aktuelle Lektüre
  • aktuelle eigene Veröffentlichungen
  • was gerade erschienen und empfehlenswert ist
  • welche Tagung, Veranstaltung, Ausstellung… man derzeit oder demnächst besucht
  • welchen Vortrag man gerade zu welchem Thema vorbereitet
  • weitere Neuigkeiten aus den eigenen Interessensgebieten, z.B. aus Geschichtsblogs[5]

Doch damit erschöpfen sich die möglichen Einsatzmöglichkeiten von Twitter keineswegs. Erik Kwakkel (@erik_kwakkel) twittert beispielsweise über mittelalterliche Manuskripte und hängt den Nachrichten regelmäßig Fotos an. Kulturgutverwahrende Institutionen präsentieren über Twitter ausgewählter Stücke ihres Bestandes, z.B. #bilderfreitag oder die Aktion Foto Freitag des niederländischen National Archief[6]. Es gibt Twitter-Projekte wie @Mauer61_Stasi, über den Zeitraum vom 13.07. bis 13.09.1961, basierend auf Berichten der Staatssicherheit aus dem Archiv des BStU ergänzt durch andere Quellen[7]. Dass man bei solchen Vorhaben Vorsicht walten lassen muss, zeigt die Kritik rund um das Projekt @RealTimeWW2 eines 24jährigen englischen Geschichtsstudenten, der den zweiten Weltkrieg über Tweets live nacherzählt[8].

In Tweets kann man auch Fragen stellen an die #followerpower, die geballte Kraft und Kenntnisse der eigenen Follower. Diese leiten die Anfrage an ihre jeweils eigenen Follower weiter und so fort, so dass man potentiell eine große Anzahl an Personen erreicht. Beispiele für diese Art der gegenseitigen Hilfe wären etwa die Nachfrage nach Empfehlungen bezüglich einer Software, wo es einen bestimmten Text online frei zugänglich gibt oder ob jemand Literaturhinweise zu einem Thema hat. Natürlich funktioniert das erst dann richtig gut, wenn man bereits aktiver Teil einer Online-Community ist und sich bei Twitter eine Gefolgschaft aufgebaut hat.

Privates twittern?

Kurze Texte in den sozialen Medien unterscheiden sich in Stil und Duktus klar von wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Bei Twitter darf es ruhig persönlich werden, man darf „ich“ schreiben und sollte die eigene Meinung zum Ausdruck bringen. Wie viel Privates man über Twitter mitteilen möchte, ist eine Stilfrage und bleibt jedem selbst überlassen. Wer bei anderen keine „Guten-Morgen-Tweets“ lesen will, wird auch selbst nicht posten, was es gerade zum Mittagessen gibt.

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Grenzen zwischen der privaten und beruflichen Nutzung bei Twitter wie auch bei anderen sozialen Medien leicht verschwimmen. Einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 zufolge nutzten zwei Drittel ihre Microblogging-Accounts sowohl privat als auch beruflich[9]. Es ist denkbar, dass die über Twitter verbreiteten eigenen öffentlichen Statements der Institution, der man angehört, nicht passen. Dies war beispielsweise bei der Washington Post der Fall, die für ihre Journalisten Social-Media-Regeln erlies, denen zufolge die Journalisten nicht der offiziellen Politik der Zeitung widersprechen durften. Einige Twitteruser weisen daher in der Beschreibung des eigenen Accounts darauf hin, dass hier als Privatperson und nicht im Namen der wissenschaftlichen Einrichtung, der man angehört, getwittert wird.

Nur 140 Zeichen…

Tweets sind Nachrichten, die bis zu 140 Zeichen enthalten können. Das ist oft ausreichend, manchmal aber auch sehr kurz. Für viele Tweets muss man daher die eigenen Gedanken stark kondensieren sowie Abkürzungen[10]. verwenden. Das führt zu einer für linguistisch Forschende interessanten Anwendung der Sprache, an die man sich zunächst gewöhnen muss.

Es ist möglich, eine Aussage über zwei Tweets zu ziehen. Dazu gibt man am Ende des ersten Tweets an, dass es sich um Tweet 1 von insgesamt X handelt. Bei zwei Tweets schreibt man also: 1/2. Den nachfolgenden Tweet beginnt man dann mit 2/2. Dieses Aufteilen auf mehrere Tweets stört jedoch den schnellen Lesefluss und wird nur in Ausnahmen verwendet. Mit TwitLonger steht eine Applikation bereit, um längere Tweets zu senden.

Über Twitter tauchen Aphorismen wieder im „digitalen Gewand“ auf[11]. Dies können aktuelle Zitate sein, aber auch historische, so dass ein Tweet zum Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Recherche zu spätmittelalterlichen Spruchweisheiten werden kann[12]. Besonders schön: “Das kürzeste Konradin-Drama aller Zeiten auf Twitter”:

Abb. 3: Das kürzeste Konradin-Drama aller Zeiten auf Twitter

Manche Personen unterhalten sich bei Twitter mit sich selbst oder neigen zu Monologen, wobei ich das bisher vor allem bei den französischen Kollegen beobachten konnte. Diese twittern manchmal ganze Texte stückweise und nehmen dabei in Kauf, 7-8 Follower zu verlieren, denen das zu viel wird[13]. Von der eigenen Freiheit, einem Account zu folgen oder auch wieder zu entfolgen, kann man bedenkenlos Gebrauch machen.

Retweeten: erneut zwitschern

Abgekürzt RT. Retweeten bedeutet, dass man einen Tweet aus der eigenen Timeline an seine Follower erneut sendet. Man kann sich das wie das Weiterleiten einer Mail vorstellen. Durch das erneute Senden wird der Tweet in der Chronologie wieder nach oben gesetzt und bleibt damit aktuell. Dadurch wird die manchmal virale Verbreitung der Nachrichten erreicht. Retweets dienen dazu, Inhalte weiter zu geben und sind oftmal auch Zustimmung zum Gesagten. In der Wissenschaft werden Retweets auch als Teil der Zitationskultur gesehen. Laut einer Studie retweeten Wissenschaftler/-innen häufiger als andere Twitteruser[14].

Retweets können kommentiert werden, sofern die 140 Zeichen noch nicht ausgeschöpft sind. Der Kommentar steht dann am Anfang der Nachricht, gefolgt von RT und dem Text des ursprünglichen Tweets, z.B.: „Unbedingt lesen! RT [ursprünglicher Tweet]“

Damit Platz für Kommentare bleibt, geben einige Anweisungen den Rat, nur Tweets mit maximal 125 Zeichen zu versenden. Da das aber nicht immer möglich ist, kann man bei einem Retweet, der kommentiert werden soll und kein Platz vorhanden ist, den ursprünglichen Tweet verändern oder abkürzen. Dies wird dann durch ein MT (= modified tweet) deutlich gemacht, z.B.: „Unbedingt lesen! MT [ursprünglicher Tweet in modifizierter Form]“. Per Klick auf die kleine Sprechblase im modifizierten Tweet kann man sich die ursprüngliche Nachricht jederzeit anzeigen lassen.

Retweets zeigen Communities an und sind von daher nicht nur inhaltlich interessant. Es lohnt sich, darauf zu achten, wen Personen, die man selbst interessant findet und die einen beeinflussen (sog. Influencer), retweeten, um so auf weitere einschlägige Twitterkonten aufmerksam zu werden.

Hashtag

Zur inhaltlichen Erschließung der Tweets können Schlagwörter verwendet werden. Diese werden bei Twitter als Hashtags bezeichnet. Sie setzen sich zusammen aus dem Rautezeichen »#« (engl. hash) und einem Schlagwort (engl. tag), z.B. #twitterstorians für twitternde Historiker/innen. Hashtags dürfen keine Bindestriche oder Leerzeichen enthalten, da dann die Verlinkung nur für das erste Wort funktioniert. Besteht ein Hashtag aus mehreren Begriffen, werden die Worte einfach hintereinander weggeschrieben, z.B. #früheneuzeit. Die Groß- oder Kleinschreibung der Wörter ist dabei unerheblich. Manche bilden aus ganzen Sätze einen Hashtag, z.B. #werhättedasgedacht? Hashtags werden dann selbst Teil des Inhalts eines Tweets und können das im Tweet Gesagte erweitern oder ihm manchmal erst den Sinn geben.

Hashtags bilden ein Universum für sich. Per Klick darauf werden aktuelle Tweets zu einem bestimmten Thema angezeigt. Diese Tweets sind aufgrund der fehlenden Archivierung (siehe unten) in der Regel allerdings nicht älter als einige Tage. Sehr hilfreich sind Schlagwörter bei Tagungen, bei denen man sich vorher auf einen gemeinsamen Hashtag geeinigt hat. Über den Gebrauch dieses Hashtags sieht man, welche anderen twitternden Wissenschaftler/innen noch anwesend sind.

Nur 5 Prozent aller Tweets sind mit einem Hashtags versehen[15]. Für ihre Nutzung im wissenschaftlichen Bereich liegen keine Zahlen vor, sie dürfte aber höher liegen.

Eingeführte Hashtags im Bereich der Geschichtswissenschaft sind beispielsweise laut den Rückmeldungen meiner #followerpower über Twitter:

Übersichten über englische Hashtags im Bereich der Geschichte gibt es hier und hier. Wer unsicher ist, fragt am besten über Twitter, ob es für das eigene historische Thema bereits einen verabredeten Hashtag gibt.

Trending Topics

Trending Topics eines bestimmten Landes werden anhand von Retweets und anhand der Verwendung des gleichen Hashtags ermittelt. Eine wissenschaftliche Konferenz beispielsweise, bei der der gleiche Hashtag von verschiedenen Twitterern häufig verwendet wird, kann es zum Trending Topic für eine bestimmte Zeit schaffen (so geschehen bei der Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften oder: Vom Entstehen einer neuen Forschungskultur[16]. Diese erhöhte Aufmerksamkeit für ein Thema hat den Nachteil, dass der als trendig identifizierte Hashtag dann ebenfalls von Spammern verwendet wird.

Favoriten

Besonders interessante Tweets kann man als Favorit markieren und damit im eigenen Profil speichern. Dies ist hilfreich, wenn man gerade keine Zeit hat, einen Text, auf den im Tweet verlinkt wird, zu lesen. Durch das Markieren als Favorit kann man den entsprechenden Tweet auch zu einem späteren Zeitpunkt aufrufen (was bei anderen Tweets aufgrund der fehlenden Archivierung nur begrenzt möglich ist). Die eigenen Favoriten sind für andere öffentlich einsehbar. Es kann anregend sein, die Favoriten anderer twitternder Historiker/innen durchzugehen, um auf Interessantes zu stoßen. Favorisierte Tweets kann man auch mit dem social bookmarking Dienst Diigo speichern, was den Vorteil hat, dass diese Websites damit in die eigene Linksammlung integriert sind.

Listen

Seit 2009 bietet Twitter die Möglichkeit, Listen nach thematischen, geographischen oder anderen Kriterien anzulegen. Sie dienen der inhaltlichen Ordnung der Twitterkonten, denen man folgt. Für das Monitoring einzelner Themen oder Disziplinen sind sie eine große Hilfe. Es gibt private und öffentliche Listen, wobei es möglich ist, öffentliche Listen anderer Personen zu abonnieren. Öffentliche Listen, die twitternde Historiker/innen folgen und die man folglich abonnieren kann, sind oben genannt.

Hilfreich kann es sein, Listen der Teammitglieder eines Projektes oder einer Tagung anzulegen, um sich untereinander zu vernetzen. [Ergänzung, 28.1.2013: Wenn man sich selbst zu einer Liste hinzufügen will, so geht das über HootSuite. Erklärt wird es hier.]

Erwähnungen und Gespräche 

Bei Twitter können Gespräche geführt werden, indem man einen Tweet mit dem Nutzernamen eines anderen beginnt oder indem man auf den Tweet einer anderen Person antwortet. In diesem Fall benutzt man die Funktion „Antworten“: Dies setzt den Empfänger mit seinem Benutzername ganz nach vorn in den Tweet. Er wird per Mail darüber benachrichtigt, dass ihn jemand auf Twitter erwähnt hat. Man kann jemandem auf diese Weise eine Nachricht schicken, auch wenn die Person nicht zu den eigenen Followern gehört. Diese kann auch antworten, ohne einem selbst zu folgen. Solche Erwähnungen sind eine gute Möglichkeit, um unkompliziert mit Personen in Kontakt zu treten.

Das Besondere daran ist, dass es sich um eine private Unterhaltung handelt, die gleichwohl in der Öffentlichkeit geführt wird. Ein solcher Tweet ist für eine bestimmte Person gedacht, aber von allen lesbar. Diese Funktion wird benutzt, weil ein Tweet neben der einen Person, die die Information nicht verpassen soll, auch andere interessieren könnte. Über den Klick auf die kleine Sprechblase (Gespräch anzeigen) kann man sich die gesamte Unterhaltung ansehen und sich gegebenenfalls einmischen, ganz so, als ob man beim Kaffeeautomaten in eine Unterhaltung kommt und dann mitredet.

Direkte Nachrichten

Abgekürzt DM (= Direct Message). Man kann einer Person, die einem folgt, eine direkte, für die Öffentlichkeit nicht einsehbare Kurznachricht schicken. Dies funktioniert wie bei Mails, nur dass direkte Nachrichten maximal 140 Zeichen haben dürfen. Diese Funktion wird genutzt, wenn man ohnehin auf Twitter ist und nicht das Medium wechseln will oder weil man Personen folgt, deren Email man nicht kennt und diese nicht erst recherchieren möchte. Direkte Nachrichten können nur an Personen versandt werden, die einem folgen. Will man mit anderen Kontakt aufnehmen, so geht das nur über Erwähnungen.

Über eine bestimmte Syntax kann man das Verschicken einer Direktnachricht auch per Tweet durchführen: Dazu wird der Tweet mit „d“ eingeleitet, gefolgt vom Benutzernamen der angeschriebenen Person ohne das @-Zeichen, z.B.: „d Archivalia_kg“ schickt einen Tweet an @Archivalia_kg, der nur vom Besitzer dieses Kontos, Klaus Graf, einsehbar ist.

Tweets speichern

Twitter eignet sich nicht für die nachhaltige Dokumentation, da Tweets nur ca. 10-15 Tage online zugänglich sind. Danach sind sie nur noch auffindbar, wenn man die eindeutige Identitätsnummer, mit der jeder Tweet gekennzeichnet ist, kennt. Die Library of Congress hat 2010 das Twitterarchiv erworben. Dieses Archiv ist aber nicht öffentlich zugänglich. Mehrere Dienste bieten die Speicherung von Tweets an, so z.B. All my Tweets, mit dem man ganz einfach die letzten 3.200 Tweets eines Kontos aufrufen kann, Snapbird für 100 Tweets  oder wie schon erwähnt Diigo für das Speichern der eigenen Favoriten. [Ergänzung, 28.1.2013: Seit kurzem gibt es von Twitter selbst die Möglichkeit, Tweets zu speichern. Wie es geht, wird hier gezeigt. Es sind allerdings noch nicht alle Accounts für diesen Dienst freigeschaltet.]

Eine Anleitung, wie man ein Twitterarchiv (z.B. für eine Tagung) mit TAGS anlegt, gibt es in diesem Tutorial von Martin Hawksey. Fortgeschrittene Nutzer/innen können sich damit auch an die Visualisierung von Tweets und Communities wagen.

 Suchen bei Twitter

Die Suchfunktion von Twitter ist leider sehr unzuverlässig. Prinzipiell kann man nach Nutzerkonten oder nach Tweetinhalten suchen. Suchbar ist theoretisch jedes Wort aus einem Tweet, nicht nur Hashtags (diese haben jedoch den Vorteil der Verlinkung). Es ist oftmals schwierig, Personen auf Twitter zu finden, wenn man deren Nutzernamen nicht kennt. Da liefert Google teilweise die besseren Ergebnisse. Eine Suchmaschine speziell für Twitter- und Facebookeinträge ist Kurrently, die jedoch auch nicht alle Inhalte zu erfassen scheint.

#FF: Follow Friday

Eine von der Community eingeführte Praktik ist die Empfehlung anderer Accounts jeweils am Freitag, der sogenannte FollowFriday. Dabei werden unter dem Hashtag #FF die Nutzernamen von Personen getwittert, denen man selbst folgt und die man empfehlen kann. Man lädt damit nicht nur andere zum Entdecken dieser Accounts ein, sondern kann damit auch die eigenen Kreise erweitern. Gerade für Neutwitterer ist diese Praktik nützlich, da die empfohlene Person vermutlich nachschauen wird, wer einen als Freitagsempfehlung gekennzeichnet hat. Hilfreich für andere ist es, wenn man im Tweet schreibt, warum man die Personen empfiehlt.

Mittlerweile gibt es Dienste, die einem bei der Auswahl der zu empfehlenden Konten helfen, z.B. FollowFridayHelper, wobei zu fragen ist, ob man sich Empfehlungen tatsächlich von einem Algorithmus abnehmen lassen sollte.

Applikationen und Dienste

Man kann Twitter am Computer nutzen und über einen Webbrowser Tweets lesen und schreiben etc. Die Internetseite ist im Vergleich zu den mobilen Applikationen, was das Lesen der Timeline anbelangt, komfortabler. Auch gibt es die Möglichkeit, einen Tweet zu „öffnen“. Darüber kann man auf einen Blick sehen, wie oft eine Nachricht retweeted wurde und wie oft favorisiert. Dagegen werden Interaktionen und eigene Erwähnungen auf der Internetseite von Twitter weniger deutlich als bei den mobilen Applikationen.

Abb. 4: Geöffneter Tweet

Betreut man gleichzeitig mehrere Twitterkonten so ist Tweetdeck eine große Hilfe. Damit kann man u.a. auch Tweets zeitversetzt verschicken.

Twitter lässt sich auch über ein Smartphone oder andere mobile Geräte bequem bedienen. Es gibt zahlreiche Applikationen für Apple-Geräte wie Echofon, Tweetbot oder TwitterFon und für Android-Geräte wie z.B. Plume, Twitter, TweetDeck… Wofür man sich entscheidet, ist sicherlich Geschmackssache. Ich persönlich komme mit Echofon sehr gut klar.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Applikationen rund um Twitter. Einige davon sind im Text genannt, weitere Dienste findet man hier und hier.

Auf Tagungen: Live Tweet, Twitterwall und Tweets während des eigenen Vortrags

Immer häufiger treten twitternde Wissenschaftler/innen bei Tagungen in Erscheinung. Während die Organisatoren über Twitter updates zur Tagung verschicken, können die Teilnehmer/innen selbst die wichtigsten Thesen eines Vortrags zusammenfassen und kommentieren, erwähnte Links verschicken sowie die Atmosphäre auf der Tagung beschreiben und Fotos versenden. Dabei spricht man von Live Tweets. Diese Tweets können allen Teilnehmer/innen vor Ort über eine Twitterwall zugänglich gemacht werden. Dabei werden die Tweets, die man über einen vorher vereinbarten Hashtag filtert, an die Wand projiziert. Dienste zum Einrichten einer Twitterwall sind z.B. Twittbee  oder Twitterwall.me.

Für Fortgeschrittene User gibt es Dienste, um während des eigenen Vortrags Tweets zu versenden, die das Gesagte mit Links, Fotos etc. anreichern. Ein solcher Dienst ist beispielsweise keynotetweet für Apple und AutoTweet, wenn man Powerpoint unter Windows verwendet. Wie das geht, ist hier beschrieben.

Kuratierungsdienste

Über Kuratierungsdienste kann man aus Twitternachrichten und Mitteilungen aus anderen sozialen Netzen ganz einfach eine eigene Online-Zeitung herstellen, z.B. mit paper.li. Dabei sucht man in seinen eigenen Accounts nach Nachrichten zu einem bestimmten Thema und stellt mit wenigen Klicks die Ausgabe der Zeitung zusammen. Eine Möglichkeit, eine Erzählung bzw. Bericht aus digitalen Inhalten wie Tweets, Facebook Status Updates, YouTube-Videos, SoundCloud-Audioaufnahmen, Flickr-Fotos oder Google-Suchergebnissen zusammenzustellen, zu veröffentlichen und auf Websites einzubinden bietet z.B. Storify[17].

Umgang mit Spam

Auch bei Twitter wird gespamt und so bekommt man manchmal einen Tweet oder eine Nachricht von einem unbekannten Account (meist ohne Foto), die nur einen Link enthält. Diesen Link nicht öffnen. Löschen kann man diese Nachrichten oder Tweets nicht, jedoch kann man Spammer melden. Und es gibt die Möglichkeit, einzelne Accounts vom Lesen der eigenen Tweets auszuschließen. Dazu verwendet man die Funktion „blockieren“.

Erfolgreich Twittern?

Ob man auf Twitter erfolgreich ist oder nicht, hängt in erster Linie von den eigenen Zielen ab, die man mit seiner Twitteraktivität verfolgt. Wer nur lesen möchte, um auf dem Laufenden zu bleiben, muss selbst keinen einzigen Tweet absetzen und braucht auch keine Follower. Wer sich eine Online-Identität aufbauen und die eigenen Publikationen und Aktivitäten bekannt machen möchte, wünscht sich dagegen in erster Linie eine große Gefolgschaft. Die Verbreitung von Tweets ist ebenso messbar wie die Entwicklung der eigenen Followerzahlen. Kostenlose Dienste für diese Art des Monitorings sind z.B. Twittercounter  und Tweetreach.

Für wissenschaftliche Einrichtungen ist die Überprüfung des Erfolgs der eigenen Strategie in den sozialen Medien sicherlich unerlässlich und mittlerweile zu einem eigenen Markt geworden. Bei persönlichen Profilen einzelner Wissenschaftler/innen zählen dagegen neben der Verbreitung der eigenen Inhalte die Informationen, die man über Twitter bekommt wie auch die soziale Komponente mindestens genauso. Persönlich halte ich daher manche der Vorschläge zum erfolgreichen Twittern für hinfällig.

Einige Ratgeber weisen beispielsweise darauf hin, dass man zum Aufbau einer Community möglichst immer zu denselben Zeiten twittern soll. Gemeint sind Zeiten, an denen die meisten Twitterer online sind, das heißt z.B. morgens zwischen 8h und 9h (siehe unten). Auch soll man sich per Tweet an- und abmelden und somit den Followern anzeigen, ob man virtuell anwesend ist oder nicht. Mit der Verzögerung von Tweets und deren Aufheben für die Stoßzeiten (z.B. mit einem Dienst wie Tweetdeck) – so strategisch richtig sie sein kann, um möglichst viele Leser/innen zu erreichen – wird aus meiner Sicht die Kommunikation in Echtzeit ad absurdum geführt. Abgesehen davon, gibt es Tweets, die man nur in diesem einen Moment tweeten kann. Und mit einem Retweet zu warten, bis mehr Personen online sind, finde ich ebenso sinnlos.

Daran schließt sich die Frage an, ob man den gleichen Tweet mehrfach, aber zu unterschiedlichen Tageszeiten absetzen sollte, um möglichst viele Personen zu erreichen. Eigentlich sollte es genügen, einen Tweet einmal zu twittern. Die in dem Moment gerade nicht anwesenden Follower erfahren die Nachricht über Retweets oder weil sie andere Filtermethoden haben. Wenn man will, dass eine bestimmte Person die Nachricht liest, kann man das mit einer Erwähnung im Tweet absichern.

Dies vorausgeschickt, seien die gängigen Regeln für ein erfolgreiches Tweeten, die in den Anweisungen leicht variieren, dennoch kurz aufgezählt:

  • mindestens ein Tweet pro Tag
  • beste Tweetzeiten: 8h-9h, 14h, 15h, 17h
  • nicht zu viele Tweets auf einmal senden
  • Links nach ca. ¼ des Tweets setzen
  • Tweets sollten kürzer als 125 Zeichen sein, um einen manuellen Retweet mit Kommentar zu erlauben
  • am Wochenende twittern bedeutet mehr Klicks aber weniger Retweets

 Ja, aber dafür habe ich keine Zeit…

Gründe für die Nichtnutzung von Twitter sind neben dem vielfach befürchteten Übermaß an Information vor allem Zeitmangel. Sicherlich kostet das Lesen und Schreiben von Tweets Zeit, doch ist diese Zeit gut investiert, wenn man sich die vielen positiven Seiten dieses Dienstes vor Augen hält. Darüber hinaus hilft Twitter auch, Zeit zu sparen, da man Informationen erhält, die man sich ansonsten auf andere Weise hätte besorgen müssen oder die einem schlicht entgangen wären.

 

Im Text erwähnte Literatur sowie weitere Twitter-Anleitungen

Bon, François, Twitter et comment s’en servir, in: Tiers livres, 26.05.2012, http://www.tierslivre.net/spip/spip.php?article2931.

Dernbach, Christoph, Anleitung: Twitter für Einsteiger – Tipps und Tricks für den Microblogging-Dienst (1+2), in: Mr. Gadget, 21.04.2012, http://www.mr-gadget.de/howto/2012-04-21/twitter-fuer-einsteiger-tipps-und-tricks-fuer-den-microblogging-dienst-1 und http://www.mr-gadget.de/howto/2012-04-21/anleitung-twitter-fur-einsteiger-tipps-und-tricks-fur-den-microblogging-dienst-2.

Graf, Klaus, König, Mareike: Entwicklungsfähige Blogsphäre – ein Blick auf deutschsprachige Geschichtsblogs, in: Redaktionsblog, 9.12.2011 http://redaktionsblog.hypotheses.org/40.

Jung, Christian: Sollen Historiker bloggen und twittern?, in: Zeittaucher, 15.8.2010, http://www.scienceblogs.de/zeittaucher/2010/08/sollen-historiker-bloggen-und-twittern.php.

König, Mareike: Twitter in der Lehre (Schule und Universität): eine kleine Literaturliste, in: Redaktionsblog, 13.08.2012, http://redaktionsblog.hypotheses.org/585.

König, René, Nentwich, Michael: Cyberscience 2.0: Research in the Age of Digital Social Networks, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 2012.

Kwakkel, Erik: A Window Display of 140 Characters: Why and How Twitter Works for Me as an Academic, in: medievalfragments, 11.08.2012, http://medievalfragments.wordpress.com/2012/08/11/a-window-display-of-140-characters-why-and-how-twitter-works-for-me-as-an-academic/.

Lugger, Beatrice: Deutsche Wissenschaft auf Twitter, in: Scilogs, 21.06.2012, http://www.scilogs.de/blogs/blog/quantensprung/2012-06-21/deutsche-wissenschaft-auf-twitter-iii .

Maireder, Axel: Links auf Twitter. Wie verweisen deutschsprachige Tweets auf Medieninhalte?, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien, 4.4.2011, https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:64004/bdef:Content/get.

Mollet, Amy, Moran, Danielle, Dunleavy, Patrick: Using Twitter in university research, teaching and impact activities. A guide for academics and researchers, LSE Public Policy Group 2011, http://blogs.lse.ac.uk/impactofsocialsciences/files/2011/11/Published-Twitter_Guide_Sept_2011.pdf.

Nazlin: Twitter for researchers, in: Newsam News, 23.09.2011, http://newsamnews.ioe.ac.uk/?p=1864.

Scheloske, Mark: Wissenschaft & Wissenschaftler auf Twitter | Twitterstudie, in: Wissenswerkstatt, 01.03.2012, http://www.wissenswerkstatt.net/wissenschaft-wissenschaftler-auf-twitter-twitterstudie/.

Social Networking for Scientists: The Wiki, http://socialnetworkingforscientists.wikispaces.com/Twitter.

Weller, Katrin, Dröge, Evelyn, Puschmann, Cornelius: Citation Analysis in Twitter: Approaches for Defining and Measuring Information Flows within Tweets during Scientific Conferences. Paper presented at the #MSM2001,1st Workshop on Making Sense of Microposts, 30.05.2011, Heraklion, URL: http://files.ynada.com/papers/msm2011.pdf.

Titel-Abbildung

You are a genius von Éole, CC-BY-NC-SA 2.0

Anmerkungen

 

Um diesen Beitrag zu zitieren: Mareike König, Twitter in der Wissenschaft: Ein Leitfaden für Historiker/innen, in: Digital Humanities am DHIP, 21.08.2012 http://dhdhi.hypotheses.org/1072.

.

  1. Siehe Mareike König: Twitter in der Lehre (Schule und Universität): eine kleine Literaturliste, in: Redaktionsblog, 13.08.2012, http://redaktionsblog.hypotheses.org/585.
  2. Unter dem Hashtag #phdchat trifft sich jeden Mittwoch eine Gruppe von Studierenden und Wissenschaftler/innen immer mittwochs zwischen 19h30 und 20h30 und diskutiert ein vorher festgelegtes Thema.
  3. Mit Dank an Klaus Graf für diesen sowie viele weitere Hinweise für diesen Artikel: http://standrewsrarebooks.wordpress.com/2012/03/12/a-conundrum-solved-collectively-a-15th-century-italian-manuscript-identified/
  4. Vgl. Axel Maireder: Links auf Twitter. Wie verweisen deutschsprachige Tweets auf Medieninhalte, 2011, https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:64004/bdef:Content/get
  5. Über Blogs in der Geschichtswissenschaft siehe Klaus Graf, Mareike König: Entwicklungsfähige Blogsphäre – ein Blick auf deutschsprachige Geschichtsblogs, in: Redaktionsblog, 09.12.2011 http://redaktionsblog.hypotheses.org/40.
  6. Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/64974709/ und http://archiv.twoday.net/stories/6503987/
  7. http://archiv.twoday.net/stories/34630727/
  8. Zur Diskussion vgl. http://archiv.twoday.net/stories/49623676/#49803659
  9. König, René, Nentwich, Michael: Cyberscience 2.0: Research in the Age of Digital Social Networks, Frankfurt am Main: Campus-Verlag, 2012, S. 53.
  10. Eine Übersicht der Abkürzungen gibt es hier: http://www.windows7-tipps.de/twitter-lexikon_abkuerzungen_was_bedeuten_dm_rt_un.html
  11. Vgl. http://archiv.twoday.net/stories/6388242/
  12. http://archiv.twoday.net/stories/59211631/
  13. Vgl. François Bon: Twitter et comment s’en servir, in: Tiers livres, 26.05.2012,  http://www.tierslivre.net/spip/spip.php?article2931
  14. Weller, Katrin, Dröge, Evelyn, Puschmann, Cornelius: Citation Analysis in Twitter: Approaches for Defining and Measuring Information Flows within Tweets during Scientific Conferences. Paper presented at the #MSM2001,1st Workshop on Making Sense of Microposts, 30.5.2011, Heraklion, http://files.ynada.com/papers/msm2011.pdf
  15. Johannes Beus: Twitter Nutzung, in: Sistrix, 06.11.2009, http://www.sistrix.de/news/910-twitter-nutzung.html
  16. Klaus Graf: Rückblicke auf die Münchner Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften“, in: Redaktionsblog, 12.3.2012 http://redaktionsblog.hypotheses.org/407
  17. Zu Kuratierungsdiensten siehe auch: http://archiv.twoday.net/stories/42992367/

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1072

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Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” für Open Access

Die Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” spricht sich für eine umfassende Unterstützung des Open Access-Prinzips im Wissenschaftsbereich aus. Nach den Vorstellungen der Enquete-Kommission soll Open Access in der deutschen Forschungsförderungspolitik und in der deutschen Hochschullandschaft auch durch die gemeinsame Entwicklung einer nachhaltigen Open Access-Strategie vorangetrieben werden.
Die vollständige Pressemitteilung dazu steht hier: http://www.bundestag.de/presse/hib/2012_06/2012_314/03.html

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1044

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1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War – Projektstart an der FU Berlin

Am 20./21. Januar 2012 fand an der FU Berlin ein großer Workshop zum Projektstart der von der DFG geförderten Online-Enzyklopädie 1914-1918-online statt. Ziel des von Oliver Janz (FU Berlin) geleiteten Projektes ist es, zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs 2014 ein von international anerkannten Experten geschriebenes, englischsprachiges Referenzwerk im open-access zur Verfügung zu stellen. Das DHI Paris ist – wie auch die deutschen Auslandsinstitute in Moskau und Warschau – als strategischer Kooperationspartner eng mit dem Projekt verbunden und unterstützt das Projektteam nach Kräften. Wie schreibt man eine globale Geschichte des Ersten Weltkriegs? Diese Leitfrage stand im Mittelpunkt des zweitägigen Kick-off-Workshops, zu dem große Teile des Editorial Boards, des Editorial Advisory Boards und Vertreter der zahlreichen Kooperationspartner nach Berlin gekommen waren. In vielerlei Hinsicht gab Hew Strachan (University of Oxford) in seiner Keynote Lecture „The First World War as global war“ die Richtung der allgemeinen Diskussion vor, indem er gekonnt die angesichts der weltweiten Verschränkung der kriegführenden Mächte zwangsläufig globale Dimension des Krieges herausarbeitete und das Überkommen der nach wie vor dominanten nationalen Narrative als wichtigste Herausforderung der Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg bezeichnete. In der großen Runde international profilierter Weltkriegs-Experten gab es niemanden, der ihm da widersprochen hätte… allein eine Antwort auf die Ausgangsfrage bzw. gar ein Rezept für die stringente Einlösung der gebetsmühlenartig vorgebrachten Forderung, doch endlich „richtig“ globalgeschichtlich zu arbeiten, konnte (und wollte) der Beitrag nicht liefern. Denn in der Praxis muss man sich, insbesondere wenn die Ebene von Einzelstudien zu Gunsten von Überblicksdarstellungen verlassen wird, sehr schnell mit ganz unterschiedlichen Problemen herumplagen, insbesondere auf der Ebene der sprachlichen Kompetenzen des einzelnen Forschers, die zwangsläufig sehr begrenzt sind und nur die Rezeption eines Bruchteils der relevanten Literatur und Quellen erlauben. Der einzige Ausweg – und das machte die Diskussion zu den verschiedenen Vorträgen des Workshops sehr deutlich – liegt  in der kollaborativen Arbeit, nur durch Netzwerkbildung und Kooperation können  letztlich regionale Expertise und Sprachkenntnisse in ausreichendem Maße gebündelt und übergreifende Fragestellungen erkannt bzw. angestoßen werden. Und genau hier liegt eine wesentliche Stärke von 1914-1918-online: die inhaltliche Ausrichtung und Verantwortung liegt in den Händen eines rund 50-köpfigen Editorial Boards, das sich aus HistorikerInnen  aus der ganzen Welt zusammensetzt. Die Tatsache, dass nur rund ein Viertel der Editors aus Deutschland stammt bzw. an deutschen Institutionen lehrt und forscht, belegt eindrücklich, wie ernst es dem doch immerhin mit deutschen Geldern finanzierten Projekt damit ist, seine transnationale Agenda umzusetzen. Damit stehen die Chancen sehr gut, dass es gelingt, den Stand der Forschung nicht nur abzubilden, sondern neue Themen zu definieren, Projekte anzustoßen und der Historiographie zum Ersten Weltkrieg Impulse zu geben. Einen ausführlichen Tagungsbericht gibt es hier. Zur Projekthomepage

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/280

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Tagungsbericht: Guerres futures, guerres imaginées: vers une histoire culturelle de l’avant-1914

Am 9. und 10. November 2011 fand im Historial de la Grande Guerre in Péronne und am Deutschen Historischen Institut Paris eine große internationale Tagung, Guerres futures, guerres imaginées: Vers une histoire culturelle de l’avant-1914, statt.   Das Kolloquium hatte sich zum Ziel gesetzt, einen kulturgeschichtlichen Ansatz auf die Vorkriegszeit des Ersten Weltkrieges anzuwenden. Ein Blickwinkel, der in der Vergangenheit eher für die Kriegs- und Nachkriegszeit gewählt wurde, also für Kriegserfahrungen oder Kriegserinnerungen. Verkürzt gesagt ging es um die „unspoken assumptions“ (James Joll) von Entscheidungseliten und anderen relevanten soziokulturellen Bevölkerungsgruppen in den Vorkriegsjahren. So wurden im Verlauf der Tagung die Kriegsbilder, und -vorstellungen unterschiedlicher militärischer oder politischer Akteure, Zivilbevölkerung bzw. der Presse diskutiert. Es sollte die Art und Weise analysiert werden, wie der Erste Weltkrieg in der Zeit unmittelbar vor seinem Ausbruch imaginiert wurde. Es ging mit anderen Worten darum, einen Beitrag zu einer „histoire du futur dans le passé“ (John Horne) zu leisten. Anbei der Link zum von HSozKult veröffentlichten Tagungsbericht: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=4049&count=3871&recno=2&sort=datum&order=down

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/219

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„Die bedeutenden Wissenschaftssprachen müssen erhalten bleiben“

Prof. Dr. Hinnerk BruhnsInterview mit Prof. Dr. Hinnerk Bruhns, Forschungsdirektor am CNRS, Paris über die von ihm mitgegründete und herausgegebene Online-Zeitschrift „Trivium“.

Mareike König (MK): Herr Bruhns, Sie sind einer der „Väter“ von Trivium, eine elektronische Zeitschrift, die seit Herbst 2007 ausgewählte Artikel aus deutschen und französischen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachzeitschriften in der jeweils anderen Sprache in Übersetzung open access veröffentlicht. Wie ist die Idee zu Trivium entstanden?

Hinnerk Bruhns (HB): Die Idee zur Gründung der Zeitschrift Trivium ist in den Jahren 2005 bis 2007 entwickelt worden. Ich war damals stellvertretender Leiter der Fondation Maison des Sciences de l’Homme (FMSH). Dort gibt es seit den 1980er Jahren ein deutsch-französisches Programm für die Übersetzung von Büchern aus den Geistes- und Sozialwissenschaften[1], das mit der Unterstützung durch das Goethe-Institut (zuvor: Inter Nationes), den DAAD und das Centre National des Lettres durchgeführt wird. Die schon vor vielen Jahren gelegentlich von mir vorgetragene Idee, dieses Programm durch ein Parallelprogramm zur Übersetzung von Zeitschriftenartikel zu ergänzen, war einer der Ausgangspunkte, die zur Gründung von Trivium führten. Dahinter stand der Gedanke, dass der finanzielle Aufwand und das verlegerische Risiko bei der Übersetzung von Artikeln geringer sein würden als bei Büchern. Außerdem ließe sich durch die Übersetzung von kurzen Texten – Zeitschriftenartikel – die oft sehr lange Zeitverzögerung im Transfer und in der Rezeption der Entwicklung der Forschung im Nachbarland verringern.

Diese Überlegungen verbanden sich dann mit solchen zur Sprachenpolitik in den Geistes- und Sozialwissenschaften in Europa. Langjährige Partner der FMSH, die DVA-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung hatten seit mehreren Jahren Untersuchungen über die wissenschaftliche Kommunikation zwischen Deutschland und Frankreich gefördert. Die Frage der Sprachen und Übersetzungen stand dabei im Mittelpunkt. In einer Studie von Fritz Nies aus dem Jahre 2002[2] werden am Beispiel verschiedener geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer sowohl die Intensität wie auch die Lücken in der Kommunikation, dem Transfer und der Rezeption zwischen den deutschen und französischen fachwissenschaftlichen „communities“ analysiert. Von den Ergebnissen dieser Studie ausgehend wurde von der Bosch-Stiftung und der DVA-Stiftung, dem Deutsch-französischen Institut in Ludwigsburg und der FMSH in Berlin im Jahr 2004 ein Kongress zur Sprachenfrage in der europäischen Wissenschaftskooperation organisiert, und zwar mit besonderer Blickrichtung auf die deutsch-französische Zusammenarbeit[3]. Zentrale Ergebnisse der Diskussionen waren zum einen die wissenschaftlich begründete Notwendigkeit, in den Geistes- und Sozialwissenschaften die bedeutenden Wissenschaftssprachen zu erhalten und zu fördern, und zum anderen – als Korrelat dazu – die Forderung, die transnationale Wissenschaftskommunikation verstärkt durch mehr Übersetzungen zu fördern und zu intensivieren.

Von diesen Überlegungen zur Realisierung der Idee waren dann nicht nur einige Schritte nötig, sondern vor allem Partner. Einmal Institutionen: neben den eben genannten deutschen Stiftungen das französische Kulturministerium und dann vor allem die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Agence nationale de la recherche in Frankreich. Dann auch Personen mit besonderem Engagement und den mir selbst fehlenden Kompetenzen. Ich nenne hier nur Gudrun Gersmann vom DHI Paris mit ihrer langen Erfahrung im Bereich digitaler Medien und Instrumente für die Forschung. Frau Gersmann hat, damals noch von der Universität Köln aus, gemeinsam mit der FMSH den Projektantrag für Trivium in das deutsch-französische Förderprogramm von DFG und ANR eingebracht und das Unternehmen dann als Direktorin des DHI Paris gemeinsam mit mir verwirklicht.

MK : Was ist das Besondere an Trivium?

 HB: Im Vergleich zu „normalen“ wissenschaftlichen Zeitschriften ist das Besondere an Trivium, dass hier keine Originalbeiträge publiziert werden, sondern ausschließlich Übersetzungen von Texten, die schon in Zeitschriften oder auch Sammelbänden in Frankreich oder Deutschland veröffentlicht worden sind. Das Besondere besteht also einerseits in der Übersetzung, andererseits aber auch in der Zusammenstellung von französischen und deutschen Beiträgen zu einer bestimmten Thematik.

Trivium erscheint in Form von Themenheften (durchschnittlich drei pro Jahr), die in der Regel von je einem deutschen und einem französischen wissenschaftlichen Herausgeber betreut werden. Trivium wird herausgegeben von den Editions de la Maison des sciences de l’Homme in Paris, in Verbindung mit mehreren deutschen und französischen Institutionen, darunter an erster Stelle das DHI Paris. Der wissenschaftliche Beirat der Zeitschrift entscheidet mit der Redaktion und den jeweiligen Herausgebern über die Auswahl der zu übersetzenden Artikel. Die erste Ausgabe ist im Mai 2008 veröffentlicht worden; die Zeitschrift ist frei im Internet zugänglich: http://trivium.revues.org/

 MK: Was genau bedeutet denn der Name Trivium?

HB: Der volle Name der Zeitschrift ist: Trivium. Revue franco-allemande de sciences humaines et sociales / Deutsch-französische Zeitschrift für Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Lateinischen ist Trivium der Ort, wo drei Wege zusammenstoßen, eine Wegekreuzung. In der mittelalterlichen Universität bezeichnete Trivium die drei grammatisch-rhetorischen Fächer (Dialektik, Grammatik, Rhetorik) der sieben artes liberales, also den Dreiweg zur sprachlichen Bildung, zusammen mit dem Quadrivium (Vierweg: Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik) als Propädeutik für die höheren Fakultäten (Theologie, Recht, Medizin). Besser als der Name Bivium (Zweiweg) es hätte tun können, entspricht der Begriff Trivium dem, was wir mit dieser ‚zweiseitigen’, deutsch-französischen Zeitschrift tun wollen. Einerseits durch den Bezug auf die Bedeutung der Sprache in der Bildung, andererseits dadurch, dass der ‚Dreiweg’ über das rein Deutsch-Französische hinausweist.

Screenshot von Trivium

Screenshot von Trivium

MK: Warum wurde Trivium als elektronische Zeitschrift konzipiert?

HB: Wollte man die Arbeitsschwerpunkte dieser Zeitschrift nicht auf eine Disziplin einschränken, sondern den doch sehr weiten Bereich der unterschiedlichen Wissenschaftsgebiete abdecken, in denen die Begrifflichkeit und das Denken vorwiegend durch die Nationalsprachen geprägt sind, dann konnte diese Zeitschrift vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen nicht mit einem festen Abonnentenkreis rechnen, der die erheblichen Kosten für die Übersetzungen, die Redaktion, den Druck und den Vertrieb getragen hätte. Daher bot sich als einzige Möglichkeit die einer rein elektronischen, frei zugänglichen Zeitschrift an. Die durch private und öffentliche Zuwendungen zu deckenden Kosten des Unternehmens ließen sich allein durch den erwarteten Nutzen für die Wissenschaft rechtfertigen. Die Zeitschrift musste also als eine Art Instrument oder Infrastrukturelement entwickelt werden, dessen sich die Wissenschaftler, insbesondere die an der deutsch-französischen Kooperation interessierten, bedienen und – im besten Sinne – bemächtigen würden. Diese deutsch-französische Initiative sollte zugleich als Modell für analoge Übersetzungsinitiativen zwischen andere Sprachgemeinschaften dienen können.

MK: Wie positioniert sich Trivium in der deutschen und französischen Fachcommunity? Wen möchte Trivium ansprechen, Studierende, Doktoranden, Forscher?

HB: Dem ursprünglichen Konzept entsprechend wendet Trivium sich in erster Linie an Studenten, Hochschullehrer und Wissenschaftler, die aufgrund mangelnder oder unzureichender Kenntnisse des Deutschen, bzw. des Französischen, Publikationen in diesen Sprachen nicht oder nur selten, da mit großer Mühe verbunden, lesen. Man denkt dabei spontan wohl zunächst an das akademische Publikum in Frankreich und Deutschland, und in zweiter Linie an Leser in anderen deutsch- und französischsprachigen Ländern. Trivium richtet sich jedoch darüber hinaus an Wissenschaftler und Studenten in – potentiell – allen Ländern der Welt, die zumindest eine der beiden Sprachen lesen, in denen die Zeitschrift ihre Übersetzungen veröffentlicht. Die Zugriffsstatistiken zeigen, dass die Leserschaft von Trivium weit über die Welt verteilt ist. Auch hat sich gezeigt, dass Trivium durchaus auch regelmäßig von Wissenschaftlern und Studenten konsultiert wird, die beider Sprachen mächtig sind. Das liegt nicht nur daran, dass die von unserer Zeitschrift publizierten Texte im Internet direkt zugänglich sind. Entscheidender ist wohl, dass Trivium forschungsrelevante thematische Dossiers anbietet, die nach wissenschaftlichen Kriterien zusammengestellt und von den jeweiligen Herausgebern mit einer ausführlichen Einleitung in den Themenschwerpunkt versehen werden. Themenhefte von Trivium werden, wie der Redaktion bekannt worden ist, auch in der Lehre an Universitäten eingesetzt.

MK: Einmal ketzerisch gefragt: warum sind Übersetzungen in den Geisteswissenschaften auch heute noch so wichtig?

HB: Die Konzeptualisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, deren Gegenstand Mensch und Gesellschaft sind, ist (insbesondere in den bedeutenden Wissenschaftsgemeinschaften) eng verknüpft mit der jeweiligen Nationalsprache. In ihr kommen Denken und Erfahrung des Einzelnen wie der Gesellschaft zum Ausdruck, in ihr formuliert der Forscher seine Hypothesen, Analysen und Erklärungen, und in ihr stellt er sie den Fachwissenschaftlern wie auch einem breiteren Publikum vor.

Auch wenn wissenschaftliche Kommunikation und wissenschaftlicher Austausch in Europa und international auf eine lingua franca – heute Englisch – nicht verzichten können, ist für eine wirkliche wissenschaftliche Kommunikation und Kooperation zwischen Forschern aus unterschiedlichen Sprachgemeinschaften der systematische Rückgriff auf eine dritte Sprache nicht ausreichend und im Grunde nur ein – häufig allerdings unumgänglicher – Notbehelf. Im Rahmen der internationalen Kooperation hängt die Qualität der Forschungsarbeit in den Geistes- und Sozialwissenschaften in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang ab zum einen von guten Kenntnissen in der Sprache des Partners, zum anderen von der (streng wissenschaftlichen Kriterien genügenden) Qualität der Übersetzungen. Heute ist die Qualität der Forschung, und damit auch der Lehre, durch den verhängnisvollen Trend bedroht, dass viele meinen, man brauche nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, was nicht auf Englisch publiziert ist. Übersetzungen sind ein Gegenmittel, die Mehrsprachigkeit zur Voraussetzung für die Zulassung zum Promotionsstudium (spätestens!) zu machen wäre ein anderes.

MK : Welche Themenschwerpunkte wurden bisher bei Trivium behandelt und wie werden diese ausgewählt? Kann jeder einen Vorschlag machen?

HB : Wir haben bisher neun Themenhefte veröffentlich, jedes Mal mit einem anderen Schwerpunkt. Die Spannweite reicht von den „orientalischen“ Religionen in der griechisch-römischen Antike (Nr. 4) bis zu Max Webers Soziologie der Bürokratie (Nr. 7), dem iconic turn in den Sozialwissenschaften (Nr. 1), oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, bis zu der in Frankreich entwickelten Soziologie der Konventionen (Nr. 5). Andere Themen waren die subjektiven Rechte und die Menschenrechte (Nr. 3), die Formen symbolischer Kommunikation im Mittelalter (Nr. 2), das Verhältnis von Ästhetik und Kunstwissenschaft (mit einer ganzen Reihe von Texten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts) (Nr. 5), der Wissenstransfer als ein Aspekt der Beziehungen zwischen lateinisch-christlicher und arabisch-islamischer Welt zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert (Nr. 8) und zuletzt das Problem der Zeit und der Zeitwahrnehmungen in den Sozialwissenschaften (Nr. 9).

Vorschläge können von jedermann gemacht werden; natürlich müssen die Vorschläge dem besonderen Format und der Zielsetzung der Zeitschrift entsprechen. Hinweise dazu gibt es auf der Homepage von Trivium.

Blog der Zeitschrift TriviumMK: Wie lauten die Themen für die nächsten Hefte bei Trivium?

HB: Die beiden nächsten Nummern behandeln das Thema der „Lesbarkeit/Lisibilité“ (Nr. 10) und dann „Flaubert orientalischen Realismus“ (Nr. 11). Danach geht es einmal um Emile Durkheim, dann um Forschungen zum Alten Reich und danach um die Entwicklung der Kultursoziologie.

MK: Gibt es einen Newsletter mit der Ankündigung der neuesten Nummer oder wie kann man von den neuen Ausgaben erfahren?

HB: Ja, es gibt einen Newsletter. Unter folgender Adresse kann man ihn abonnieren: http://trivium.revues.org/?page=lettre

Außer dem gibt es ein Blog, und Trivium ist auch auf Facebook präsent.

MK: Herr Bruhns, vielen Dank für das Interview.

 

Hinnerk Bruhns hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

Kontakt:

Trivium
Fondation Maison des Sciences de l’Homme
190, avenue de France
75013 Paris

trivium@msh-paris.fr

bruhns[at]msh-paris.fr

 


 

  1. http://www.editions-msh.fr/info/?fa=text56 und http://www.editions-msh.fr/collections/?collection_id=574
  2. Die wichtigsten Beiträge zu dieser Veranstaltung sind in einem Sammelband veröffentlicht worden: Fritz Nies (Hrsg.), unter Mitwirkung von Erika Mursa, Europa denkt mehrsprachig. Exemplarisch: deutsche und französische Kulturwissenschaften / L’Europe pense en plusieurs langues. Exemplaires: les Sciences de l’Homme en France et en Allemagne, Tübingen, Gunter Narr Verlag, 2005.((Fritz Nies (Hrsg.): Spiel ohne Grenzen? Zum deutsch-französischen Transfer in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Gunter Narr Verlag, Tübingen 2002; französische Übersetzung: Fritz Nies (dir.), L’enjeux scientifiques des traductions : échanges franco-allemandes en sciences humaines et sociales, Paris, Editions de la Maison des sciences de l’homme, 2004.
  3. Die wichtigsten Beiträge zu dieser Veranstaltung sind in einem Sammelband veröffentlicht worden: Fritz Nies (Hrsg.), unter Mitwirkung von Erika Mursa, Europa denkt mehrsprachig. Exemplarisch: deutsche und französische Kulturwissenschaften / L’Europe pense en plusieurs langues. Exemplaires: les Sciences de l’Homme en France et en Allemagne, Tübingen, Gunter Narr Verlag, 2005.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/726

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Forschungsseminar “La Première Guerre mondiale, guerre du XIXe, guerre du XXe siècle” am DHIP

Am 12. Dezember fand die erste Sitzung des an der EHESS unter Leitung von Stéphane Audoin-Rouzeau organisierten Forschungsseminars „La Première Guerre mondiale, guerre du XIXe, guerre du XXe siècle“ am DHI Paris statt. In der Vorlesungszeit stellen an jedem ersten Montag im Monat hochkarätige Referenten ihre aktuellen Forschungsprojekte zur (Vor-)Geschichte des Ersten Weltkriegs und seiner Nachwirkungen vor. Externe Seminarteilnehmer sind jederzeit herzlich willkommen. Den Anfang machte Bruno Cabanes (Yale University) mit einem Werkstattbericht zu seinem laufenden Vorhaben „La redéfinition des droits de l’homme après la Grande Guerre“ (Redefinition der Menschenrechte nach dem Ersten Weltkrieg), in dem es dem profilierten Experten für die Geschichte des Kriegsendes 1918 u.a. darum geht, eine rechtsgeschichtliche Fragestellung kulturgeschichtlich anzureichern und damit berührungslos nebeneinander stehende Forschungstraditionen zusammen zu bringen. So erlaubt die Analyse der Kriegserfahrungen wichtiger Protagonisten der Menschenrechtsbewegung (z.B. des Kriegsversehrten René Cassin), ihr Engagement zu kontextualisieren und damit besser zu verstehen. Durch Berücksichtigung der besonderen Rolle einflussreicher NGOs avant la lettre betont Cabanes darüber hinaus die besondere Bedeutung zivilgesellschaftlicher, internationaler Organisationen und macht einen großen Schritt hin zu einer transnationalen Geschichte der Menschenrechte. In den nächsten beiden Seminarsitzungen am 2. und 16. Januar 2012 (jeweils 9-11 Uhr) führt Leonard V. Smith den Versuch, Kultur- und Rechtsgeschichte produktiv zusammen zu bringen, weiter. Seine beiden Vorträge, “Wilsonismus und Völkerrecht. Souveränität nach dem Ersten Weltkrieg” (Wilsonisme et droit international. La souverainté après la Grande Guerre) und “Frieden oder Fortsetzung des Krieges? Das Recht der Selbstbestimmung der Völker auf der Friedenskonferenz 1919″ (Paix ou continuation de la guerre? Le droit des peuples à disposer d’eux-mêmes à la conférence de la paix 1919) behandeln eine komplementäre Problemstellung, die ein Schlaglicht auf die so unendlich schwierige Demobilmachung des Rechts nach dem Ende des Krieges wirft. Leonard V. Smith ist Frederick B. Artz Professor am Oberlin College in Ohio. Von ihm sind u.a. erschienen: “The Embattled Self. French Soldiers’ Testimony of the Great War” (Cornell University Press, 2007) und “Between Mutiny and Obedience. The Case of the French Fifth Infantry Division During World War I (Princeton University Press, 1994). Zur Vorbereitung auf die beiden Seminarsitzungen wird sein neuester Aufsatz “The Wilsonian Challenge to International Law,” Journal of the History of International Law, 13 (2011)S. 179-208, ausdrücklich zur Lektüre empfohlen.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/198

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Ein deutschsprachiges Blogportal für die Geisteswissenschaften: de.hypotheses.org

Wissenschaftliches Bloggen bietet ein großes Potential für die schnelle Publikation, Verbreitung und Diskussion aktueller Forschungsinhalte. Im deutschsprachigen Raum und speziell bei den Geisteswissenschaften wird das noch viel zu wenig erkannt und genutzt. Mit dem Aufbau eines deutschsprachigen Blogportals für die Geisteswissenschaften -  http://de.hypotheses.org -  soll diese Form der wissenschaftlichen Kommunikation nun stärker verbreitet werden. In Anlehnung an das französische Vorbild hypotheses.org wird ein Service eingerichtet, der das Eröffnen von Wissenschaftsblogs aus allen Disziplinen der Humanities erleichtert, diese unter einem Dach versammelt und für eine größere Sichtbarkeit wie auch für die Archivierung der Inhalte sorgt.

Entstanden ist die Idee vor dem Hintergrund des großen Erfolgs des französischsprachigen Blogportals hypotheses.org. Über 60 der derzeit 269 dort versammelten Blogs haben in diesem Sommer von der französischen Nationalbibliothek eine ISSN bekommen und können damit wie Zeitschriften in die Bibliothekskataloge aufgenommen werden[1]. Das Team von hypotheses.org um Marin Dacos und Pierre Mounier stellen die Infrastruktur für das deutschsprachige Portal kostenlos zur Verfügung, ganz im Sinne des Manifests der Digital Humanities, entstanden auf dem Pariser ThatCamp 2010, das Kollaboration in einer solidarischen, offenen, einladenden und frei zugänglichen Praxisgemeinschaft in den Mittelpunkt stellt.

Folgt man dem französischen Beispiel, so sind Wissenschaftsblogs denkbar für Forschergruppen, begleitend zu Seminaren, über Projekte, Ausgrabungen, Zeitschriften oder um die Arbeit von Instituten und Einrichtungen zu präsentieren. Anmelden können sich Forschergruppen und Einzelforscher/innen der Geisteswissenschaften, die über eine universitäre oder institutionelle Anbindung verfügen und die regelmäßig über ihre aktuelle Forschungen schreiben möchten.

Die Blogs laufen auf WordPress. Das Portal ist derzeit in einer Betaversion. Anmeldungen zur Eröffnung eines Blogs oder zur Migration eines bereits bestehenden Blogs sind ab sofort möglich auf der Seite “Blog eröffnen“.

Ein wissenschaftlicher Beirat, bestehend aus Gudrun Gersmann, Peter Haber, Gregor Horstkemper, Martin Huber, Hubertus Kohle, Gerhard Lauer, Claudine Moulin und Eva Pfanzelter, begleitet das Projekt. Über die Auswahl der Beiträge für die Startseite des Blogportals entscheidet die wissenschaftliche Redaktion des Portals, zu der Klaus Graf, Jan Hodel, Eliane Kurmann, Lilian Landes, Enrico Natale, Cornelius Puschmann, Christof Schöch, Anton Tantner, Sacha Zala und ich gehören. Die Redaktion plant den Aufbau eines eigenen „Redaktionsblog“ rund um das Thema geisteswissenschaftliches Bloggen. Die Redaktion twittert ab sofort unter @dehypotheses.

Redaktion und Beirat sei an dieser Stelle für die große Hilfe gedankt, allen voran Peter Haber und Eva Pfanzelter, die bei der Ausarbeitung und Umsetzung des Projekts federführend waren, sowie Klaus Graf für seine wertvollen Hinweise u.a. rund um das Thema Impressum und Urheberrecht. Die technische Umsetzung liegt bei Frédérique Muscinési von hypotheses.org, der an dieser Stelle für ihren großen Einsatz ebenfalls ausdrücklich gedankt sei. Ein Dank geht auch an Miriam Kreis für die Übersetzungsarbeiten und an Gordon Blennemann für seine Hilfe in diesem Zusammenhang.

Am 9. März 2012 wird das Blogportal in München mit einer Tagung über das wissenschaftliche Bloggen, unterstützt durch L.I.S.A., das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung und das DHI Paris, offiziell an den Start gehen. Am Portal oder der Tagung Interessierte können sich an das DHI Paris wenden unter der Mailadresse blog [at] dhi-paris.fr.

 

Weitere Literatur

Peter Haber, Eine neue Plattform de.hypotheses.org, in: weblog.histnet, 30.11.2011 <http://weblog.hist.net/archives/6001>

Pierre Mounier, Die Werkstatt des Historikers öffnen: Soziale Medien und Wissenschaftsblogs, in: dhdhi.hypotheses.org, 4.11.2011 <http://dhdhi.hypotheses.org/591>

 

 

  1. Siehe dazu Mareike König, Blogging Tricolore. Geisteswissenschaftliche Blogs in Frankreich, in: Archivalia, 11.08.2011

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/610

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Die Werkstatt des Historikers öffnen: Soziale Medien und Wissenschaftsblogs

The shoemaker F. A. Sandell in his workshop.

The shoemaker F. A. Sandell in his workshop

Aus dem Französischen übersetzt von Inger Brandt und Mareike König.

In welcher Weise verändern die digitalen Technologien die Arbeitsbedingungen des Historikers? Bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt es darauf Antworten. Die Erstellung quantitativer Datenbanken, die Digitalisierung wichtiger Quellen, die kartografische Darstellung und die Analyse sozialer Netzwerke mit IT-Werkzeugen sind dabei die ältesten und wichtigsten Meilensteine. Die Retrodigitalisierung und Online-Veröffentlichung akademischer Literatur der Disziplin, seien es Zeitschriften oder Bücher, stellen eine weitere Etappe in dieser Richtung dar. Die digitale Technologie hat bis heute zugleich den Werkzeugkasten des Historikers – um den schönen Ausdruck aus dem gleichnamigen Blog La Boite à Outil des Historien aufzugreifen – und seine Publikationsmöglichkeiten grundlegend verändert.

Einige berühmte Beispiele aus der Vergangenheit haben Historiker gelehrt, dass nicht immer eindeutig bestimmt werden kann, ab wann es Zeit ist, die „Revolution zu beenden“. Revolutionäre Phänomene nähren sich mitunter selbst. Man kann daher von einer „permanenten Revolution“[1] sprechen, wie es der Soziologe Philippe Breton mit Blick auf das Internet tut. Es sind heute also die neuen Werkzeuge und vor allem die neuen Praktiken der vernetzten Kommunikation, die – nachdem sie seit einigen Jahren immer stärker von der breiten Öffentlichkeit genutzt wurden – seit kurzem auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften auftauchen. Es handelt sich um die Werkzeuge des Web 2.0, die sich von der Vorgängergeneration durch ihre einfache Nutzung und durch ihren gleichzeitig unkonzentrierten, horizontalen und unmittelbaren Charakter der Kommunikationspraktiken unterscheiden: Plattformen für content sharing (Dokumente, Fotos, bibliografische Referenzen), Blogs und soziale Netzwerke stellen ein Ensemble an „sozialen Medien“ dar. Deren Anwendung durch Historiker wird zunehmend selbst Gegenstand der Debatte. Das zeigt auch das kürzlich vom Deutschen Historischen Institut Paris organisierte Kolloquium „Im Netz der sozialen Medien – Neue Publikations- und Kommunikationswege in den Geisteswissenschaften“[2]. Es war besonders interessant, im Verlauf des Kolloquiums Wissenschaftler unterschiedlicher Herkunft darüber reden zu hören, wie sie sich die neuen Werkzeuge aneignen, um ihre Kommunikationspraktiken von Grund auf zu erneuern. Man traf dort Historiker wie Peter Haber von der Universität Basel mit seinem Blog bei Hist.net, André Gunthert von der EHESS, der die Plattform Culture visuelle für wissenschaftliche Blogs in visueller Geschichte aufgebaut hat, oder auch Klaus Graf, der das berühmte Weblog Archivalia vorstellte und mit der provokanten These „ein Wissenschaftler ohne Blog ist ein schlechter Wissenschaftler“ für Aufsehen sorgte[3].

Eine Arbeit bei „geöffneter Werkstatt“

Trotz der Polemik kann es interessant sein nachzuvollziehen, welche Rolle ein Wissenschaftsblog bei der Arbeit eines Forschers spielen kann und ab welchem Moment des Forschungsprozesses er eingesetzt wird. Und da es sich offensichtlich um ein Kommunikationsmittel handelt, stellt sich die Frage nach der Einordnung von Blogs im Vergleich zu den traditionellen Publikationen wie Zeitschriften und Büchern, die mittlerweile auch im Internet vertrieben werden. Bei aufmerksamer Betrachtung wissenschaftlicher Blogs wie den gerade erwähnten oder denen auf der von Cléo betriebenen Plattform hypotheses.org gehosteten Blogs kristallisiert sich folgendes Hauptmerkmal heraus: Während die traditionellen Publikationen scharf die interne Kommunikation (Forschungsergebnisse adressiert an Kollegen) von der externen Kommunikation (an die breite Öffentlichkeit gerichtete populärwissenschaftliche Aufbereitung) trennen, neigen die Wissenschaftsblogs dazu, beide Bereiche an einem Veröffentlichungsort zusammenzuführen. In seinem Blog arbeitet der Historiker bei „geöffneter Werkstatt“; er enthüllt seine tagtägliche Arbeitsroutine, seine Lektüren, seine Erkenntnisse, seine Hypothesen, seine Zweifel. Schließlich legt er einen Aspekt seiner Forschung offen, noch „während diese im Entstehen“ ist, wie es bei den Soziologen aus der Schule von Bruno Latour heißt[4]. Das weckt sowohl das Interesse der unmittelbaren Kollegen, die möglichst schnell Zugang zu dieser Information erhalten und diese eventuell nach wissenschaftlichen Gepflogenheiten kritisieren möchten, als auch das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit, die aus unterschiedlichen Gründen am jeweiligen Thema interessiert ist. Wie dem auch sei, eines unterscheidet das Blog deutlich von den kanonischen Publikationsformen, die sowohl in der Form als auch im Erscheinungsrhythmus festgelegt sind: und das ist die Freiheit, die der Autor im Hinblick auf Tonfall, Form, Länge, Thema und Publikationsrhythmus hat. Diese große Freiheit der Ausdrucksmöglichkeiten macht dem Wissenschaftler Spaß und motiviert ihn daher zum Schreiben. Gleichzeitig zieht sie eine hybride Leserschaft an, die mit dem Autor ein Gespräch beginnen kann. Das Ergebnis ist erstaunlich: Die wissenschaftlichen Blogs unterscheiden sich stark voneinander; die Forscher, ob allein oder gemeinsam in einem Forschungsteam, veröffentlichen hier alle Arten von Informationen in unterschiedlichen Rhythmen und in variierender Länge. Im Vergleich zu Zeitschriften und anderen konzeptionell stärker eingeschränkten Publikationsformen geben Blogs ein völlig uneinheitliches Bild ab. Sie zeigen das „Sammelsurium des Wissenschaftlers“, wie es Marin Dacos so treffend ausdrückt[5]. Und über genau diese Vielfalt begreift man das Wesen der Blogs erst richtig, indem die verschiedenen Arten von Informationen, die auf den Blogs verbreitet werden, genauer betrachtet.

Am häufigsten findet man dort kurze Anmerkungen zu den Neuigkeiten aus dem Fachgebiet des Autors: Ankündigungen über Kolloquien und Studientage, call for papers, Meldungen über Neuerscheinungen oder Ausstellungen. Oftmals begnügt sich der bloggende Wissenschaftler damit, die Texte der Aufrufe, die Programme der Kolloquien, den Klappentext des erschienenen Werks wiederzugeben, ohne einen besonderen Kommentar hinzuzufügen. Dies ist beispielsweise beim Blog Emma der Fall, das aus dem von Damien Boquet und Piroska Nagy geleiteten Forschungsprogramm zu Emotionen im Mittelalter hervorgegangen ist. Man kann vielleicht nach dem Nutzen eines solchen Blogs fragen, das anscheinend nur aus einer Ansammlung von hier und da erschienen Annoncen besteht. In Wirklichkeit handelt es sich um ein wertvolles Monitoring-Tool, da diese Blogs eine – manchmal in Kategorien geordnete – qualitative Auswahl an Neuigkeiten zu einem Fachgebiet bieten. Für die gleiche Aufgabe könnten auch andere Tools genutzt werden (wie Anzeige-Services oder Ressourcen-Aggregatoren), aber das Blog ist ein ebenso interessanter Informationsträger. Auf hypotheses.org haben einige Blogs diese Vorgehensweise systematisiert, in dem sie „den Radar eingeschaltet“ und „Monitoring-Blogs“ eingerichtet haben. So steht beispielsweise Nuevo Mundo Radar für das wissenschaftliche Monitoring des lateinamerikanischen Raums durch das Redaktionsteam der gleichnamigen Zeitschrift. Es sei angemerkt, dass die Praxis des minimalistischen sharing von Meldungen durch die zunehmende Anzahl von unterstützenden Tools verschiedenster Art eine wunderbare Dynamik besitzt. So ist auch das von Dan Cohen geleitete Center for History and New Media in Washington dabei, mit Pressforward[6] ein Tool basierend auf eben diesem Prinzip zu entwickeln.

Lektürenotizen

Einige Wissenschaftsblogger entscheiden sich, alle oder einen Teil ihrer Auswahl zu kommentieren. Dabei handelt es sich dann um richtige Postings in Form von Kurzberichten, wie man sie beispielsweise im kürzlich von Raphaëlle Bats gestarteten Blog Les Préfaces du Griffon zur Geschichte des Lyoner Verlagswesens im 16. Jahrhundert findet. Diese knappen Notizen, aufgeschrieben und sogleich im Eifer des Gefechts veröffentlicht, diese ersten Kommentare zu einer Veröffentlichung müssen deutlich unterschieden werden von Buchbesprechungen, die in Wirklichkeit eigene Artikel sind und in Zeitschriften veröffentlicht werden. Die verschiedenen Formen decken sich nicht, sondern ergänzen sich vielmehr: Der im Blog veröffentlichte Eintrag bietet den Vorteil der Schnelligkeit und der Freiheit im Tonfall (häufig ist man dort bissiger), während eine Buchbesprechung formal und inhaltlich überprüft wird, und somit oft umfassender und sachlicher ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Eine in gewisser Weise der Entwurf für das Andere wird. Beim Blogbeitrag handelt sich dann um eine Art vorbereitende Stufe, die zu einer peer-review-Veröffentlichung führt.

Andere Wissenschaftsblogs bieten ausgearbeitete Notizen, die zwar dem Texttyp entsprechend kurz sind, aber über einen bestimmten Forschungsaspekt Bericht erstatten. Hier wäre Rwanda zu erwähnen, ein vielversprechendes Blog, in dem der Doktorand Rémi Korman von seinen Recherchen in den Archiven Ruandas zur Geschichte des Genozids und dem Gedenken daran berichtet. Er erzählt in seinen Notizen relativ sachlich vom Zustand der Quellen, die er bearbeitet, und zwar in dem Moment, in dem er seine Forschungen durchführt. Es ist einer der Vorteile dieser Art von Online-Publikation, die auf einer sehr simplen Blogtechnik beruht, dass sie von überall her und selbst bei schwieriger Internetverbindung durchgeführt werden kann. Andere Forschergruppen, wie das Team, das sich im Blog Terriat mit „Warteräumen“ (territoires de l’attente) im Migrationsprozess in den amerikanischen und atlantischen Gesellschaften befasst, entscheiden sich eher für kurze Notizen, die historische Quellen wie Fotos und Interviewausschnitte kommentieren. Hier wird das Schriftstück weder durch einen umfassenden Anmerkungsapparat noch durch einen Zweifel an der Kohärenz oder der Konstruktion gestört. Es handelt sich um Notizen, die Tag für Tag in dieser Form im Blog landen und veröffentlicht werden. Im Gegensatz zur Zeitschrift, in der die Artikel lektoriert und von Fachkollegen überprüft werden, handelt es sich beim Blog ausschließlich um das Forschungsjournal des Wissenschaftlers – und um nichts weiter. Aber als solches stellt es eine unschätzbare Quelle für Informationen aus erster Hand dar. Das Blog kann auch kollektiv organisiert sein, was den Charakter von Aimos widerspiegelt. Dort hat sich eine Gruppe junger Wissenschaftler zusammengefunden, die untereinander, aber auch mit einer breiteren Öffentlichkeit, Ressourcen über die Kunst und Bilder der Arbeiter- und Sozialbewegung austauchen wollen.

Das Blog besitzt darüber hinaus gelegentlich auch einen historischen Wert an sich, was das Team vom Centre d’étude des mondes africains deutlich erkannt hat. Sie veröffentlichen in Les Cahiers de Terrain de Raymond Mauny online eine digitalisierte Version der Aufzeichnungen des bekannten Archäologen. Dabei erfolgt die Publikation der einzelnen Aufzeichnungen im gleichen Zeitabstand, in dem sie der Forscher damals notierte… nur 60 Jahre später. Abgesehen von der Neugier, die eine solche Aktion weckt, und dem Geschick, mit dem dieser Teil des wissenschaftlichen Erbes gewürdigt wird, kann man nur erstaunt sein über die historische Kontinuität einer wissenschaftlichen Tradition, die sich so von einem Informationsträger zum nächsten einstellt. Und jenseits der revolutionären Bejahung, die die Entwicklung digitaler Technologien oftmals begleiten: das Wissenschaftsblog oder das online Forschungsjournal ist nichts anderes als ein gemeinsames Ausgrabungsjournal, was gleichzeitig alles und nichts verändert. Im Übrigen wollte Christian Jacob genau das im zweiten Band seiner von ihm herausgegebenen meisterhaften historischen Untersuchung über die „Lieux de Savoirs“[7] erreichen, in dem er ein Kapitel über wissenschaftliche Blogs einforderte.

Eine schizophrene Kommunikation?

Über das Ausgrabungsjournal hinaus entscheiden sich einige Forscherteams, ihre Beiträge stärker zu edieren, indem sie Textstil und Präsentation der Information angleichen. Dies trifft beispielsweise auf das Blog de la Grotte des Fraux zu, das sich mit den Ausgrabungen in der gleichnamigen Höhle im Departement Dordogne befasst. Dieses reich bebilderte Blog berichtet äußerst gewissenhaft vom Fortschritt der Arbeiten in den Tiefen der Grotte. Ein interessanter Fall, da es zugleich eine fachlich sehr spezialisierte Leserschaft (die Texte sind oft sehr technisch) und ein breites Publikum von Liebhabern der Archäologie anspricht:

„Die spezifische Welt der Kunst und der Höhle, mit all den Bildern, Vorstellungswelten und dem Verbotenen, das damit verbunden ist, verkörpert die Schwierigkeiten, mit einem speziellen Forschungsgegenstand konfrontiert zu sein. Da sowohl die wissenschaftliche Gemeinschaft wie auch die Öffentlichkeit nur schwer Zugang zu diesen physischen und geistigen Orten finden, ist es unser Anliegen, den Forschern und der Öffentlichkeit diese Gedankenelemente zur Verfügung zu stellen.

Diese Haltung mag schizophren erscheinen! Wie soll die korrekte Durchführung eines Forschungsvorhabens – das ein Abwägen der Hypothesen, eine Prüfung der Protokolle und eine Bestätigung der Ergebnisse erfordert – mit der Veröffentlichung von vorläufigen Rohdaten, die Gefahr laufen widerlegt zu werden, zusammengeführt werden? Das ist die große Herausforderung in diesem Forschungsblog: möglichst schnelle Verbreitung der Daten auf einem wissenschaftlichen Portal, bei gleichzeitiger Wahrung der Freiheit, sich widersprechen und sein Urteil ändern zu können. Das ist die Idee, die uns an diesem Projekt so fasziniert hat.“

Schizophren gestaltet sich das Projekt Blog de la Grotte des Fraux allerdings keineswegs, ganz im Gegenteil. Denn es wird versucht, im selben editorischen Rahmen zugleich nicht belegte Arbeitshypothesen, bestätigte Ergebnisse und Erläuterungen für ein fachfremdes Publikum zu vereinen. Aus diesem Grund stellt das Blog eines der interessantesten und innovativsten Experimente auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Kommunikation dar.

Von einem Blog mit Textentwürfen bis zum stärker ausgearbeiteten Grabungsjournal hat das online Forschungsjournal den Vorteil einer großen Flexibilität, die jedem Autor erlaubt, die Art und Weise der Nutzung seines Blogs selbst festzulegen. Die Distanz zum Blog ist nicht leicht aufzubauen und wird in tausend aufeinanderfolgenden Anpassungen vorgenommen, wie Benoît Kermoal in einem seiner letzten Beiträge seines Blog Enklask/ Enquête, bei dem es wie in seiner gleichnamigen Doktorarbeit um die Geschichte der sozialistischen Bewegung in der Bretagne geht, erkennen lässt.

„Trotz meiner Vorsicht scheinen einige Leser zu glauben, dass die Notizen in diesem Blog meine gesamte Forschungsarbeit ausmachen. Es handelt sich aber lediglich um Skizzen, um Teile eines Puzzles ohne Vorlage, um eine Ansammlung von Legosteinen, die schlecht zusammengefügt sind und noch kein Objekt bilden. Ich mache aber dennoch weiter, und zwar vor allem, um mich im Schreiben zu üben. Ich betreibe diese Form der Übung aber auch deshalb weiter, weil sie mir erlaubt, meine Forschung zu ordnen, zu klassifizieren, gedankliche Pfade zu kreuzen und zu verfolgen und nicht den lähmenden Eindruck zu bekommen, auf der Stelle zu treten.

Das kann dem Leser natürlich als Entwurf erscheinen, als zu skizzenhaft und zweifellos auch als ähnlich egozentrisch wie ein Forschungsjournal, das man für sich behält. Aber Enklask/ Enquête ist kein Notizheft mit Textentwürfen (davon habe ich bereits genug); es ist auch keine Aneinanderreihung von Beiträgen, die zusammen fertige und redigierte Artikel nach den Regeln der Geschichtskunst bilden. Es handelt sich um eine hybride Form, eine Erforschung mehrerer Wege, bevor der richtige gefunden ist. Man sollte sich nicht davor fürchten, wieder zurück zu gehen, sich einzugestehen, dass man sich verlaufen hat oder seine Fehler anzuerkennen. Das Wichtige ist jedoch, mit seinen Forschungen voranzukommen. Eine solche hybride Form impliziert zusätzlich eine Vielzahl von Änderungen im Ton, in der Sichtweise und im Ansatzpunkt.“[8]

Die Archive öffnen?

Der Bereich der Archive spielt eine zentrale Rolle in der Werkstatt des Historikers. Hier tut er sich schwer mit der Preisgabe von Informationen. Die Entdeckungen, die er dort machen kann, könnten ihm möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Kollegen verschaffen. Obwohl es für den Historiker oft schwierig ist, Informationen aus „seinen“ Archiven öffentlich zu machen, insbesondere solange seine Arbeit bisher noch nicht in einem oder mehreren Werken veröffentlicht wurde, haben einige Wissenschaftler dennoch beschlossen, bei „offenem Archiv“ zu arbeiten. Ein solcher Fall ist Isabelle Brancourt, die seit mehreren Jahren über das Parlament von Paris  forscht. In ihrem Blog betreibt sie seit zwei Jahren vor allem „die Bereitstellung [ihres] persönlichen Forschungsjournals mit der Analyse der Sammlung des Gerichtsschreibers Jean-Gilbert Delisle, im Dienste des zivilen Urkundsbeamten des Pariser Parlaments in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“[9]. Es sind nicht viele Beispiele von Wissenschaftlern bekannt, die ihre Rohdaten während des laufenden Forschungsprozesses zur Verfügung stellen. Die Vorgehensweise ist selten genug, scheint es, so dass sie hier besonders hervorgehoben werden soll, denn sie hinterfragt die gängigste Gewohnheit der Disziplin.

Es wäre schade, diesen Überblick der verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten von wissenschaftlichen Blogs abzuschließen, ohne die methodologischen Blogs zu erwähnen, die in mehreren Disziplinen entstehen. Dazu gehören zum Beispiel in der Soziologie Quanti, aber auch in der Geschichtswissenschaft Devenir Historien-ne, oder auch interdisziplinär das Blog Les Aspects concrets de la Thèse, das nicht nur Historiker, sondern auch andere Disziplinen anspricht. Thinking with my fingers: Für die Mehrheit der Blogger wie auch für die Wissenschaftlerin Torill Mortensen, die diesen Titel für ihr Blog gewählt hat, handelt es sich beim wissenschaftlichen Blog zunächst um ein Werkzeug zur Selbstreflexion, da das Blog ihnen erlaubt, durch die Erklärung ihrer Forschung in ihrer Arbeit voran zu kommen. Jedoch sind Blogs nicht trivial: online gestellt, wird es veröffentlicht und weiter verbreitet. Das bringt eine Mehrdeutigkeit mit sich, die von Benoît Kermoal schön zusammengefasst wurde: „An wen richten sich die Beiträge? Das kommt darauf an, mal an mich selbst, mal an alle Leser, manchmal an Doktoranden oder an Liebhaber der lokalen Geschichte oder der Geschichte der Arbeiterbewegung. Aber es ist vor allem eine Arbeit, die mir erlaubt, meine Forschungen zu strukturieren.“[10] Diese Mehrdeutigkeit ist der Preis für die Freiheit und sie kann mit gutem Recht kritisiert werden. Und das wird sie im Übrigen auch oft. Sie macht aber auch den Reichtum eines wissenschaftlichen Blogs aus. Ein Blog kann Kreativität freisetzen, weil es den Schreibenden von jeglichem akademischen Formalismus befreit. Allerdings kann dieser Prozess nur funktionieren, wenn das Blog der öffentlichen Lektüre unterworfen wird, sei es mit Blick auf unterschiedliche oder unbestimmte Empfänger. Es stellt also für Doktoranden wie auch für erfahrene Wissenschaftler ein nicht zu leugnendes Risiko dar. Das ist die Sache jedoch wert.

Autorenversion eines Artikels für die Zeitschrift „Bulletin de la Societe d’histoire moderne et contemporaine“.

Originalversion Ouvrir l’atelier de l’historien: médias sociaux et carnets de recherche en ligne <http://www.homo-numericus.net/spip.php?article304>

 


[1] Philippe Breton, Le culte de l’internet: une menace pour le lien social?, Paris (Editions La Découverte) 2000.

[2] Pierre Mounier, Dans la toile des médias sociaux / Im Netz der sozialen Medien 27-28 Juin 2011, in: Digital Humanities à l’IHA, 24.5.2011, http://dhiha.hypotheses.org/25 .

[3] Mareike König, Tweets und Gedanken zur Tagung “Im Netz der sozialen Medien“, in: Digital Humanities à l’IHA, 11.7.2011, <http://dhiha.hypotheses.org/284>.

[4] Antoine Blanchard, Comment montrer la “science en train de se faire”?, in: La Science, La Cité, 31.5.2008, <http://www.enroweb.com/blogsciences/index.php?2008/05/31/261>.

[5] Marin Dacos, Pierre Mounier, Les Carnets de recherches en ligne. Espace d’une conversation scientifique décentrée, in: Lieux de savoir, Paris (Albin Michel), im Druck, S. ii.

[6] Roy Rosenzweig, Introducing PressForward, in: Center for History and New Media, 24.6.2011, <http://chnm.gmu.edu/news/introducing-pressforward/>.

[7] Christian Jacob (Hg.), Lieux de savoir?, t. 2, Les mains de l’intellect, Paris (Editions Albin Michel) 2011.

[8] Benoît Kermoal, Seulement la partie visible de l’iceberg, Enklask / Enquete, 6.9.2011, <http://enklask.hypotheses.org/257>.

[9] Isabelle Brancourt, Mon „carnet“ Delisle?: Son Journal pour l’année 1730 (I), in: Parlement de Paris (XVIe-XVIIIe siècle), 9.2.2010, <http://parlementdeparis.hypotheses.org/218>.

[10] Benoît Kermoal, Seulement la partie visible de l’iceberg, Enklask / Enquete, 6.9.2011, <http://enklask.hypotheses.org/257>.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/591

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