Der Reiz der Archivalien – Besuch in einem Kölner Archiv

Es ist nicht unbedingt einfach, für alle thematischen Aspekte der Kölner Stadtgeschichte entsprechende Quellen aufzutuen, die sich gut im universitären Unterricht einsetzen lassen. Zwar hilft der 2. Band aus der Reihe Quellen zur Geschichte der Stadt Köln zum Spätmittelalter und zur Frühen Neuzeit ein gutes Stück weiter; doch wirklich aus dem Vollen zu schöpfen, ist auch hier schwierig. Was kann man also sonst noch machen? Es bleibt nur der Weg ins Archiv, um dort zu schauen, welche ungehobenen Schätze noch das Bild der Geschichte bereichern können. Konkret plante ich mit den Studierenden meiner aktuellen Veranstaltung im Wintersemester einen Besuch im Historischen Archiv des Erzbistums Kölns.

Wie läßt sich ein solcher Besuch organisieren und was kann von ihm erwarten? In meiner Wahrnehmung werden derartige Lokaltermine meist zur Vorführung des jeweiligen Hauses genutzt, was auch völlig legitim ist. Und so werden dann aus allen möglichen Beständen beispielhaft Quellen vorgeführt, gern auch prominente Stücke, angefangen von den ältesten Urkunden, vorzugsweise von historischen Giganten wie Karl dem Großen, bis hin zu Schreiben Bismarcks oder Adenauers. Auf diese Weise kann auch Grundsätzliches über ein Archiv vermittelt werden, und sicher wird auch auf diese Weise das Faszinosum der alten Materialien den einen oder anderen in seinen Bann schlagen.

Dennoch war es nicht das, was mir vorschwebte, und ich war froh, in Joachim Oepen einen Archivar zu finden, der gerne bereit war, sich mit den Studierenden einfach mal auf einige thematisch einschlägige Dokumente zu stürzen und dann versuchen, mit diesen zu arbeiten. Es gab also nur eine kurze thematische Einführung, dann wurden 2- oder 3köpfige Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit einem Dokument beschäftigen sollten. Natürlich war klar, daß es hier nicht um eine auch nur annährend vollständige Erschließung gehen konnte. Aber sich quellenkritisch einem Dokument zu nähern und es als historische Quelle zunächst einfach zu beschreiben und dann vielleicht auch einzuordnen, war ein Versuch wert.

Gute 40 Minuten waren für die Stillarbeit vorgesehen. Während dieser Zeit standen Joachim Oepen und ich bereit, um vor allem bei der Entzifferung von Schriften zu helfen. Zu bearbeiten waren ganz unterschiedliche Quellen wie Kirchenbücher, Chroniken von Ordenskongregationen, auch Statuten eines Ordens und Regelverzeichnisse für die Klosterämter, Amtsbücher einer Bürgersodalität, Korrespondenzen von geistlichen Gemeinschaften mit der Stadt und Generalvikariatsprotokolle. Dieses Quellenpotpourri war nicht nur bunt gemischt, sondern war teilweise in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben – zumindest mit den verschiedenen Handschriften eine echte Herausforderung für die Studierenden.

Ich gebe gern zu, daß ich im Vorfeld durchaus Bedenken hatte, wie sich die Studierenden schlagen würden. Sie haben aber meine Befürchtungen im Nu zerstreut. Es war bei der abschließenden Kurzvorstellung wunderbar zu sehen, wie sich alle durchweg zu tragfähigen Befunden durchgearbeitet haben und ihre jeweilige Quelle so vorstellen konnten, daß ihr historischer Wert deutlich wurde. Warum hat es nun so geklappt? Sicher braucht man schon eine leistungsstarke und auch –willige Arbeitsgruppe, auch die exzellente Vorbereitung und das Engagement seitens des Archivars spielen eine große Rolle. Dazu kam aber für die Studierenden auch die Möglichkeit, die Archivalien nicht nur zu bestaunen, sondern sich eigenständig mit ihnen zu beschäftigen und schlichtweg historisch zu arbeiten. Wenn man dann noch wie in unserem Fall feststellt, daß es tatsächlich möglich ist, sich auch mit auf den ersten Blick furchtbar krausen Schriften und Sprachformen produktiv auseinanderzusetzen, ist dies eine wichtige Erfahrung – zunächst für die Studierenden, aber auch für mich als Lehrender. Und darüber hinaus, so hoffe ich, haben wir auch einiges über Köln im 17. Jahrhundert erfahren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/592

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Abenteuer Archiv

IMG_2062"Kulturaffin". Das Wort gefällt mir. Ich  fand's fett gedruckt in der Ausschreibung des Siwiarchiv zur Blogparade (die sind schon drei!). Zu den anderen ihrer Fragen kann ich doch so wenig sagen: ich bin nicht NRW, ich lese das Blog "Siwiarchiv" nur gelegentlich gern, weil's vielfältig ist und mir - archivisch gesehen - stets 100%ig unbekannt, gut fand ich immer die Beiträge mit Fotos (ob's die besten waren, weiß ich nicht), und überhaupt finde ich klasse, dass bei denen gar nicht auffällt, dass da mehrere Blogger am Werk sind.

Ich hingegen kämpfe gegen Zeitmangel, ausbleibende Ideen - und vor allem gegen bloggische Einsamkeit: bei "mir" schreibt kaum jemand mit zur "Gymnasialbibliothek" und zum "Gymnasialarchiv". Nun schrieb aber Mareike König im Redaktionsblog von de.hypotheses soeben in einem folgenschweren Satz, dass sie sich bei den (wissenschaftlichen) Bloggern "mehr Reflexion, mehr Kreativität, mehr Witz, mehr Zweifel" wünsche und jenes  "nicht immer in regelrechten Forschungsbeiträgen geschehen" müsse. Das nehme ich mal als Ablassbrief, zum Archiv etwas zu schreiben, ohne damit gleich aus diesem Portal zu fliegen befürchten zu dürfen.

Abenteuer Archiv

Wussten Sie schon, wie die temporäre Auslagerung eines Gymnasialarchivs wegen Bauarbeiten geht? Dann lesen Sie gern nicht weiter. Siwiarchiv wird vermutlich gähnend beiseite schauen, denn die kennen Neubau und haben mehr aus- und umzulagern gehabt als wir mit "meinen" ca. 800 Archivkartons, beinhaltend Dokumente seit 1700.

Das geht so: du hast auf einmal viel weniger Platz im Zwischendomizil. Nicht ganz gelungen überdies ist die räumliche Andersverteilung der Lagerung entsprechend der im Findbuch aufgeführten Repositorien. Umräumen gestaltet sich gefahrensportlich, da jemand die stabilen Tritte und Leitern vergessen hat. Die zwei kleinen Tischchen (immerhin!) hat jemand unterdessen als Ablage benutzt, so dass du mit den umzubalancierenden Kartons irgendwie in der Luft hängst. Dir fällt ein, dass der Beton dein Handy nicht durchlässt, malst dir aus, das Wochenende in deinem Blute inmitten der Geschichte des Geistes und der Bildung einer Stadt zu verbringen und lässt das mit der Stuhlakrobatik und wendest dich den gesundheitlich unbedenklicheren Erschließungsfragen zu.

Es fehlt der Laptop mit der Erschließungssoftware. Macht nichts, früher hatten die auch nur Zettel & Bleistift. Nur wo sind denn jetzt die Kartons mit den von dir als "varia" gekennzeichneten noch nicht erfassten Einheiten? Nachdem du den Slalom durch die eng gestellten Metallregale durch bist: wie zu erwarten, sind die "varia" ganz oben gelandet. Gut. Kontrollieren wir unübersehbare Einheiten unten: die Gemälde. Da kommst du nur grad schlecht dran, weil der Durchgang mit den vollgestapelten Tischchen den direkten Zugriff im Augenblick nicht erlaubt. Du verwirfst den Gedanken an einen bodystarken Gehilfen, weil der ohnehin nicht mehr reinpassen würde, und kraxelst selbst. Die Gemälde sind alle da, und du findest nebenbei auch noch zwei der insgesamt vier kleinen Thermometer mit Feuchtigkeitsanzeige und kannst noch etwas wirklich Sinnvolles tun: diese an den relevanten Stellen platzieren. Dabei stellst du fest, dass von den mobilen Klimageräten noch welche fehlen und beschließt, dir endlich einen Zettel zu machen, damit du bis zum nächsten Mal nicht vergisst, dich vorher um das Notwendige gekümmert zu haben.

Herausforderungen, an die du seit Jahren nie dachtest, Stromschnellen für ein Paddel, das sich bislang bequem ins "Kulturaffine" pendelte, Ungewissheit der Zeit, die du in 800 Kartons für die Ewigkeit behütet sahst.

Nachwort

Dies ist (noch) kein Teilnahmebeitrag zu: Wissenschaftsbloggen: zurück in die Zukunft - ein Aufruf zur Blogparade von de.hypotheses; Siwiarchiv war eher dran.

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/608

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„Die Kathedrale“ in Köln

Einem großen Paradigma der Moderne widmete sich die großangelegte Schau im Wallraf-Richartz-Museum in Köln, die am Wochenende zu Ende ging. Das Motiv der Kathedrale in der Kunst wurde von der Romantik her untersucht. Obwohl die Ausstellung den Versuch unternahm, das Thema in einen diskursiven Rahmen einzubetten, bestimmte ein grundsätzlich veralteter Forschungsstand den Tenor. Seit den 1970er Jahren ist bekannt, dass Goethes "Erlebnis" vor dem Strassburger Münster ein Sampling vorhandener Texte ist, die das Überwältigtsein des Autor suggerieren, ja simulieren. Es handelt sich bei Goethes Manifest um eine wohlkalkulierte Polemik gegen französische Architekturdiskurse, vor allem gegen Marc Antoine Laugier. Von seinen Aussagen distanziert sich der reifere Denker später zu Recht. Die in der Ausstellung vertretene Lesart ist keine Marginalie. Sie verfolgt unreflektiert jenes Schema der Genieästhetik weiter, die Goethe qua Reproduktion nachhaltig in unser Denkmuster über Kunst implementiert hat.

köln wallraf richartz-bleu

Dem entspricht der große blinde Fleck, den die Ausstellung samt Publikation produziert bzw. tradiert. Keine Erwähnung findet die Instrumentalisierung des Avantgarde-Paradigmas 'Kathedrale' im Nationalsozialismus, wobei sich Albert Speers Inszenierung des "Lichtdoms" förmlich aufdrängt. Statt dessen: Geschichtslehrstunde zum – selbstverständlich zu verurteilenden – deutschen Beschuss der Kathedrale in Reims im 2. Weltkrieg. Überhaupt war die Ausstellung auf die Darstellung des deutsch-französischen Verhältnisses hin zugespitzt. Dessen Geschichte jedoch wird in didaktisch sauber voneinander separierten Kapiteln erzählt. Man hätte sich hier mehr Interferenzen gewünscht. Das nach Regionen und Epochen sortierte Abarbeiten des Themas tat dem Konzept Abbruch. Am stärksten geriet die Schau, wahrscheinlich mehr durch Zufall, im Grafikkabinett. Hier zeigte die Konfrontation eines Schinkel mit Feininger und Taut die Möglichkeiten, die ein stärker transhistorisch orientierter Zugang geborgen hätte.

Ebenfalls gelungen ist in der Domstadt der Bezug zur lokalen Geschichte. Der Kölner Dom ragte mit seiner Realpräsenz gewissermaßen in die Ausstellung hinein. Aber auch die Kölner Neugotik hätte viel differenzierter erzählt werden können. Lückenhaft ist hierbei vor allem die Bibliografie des Kataloges, der u.a. Georg Germanns grundlegende Untersuchung "Neugotik. Geschichte ihrer Architekturtheorie" unterschlägt.

Interessant dafür, dass der stilistische Durchbruch des Impressionismus sich ausgerechnet am Motiv der Kathedrale vollzog. Monet, so macht die Ausstellung klar, antizipierte nicht nur malerische Souveränität, sondern auch das Gesetz der Serie. Die Kathedrale als Objekt serieller Reproduktion kehrt bei Warhol, Lichtenstein und Balkenhol wieder. Einen pointierten Schlusspunkt setzte die Ausstellung mit Andreas Gurskys fotografisch-digitaler Scheinarchitektur aus gotischen Maßwerkfenstern. Das Bild verstört durch seinen Baustellencharakter, dem das Kamerateam zu trotzen scheint. Die Akteure des Bildes, sie spiegeln zugleich die BesucherInnen der Monumente selbst sowie jene der Ausstellung über sie.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/574

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Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja (#wbhyp)

Liebes hypotheses-Redaktionseam,

wie gerne hätte ich bei der Blogparade mit einem begeisterten Beitrag meinen Senf dazu gegeben! Wie gerne hätte ich Euch geschrieben, wie das Bloggen meine Art zu forschen geändert hat, wie es die Last erträglich gemacht hat, ständig unter Leistungsdruck zu stehen, indem nicht auf die Summa gewartet werden musste, sondern jedes kleine Stück Denken für sich stehen durfte. Ich hätte Euch geschrieben, wie ich so zu neuen Kontakten und auf neue Ideen kommen konnte. Ich hätte Euch sogar geschrieben, dass meine Habilitation faktisch da ist, in der Summe meiner Blogbeiträge der letzten drei Jahre (um die 300 gibt es inzwischen, alle zusammengerechnet). Am liebsten hätte ich Euch eigentlich sogar geschrieben, wie gern ich Teil dieser Redaktion wäre, die ihre Aufgabe sorgfältig, aufmerksam und leidenschaftlich wahrnimmt, reflektierend, begleitend, ja sich zur Not in Frage stellend.

Das hätte ich vor einem oder zwei Jahren vermutlich gemacht. Und nach wie vor freue ich mich, Mitglied der französischen und der englischsprachigen Redaktion zu sein. Die funktionieren aber anders als die deutsche Redaktion - genau genommen sind es dort keine Redaktionen, sondern wissenschaftliche Beiräte, bei denen die Verzahnung mit dem Community Management nicht so eng ist wie bei der deutschen Redaktion, die sich an der Schnittstelle zwischen Community Management und wissenschaftlichem Beirat bewegt.

Nun arbeite ich in Deutschland, seit zwölf Jahren. Mit viel Leidenschaft, mit gefühlt großem, übergroßem Einsatz. Und zu den Sachen, die mir zeigen, dass ich im deutschen akademischen System nicht angekommen bin, gehört das Bloggen.

Wenn ich den Wert in die Waage lege, der den unterschiedlichen digitalen Veröffentlichungsformaten beigemessen wird, deren ich mich bediene, komme ich auf folgendes Ergebnis:

- Digitale Edition: leichtes Plus, wenn überhaupt;

- Veröffentlichungen (Diss, Aufsätze, Book of Abstract) auf OA-Repositorien: Null (auf jeden Fall mindestens eine Stufe unter Sammelband-Aufsätzen);

- Bloggen: Null, Tendenz Minus;

- Tweeting: deutliches Minus.

Doktoranden rate ich inzwischen vom regelmäßigem Bloggen ab. Zum Twittern will ich niemanden mehr ermuntern. Blogportale erscheinen mir immer mehr wie Alibiinstitutionen, die nur deswegen herangezogen werden, damit man das Häkchen hintendran setzen kann. Der Schwung, den ich vor anderthalb Jahren verspürte ist, selbst im DH-Milieu, erstarrt. Austausch ist kaum vertretbar, wo Konkurrenz herrscht.

Natürlich blogge ich weiter. Ich mag das nämlich. Aber ich glaube nicht, dass ich es mit meiner akademischen Tätigkeit in irgendeine Beziehung bringen sollte. Es hat mehr mit meiner Art zu tun: Ich tausche mich so gerne aus, und schreibe so gerne Leute an - selbst wenn sie nicht antworten.

Quelle: http://digitalintellectuals.hypotheses.org/2448

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Anerkennung fürs Bloggen ? Eine Geschichte über die Eigendynamik des Digitalen

Anläßlich des dreijährigen Bestehens der Blog-Plattform de.hypotheses.org findet derzeit eine sogenannte Blogparade statt. Mareike König hat in ihrem Beitrag zu diesem Anlass unter anderem die Frage aufgeworfen, warum sich wissenschaftliches Bloggen “lohnt”, auch wenn diese Praxis nicht als wissenschaftliche Publikation im engeren Sinne anerkannt wird. Der lesenswerte, durchaus etwas provokante Beitrag, der unter anderem die Rolle des post-publication reviews anspricht, also einen Modus der Anerkennung jenseits des peer reviews, hat mich zu dem hier folgenden Erfahrungsbericht angeregt.

Zunächst einmal scheint der primäre Grund für die mangelnde Anerkennung von Blogs nicht mehr so sehr das digitale Medium an sich zu sein, sondern der beim bloggenden Selbstpublizieren fehlende Prozess der Qualitätssicherung und Filterung durch die KollegInnen, bekanntlich auch peer review genannt. Als Ausweg gibt es zwei Strategien: Entweder man folgt der Logik des Print-Zeitalters, in der hübsch gebundenes Papier knapp und teuer ist, führt auch für Blogs eine vorab selektierende Qualitätssicherung ein und entwickelt das Genre gewissermaßen zu einer WordPress-basierten digitalen Zeitschrift für kleinere Beiträge. Oder man folgt der Logik des Digitalen, in dem Speicherplatz fast unbegrenzt und sehr günstig ist und vertraut auf die Mechanismen der Aufmerksamkeitsökonomie und des post-publication reviews, ganz nach Clay Shirky’s Devise: “publish-first, filter later” (kürzlich von Hubertus Kohle diskutiert). Was bedeutet das? Kurz gesagt: Die knappe Ressource ist nicht das Papier, sondern die Zeit der LeserInnen. Und: Alle dürfen alles jederzeit publizieren, aber es gibt Mechanismen, die dafür sorgen, dass bestimmte Beiträge besonders viel Aufmerksamkeit bekommen.

Aber funktioniert das auch? Man wirft dem klassischen peer review immer mal gerne vor, dass hier besonders innovative, randständige oder irgendwie störende Beiträge erst gar nicht zur Publikation kämen. Und man sorgt sich etwas, dass im digitalen post-publication review nur die attraktiven, massenfähigen Beiträge genügend Schwung bekommen, um durch diverse Auszeichnungen die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen und nicht völlig unterzugehen, nicht unbedingt die besten Beiträge. Ohne hier darüber urteilen zu können und zu wollen, möchte ich einfach nur an einem persönlichen Beispiel berichten, wie so etwas ablaufen kann, um den Prozess zu veranschaulichen.

Schritt 1: Die Geschichte beginnt Anfang 2013, da hat mich Elisabeth Burr eingeladen, bei der European Summer University im Juli 2013 einen Vortrag zu halten. Es sollte ein Thema von allgemeinerem Interesse sein und ich habe mich entschieden, mir einmal das Thema der “Daten” in den (digitalen) Geisteswissenschaften vorzunehmen. Grundideen des Beitrags waren, dass es in den Geisteswissenschaften “big data” einerseits, “smart data” andererseits gibt; dass wir für beide Datentypen spezifische Methoden haben; aber dass wir eigentlich darauf abzielen sollten, “smarter big data” zu bearbeiten. Und weil mir das Ganze doch etwas komplex erschien und präzise Formulierungen wichtig sind, habe ich den Vortrag in der Vorbereitung schriftlich festgehalten.

Schritt 2: Nachdem der Vortrag gut gelaufen war, ich den Text ohnehin schon hatte, und das Ganze sowieso auf Englisch war, dachte ich mir: Das passt doch wunderbar auf deinen Blog! Also habe ich Ende Juli 2013 den Vortragstext einschließlich ein paar Abbildungen und Ergänzungen auf The Dragonfly’s Gaze publiziert, ohne mir viel dabei zu denken. So weit, so normal. Für mich war das Thema (der Blogpost, nicht die Frage nach den Daten in den Geisteswissenschaften) damit eigentlich erledigt.

Aber hoppla, Schritt 3: Erstens bekam der Beitrag mehrere Kommentare, was auf meinem Blog eher ungewöhnlich ist. Vor allem aber war ein Kommentar dabei, in dem mich die Redaktion von hypotheses.org informierte, dass der Beitrag auf der Startseite von hypotheses.org verlinkt worden ist. Das fand ich toll! (Und nein, das war nicht die Redaktion von de.hypotheses.org, der ich selbst angehöre und für die ich selbst Beiträge auf die Startseite setze, sondern die französische Redaktion.) Der post-publication review hatte gegriffen und eine digitale Dynamik war losgetreten.

Schritt 4: Ein zweiter post-publication review passierte. Die Redaktion von DH Now wurde auf den Blogpost aufmerksam, weil sie in der Zwischenzeit den RSS-Feed meines Blogs in die Liste der Ressourcen aufgenommen hatten, die von freiwilligen, ständig rotierenden Redakteuren wöchentlich gesichtet werden. Und diesmal hat jemand angebissen und den Beitrag bei DH Now mit dem Label “Editor’s Choice” ausgezeichnet, wodurch der Beitrag wiederum auf der Startseite von DH Now landete und noch einmal mehr LeserInnen bekam. (Und ja, ich war auch einmal für ein paar Wochen einer dieser Redakteure, aber das dürfte ein Jahr später keine Rolle mehr gespielt haben; oder ist mein Blog so auf deren RSS-Liste gekommen?). An dieser Stelle wurde mir das fast schon unheimlich. Warum gerade dieser Beitrag?

Und weiter, Schritt 5: Wenige Wochen später, Anfang November 2013, bekam ich eine Mail von Lisa Rhody vom Journal of Digital Humanities, eine Zeitschrift, die bereits erschienene Beiträge aus den DH auswählt und erneut publiziert (und wie DH Now vom Roy Rosenzweig Center for Digital Humanities herausgegeben wird). Lisa Rhody hatte den Beitrag auf DH Now gesehen und schlug mir vor, daraus einen Artikel für JDH zu machen. Wow! Also begann ein erneuter Prozess der Überarbeitung: beim JDH wurde der Beitrag gelesen und ich bekam eine Reihe von Anregungen für Verbesserungen, die unter anderem darauf abzielten, vorhandene Forschung zum Thema etwas stärker einzubinden und den Beitrag sprachlich auf Vordermann zu bringen. Kein sehr strenger peer review-Prozess, aber doch auch keine schlichte Übernahme des vorhandenen Textes.

Schon Mitte Dezember 2013 war es soweit: Was als einfaches Vortragsmanuskript begonnen hatte, war in wenigen Monaten zu einem Artikel im Journal of Digital Humanities geworden! Und einer meiner Posts von The Dragonfly’s Gaze hatte plötzlich wesentlich mehr Aufmerksamkeit bekommen, als die anderen. Dieser kleinen Erfolgsgeschichte stehen natürlich Dutzende Blogposts gegenüber, bei denen nichts derartiges passiert ist. Ob das nun am Thema des Artikels, an seiner Qualität, oder am Zufall der digitalen Dynamik lag, wage ich nicht zu beurteilen. Wahrscheinlich kam alles irgendwie zusammen.

(Dies ist übrigens nur eine von mehreren solcher Geschichten, die ich erzählen könnte. Eine weitere, etwas anders gelagerte, ist die von einem Vortrag über “Collaborative Writing Tools” bei der Digital Humanities Australasia, dessen Slides ich auf Zenodo.org gepostet und darüber getwittert hatte, woraus letztlich ein Blogpost bei Impact of Social Sciences wurde. Der Beitrag wurde anschließend über 700 Mal auf Twitter erwähnt! Vermutlich ist dieser kleine Post in einem halben Jahr öfter gelesen wurde, als alles, was ich sonst je publiziert habe, zusammen genommen. Ist das nun gut oder schlecht?)

Welches Fazit also ziehen? Gewöhnungsbedürftig ist auf jeden Fall der Kontrollverlust über den Prozess, der sich stärker als zuvor aus der Eigendynamik der Mechanismen ergibt, die sich das Feld der Digital Humanities mit Blogplattformen, Twitter, RSS und Initiativen wie DH Now gegeben hat. Diese selbst mitzugestalten dürfte der beste Weg aus diesem Gefühl des Kontrollverlustes sein. Spannend und lehrreich ist dies auf jeden Fall, ebenso wie die Erfahrung, was da mit dem eigenen Beitrag passiert. Und “gelohnt” hatte sich der Beitrag übrigens schon ganz zu Anfang, nach dem Vortrag in Leipzig!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4611

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Spinnen die Finnen? Kulturpessimistische Reaktionen auf bildungspolitischen Pragmatismus

Vor einigen Tagen machte eine Meldung in den deutschen Medien nochmals die Runde, die bereits im November und Dezember für Diskussionen gesorgt hatte: Finnland werde in einem reformierten Unterrichtsplan ab 2016 das handschriftliche Schreiben aus dem Schulunterricht verbannen. In der Vorweihnachtshektik hatte man wohl nicht recht Zeit für gepflegtes kulturpessimistisches Wehklagen, so dass die Angelegenheit nun noch einmal hochgekocht wurde. Prompt mussten die Pressemitarbeiter der finnischen Botschaften und Vertreter des finnischen Unterrichtsministeriums die Sache wieder gerade rücken: Nein, Finnland schafft nicht den Handschriftunterricht ab, sondern es wird die verpflichtende Unterrichtung von Schreibschrift abgeschafft, auf Finnisch "kaunokirjoitus" [wörtlich: "Schönschrift"] bzw. in der zweiten Landessprache Schwedisch – dem Deutschen näher – als "skrivstil" bezeichnet.

Die verschreckten deutschen Bildungsexperten, die sofort das Schlimmste befürchten, auf der einen Seite – die technologieaffinen Finnen, die flüssiges Schreiben auf einer Computertastatur gar zu einer "wichtigen nationalen Kompetenz" erklären, auf der anderen Seite: Es ist fast, als hätte man sich verabredet, um die Extreme einer solchen Debatte möglichst eindrücklich zu demonstrieren. Die deutschen Reaktionen verkennen dabei, dass dieser Vorschlag in Finnland selbst keineswegs unumstritten ist. Eine finnische Journalistin warnte gar davor, handschriftliche Fähigkeiten könnten in Zukunft zur elitären Kompetenz und damit zum Symbol von gesellschaftlicher Macht und kultureller Überlegenheit werden. Vertreter_innen des Unterrichtsministeriums versuchen, die hitzige Debatte zu beruhigen. Es geht gar nicht unbedingt um perfektes Zehn-Finger-System auf der Tastatur, sondern um eine pragmatische Anpassung der Lehrpläne. Den Schüler_innen   solle vor allem ein möglichst vielseitiger und gut informierter Umgang mit der modernen digitalen Informationstechnik vermittelt werden. Ansonsten, so ein an der Reform der Lehrpläne maßgeblich beteiligter Ministerialer, werde man sich der Lächerlichkeit preisgeben:

"Die Welt entwickelt sich schnell. Die Grundlagen eines Lehrplanes muss man derart gestalten, dass man zehn Jahre später kein donnerndes Lachen hört."1

So schnell man deutscherseits vor einigen Jahren dabei war, das kleine nordeuropäische Land auf der Grundlage der PISA-Untersuchungen unkritisch zum Bildungswunderland zu verklären, so rasch war man nun mit Kritik zur Stelle.

"Ausgerechnet das Pisa-Musterland schaffe eine jahrtausendealte Kulturtechnik ab, es drohe die digitale Demenz schon im Kindesalter",

so eine Stimme, die all die vor Empörung bebenden Warner wieder zu beruhigen suchte. Nun mal langsam: Diese Diskussion gibt es in der deutschen Bildungspolitik doch auch schon, teilweise wird die Schreibschrift schon gar nicht mehr gelehrt, einige Bundesländer diskutieren ihren Wegfall im Unterricht. Warum muss eine solche Entscheidung in der deutschen bildungspolitischen Debatte gleich unter der Überschrift "Untergang des Abendlandes" geführt werden? Auch in Finnland wird weiterhin die Druckschrift gelehrt, so dass das Land hoffentlich doch vor dem zivilisatorischen Verfall bewahrt wird. Und die meisten von uns tippen doch trotz Schreibschriftkompetenz heutzutage mehr auf der Computertastatur als dass wir seitenlange Briefe schreiben.

Wahrscheinlich werden viele Menschen auch in Zukunft nach wie vor erkennen, dass die schnelle Notiz auf einem Stück Papier (es wird oft auf Kalendereinträge oder Einkaufszettel verwiesen) nach wie vor eine nützliche und effiziente Technik ist. Aber zu behaupten, dass assoziatives Schreiben in handschriftlicher Form effizienter sei – zu jeder Studie, die das behauptet, wird es wohl eine Gegenstudie geben. Darüber hinaus zeichnet sich eine technologische Entwicklung ab, die unsere Hände beim Produzieren von Text überflüssig machen wird. Natürlich wird in einigen Jahren auch nicht jeder mit digitaler Sprachwandlung arbeiten müssen – aber wir werden im Zuge des digitalen Wandels über kurz oder lang ohnehin noch weitere Kulturtechniken verschwinden sehen. Stattdessen kommen neue hinzu – für die wir unsere Kinder wappnen sollten.

Statt sich in kulturpessimistischen Reaktionen zu ergehen, sollten sich deutsche Bildungspolitiker_innen ernsthafter um den Stellenwert informationstechnischer Kompetenz und moderner Recherchentechniken im digitalen Zeitalter kümmern – sowohl in den Schulen als auch in den Hochschulen.

  1. ["Maailma menee nopeasti eteenpäin. Opetussuunnitelman perusteet pitäisi laatia siten, ettei kymmenen vuoden päästä kuulu naurunhörähdyksiä."]

Quelle: http://nofoblog.hypotheses.org/94

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Ländlicher Raum: Was mag das sein?

Rural history - ich suche immer noch nach einer Übersetzung, die den offenen Charakter des englischen Begriffs ins Deutsche überträgt. Auf Dauer werde ich mich wohl mit Hilfskonstruktionen durchs Leben schlagen, denn “ländliche Geschichte” geht gar nicht, Geschichte des Ländlichen klingt mir schon wieder zu wolkig. Warum aber nicht, wie mein Kollege Jürgen Finger vorgeschlagen hat, “Geschichte ländlicher Räume”?

Nun, das würde bedeuten, dass ich einen klaren Fokus auf die Historizität von Räumen legen würde - das tue ich aber nicht, zumindest nicht schwerpunktmäßig. Natürlich fließt das ein, aber der Fokus liegt in meinem Projekt auf dem Wandel politischer Formen und Felder, nicht auf Raumproduktion und -aneignung. Trotzdem ist die Auseinandersetzung damit, was einen ländlichen Raum ausmacht, für mich selbstverständlich eine wichtige konzeptionelle Frage. Heute ein paar erste Überlegungen dazu:

Wenn man einen Raum als “ländlich” beschreibt, setzt das die Abgrenzung von einem anderen Raum voraus - zumindest in der ersten Assoziation. Ist dieser “andere” Raum die Stadt? Handelt es sich also bei ländlichen um “nicht-städtische” Räume, und damit ist dann alles gesagt? Dann sind wir natürlich flugs in der Problematik, was eigentlich eine Stadt ist, wie sie sich konstituiert, wann wir es mit einer sehr kleinen Stadt, wann mit einem sehr großen Dorf zu tun haben: Ist es also nur ein quantitatives Problem, Städte und Dörfer, Städte und den "ländlichen Raum" voneinander abzugrenzen? Ist es das Recht, die Ökonomie (Markt statt Subsistenz) gar die Mentalität, was die Stadt zur Stadt macht? Über diese Fragen diskutiert die Stadtforschung interdisziplinär seit vielen, vielen Jahrzehnten, ohne zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen (zumindest soweit ich weiß - ich lasse mich gerne belehren!). Und es geht auch gar nicht, zu wandlungsfähig und zu kulturell geprägt sind Städte - und damit auch nicht-städtische Räume.

Wichtig scheint mir - jenseits der Abgrenzung von Städten und ländlichen Räumen - aber noch ein anderes Problem zu sein, nämlich die Relationierung ländlicher Räume. Das heißt also; in welchem (funktionellen) Verhältnis stehen sie zu anderen Räumen?

Provisorisch lassen sich drei Relationen unterscheiden, die jeweils unterschiedliche Umgangsweisen mit dem ländlichen Raum und bestimmte Ausformungen der Stadt-Land-Verhältnisse in der Moderne beschreiben:

  • Komplementäre Räume: Ländliche Räume werden als komplementäre Räume, vor allem komplementär zur Stadt, konstituiert, und das vor allem (aber nicht nur) in ökonomischer Hinsicht. Sie funktionieren anders und sind damit dazu geeignet, bestimmte Defizite der Stadt auszugleichen. Das betrifft in besonderem Maße die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln und anderen Konsumgütern, die in der Agrarwirtschaft hergestellt werden. Das betrifft aber auch, in bestimmter Hinsicht, die Funktion der ländlichen Räume als Erholungsräume, die Städtern dazu dienen, sich vom hektischen Leben in der Stadt zu erholen, um dann, ausgeruht und erholt, in die Stadt zurückzukehren und dort wieder im Rahmen der städtischen Ökonomie produktiv zu sein. Umgekehrt würde der Austausch funktionieren, wenn Arbeitslose im ländlichen Raum angesiedelt werden sollen (wie in der Zwischenkriegszeit durchaus geschehen) oder Flüchtlinge Dörfern zugteilt wurden/werden, um die überlasteten Städte (z.B. nach dem Zweiten Weltkrieg) nicht noch mehr zu belasten. In diesem Fall werden also ländliche Räume als Versorger und Entlaster der Städte konzipiert.
  • Oppositionelle Räume: Ländliche Räume werden als Gegen-Räume zur Stadt oder zu Ballungsgebieten entworfen, und das seit vielen, vielen Jahrzehnten, in sehr unterschiedlichen Formen. Idealisierte Ländlichkeit ist ein Typ davon, wenn etwa Riehl das “Land” als Hort der “Kräfte der Beharrung” gegenüber den “Kräften der Bewegung” in der Stadt entwirft. Die ländlichen Räume dienen dann nicht als Versorgungsräume, sondern als Gegengewichte für problematische Entwicklungen in den Städten oder den Gesamtgesellschaften. Innere Kolonisation oder Siedlungsbewegungen wären vor allem dann aus dieser Relationierung erklärlich, wenn es um die Schaffung eines “gesunden Bauernstandes” im rassistischen Interesse ginge. Es wäre zu überlegen, ob bestimmte Formen der Stadt-Land-Wanderung durch diese räumliche Relation verständlicher werden, etwa der Zuzug von Städtern in periphere Räume, etwa die Uckermark.1 Ländlichkeit erscheint so als Gegenbild zur städtischen Welt.
  • Darüber hinaus gibt es den dritten Typus, die Entwicklungsräume: Ländliche Räume wurden in der Moderne immer auch als rückständig beschrieben, die durch bestimmte Maßnahmen modernisiert werden müssten. Auch dies ist eine räumliche Relation, vor allem im Vergleich zu städtischen Räumen, aber auch zu “allgemeinen”, d.h. Makro-Räumen. Wenn etwa in den Bildungsdebatten der 1960er Jahre das “katholische Mädchen vom Lande” als eine Chiffre für den Entwicklungsbedarf des gesamten Bildungssystems, vor allem aber als Modernitätsdefizit des ländlichen Bildungssystems verstanden wird, dann handelt es sich um die Produktion eines ländlichen Entwicklungsraums.

 

Das sind nur erste Überlegungen; die Zeit wird zeigen, inwiefern diese Gedanken dazu beitragen, ländlichen Politisierungsprozessen besser zu Leibe rücken zu können. Interessant ist auf jeden Fall, dass es offenbar auch an anderer Stelle das Bedürfnis gibt, die Begriffsverwendung und -geschichte des “ländlichen Raums” genauer zu reflektieren: Ulrich Schwarz vom Institut für Geschichte des ländlichen Raums (IGLR) in St. Pölten weist in seinem Tagungsbericht zur Veranstaltung “Ländliche Geschichte neu schreiben”, die im November in Wien stattfand, explizit darauf hin, dass dies bislang noch nicht ausreichend geschehen ist. “Ländlich”, so schreibt er, sei ein Adjektiv, das mehrfach relational verstanden werden müsse.2 In den nächsten Wochen und Monaten werde ich auf diese Überlegungen zurückkommen.

  1. Vgl. dazu das Buch der Geographin Julia Rössel: Unterwegs zum guten Leben? Raumproduktionen durch Zugezogene in der Uckermark, Bielefeld: Transcript 2014.
  2. Ulrich Schwarz: Tagungsbericht: Ländliche Geschichte neu schreiben, 13.11.2014 Wien, in: H-Soz-Kult, 18.12.2014, <http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5739>; 19. Januar 2015.

Quelle: http://uegg.hypotheses.org/297

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Zum Nachhören: Ö1-Dimensionen “Bevor der Tod sie scheidet”

Welche Möglichkeiten, sich von seinem ungeliebten Ehepartner bzw. seiner ungeliebten Ehepartnerin zu scheiden, hatten christliche Ehepaare in der Frühen Neuzeit? Welche Argumente brachten die Eheleute bzw. deren Anwälte vor und inwieweit wurden diese von den Kirchengerichten als Scheidungsgrund anerkannt? Welchen Ausgang nahm etwa die Scheidungsklage, die Regina Hoferin 1782 beim Wiener Konsistorium gegen ihren Mann eingebracht hatte?
Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich die Ö1-Dimensionen vom 28. Oktober 2014. Im Mittelpunkt der von Lukas Wieselberg gestalteten Sendung stehen eine Geschichte der Ehescheidung von der Reformation bis zur Aufklärung und erste Ergebnisse unseres Forschungsprojekts sowie der in Wien abgehaltenen, internationalen Tagung “Kein Bund für’s Leben? Eheleute vor kirchlichen und weltlichen Gerichten”.

Zum Nachhören der Sendung:

 

Bevor der Tod sie scheidet. Ehetrennungen im Mittelalter und der Neuzeit.

Gestaltung: Lukas Wieselberg

Körperliche Gewalt, Ehebruch, Impotenz. Aber auch nicht vorhandene oder “falsche” Gefühle. Und immer wieder wirtschaftliche Fragen und Streit um Unterhalt und Kinder. Das sind nicht nur wichtige Gründe für Scheidungen in der Gegenwart. Sie spielten schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine wichtige Rolle.

In einem bisher einzigartigen Forschungsprojekt haben Historikerinnen tausende Akten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert untersucht, die von Eheverfahren in Niederösterreich und Wien stammen. Auch wenn Katholik/innen die Scheidung verboten war, konnten sie sich doch “von Tisch und Bett trennen”. Notwendig dafür war ein Verfahren vor einem kirchlichen und – ab 1783 – weltlichen Gericht. Deren Dokumente zeigen nicht nur erstaunliche Parallelen in die Gegenwart. Sie liefern auch Einsicht in das Leben einfacher Handwerker und Taglöhner/innen, die üblicherweise nicht im Fokus der Geschichtswissenschaft stehen.


Quelle: https://ehenvorgericht.wordpress.com/2015/01/19/zum-nachhoren-o1-dimensionen-bevor-der-tod-sie-scheidet/

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Internationale Forschung setzt auf Cloud-Anwendung von DARIAH-DE

Pressemitteilung der Max Weber Stiftung und DARIAH-DE vom 19. Januar 2015

Die Max Weber Stiftung und das von der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen koordinierte Projekt DARIAH-DE bauen ihre Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung von digitalen Forschungsinfrastrukturen weiter aus.

In den vergangenen Monaten haben Vertreter beider Organisationen im Rahmen von Workshops u. a. Rechts- und Lizenzfragen der Nutzung von digitalen Forschungsdaten sowie die Entwicklung von benutzerfreundlichen digitalen Werkzeugen erörtert. Seit dem Herbst 2014 nutzen mehr als 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Max Weber Stiftung eine Cloud-Speicher-Anwendung von DARIAH-DE (Digital Research Infrastructures for the Arts and Humanities), die von der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen (GWDG) gehostet wird. Hierdurch haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit, ortsungebunden an ihren Daten zusammenzuarbeiten und diese zu speichern. Die Einbeziehung von Praxiserfahrungen der Forschenden ermöglicht zudem eine nutzergesteuerte Weiterentwicklung der Anwendung. Neben der Datensicherheit und -integrität spielt dabei besonders die einfache Handhabung des Systems eine große Rolle.

Seit 2014 kooperieren die Max Weber Stiftung und das Projekt DARIAH-DE, um die digitalen Geisteswissenschaften mit dem Ausbau und der Weiterentwicklung von digitalen Forschungsinfrastrukturen zu unterstützen. Die digitalen Geisteswissenschaften (Digital Humanities) arbeiten mit digitalen Methoden, Verfahren und Daten, um Forschungsfragen in ihrer Disziplin zu beantworten.

Auch zukünftig wollen die Max Weber Stiftung und DARIAH-DE ihre Kooperation inhaltlich weiter ausbauen: Zu den gemeinsamen Themenschwerpunkten zählt beispielsweise die Frage, nach welchen technologischen Kriterien Forschungsdaten und Datenbanken in standardisierte Daten- und Metadatenformate migriert werden können, um so anderen Fachwissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre Nachnutzung zu ermöglichen.

Die Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland fördert die außeruniversitäre Forschung mit Schwerpunkten auf den Gebieten der Geschichts-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in ausgewählten Ländern sowie das gegenseitige Verständnis zwischen Deutschland und diesen Ländern. Sie unterhält zurzeit zehn geisteswissenschaftliche Institute im Ausland. Für den internationalen wissenschaftlichen Austausch betreibt sie die elektronische Publikationsplattform perspectivia.net. Sie steht im Zentrum der virtuellen Forschungsinfrastruktur, die die Max Weber Stiftung für ihre Institute und weitere Kooperationspartner anbietet. Ziel von perspectivia.net ist die Intensivierung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Kommunikation durch die Bereitstellung von Forschungsmitteln in Form von Literatur, Quellen und Datenbanken. Die Publikationsumgebung ist dem Open-Access-Prinzip zur Förderung des freien wissenschaftlichen Austausches verpflichtet. Da die Grundlagenforschung ein besonderes Förderanliegen der Max Weber Stiftung darstellt, stellt perspectivia.net vermehrt Datenbanklösungen für die Präsentation von Quelleneditionen bereit. Hierbei steht nicht nur die Aufbereitung von Primärforschungsdaten im Vordergrund, sondern auch die Bereitstellung von virtuellen Arbeitsumgebungen, in denen die Erarbeitung wissenschaftlicher Ergebnisse in einem zeitgemäßen Umfeld erfolgen kann.

DARIAH-DE unterstützt die mit digitalen Methoden und Verfahren arbeitende Forschung in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Die Forschungsinfrastruktur besteht aus vier Säulen: 1. Lehre: Durchführung von Workshops, Bereitstellung von Schulungsmaterialien und Nachwuchsförderung für die e-Humanities, 2. Forschung: Entwicklung von digitalen Tools und Services für die geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung, 3. Forschungsdaten: Weiterentwicklung von Standards und Empfehlungen im Umgang mit Forschungsdaten und der Entwicklung eines Forschungsdaten-Repositorys und 4. Technische Infrastruktur: Bereitstellung von IT-Komponenten, wie z.B. einer Autorisierungs- und Authentifizierungs-Infrastruktur (AAI), dem PID-Service, der eine nachhaltige Referenzierung von Digitalen Objekten mit Hilfe von persistenten Identifikatoren ermöglich, Monitoring und kollaborativen Arbeitsumgebungen. Auf dieser Basis wird der Austausch von Methoden, Daten, Erfahrungen und Ressourcen zwischen den verschiedenen geistes- und kulturwissenschaftlich arbeitenden Disziplinen ermöglicht und gestärkt. Durch enge Zusammenarbeit mit Fachwissenschaftlerinnen und –wissenschaftlern verschiedener geistes- und kulturwissenschaftlicher Disziplinen wird eine nachhaltige Akzeptanz und Nutzung der Forschungsinfrastruktur durch die Forschungscommunity möglich.
DARIAH-DE ist eingebettet in das Projekt DARIAH-EU, das in deutsch-französisch-niederländischer Zusammenarbeit geleitet wird. Auf Grundlage der ESFRI-Roadmap und der Rechtsform ERIC wird die DARIAH-DE-Forschungsinfrastruktur in eine pan-europäische digitale Forschungsinfrastruktur überführt.

Weitere Informationen und Kontakt:

Dr. Michael Kaiser
Leiter des Referats perspectivia.net, Bibliotheken, IT
Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland
Rheinallee 6
53173 Bonn
Tel.: +49 (0)228 377 86 24
Fax: +49 (0)228 377 86 19
E-Mail: kaiser@maxweberstiftung.dewww.perspectivia.net,
dkblog.hypotheses.org, www.maxweberstiftung.de

Dr. Heike Neuroth
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung
Papendiek 14, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-33866
E-Mail: neuroth@sub.uni-goettingen.de
Internet: www.sub.uni-goettingen.de

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4619

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