Das Wiener Handwerksordnungsbuch: Edition der Hauptquelle für die Erforschung der spätmittelalterlichen Wiener Handwerksgeschichte

Für die Erforschung der Wiener Handwerksgeschichte des späten Mittelalters haben sich nicht allzu viele verschiedene Quellen erhalten. Neben verstreuten Einträgen von Handwerksordnungen in den sogenannten Testamentenbüchern und einzelnen erhaltenen Urkunden des Wiener Stadtrates beziehungsweise der habsburgischen Landesfürsten ist es vor allem eine Handschrift des WStLA, die in diesem Zusammenhang Beachtung finden muss: das sogenannte „Wiener Handwerksordnungsbuch“.

Dieser Kodex wurde im Jahre 1430 durch den damaligen Wiener Stadtschreiber Ulrich Hirssauer (im Amt von 1429 bis 1461) angelegt; Hirssauer sammelte zu diesem Zweck Handwerksordnungen, die er in älteren Stadtbüchern oder als Einzelurkunden finden konnte, ordnete sie nach Handwerkssparten und stellte diese Texte erstmals in einem Band zusammen. Mit einer Anzahl von über 100 verschiedenen Handwerksbranchen war im Wien des 15. Jahrhunderts die diesbezügliche Vielfalt offenbar bereits zu groß geworden, um den Überblick über die einzelnen Ordnungen noch in anderer Form bewahren zu können. Hirssauer selbst führte die Einträge in die Handschrift noch bis zu seinem Tod 1461 weiter, doch auch in den folgenden Jahrzehnten nahm die Eintragstätigkeit nicht ab: Die jüngste Ordnung stammt aus dem Jahre 1555, doch finden sich noch einzelne Ergänzungen, Anmerkungen und Verbesserungen bis weit in das 17. Jahrhundert hinein. Somit ergibt sich in Summe eine Sammlung an unterschiedlichen Rechtstexten, die Handwerksordnungen, Ratsbeschlüsse, Bürger- und andere Amtseide und auch Ordnungen zur Stadtsicherung umfasst. Insgesamt enthält der Kodex 225 Papierblätter mit acht dem Papierbuchblock vorgebundenen Pergamentblättern, auf denen diverse Eide eingetragen wurden. Weiters findet sich auf einem nachgebundenen Pergamentblatt (fol. 233) eine Fronleichnamsprozessionsordnung.

Eid- und Handwerksordnungen der Stadt Wien

HWOB fol. A0v; Notiz über die Anlage des Handwerksordnungsbuches im Jahre 1430 durch Ulrich Hirssauer (Bildrechte: WStLA).

Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte durch Josef Feil eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der Handschrift, ebenso beschäftigte sich Karl Uhlirz eingehend mit den im HWOB enthaltenen Texten. Als Standardwerk zur Wiener Handwerksgeschichte gilt auch heute noch die Monographie von Heinz Zatschek. In den letzten Jahrzehnten erschienen nur mehr einige wenige Aufsätze – beispielsweise von Ferdinand Opll − über einzelne Aspekte des HWOB.

Dass aus einer tiefergehenden Analyse der im HWOB enthaltenen Texten jedoch auch heute noch umfangreiche Erkenntnisse über einzelne Berufsgruppen des Handwerks gewonnen werden können, zeigt eine erst kürzlich am IÖG fertiggestellte Masterarbeit, in der das Wiener Gesellenwesen des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts genauer besprochen wird. Die die Gesellen betreffenden Bestimmungen setzen vermehrt mit dem beginnenden 15. Jahrhundert ein und nehmen besonders um und nach 1430 in ihrer Anzahl stark zu. Zu Beginn bezogen sich die Ordnungen vor allem auf arbeitsrechtliche Fragen; zwischen den Wiener Handwerksmeistern und ihren Gesellen sind ab den 1410er Jahren merkbare Differenzen über das richtige Verhältnis von Arbeits- und Freizeit und die Frage des Nebenverdienstes, des sogenannten Schoßwerks, nachweisbar. In diese Zeit dürfte auch eine erstmals zunehmende Aktivität der Interessensvereinigungen von Gesellen (Gesellenschaften) fallen, deren Vorstände die Forderungen ihrer Kollegen vor den Meistern vertraten. Die Auseinandersetzungen wurden im Jahre 1439 vorerst durch den Wiener Rat mit dem Erlass einer allgemeinen Gesellenordnung beendet, die die meisten Konfliktpunkte der vorigen Jahrzehnte aufgriff. Wenngleich die Bedeutung dieser allgemeinen Gesellenordnung nicht überschätzt werden darf, so scheint sie doch den Grundstein für die weitgehende Durchsetzung von Gesellenschaften in Wien gelegt zu haben; nach 1439 nimmt die Zahl der bruderschaftlich orientierten Gesellenordnungen jedenfalls stark zu. Diese Ordnungen beziehen sich vor allem auf religiös-karitative Aspekte im alltäglichen Leben der Gesellen wie beispielsweise die regelmäßige Organisation von Heiligen Messen, die – meist finanzielle – Unterstützung kranker Kollegen, die Abhaltung von Begräbnissen und die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession. Als weiterer Schwerpunkt lassen sich Bestimmungen zum öffentlichen Verhalten von Gesellen feststellen: Glücksspiele, Betrinken im Wirtshaus oder bei Gesellenfeierlichkeiten, Streitigkeiten, frevelhaftes Verhalten gegenüber Frauen und der Umgang mit Prostituierten waren streng untersagt und wurden teilweise mit hohen Strafzahlungen belegt. Im 15. Jahrhundert finden sich ebenso Hinweise auf die Verpflichtung von Gesellen, Wachdienste und sonstige Stadtverteidungsaufgaben zu übernehmen.

Diese knapp erläuterten Erkenntnisse der Studie wurden vor allem auf Grundlage einer Edition aller im HWOB enthaltenen gesellenbezogenen Ordnungen gewonnen, die der Masterarbeit als Anhang beigegeben ist; erstmals sind somit alle Gesellenordnungen des HWOB in edierter Form versammelt. Eine Gesamtedition des HWOB kann jedoch als dringendes Forschungsdesiderat angesehen werden. Zwar wurden im Zusammenhang mit Studien zu einzelnen Wiener Handwerken ausgewählte Ordnungen bereits in der Vergangenheit abgedruckt, umfangreiche Editionen blieben jedoch weitgehend aus. Von der bereits im Zuge der Masterarbeit erfolgten Edition der Gesellenordnungen ausgehend, ist nun eine umfangreich kommentierte Gesamtedition des HWOB im Entstehen, die in der Reihe „Quelleneditionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (QIÖG)“ erscheinen soll. Die Benützung der Edition wird durch ein Sach-, Personen-, und Ortsregister vereinfacht, ein Glossar erläutert häufig in den Ordnungen auftretende Begriffe beziehungsweise – soweit identifizierbar – Handwerksstücke. Eine umfassende Einleitung stellt zudem die Texte in einen breiteren handwerks- und stadtgeschichtlichen Kontext und sorgt somit für erste Anhaltspunkte der Interpretation. Die damit erstmalig in einem einzigen Band edierten Ordnungen werden somit einem breiten Forschungskreis zur Verfügung gestellt, wodurch eine weiterführende Beschäftigung mit der in den letzten paar Jahrzehnten etwas vernachlässigten Wiener Handwerksgeschichte ermöglicht werden soll.

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In Kooperation mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv.

 

 

 

 

Quelle: http://bioeg.hypotheses.org/380

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Das Andechser Missale Clm 3005 und seine geschichtlichen Einträge

Im Rahmen von Europeana Regia hat die Bayerische Staatsbibliothek ein qualitätvolles Digitalisat des berühmt-berüchtigten Andechser Missales Clm 3005 ins Netz gestellt. Am Ende des 14. Jahrhunderts wurden in die wohl in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts entstandene liturgische Handschrift (siehe auch die Forschungsdokumentation)  historiographische Texte und Urkundenfälschungen eingetragen, die der Kultförderung des 1388 “entdeckten” Andechser Reliquienschatzes dienen sollten. Das Missale wurde in Andechs (seit 1455 ein Benediktinerkloster) immer mit den Reliquien zusammen verwahrt, nie in der Bibliothek.

Einzelne Einträge sind schon früh gedruckt worden. Albert Brackmann, der die Entstehung der Andechser Wallfahrt in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1929 Nr. 5 erörterte, verzichtete auf eine Edition und gab lediglich S. 28-31 24 von seinem Schüler Otto Meyer gefertigte Regesten bei, nachdem ihm die von dem jungen Benediktiner Romuald Bauerreiß (1893-1971) (GND)  gefertigte Edition zur Kenntnis gelangt war: Die geschichtlichen Einträge des “Andechser Missale” (Clm. 3005) . Texte und Untersuchung. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 47 (1929), S. 52-90, 433-447, die Texte S. 56-90 in 27 Nummern. Da sonst wichtige Grundlagenliteratur zum Traditionskomplex Andechs nicht online vorliegt, bin ich dem Abt von St. Bonifaz in München außerordentlich dankbar, dass er als Rechteinhaber die Internetveröffentlichung des Aufsatzes (archive.org) genehmigte. Dank des Digitalisats kann man nun überprüfen, ob das Verdikt von Alois Schütz (in: Königliche Tochterstämme 2002, S. 301), die Edition weise “gravierende Mängel” auf und strotze vor Lesefehlern, berechtigt ist. Unbedenklich ist die Textwiedergabe von Bauerreiß keineswegs, sie sollte jetzt stets anhand der online bequem zugänglichen Handschrift kontrolliert werden, wie eine eigene Stichprobe (Bl. 74v unten, Bauerreiß Nr. 13) ergab. Man vermisst Editionsrichtlinien, der Editor hat stillschweigend die z der Vorlage in s umgewandelt (z.B. das statt daz) und transkribiert nicht genau (beispielsweise iklich statt iekleich).

Mit den geschichtlichen Einträgen des Missales haben sich nach Brackmann und Bauerreiß beschäftigt: Benedikt Kraft in seinen voluminösen Andechser Studien (Oberbayerisches Archiv 73 und 74, 1937 und 1940); Alois Schütz mit neuem Quellenmaterial im Katalog “Herzöge und Heilige” (1993), Eduard Hlawitschka 1993 und wieder abgedruckt mit einer harschen Zurechtweisung von Schütz in dem Band Andechser Anfänge (2000), wogegen Schütz replizierte im Sammelband Königliche Tochterstämme von 2002 (Auszüge). Einen guten Überblick über die Andechser Quellenlage vermittelt Hartmut Kühnes “Ostensio Reliquiarum” von 2000 (Auszüge), während die neueste Behandlung durch Toni Aigner (Das Andechser Heiltum, 2013) möglicherweise nicht nur mich enttäuscht.

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Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7909

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Zur Präsenz der Karmeliten in Oberösterreich – Fragen zu einer Bildquelle des frühen 16. Jahrhunderts

An der Fassade eines „Bürgerhauses“ in Steyr (Oberösterreich) findet sich ein Christophorus-Wandbild vom Beginn des 16. Jahrhunderts mit der Darstellung eines knienden Stifters im Habit der Karmeliten. Eine fragmentierte Inschrift an derselben Fassade enthält die Worte „domus fratris“. In meinem Blog Camera Picta habe ich mir letztens Gedanken zu diesem Wandbild gemacht und die Frage aufgeworfen, ob sich daraus möglicherweise auf eine (wie auch immer geartete) Präsenz der m. W. hier sonst nicht nachgewiesenen Karmeliten in Steyr schließen lässt. Denkbar erschiene mir auch eine Verbindung zum Karmeliterkloster im nahegelegenen Mauthausen, nachweisbar ist eine solche, soweit ich sehe, jedoch nicht. Zudem bestand der Konvent in Mauthausen nur wenige Jahre (1494-1507/14), sodass fraglich ist, inwieweit er überhaupt jemals so etwas wie öffentliche Wirkung über die Ortsgrenzen hinweg erzielen konnte.

Nach allem, was ich bisher finden konnte, ist die Literaturbasis sowohl zu dem Wandbild in Steyr als auch zu den Mauthausner Karmeliten, gelinde gesagt, dürftig. Falls jemand mehr weiß oder weiterführende Ideen hat, wäre ich für entsprechende Hinweise daher ausgesprochen dankbar.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7846

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Perzeption und Imagination politischer Redekultur im Mittelalter: Predigten und Reden der Päpste (11.-14. Jahrhundert)

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Urban II. predigt den Ersten Kreuzzug 1095 in Clermont. Illustration aus den Grandes Chroniques de France (ca. 1455-60), Quelle: Wikimedia Commons

1000 Worte Forschung: Laufendes Habilitationsprojekt an der LMU München

Das Habilitationsprojekt untersucht Reden und Predigten, die Päpste in politischen Kontexten, vornehmlich Synoden und Konsistorien, gehalten haben. Im Zentrum stehen zufällig erhaltene Mitschriften und Berichte von Reden sowie Ansprachen, die in der Historiographie wiedergegeben werden. Der Form nach handelt es sich dabei meist um „Predigten“, also Vorträge, die primär auf biblische Texte rekurrierten und theologisch-moralischen Argumentationsmustern folgten. In Funktion und sprachlicher Gestaltung entsprechen sie aber gleichzeitig den seit der Antike verbreiteten Gattungen der öffentlichen, politischen Rede, also der Beratungs-, Gerichts- und Festrede.

Das Vorhaben schließt an das jüngst etablierte Forschungsfeld der „Oratorik“ insofern an, als es persuasive Tendenzen von Ansprachen ebenso herausarbeitet, wie deren Einbindung in einen rituellen Kontext und feierliche Inszenierungen, also nach dem komplexen Zusammenspiel von Deliberation, ritueller Persuasion und symbolischer Repräsentation fragt. Die Quellenlage verlangt zudem die Berücksichtigung von Fragen der „Perzeption“ und „Imagination“ politischer Redekultur. Vor allem mit dem ersten Bereich, also mit Ansprachen, die von „Ohrenzeugen“ perzipiert und aufgezeichnet wurden, hat sich die Forschung bislang befasst. Zu endgültigen Urteilen über deren Funktion für die päpstliche Gesetzgebung ist sie dabei allerdings nicht gekommen. Werden schon dazu neue Thesen vorzustellen sein, so bleiben für Reden, die in der Geschichtsschreibung wiedergegeben werden, noch sehr viel grundlegendere Fragen zu klären. Sie fanden lange Zeit kaum Beachtung, galten sie doch als mehr oder weniger fiktiv und folglich als wenig relevant für die (Papst-)Geschichtsforschung. Einen neuen Weg zeigen hier kulturgeschichtlich orientierte Ansätze auf, die textinhärenten Deutungen einen eigenen Wert zuschreiben.

Für den gewählten Untersuchungszeitraum, der mit dem Aufstieg des Papsttums zu einem bedeutenden politischen Faktor im 11. Jahrhundert einsetzt, ist die Quellenlage relativ ungünstig. Es liegen keine von den Päpsten selbst verfassten oder in ihrem engeren Umfeld gesammelten Predigten vor, sondern lediglich Aufzeichnungen von Ansprachen im Rahmen von „Konzilsprotokollen“, die oft nur fragmentarisch erhalten sind. Diese Überlieferungs- und Aufzeichnungssituation wird ebenso wie die spezifische Struktur und Texttradition dieser Quellen zu bedenken sein. Vor allem aber sind die vielfältigen Probleme zu beachten, die mit der Perzeption – verstanden als mehr oder weniger bewusst deutende, sinnliche Wahrnehmung – auditiver Akte verbunden sind.

Der wichtigste Ort der päpstlichen Predigt war im gesamten Mittelalter die Synode, die als repräsentative, politische Versammlung verstanden werden kann. Entgegen den vorherrschenden Annahmen wird zu zeigen sein, dass Päpste durchaus versuchten, die Versammlung durch persuasive Reden, also direktive Sprechakte, zu beeinflussen. In den Quellen finden sich bislang wenig beachtete Belege dafür, dass Päpste auch Beschlüsse zurückziehen und revidieren mussten und auf einen Tumult mit einer Predigt reagierten. Häufiger noch scheinen päpstliche Konzilspredigten eine rituelle Funktion erfüllt zu haben, ihr ungestörter Vortrag demonstrierte den Konsens von Papst und Synode in Entscheidungssituationen und evozierte regelkonforme Zeichen der Zustimmung. Die Aufmerksamkeit der mittelalterlichen „Ohrenzeugen“ richtete sich in diesen Fällen vor allem auf die zur Disposition stehenden rechtlich relevanten Aussagen. Spuren derartiger Vorträge finden sich auch in Rechtsdokumenten, insbesondere in „Synodalkonstitutionen“, ein Urkundentypus, in dem beispielsweise das Papstwahldekret von 1059 überliefert ist. Deutlich besser wird die Quellenlage am Übergang zum 13. Jahrhundert. Die Eröffnungsansprache, die Papst Innozenz III. (†1216) auf dem IV. Laterankonzil hielt, fand nicht nur Eingang in die Predigtsammlung des Papstes, sondern wurde auch in Konzilsberichten und von seinem Nachfolger Papst Gregors X. (†1276) aufgegriffen. Er wählte ebenfalls den Vers „Desiderio desideravi“ (Lk 22,15) als Thema seiner Eröffnungspredigt auf dem II. Konzil von Lyon und demonstrierte damit hörbar seine Anlehnung an die Politik seines Vorgängers.

Das zweite wichtige Forum für päpstliche Ansprachen war das öffentliche Konsistorium, also die Versammlung von Papst und Kardinälen, in der Gesandte und Bittsteller aus aller Welt empfangen wurden. Am günstigsten ist hier die Überlieferungslage für den Pontifikat Bonifaz’ VIII. (†1303). Einmalige Einblicke in die Perzeption päpstlicher Konsistorialansprachen in einem politisch heiklen Fall, nämlich der Absetzung zweier Kardinäle aus einer mächtigen Adelsfamilie, erlaubt eine Predigtmitschrift von 1297, die in eine Trierer Bistumschronik aufgenommen wurde. Nur aus dieser Rede lassen sich die eigentlichen Hintergründe dieses Vorgangs erschließen, die in der später offiziell verkündeten Bulle nur noch verklausuliert auftauchen. Vergleichbare Aufzeichnungen sind außerdem aus dem Pontifikat Innozenz’ III. bekannt, was einmal mehr zeigt, dass päpstliche Ansprachen keineswegs immer nur „rituell“ zu interpretieren sind, sondern sie durchaus der argumentativen Erläuterung getroffener Entscheidungen und damit auch der Persuasion dienen konnten.

Die genannten Berichte und Protokolle erlauben also erstmals methodisch fundierte Hypothesen über die Perzeptionsformen päpstlicher Predigten, eine weitere Ebene der Analyse wird auf historiographischen Texten aufbauen. Vergleicht man diese mit den oben genannten Konzils- und Konsistorialakten, offenbart sich, dass viele Papstpredigten in der Geschichtsschreibung tatsächlich als davon unabhängige Imaginationen zu lesen sind und denkbare, exemplarische oder wünschenswerte Ansprachen zeigen. Da im 11. Jahrhundert Heiligenviten häufig im Zuge einer „réécriture“ älterer Vorlagen überarbeitet wurden, finden sich hier die frühesten Beispiele für Päpste, die aus erzählästhetischen Gründen zu großen Predigern gemacht wurden. Generell spielt ab dem 12. Jahrhundert die Schilderung persuasiver Reden eine immer größere Rolle, das prominenteste Beispiel für eine fingierte Rede in der Historiographie des Mittelalters dürfte der Kreuzzugsaufruf Papst Urbans II. (†1099) auf dem Konzil von Clermont sein, wozu bereits eine Einzelstudie in den Medieval Sermon Studies erschienen ist.

In der Untersuchung werden die Ansprachen in historiographischen Texten also im Anschluss an kulturgeschichtliche Ansätze einerseits als Bestandteil textinhärenter Strukturen und des politischen „imaginaire“ ernst genommen. Andererseits werden die fingierten Vorträge auch in Bezug zu den Aufzeichnungen zu setzten sein, die in den auf Perzeption beruhenden Berichten und Protokollen zu finden sind. Schließlich folgen nicht wenige Geschichtsschreiber auch dem Darstellungsmodus von eher juristisch-protokollartig ausgerichteten Quellen. Möglicherweise lassen diese Überschneidungen am ehesten noch Rückschlüsse auf die Praxis der päpstlichen Predigt zu, was allerdings weiterer Klärung bedarf. Das Projekt zielt letztlich weniger darauf, sondern auf eine Erweiterung des Konzepts „Oratorikforschung“ um Fragen von „Perzeption“ und „Imagination“ politischer Redekultur des Hoch- und Spätmittelalters

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3980

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Archivwesen: Digitalisat der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. von 1356

http://www.gda.bayern.de/t3cms/viewer.html?set[mets]=http://localhost/bestaende/goldene-bulle.mets Die Goldene Bulle, das Grundgesetz des “Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation”, wurde 1356 von Kaiser Karl IV. erlassen und bestimmte bis zum Ende des Reichs im Jahre 1806 das Verfassungsleben. Vor allem regelt sie die Wahl der deutschen Könige durch die Kurfürsten, deren Zahl und verfassungsrechtliche Stellung genau festgelegt wird. Hier gezeigt wird die […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5186/

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Gaben aus dem Kloster – die Briefe der Lüner Benediktinerinnen (1460-1550)

Abstract zum gleichnamigen Vortrag bei “What is a Letter? An interdisciplinary approach”  (Symposion 2-4 Juli 2014, Oxford) Gegenstand der Präsentation ist das bisher nicht edierte Briefbuch des Benediktinerinnenkonvents Lüne (bei Lüneburg), das einen Großteil der schriftlichen Kommunikation der Schwestern aus der Zeit zwischen 1460 und 1550 abbildet. In drei Handschriften finden sich ca. 1800 Abschriften von Briefen oder Brieffragmenten, teilweise in lateinischer, teilweise in niederdeutscher Sprache verfasst. Diese umfangreiche Sammlung weist im Vergleich zu Briefbüchern ähnlicher Provenienz einige Besonderheiten auf: Zum einen lassen sich […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7332

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Me sola Hirsaugia gaudet

“Allein Hirsau bereitet mir Freude” – mit dieser Aussage beendete Johannes Trithemius (GND) den ersten Teil seiner “Hirsauer Annalen”, die er vor 500 Jahren abschloss. Er meinte damit, dass die Beschäftigung mit der Geschichte Hirsaus und vor allem mit der (vermeintlichen) Blütezeit im Frühmittelalter und der (wirklichen) Blüte zur Zeit der “Hirsauer Reform” ihm in unruhiger Zeit Trost spendete. Auf die Ausstellung im Hirsauer Klostermuseum und die kleine Vortragsreihe anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Fertigstellung des umfangreichen Geschichtswerks 1514 wurde hier bereits hingewiesen. In […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7318

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App zu Ludwig dem Bayern in München


Studierende des Historischen Seminars der LMU München wecken die Erinnerung an den bayerischen Kaiser. Ein Münchner als König und Kaiser

Beispielbild aus der App

Ein Beispielbild aus der App: Wappenschild im Alten Rathaus.
(© Münchner Stadtmuseum)

Ludwig IV. (1314–1347), genannt der Bayer – deutscher König, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Münchner. Der schillernde und hoch umstrittene Herrscher hinterließ in dieser Stadt zahlreiche Spuren in Bau- und Kunstwerken. Viele davon sind noch heute im Stadtbild sichtbar und mit Hilfe einer kostenlosen App nun erlebbar: Die App http://www.kaiser-ludwig-in-muenchen.de/ verbindet die wichtigsten Erinnerungsorte zu einem digitalen Stadtrundgang, der zur Besichtigung vor Ort einlädt. Dabei werden wesentliche Ereignisse, aber auch vielfältige Aspekte der Persönlichkeit Ludwigs des Bayern durch kurze Erläuterungen und historische Aufnahmen und Bilder veranschaulicht.

Erarbeitet wurde diese App von Studierenden des Historischen Seminars der LMU München im Rahmen einer Lehrveranstaltung im Wintersemester 2013/14, unter der Leitung von Dr. Hubertus Seibert. Das Bildmaterial stellten verschiedene Museen, Archive und Bibliotheken der Stadt zur Verfügung. Das Historische Seminar förderte die Realisierung dieses innovativen Vorhabens finanziell.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3757

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Interdisziplinärer Sommerkurs „Inschrift – Handschrift – Buchdruck. Medien der Schriftkultur im späten Mittelalter“ Greifswald, 21. – 27. September 2014

Rubenowstein Greifswald (Christine Magin 2014)

Rubenowstein Marienkirche Greifswald
(Christine Magin 2014)

In den letzten Jahren sind aus den Studienplänen vieler mediävistischer Disziplinen Seminare sowie praktische Übungen zu Arbeitstechniken verschwunden, die für den Umgang mit mittelalterlichen Originalquellen unerlässlich sind. Die „Arbeitsstelle Inschriften“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die am Historischen Institut der Universität Greifswald verortet ist, führt daher vom 21. – 27. September 2014 (Anreise am 21.9.) den interdisziplinären Sommerkurs „Inschrift – Handschrift – Buchdruck. Medien der Schriftkultur im späten Mittelalter“ durch. Ziel des Kurses ist die Vermittlung fächerübergreifend anwendbarer Kenntnisse für die Arbeit mit spätmittelalterlichen Originaltexten in Form von Handschriften, Inschriften und Inkunabeln. Im Rahmen des Sommerkurses sollen die entsprechenden Medien behandelt und erworbene oder bestehende Kenntnisse sowohl durch praktische Übungen als auch durch eine Exkursion vertieft werden.

Der Sommerkurs versteht sich als Angebot für Master-Studierende und Promovierende der Fächer Geschichte, Deutsche und Lateinische Philologie des Mittelalters, Kunstgeschichte, Buchwissenschaften, Kirchengeschichte, Musikwissenschaften sowie Editions- und Historische Grundwissenschaften. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind ausdrücklich dazu aufgefordert, im Rahmen des Kurses eigene Master- und Dissertationsprojekte zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen.

Die Veranstaltung wird am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald sowie in der Universitätsbibliothek Greifswald und in Rostock stattfinden. Der Kurs wird gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Essen, und der Sparkasse Vorpommern. Für die kostenfreie Unterbringung auswärtiger Teilnehmer wird gesorgt. Ferner können Reisestipendien beantragt werden.

Bewerbungen werden bis zum 31. Mai 2014 (verlängerte Frist) erbeten. Weitere Hinweise für interessierte Bewerberinnen und Bewerber sowie Informationen zum Kursprogramm finden sich auf den Seiten des Mittelalterzentrums der Universität Greifswald unter www.phil.uni-greifswald.de/fk/maz/aktivitaeten.html.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3700

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Bonaventura Thommens Dissertation (1935) über die Prunkreden des Abtes Johannes Trithemius online

Letzten Herbst kam während der Bibliotheksführung im Bozener Kloster Muri-Gries durch den liebenswürdigen Pater Pacidus Hungerbühler die Rede auf eine Studie über den Humanisten Johannes Trithemius (1462-1516), die Bonaventura Thommen in Freiburg in der Schweiz bei Richard Newald vorgelegt hatte (gedruckt in zwei Teilen jeweils als Beilage zum Jahresbericht der Kantonalen Lehranstalt Sarnen 1933/34 und 1934/35). Thommen (1897-1965) war Benediktiner des Konvents von Muri-Gries im Benediktinerkolleg Sarnen und wirkte lange Jahre als Rektor der damals von den Mönchen getragenen Kantonsschule in Sarnen. In Erinnerungen […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6872

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