Veranstaltungsbericht: “Faszination Mittelalter: Das Mittelalter entdecken und erforschen.” Der 5. Heidelberger Mittelaltertag

Der diesjährige fünfte Heidelberger Mittelaltertag am 25.06.2016 stand unter dem Motto Faszination Mittelalter: Das Mittelalter entdecken und erforschen. In seiner Eröffnungsrede ging Prof. Peter Schmidt auch auf die Erfolgsgeschichte des Mittelaltertags ein, der „gebraucht und gewollt“ sei und der auch…

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/8589

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Wiss. Mitarbeiter/in im Projekt Computergestützte literarische Gattungsstilistik

An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist in der BMBF-geförderten eHumanities-Nachwuchsgruppe “Computergestützte literarische Gattungsstilistik” (Leitung: Dr. Christof Schöch) am Lehrstuhl für Computerphilologie zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle

einer/s wissenschaftlichen Mitarbeiters/Mitarbeiterin (bis TV-L 13, 65%)

befristet bis zum 31.3.2019 zu besetzen.

Zu den mit der Stelle verbundenen Aufgaben gehört Projektarbeit im Bereich der computergestützten Gattungsstilistik auf der Grundlage französischer, ggfs. auch spanischer, literarischer Texte sowie die aktive Teilnahme an den Aktivitäten der Nachwuchsgruppe. Eine Lehrverpflichtung ist mit der Stelle nicht verbunden.

[...]

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=6447

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The International Society for the Empirical Study of Literature and Media (IGEL) and its journal, The Scientific Study of Literature

There are news from the International Society for the Empirical Study of Literature and Media (IGEL) and its journal, The Scientific Study of Literature. The International Society for the Empirical Study of Literature and Media is aimed at the advancement of empirical literary research through international and interdisciplinary cooperation. The principal duties of the Society are to support scientific projects through information and cooperation, to further personal contact in all areas of research supported by the Society, to support students and junior researchers in the field of empirical literary research, to press for the application of empirical results, and to organize international conferences.

The journal The Scientific Study of Literature (SSOL) does very well, in terms of readership and the quality of the submissions. However, at the moment it is aiming at an extension of the group of authors that publish in SSOL, as well as a wider range of domains represented in its articles. SSOL publishes empirical studies that apply scientific approaches to investigate the structure and function of literary phenomena. The journal welcomes contributions from many disciplinary perspectives (psychological, developmental, cross-cultural, cognitive, neuroscience, computational, linguistic and educational) to deepen our understanding of literature, literary processes, and literary applications. The journal offers a forum for this interdisciplinary research to be collected, read, referenced and published.

Also, the IGEL website has been redesigned: http://www.igel.uni-goettingen.de/. On the new webpage you now find information about several upcoming events: a workshop on literature and empathy this summer, and the 2016 biannual conference in Chicago. IGEL now has its own account on Twitter: https://twitter.com/IgelSociety – @IgelSociety. For more information about the journal, see: https://benjamins.com/#catalog/books/ssol.3.2.01edi/fulltext.

(Content adapted from a text by Frank Hakemulder)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4757

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Neuerscheinung: Literaturwissenschaft im digitalen Medienwandel

Im September 2012 fand in Leipzig im Rahmen des 8. Kongresses des Frankoromanistenverbands eine Sektion zum Thema  “Revoluton der Medien, Evolution der Literaturwissenschaft?” statt, die von Christof Schöch (Lehrstuhl für Computerphilologie, Univ. Würzburg) und Lars Schneider (Institut für Romanistik, LMU München) geleitet wurde.

Edition "Moralische Wochenschriften": Analyseansicht mit hervorgehobenen Personen, Orten und Werken.
Edition “Moralische Wochenschriften”: Analyseansicht mit hervorgehobenen Personen, Orten und Werken. (Aus dem Beitrag von Martina Semlak)

Die Beiträge dieser Sektion sind nun als Beiheft 7 zu Philologie im Netz (PhiN) unter dem Titel Literaturwissenschaft im digitalen Medienwandel erschienen. Der Sammelband fragt nach konkreten Impulsen, die der gegenwärtige Medienwandel den Literaturwissenschaften verleiht. Sein Vorgehen ist vor allem pragmatischer Natur: Die Beiträge widmen sich der Erschließung von Forschungsgegenständen bei der digitalen Textedition, ihrer Analyse mit Hilfe quantitativer Verfahren der Textanalyse, bei der sowohl technische als auch menschliche Syntheseleistungen entscheidend sind, sowie der Dissemination von Forschungsergebnissen und neuen Formen des Zusammenarbeitens.

Die Beiträge erscheinen im Open Access (CC-BY) und sind teils auf Deutsch, teils auf Französisch verfasst.

Inhaltsverzeichnis

  • Lars Schneider & Christof Schöch: Literaturwissenschaft im digitalen Medienwandel: Einleitung
  • Klaus-Dieter Ertler: Die Gattung der frankophonen “Spectators” im Spiegel der zeitgenössischen Medienrevolution
  • Martina Semlak: Digitale Edition als Instrument für literaturwissenschaftliche Forschung
  • Anne Baillot: Les corpus français sont-ils allemands? Éditer des textes de la Prusse frédéricienne en Allemagne
  • Delphine Dufour: L’enjeu numérique dans l’édition de la correspondance de Marceline Desbordes-Valmore
  • Isabel Rio Novo & Célia Vieira: e-Poeticae – Textes de théorisation littéraire en ligne
  • Glenn Roe: L’étude littéraire à l’ère du numérique : du texte à l’intertexte dans les “digital humanities”
  • Anne-Sophie Bories: Taratantara : la mémoire et l’oubli du décasyllabe dans la poésie de Raymond Queneau
  • Christof Schöch: Corneille, Molière et les autres. Stilometrische Analysen zu Autorschaft und Gattungszugehörigkeit im französischen Theater der Klassik
  • Lilian Landes: Flexibel, fluide, filternd. Weshalb die Geisteswissenschaften stärker von der Netzkultur profitieren sollten
  • Annette Keilhauer: Perspectives des études genre à l’ère de la numérisation
  • Thomas Stöber: Der “digitale Schreibtisch”: Innovationsmanagement und Vernetzung für das wissenschaftliche Arbeiten
  • Jörg Dünne: Das Jules Verne-Projekt – Alternative Heuristiken literaturwissenschaftlicher Forschung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3196

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13. Interdisziplinäre Sommerakademie des Zentrums für Mittelalter- und Renaissancestudien (ZMR) „Piraten“ an der Ludwig-Maximilians-Universität München (02. bis 06. September 2013)

By Astrid Riedler-Pohlers, Claudia Hefter, Anil Paralkar
Veranstalter: Zentrum für Mittelalter- und Renaissancestudien an der Ludwig-Maximilians- Universität, München
Organisation: Prof. Dr. Eva Haverkamp, Dr. Karoline Döring
Datum, Ort: 02. bis 06. September 2013, München

Die Seeleute (K.Döring, 2013)

Die Seeleute
(K.Döring, 2013)

Das Zentrum für Mittelalter- und Renaissancestudien der Ludwig-Maximilians-Universität München, hervorgegangen aus dem Projektforum Mittelalter und frühe Neuzeit, widmet sich seit seiner Gründung im Jahre 2008 der Erforschung und Lehre im Bereich der mediävistischen Wissenschaften. Dabei stützt sich das Zentrum auf über 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sechs unterschiedlichen Fakultäten. Auch in diesem Jahr konnten die Teilnehmenden der mittlerweile 13. Sommerakademie von dieser einmaligen Vielfalt interdisziplinärer Forschung profitieren. Vom 2. bis 6. September 2013 stand die Veranstaltung dieses Jahr unter der Flagge der „Piraten“.

So stach am Montag eine Crew aus 30 Studierende internationaler Universitäten in See, um gemeinsam mit Kapitän Eva Haverkamp (Mittelalterliche Jüdische Geschichte) und Steuerfrau Karoline Döring (Mittelalterliche Geschichte) die schwierigen Gewässer um den Begriff „Piraterie“ herum zu befahren. Als Grundlage diente eine Einführung in die teilweise unklare Terminologie, wie beispielsweise dem Unterschied zwischen Pirat und Kaperfahrer. Ein weitreichender Fragenkatalog sollte Denkanstöße für die Module der kommenden Tage geben. Ein Versuch das Phänomen zu lokalisieren führte dessen Internationalität vor Augen. Besondere Berücksichtigung fand dabei die Perspektive jüdischer Kaufleute als Opfer von Piraterie im Indischen Ozean.

Im Anschluss präsentierte Albrecht Berger (Byzantinistik) eine umfassende Darstellung der „Pirates of the Aegean – Piraten im griechisch-byzantinischen Raum von der Spätantike bis zum 15. Jahrhundert“. Hierbei zeigte, er dass Völkerwanderungen häufig mit Piraterie einher gingen. Eine besondere Rolle kam dabei Kreta zu, welches als Tor zur Ägäis häufig als Piratennest diente. Im Zuge seiner Ausführungen wies er auf Piraten als populäres literarisches Motiv seit der Spätantike hin. Die Breite des Themas regte dazu an, sich mit den einzelnen Zeitabschnitten noch einmal im weitergehenden Studium gezielt zu befassen.

Unter dem Motto „Piraterie und Kaperfahrt im spätmittelalterlichen Hanseraum“ gab Kilian Bauer (Mittelalterliche Geschichte) einen Einblick in Welt und Struktur der deutschen Hanse. Daraufhin stellte er die dortigen Ursachen für Seeraub und Kaperei in den Raum. Zu einer ausführlichen Diskussion führte die Frage nach dem Selbstverständnis, der Organisation und dem Alltagsleben der Vitalienbrüder. Auch die Interaktion lokaler Machthaber mit den Vitalienbrüdern spielte eine große Rolle.

Der Kapitän mit einem Teil der Mannschaft. Erste Beute (K. Döring, 2013)

Der Kapitän mit einem Teil der Mannschaft: I. Fees, A. Riedler-Pohlers, C. Hefter, J. P. Schirrmacher, A. Paralkar (von links nach rechts). Erste Beute
(K. Döring, 2013)

Inhaltlich schloss Romedio Schmitz-Esser (Mittelalterliche Geschichte) mit dem Thema „Der Leichnam der Piraten (Sterben auf See, Exekution von Piraten)“ unter besonderer Berücksichtigung des norddeutschen Raums an. Der Tod eines Christen auf See stellte ein spezielles Problem dar, weil nicht nur medizinische, sondern auch religiöse Vorstellungen beachtet werden mussten. Im zweiten Abschnitt seines Moduls ging der Dozent auf die öffentliche Hinrichtung von Piraten ein, welche eine abschreckende Wirkung für andere Piraten und ein Gefühl von Sicherheit für die Bevölkerung erzeugen sollte. Dazu diente auch die Wahl der Richtstätte, wie zum Beispiel des Grasbrooks in Hamburg, wo man zwei genagelte Schädel gefunden hat. Zuletzt wurde auf die heutige Medialisierung von Piraten am Beispiel der Gesichtsrekonstruktion des Seeräubers Klaus Störtebeker eingegangen.

Zu Beginn des zweiten Tages stellte Hans-Georg Hermann (Rechtsgeschichte) in seinem Modul „Keine Krankheit und doch von großem Übel: Grundruhr und Strandrecht“ die Definitionen dieser beiden Begriffe vor. Danach stand stets die Frage im Mittelpunkt, ob sich Aneigner fremder Sachen im legalen oder illegalen Bereich bewegten. Hierbei sprach der Dozent nicht nur Beispiele aus der Seefahrt an, sondern ging auch auf die Flussschiffahrt ein. Anhand des Sachsenspiegels und zahlreicher anderer Quellen wurde der signifikante Bedeutungswandel dieses „etablierten Rechtsinstituts“ veranschaulicht. Dieses wurde im Laufe der Geschichte je nach Deutungshoheit des Gesetzgebers kriminalisiert oder schließlich in Form von Bergelohn legalisiert.

Ihren Blick auf Italien und das Mittelmeer richtete Irmgard Fees (Historische Grundwissenschaften) mit der Betrachtung der „Gefahren des Meeres – aus der Sicht venezianischer Kaufleute des 12. Jahrhunderts“. An Hand einer Urkunde des Jahres 1112 führte sie in den Aufbau venezianischer Handelsgesellschaften ein. Unter Berücksichtigung der Handelsrouten wurden Abwehrmaßnahmen der Gesellschaften gegen Piraterie erläutert, wozu Schiffskonvois und Risikostreuung unter den Gesellschaftern dienten. Der stark diplomatische Zugang ermöglichte eine Erweiterung des Blickwinkels bei der Quellenexegese über die rein inhaltliche Betrachtung hinaus.

Arbeit an Deck (K. Döring, 2013)

Die Arbeit an Deck
(K. Döring, 2013)

Karl Borchardt (MGH) präsentierte im ersten Nachmittagsmodul „Piraterie im östlichen Mittel¬meer im Umfeld der Johanniter“. Nachdem sich die Johanniter auf Rhodos niedergelassen hatten, zählte besonders die Bekämpfung der muslimischen Seeräuberei zu ihren Hauptaufgaben. Unterstützung bei diesem Vorhaben fanden sie in Katalonien und in den italienischen Hafenstädten. In ihrem Vorgehen unterschieden sie sich häufig nicht von ihren Gegnern. Noch heute finden sich auf dieser damals strategisch so wichtigen Insel Überreste, die auf die einstige Existenz des Johanniterordens hinweisen. Neben den Ruinen von Zuckerrohrmühlen lebt ihr Andenken vor allem auch in den Straßennamen der Insel weiter, wie es zum Beispiel die Rittergasse heute erahnen lässt.

Erstmalig nahm dieses Jahr auch die Arabistik an der interdisziplinären Sommerakademie teil, vertreten durch Daniel Potthast (Arabistik) mit dem Thema „Die Sicherung der Seewege – Initiativen gegen Piraterie im Schriftverkehr zwischen Aragon und Granada“. Nach einer Einführung in die arabische Begrifflichkeit und die islamische Expansion, wurden völkerrechtliche Grundlagen auf der iberischen Halbinsel besprochen. Im Anschluss an einen Überblick zur Quellenlage folgte die Analyse des diplomatischen Austauschs zwischen Aragon und Granada in Bezug auf freibeuterische Aktivitäten. Besonders beeindruckte das weitreichende Informationsnetz Granadas, welches auch Schäden der einfachen Bevölkerung zur Kenntnis nahm. Zuletzt ging der Dozent auf die besonderen Charakteristika arabischer Briefe ein, was zu einer angeregten Diskussion führte.

Anthony Hu (Sinologie) leitete den dritten Tag der Sommerakademie mit dem Thema „Maritime Traders, Smugglers and Pirates: A Brief Introduction to Piracy in China during the period roughly between the 15th and 18th centuries“ ein. Von besonderem Interesse waren dabei die Gründe für chinesische Piraterie, welche vor allem in Armut und Rebellion gegen den Staat lagen, wobei staatlich auferlegte Handelssperren für den Seeverkehr ebenfalls dazu beitrugen. Folglich war der Übergang zwischen Seekaufleuten, Schmugglern und Piraten häufig fließend. Dies zeigte Anthony Hu an Hand der drei großen Phasen chinesischer Piraterie auf (bis Mitte 3. Jahrhundert, bis Anfang 10. Jahrhundert, 15.-18. Jahrhundert), wobei er besonders auf die späteste Phase einging. Gleichzeitig erläuterte er auch die Machtposition der Piraten, welche zeitweilig Züge eines eigenen Staatsbildungsprozesses annahm.

Roman Deutinger (Mittelalterliche Geschichte) präsentierte „Nordmänner, Dänen, Waräger“ und stellte die Frage „Wer waren die Wikinger?“. Ausgehend von ihrer etymologischen Abstammung erläuterte er die Unterschiede zwischen den nordischen Seevölkern und grenzte die Epoche ihrer Herrschaft zeitlich ab. Außer auf Schiffsbau und Kampftaktik ging der Dozent besonders auf die Motivation der Nordmänner auf víking-Fahrt zu gehen, ein. Das Modul endete mit einem Einblick in die spannende Harald-Hardrades-Saga.

Landgang (K. Döring, 2013)

Der Landgang
(K. Döring, 2013)

Den Nachmittag gestaltete Tanja Jorberg (Kunstgeschichte) im Rahmen einer Führung durch die Alte Pinakothek. Dabei stand „Das neue Raumbewusstsein der Renaissance im Spiegel der Kunst“ im Fokus der Aufmerksamkeit. Den Einstieg bildeten Seedarstellungen von Jan Brueghel d. Ä.. Später führte der Weg in der Pinakothek zu mittelalterlichen Goldgrundbildern und religiösen Darstellungen bei Rembrandt van Rijn, sowie zum Selbstbildnis von Albrecht Dürer. Leider fehlte bei den späteren Ausführungen der Zusammenhang zum Thema der Sommerakademie. Dennoch sollte der Besuch der Alten Pinakothek als Programmpunkt der Akademie beibehalten werden.

Der letzte Tag der Sommerakademie begann mit einem Vortrag von Ulrike Krischke (Anglistik) und Judith Huber (Anglistik), welche gemeinsam über „Pirates, Coursaires, and Skummers of the sea – Eine Begriffsgeschichte“ sprachen. Dies leiteten sie mit einem Überblick über die englische Sprachentwicklung und die englische Piraterie bis zur Frühen Neuzeit ein. Im zweiten Teil des Vortrags wurde vor allem die Entwicklung verschiedener nautischer Begriffe, wie auch der Bezeichnungen für Seeräuber in der englischen Sprache, erläutert. Insbesondere im Altenglischen wurden Freibeuter dabei gerne mit Wikingern assoziiert. Zusätzlich zeigte sich, dass die Begriffe für verbrecherische Piraten und staatlich legitimierte Kaperfahrer fließend waren und eine klare Trennung kaum möglich ist.

„Die zeitgenössische (und moderne) Wahrnehmung der Wikinger am Beispiel Irland“ war Gegenstand des Moduls von Sebastian Zanke (Mittelalterliche Geschichte). Er begann mit einer Einführung zur Geschichte des frühmittelalterlichen Irlands und ging auch auf die Quellenlage ein. Die Analyse der Annals of Ulster diente der genaueren Datierung der beiden großen Phasen von Wikingereinfällen sowie der Untersuchung, wie deren Wahrnehmung in den Quellen greifbar wird. Dabei entstand eine Diskussion über die Begriffsentwicklung, die die zunehmende Integration der neu angesiedelten Wikinger und deren Auswirkungen aufzeigte.

Anschließend setzte sich Anita Sauckel (Nordistik) mit „Óláfr Haraldsson“ auseinander, der als „Pirat und Nationalheiliger“ Gegenstand der Skaldendichtung war. Nach der Vorstellung der verfügbaren lateinischen und altisländischen Quellen zu Óláfr präsentierte die Dozentin seinen Lebenslauf, der geprägt war von Vikingfahrten und Konflikten um den Herrschaftsanspruch in Norwegen. Obwohl seine Taufe keine Erwähnung fand, wurde Óláfr bereits zwei Jahre nach seinem Tod heilig gesprochen. Dies führte zu einer interessanten Debatte darüber, ob man gleichzeitig Pirat und Nationalheiliger sein konnte.

Die Gastcrew aus Moskau beim zweiten Landgang zu den MGH (K. Döring, 2013)

Die Gastcrew aus Moskau beim 2. Landgang zu den MGH
(K. Döring, 2013)

Eine freie Abschlussdiskussion ermöglichte eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Sommerakademie. Hier ruderte man zur ersten Sitzung und der Problematik der Terminologie zurück. Ein Versuch eine eigene Definition von Pirat / Kaperfahrer etc. zu finden, zeigte deutlich, wie schwer es ist, eine klare Abtrennung zu treffen. Besondere Aufmerksamkeit fand dabei die Unterscheidung zwischen Selbstverständnis und Fremdzuschreibung der Seeräuber. Ein Diskussionspunkt war auch Piraterie als Werkzeug zur Kreation und Etablierung von Herrschaft. Daran schloss sich ein allgemeines Feedback an, welches über die Erwartungen der Teilnehmenden an die Sommerakademie resümierte.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Sommerakademie mit ihrer interdisziplinären Herangehensweise und ihrem weitem Blick über etablierte geographische und zeitliche Grenzen hinaus den Studierenden einen Zugang zur bisher wenig erforschten Geschichte der Piraterie von der Spätantike bis zur Frühen Neuzeit ermöglichte. Dadurch konnten bisherige Klischees über Seeräuber, die vor allem durch Romane und Filme über das goldene Zeitalter der Piraterie geprägt waren, gegen historisch fundierte Zugänge ersetzt werden. Leider konnten trotz des sehr breiten und abwechslungsreichen Programms Themen der Lebenswirklichkeit der Piraten (z. B. Schiffsbau, Erkennungszeichen und Selbstverständnis) nur wenig behandelt werden. Trotz starker Bemühung konnte eine chronologische und thematische Abfolge der Kurseinheiten nicht immer eingehalten werden. Die sehr quellennahe Arbeit schuf jedoch die Grundlage für eine stets sehr angeregte und angenehme Diskussionsatmosphäre. Diese wurde zudem durch die Teilnahme fünf russischer Studentinnen der HSE unter der Leitung von Michail A. Bojcov, welche eigens zur Sommerakademie aus Moskau angereist waren, stark gefördert. Durch die gute Zusammenarbeit sowohl der Teilnehmenden als auch des sehr engagierten Dozierendenteams kann die Sommerakademie als voller Erfolg verstanden werden. Wir würden uns freuen in den kommenden Jahren weiterhin in diesem Fahrwasser mitsegeln zu können und wollen mit einem lauten, bejahenden „ARRRR“ enden! Schiff ahoi!

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/2728

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“ZeitenWelten”. Zur Verschränkung von Weltdeutung und Zeitwahrnehmung im frühen und hohen Mittelalter. Ein Zwischenbericht

“Schichten” – das ist wohl das wichtigste Stichwort unter dem sich die ersten Teilergebnisse des DFG-geförderten Netzwerks “ZeitenWelten” zusammenfassen lassen: in Zeitschichten, die sich an- und überlagern, aufbrechen und gegeneinander verschieben lassen sich Zeitwahrnehmung und -konzeptualisierung des frühen und hohen Mittelalters am besten beschreiben.
Das interdisziplinäre Netzwerk, das seit 2012 besteht, erforscht das Verhältnis von Zeitwahrnehmung und Weltverständnis zwischen dem 6. und 13. Jahrhundert. Auf fünf Arbeitstreffen und einer großen Abschlusstagung im Frühjahr 2015 werden in elf Teilprojekten sowie im Gespräch mit zahlreichen Gästen aus Geschichte, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften Zeittheorien und -praktiken, Zeitdarstellung, temporale Qualitäten von Raum u.v.m. untersucht.
Gestartet ist das Netzwerk mit der Vorannahme, dass Zeit und Zeitwahrnehmung immer soziale bzw. kulturelle Konstrukte sind, die sich im Zusammenspiel mit theologischen, ästhetischen oder auch ökonomischen Vorstellungen von “Welt”, “Realität” und “Wahrheit” verändern. Die bisherigen Arbeitstreffen haben gezeigt, dass gerade diese Viel-schichtigkeit “Zeit” zu einem Thema für intellektuell anregende Gespräche macht, die sich zu methodischen und theoretischen Grundsatzdiskussionen erweitern.

Nach bisher drei Arbeitstreffen ist es Zeit für eine Zwischenbilanz:
In kritischer Auseinandersetzung mit den Zeitkonzepten Reinhard Kosellecks haben wir einen gemeinsamen Analyserahmen geschaffen, der insgesamt von einer größeren Dynamik mittelalterlicher Zeitvorstellungen ausgeht.
So trägt zum Beispiel die Logik der Heilsgeschichte zur Konzeption von “Zeit in Bewegung” bei: die hermeneutische Auslegung der Bibel führt einerseits zu einem linearen andererseits zu einem zyklischen Zeitverständnis. Aus der Feststellung der zeitlichen Dialektik entwickeln sich Fragen zum Umgang mit Veränderungsdynamiken im Rahmen eschatologischer Zeitkonzepte und mit Widersprüchlichkeiten innerhalb von Zeitkonzeptionen. So interpretiert Richard Corradini (Wien) das “Zeitbuch” des Walahfrid Strabo als Reaktion auf eine Krisenzeit, in der die präsentierten unterschiedlichen und konkurrierenden Zeitstrukturen und -konzepte als variable Alternativmodelle im Sinne von “Langzeitperspektiven und Nachhaltigkeitskonzepten” entworfen werden. Inhaltlich bietet das Zeitbuch “Zeit” in drei verschiedenen Schichten dar: die instabile menschliche Geschichte, die zyklische Zeit Gottes auf Erden und die göttliche Zeit im Zeichen der Gestirne. Aus seinem zeitgenössischen Kontext bietet es in langfristigen Perspektiven intellektuelle Lösungen für den Umgang mit den politischen
Konflikten und Umbrüchen der eigenen Zeit.
Analoge Mehrschichtigkeit lässt Miriam Czock (Essen) zufolge auch in der frühmittelalterlichen Bibelexegese aufzeigen. So offenbaren sich in der “Unberechenbarkeit der berechenbaren Zukunft” zwei Facetten von “kommender Zeit”: zum einen ist die Zukunft das Ergebnis einer linearen Entwicklung, das zurückwirkt auf die Bedingungen des gegenwärtigen Lebens. Zum anderen gibt es das Konzept einer “geoffenbarten Zukunft”, die mit Gegenwart und Vergangenheit verschmilzt. Diese „breite Gegenwart“ (Gumbrecht) der karolingischen Zeit bezieht nicht nur die Vergangenheit in die Gegenwart mit ein, sondern auch die Zukunft, die, obwohl geoffenbart, als offen, gestalt- und planbar verstanden wird. In der Bibelexegese zeigt sich zudem, dass die lineare Zeit zwischen Schöpfung und Jüngstem Gericht als sehr dynamisch gefasst werden kann in ihrer jeweils unmittelbaren Verbindung zu Gott. In ihrer prinzipiell chronologischen Ordnung wird die Zeit der Exegese damit mitunter zyklisch und kann zerdehnt und gestaucht werden. Auch die Gäste des Netzwerks Sumi Shimahara (Paris) und Felicitas Schmieder (Hagen) konnten in ihren Beiträgen die Dynamik der Zeit im Verhältnis zur Ewigkeit in der karolingischen Exegese respektive die “Offenheit” der planbaren Zukunft in der frühmittelalterlichen Apokalyptik feststellen und damit die Ergebnisse der Teilprojekte ergänzen und bestätigen.

Die “Praxen der Zeitlichkeit” können anhand von liturgischen, historiographischen und Memorial- und Rechtsquellen sowie der Frage nach der Logik der Tageseinteilung durch (Gebets)Stunden erschlossen werden. Bestimmte temporale Praktiken lassen sich spezifischen Nutzungskontexten zuordnen, wobei der Umgang mit institutionellen oder theologischen Vorgaben pragmatische ist und Zeitordnungen auch zu Gunsten politischer oder ökonomischer Vorteile verschoben werden können.
In ihrer Analyse der zeitlichen Dimensionen der liturgischen Quellen aus Halberstadt kann Patrizia Carmassi (Göttingen/Wolfenbüttel) drei Aspekte voneinander unterscheiden: die Reflexion über Zeit in heilsgeschichtlicher Perspektive unter Berücksichtigung ihrer Rolle im sakramentalen Geschehen, die Ordnung und Gestaltung der kirchlichen Zeit durch den liturgischen Kalender in synchronischer und diachronischer Perspektive (z. B. durch die Einführung neuer Feste) sowie die Bedeutung der Zeit im Spannungsfeld zwischen liturgischer Kontinuität und Liturgiereform. Diese drei Punkte spielen auch in der Königsabtei St.-Denis im 12. Jahrhundert eine bedeutende Rolle, die im Projekt von Anja Rathmann-Lutz (Basel) untersucht wird. Für die Frage ob und inwiefern sich die Zeitregime der „monastischen Zeit” und der “höfischen Zeit” unterscheiden eignet sich die Multifunktionalität von St.-Denis als kontemplativer Ort, als königliche Grablege und caput regni sowie als Pilgerstätte in besonderer Weise. Mindestens fünf Modi der Zeitorganisation und -repräsentation, die sich wiederum in unterschiedlicher Weise überlagern, können hier idealtypisch beschrieben werden: Die heilige/biblische Zeit und die historische Zeit sind zwar beide vergangen, aber liturgisch aktualisierbar. Die liturgische Zeit ist präsent und momentan und hängt eng zusammen mit der somatischen Zeit, die körperlich und subjektiv messbar ist. Über diesen Zeitebenen liegt dabei die eschatologische Zeit. Vergleicht man die Repräsentation von Zeit im klösterlichen und im höfischen Milieu, zeigen sich zwei gegensätzliche, ideologisch gerahmte Zeitregime: der stabilitas des Klosters steht der durch körperliche Präsenz, kontinuierliche Bewegung und hohe Geschwindigkeit gekennzeichnete, in Historiographie und höfischer Literatur idealisierte Alltag des Hofes gegenüber.
Aus den verschiedenen Techniken bei der Organisation der Namenlisten in libri memoriales aus dem 9. Jahrhundert ergeben sich in den Untersuchungen von Eva Maria Butz (Dortmund) jeweils ganz unterschiedliche Verknüpfungen zwischen den Zeitebenen. So werden im Salzburger Zeugnis Personen der Heilsgeschichte (Patriarchen, Propheten und Apostel), noch lebende Gönner und Vorsteher (Bischöfe, Abt, regionaler Adel, karolingische Könige) und die verbrüderten Verstorbenen, nach ordines gestaffelt, vergegenwärtigt. Andernorts (St. Gallen) hingegen wird gar nicht zwischen Lebenden und Toten unterschieden. Alle Bücher jedoch werden als das irdische Gegenstück zum himmlischen liber vitae gesehen und sind ausnahmslos auf das Jüngste Gericht hin konzipiert. Auswahl und Anordnung der Namenslisten steht in der Regel im Dienste der Sinnstiftung und Legitimation der eigenen Gegenwart. Durch erkennbare Rasuren in einigen Nekrologen (Remiremont) wird deutlich, dass mit der fortschreitenden gegenwärtigen Zeit die Namen ständig umgruppiert wurden und damit eine Neujustierung von Vergangenheit stattfand.
Ebenfalls um Legitimation und Legitimität ging es im Workshop von Andreas Thier (Zürich). Es wurde deutlich, dass in der Lex Baiuvariorum und im Sachsenspiegel durch die Einschreibung rechtlicher Normativität in zeitliche und historische Entwicklungslogiken eine Verbindung des Rechts mit dem göttlichen Heilsplan erreicht wurde, die das sich ständig verändernde Recht legitimierte.
Soziale und ökonomische Einflussnahme auf Zeitordnungen zeigt sich in der von Michael Oberweis (Mainz) untersuchten “Nonverschiebung” bei der aus der “hora nona” im Lauf des 11. -13. Jahrhunderts “high noon” wurde. Sieht man mit Oberweis diesen Vorgang im Zusammenhang mit einer Ausweitung der Sonntagsruhe in der Zeit der Gottesfriedensbewegung so zeigt sich, dass in dieser Einflussnahme zugleich eine Kontrolle der Gesellschaft durch die Zeit liegen kann.

Als nächstes wird das Netzwerk über die räumlichen und bildlichen Dimensionen des Zeitlichen debattieren. Außerdem wird zu fragen sein, auf welche Weise die offenbar gleichzeitig präsenten unterschiedlichen Zeitschichten jeweils wahrgenommen, dargestellt und gewichtet wurden.

Aktuelle Mitteilungen, die ausführlichen Workshop-Berichte von Eva-Maria Butz, Petra Waffner und Uta Kleine (auf denen vorliegende Zwischenbilanz teilweise aufbaut), weitere Informationen und Kontaktdaten finden Sie unter www.zeitenwelten.unibas.ch.

 Miriam Czock und Anja Rathmann-Lutz im September 2013

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/2266

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Snorri Sturlusons Mythologie und die mittelalterliche Theologie

1000 Worte Forschung: Dissertation LMU München, abgeschlossen im Juli 2012

Snorris Statue in Reykholt (Bildhauer: Gustav Vigeland) Foto: Jan van Nahl

Snorris Statue in Reykholt
Foto: Jan van Nahl

Eine Insel im Nordatlantik – Finanzkrise und Vulkanausbruch zum Trotz nur am Rande öffentlicher Wahrnehmung – rückte mit der Frankfurter Buchmesse 2011 in den Fokus eines literarisch interessierten Publikums aus aller Welt: Island. Zur Weltliteratur indessen zählten die volkssprachlichen Werke des isländischen Hoch- und Spätmittelalters schon vorher. Qualitativ und quantitativ scheuen sie keinen Vergleich im gesamteuropäischen Kontext, und in mancher Hinsicht ist ihnen auch gar nichts Vergleichbares an die Seite zu stellen: Weder die hochkomplexe Skaldendichtung noch die berühmten Isländerssagas blicken auf kontinentale Vorbilder.

Besonderes Interesse unter Wissenschaftlern und Laien gleicher­maßen hat aber die so genannte Edda des isländischen Gelehrten, Politikers und Dichters Snorri Sturluson auf sich gezogen. Geboren im Winter 1178/79, kam Snorri bereits als Kind in die Obhut des seinerzeit mächtigsten Mannes in Island, Jón Loftsson, dessen Herrschersitz Oddi doch zugleich auch ein Zentrum mittel­alterlicher Gelehrsamkeit war. Es wundert wenig, dass Snorri schon in jungen Jahren erste politische und wirtschaftliche Erfolge verbuchen konnte, aber auch ein Interesse an der Dichtkunst seiner Vorfahren wird bald erwacht sein. Als geschickter Taktiker wusste Snorri sich im Laufe der Jahre zur einflussreichsten und vermögendsten Persönlichkeit Islands zu erheben. Mehrere Aufenthalte am Hof des norwegischen Königs Hákon Hákonarson zeugen von politischem Weitblick, belegen aber auch ein Interesse, das der eloquente Machtmensch Snorri in elitären Kreisen Skandinaviens zu wecken vermochte. Indessen: Sein Streben nach Einfluss und Besitz, wohl auch manche Unstimmigkeit in weltanschaulichen Fragen ließ Snorri und Hákon zum Ende der 1230er Jahre im Streit auseinandergehen; gegen Befehl des Königs reiste Snorri zurück nach Island. Im September 1241 wurde er in den Kellerräumen seines Gehöfts in Reykholt von Hákons Häschern erschlagen – das frühzeitige, aber vielleicht vorhersehbare Ende einer Ausnahmegestalt des nordischen Mittelalters.

Hinterlassen hat er der Nachwelt ein literarisches Werk, das bereits seine Zeitgenossen zur Auseinandersetzung reizte. Sicher zugeschrieben wird ihm heute zum einen die Edda, ein Lehrbuch der Mythologie und Dichtkunst, dessen einzelne Abschnitte durchaus eigene Ziele verfolgen; zum zweiten die Heimskringla, eine umfangreiche Sammlung nordischer Königsgeschichten, die den Blick von mythischer Vorzeit auf dem asiatischen Kontinent bis weit hinein ins 12. Jahrhundert Skandinaviens richtet. Es besteht kein Zweifel, dass Snorris Edda das Fundament einer modernen Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Mythologie und Religion Nordeuropas bildet – und das seit über zwei Jahrhunderten. Entsprechend voluminös tritt die Forschungsliteratur in Erscheinung, Regalmeter werden gefüllt von Studien zum literarischen Erbe dieses Mannes, aber auch von mannigfachen Editionen und Übersetzungen.

Snorralaug, das von einer heißen Quelle gespeiste Bad Snorris aus dem 13. Jahrhundert Foto: Jan van Nahl

Snorralaug, das von einer heißen Quelle gespeiste Bad Snorris aus dem 13. Jh.
(Foto von 2004)
Foto: Jan van Nahl

Im Zuge der Überwindung fachgeschichtlicher Problema­tisierungen, wie sie das Ende des Dritten Reichs gefordert hatte, erstarkte die Forschung im deutschsprachigen Raum seit den 1980er Jahren. Namhafte Germanisten und Skandinavisten wussten ihre Thesen in zahlreichen Publi­kationen zu entfalten, aber auch die internationale Forschung trug wesentlich zur Diskussion bei. Rückblickend kristallisiert sich in dieser Debatte die zunehmende Zementierung gewisser Überzeugungen zu Snorris Werk heraus, die ihre Deu­tungsdominanz wirkungsvoll vor allem in Lexika und Anthologien zu manifestieren verstanden. Das Gros der aktuellen Forschung (und dies betrifft auch manche Studie des „wissenschaftlichen Nachwuchses“) ist solchen Linien des methodischen und thematischen Zugangs bewusst oder unbewusst verpflichtet. Dabei treten zwei wesentliche Aspekte aber in den Hintergrund.

Zum ersten ist dies die zeitgeschichtliche Bedingtheit von Fach und Forschung: Ein Fundament für Arbeiten der 80er und 90er Jahre wurde vor allem die epochale Abhandlung des „Nestors der altgermanischen Religionsforschung“ Walter Baetke (1884–1978): In seiner schmalen Akademieschrift „Die Götterlehre der Snorra-Edda“ (1950) [1] entfaltete er das wirkungsmächtige Konzept einer Odinstheologie, verband er nordische Mythologie mit theologischen Konzepten, Snorris Allvater-Odin mit dem unerkannten Christengott einer religio naturalis. Kriegsbedingt einem christlichen Standpunkt besonders verpflichtet, kam der akribische Quellenkritiker Baetke abschließend aber zu dem Ergebnis, Snorri habe trotz aller Relationen das nordische Heidentum eben doch als teuflischen Trug brandmarken wollen. Baute nachfolgende Forschung erheblich auf dieser Überzeugung, geriet deren zeitgeschichtlicher Kontext zunehmend aus dem Blick – mit Auswirkungen bis in jüngste Forschung: Zum zweiten nämlich scheint die neuerliche Untersuchung der mittelalterlich überlieferten Texte gleichsam gehemmt angesichts des unbestreitbaren Verdienstes international renommierter Forscher der letzten Jahrzehnte. Bisweilen aber überwiegt der Eindruck einer Abhängigkeit von diesen Arbeiten, die den Blick in festen Bahnen hält und eher eine Bestätigung denn Weiterentwicklung vorangehender Forschung zeitigt.

Dem Desiderat einer kritischen Aufarbeitung der gleichermaßen komplexen wie umfänglichen Forschung tritt die Münchner Dissertation „Snorri Sturlusons Mythologie und die mittelalterliche Theologie“ in mehreren Schwerpunkten entgegen. Nicht nur galt es, in grundsätzlicher Methodenreflexion den eigenen Standort zunächst zu erkennen und zu erklären; im Besonderen die Frage nach mittelalterlichen Kontexten der Person Snorris und seines Werks war zu stellen: Das betraf eine viel diskutierte Autorschaft, mehr noch aber Fragen nach Textfassungen, Sprachverständnis und vor allem kontinentalen Diskursen in ihrer Wirkung auf die Gelehrtenwelt Norwegens und Islands. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat Konzepte der Natürlichen Theologie [2], des Euhemerismus [3] und der Analogie [4] teils vehement vertreten – eine Synthese dieser Ideen scheint jedoch nur bedingt möglich, vielmehr ist die konstruktive Konfrontation gefordert.

Eine Basis künftiger Diskussion mittelalterlicher Interpretationsmethodik erarbeitete die Dissertation in ihrem Hauptteil, einer lexematischen Analyse der überlieferten Fassungen von Snorris Werk, der Gylfaginning und Ynglinga saga im Speziellen. Die Untersuchung so genannter „Schlüsselwörter“ gereichte bereits 1964 der einflussreichen Abhandlung „Studier i Snorres mytologi“ der norwegischen Philologin Anne Holtsmark (1896–1974) zum methodischen Ausgangspunkt [5]. Doch auch Holtsmark folgerte, Snorri habe sich in seinem Werk strikt von aller heidnischen Überlieferung distanziert, den nordischen Götterglauben kontrastiv zum Teufelskult degradiert. Demgegenüber kam die vorliegende Studie in Untersuchung mehrerer Dutzend Lexeme und dahinterstehender Konzepte zu gegenteiligem Ergebnis: In Analyse eines Wortschatzes, der in zeitgenössischen theologischen Werken Träger zentraler christlicher Vorstellungen war, konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass Snorri – in Orientierung an epochalen Ereignissen wie dem 4. Laterankonzil 1215 oder dem 5. Kreuzzug von 1217–1229 – vielmehr die würdigende Konstruktion einer vorchristlichen Glaubenswelt vor Augen hatte. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass dieser unbezweifelte Meister der Sprache zwei Ebenen des Verständnisses in seinen Werken konstruierte: einerseits eine oberflächlich unterhaltende; andererseits eine viel tiefer reichende, die dem aufmerksamen Rezipienten wegweisende Analogien zwischen christlichem und nordisch-paganem Glauben eröffnete. Erstmals konnte darin auch eine werkübergreifende Konzeption Snorris wahrscheinlich gemacht werden.

Mit diesen Ergebnissen positioniert sich die Studie konträr zum Gros bisheriger und auch aktueller Forschung. Sie fordert keine Deutungshoheit, versteht sich aber als provozierender Impulsgeber künftigen Disputs zu einem interdisziplinären Forschungsthema.

Jan Alexander van Nahl (2013): Snorri Sturlusons Mythologie und die mittelalterliche Theologie. (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 81.) Berlin, Boston.

[1] Baetke, Walter (1950): Die Götterlehre der Snorra-Edda. (Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, phil.-hist. Klasse, 97/3.) Berlin.
[2] Vgl. z.B. Weber, Gerd Wolfgang (1986): Edda, Jüngere. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 6, S. 394–412. Berlin, New York.
[3] Vgl. z.B. Clunies Ross, Margaret (2006): The measures of Old Norse religion in longterm perspective. In: Anders Andrén/Kristina Jennbert/Catharina Raudvere (Hrsg.), Old Norse religion in long-term perspectives, S. 412–416. (Vägar til Midgard 8.) Lund.
[4] Vgl. z.B. Beck, Heinrich (2007): Die Uppsala-Edda und Snorri Sturlusons Konstruktion einer skandinavischen Vorzeit. In: Scripta Islandica 58, S. 5–32.
[5] Holtsmark, Anne (1964): Studier i Snorres Mytologi. (Skrifter utg. av Det Norske Videnskaps-Akademi i Oslo. II. Hist.-Filos. Klasse. Ny Serie 4.) Oslo.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/960

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Anmerkungen zu John Heuser, Long Le-Khac (2011): Learning to Read Data: Bringing out the Humanistic in the Digital Humanities.

Im LIBREAS-Weblog pflegen wir seit einigen Jahren die Tradition annotierender Referate zu verschiedenen Publikationen, die sich von traditionellen Rezensionen dahingehend unterscheiden, dass sie einerseits eine perspektivische Lektüre betonen und andererseits gern auch eher essayistisch ausgerichtet sind. Bisweilen finden sich in diesem Bereich auch Texte, die Themen aus dem Bereich der Digital Humanities bzw. Digitalen Geisteswissenschaften berühren (hier das entsprechende Tag im LIBREAS-Weblog).

Nun spricht natürlich nichts dagegen, einschlägige Texte dieser Art auch hier zu bloggen, zumal die inhaltliche Perspektive auf die Digital Humanities bei LIBREAS maßgeblich von der Wechselwirkung mit dem Bibliothekswesen geprägt ist. Daher möchte ich mit der nachfolgenden Betrachtung eine möglichst regelmäßige Beteiligung auch an diesem Weblog beginnen. – Ben Kaden 

Anmerkungen zu: John Heuser, Long Le-Khac (2011): Learning to Read Data: Bringing out the Humanistic in the Digital Humanities. In: Victorian Studies Vol. 54, No. 1 (Autumn 2011), S. 79-86 / http://www.jstor.org/stable/10.2979/victorianstudies.54.1.79

Kernfrage: Wie kann das Verfahren der Wortfrequenzanalyse für die Prüfung von Hypothesen zum viktorianischen Roman sinnvoll eingesetzt werden?

Wer sich im Bereich der Digital Humanities bewegt, sieht sich im Gespräch mit eher traditionell orientierten Geisteswissenschaftlern erfahrungsgemäß schnell unter Legitimationsdruck. Wo man nicht mit genereller Ablehnung konfrontiert ist, wird – durchaus berechtigt – die Forderung aufgestellt, man solle doch erst einmal aufzeigen, welches Erkenntnisplus die Anwendung beispielsweise quantitativer Verfahren für die Literaturwissenschaft tatsächlich bringt.

Eine Publikation, die man bei der nächsten Gelegenheit anführen kann und die nach meiner Wahrnehmung in diesem Weblog noch nicht referiert wurde, erschien vor gut einem Jahr in der Zeitschrift Victorian Studies. Ryan Heuser und Long Le-Khac, vielleicht etwas befangen als Mitarbeiter an Franco Morettis Stanford Literary Lab, leisten in ihrem Aufsatz „Learning to Read Data: Bringing out the Humanistic in the Digital Humanities“ ausgewogen und souverän Überzeugungsarbeit für den Einsatz quantitativer Verfahren in der Literaturwissenschaft. Ihr Ansatz: Quantitative Verfahren der Literaturanalyse (mitunter nicht ganz glücklich als „distant reading“ bezeichnet) sind keinesfalls die Ablösung qualitativer Methoden. Sie sind jedoch sehr hilfreich, wenn es darum geht, bestimmte damit gewonnene Erkenntnisse aposteriorisch zu verifizieren.

Zum Einstieg benennen die Autoren zunächst die bekannte Mischung aus Euphorie und Vorbehalten, die Literaturwissenschaftler gemeinhin befällt, wenn sie dem Möglichkeitsspektrum quantitativer Textanalysen nicht in sprachwissenschaftlichen Umgebungen, sondern ihrer eigenen Domäne begegnen. Besonders treibt sie die Frage um, wie sich das traditionell geisteswissenschaftliche Forschung auszeichnende Differenzierungsvermögen und Gespür für die Zwischentöne sowie die zwangsläufige Komplexität ihrer Fragestellungen in solchen Zusammenhängen abbilden lassen. Die Antwort ist nahezu trivial: Indem man diese Aspekte eben möglichst berücksichtigt und mit den Messverfahren integriert. Beide Aspekte sprechen jeweils einen anderen Bereich der Erkenntnisfindung an. Der Schlüssel liegt folglich darin, sie ihren Stärken gemäß anzuwenden. Der Vorteil der messenden Durchdringung eines Korpus liegt in der vollständigen Erfassung. Die Stärke der interpretierten Durchdringung von Texten liegt in der Möglichkeit, einen in sie eingebetteten Sinn zu verstehen und zu beschreiben. Die Kombination empirischer Parameter mit traditionellen Interpretationsverfahren erfüllt den Zweck einer wechselseitigen Kontrolle, wobei der Schwerpunkt auf der Prüfung der Treffsicherheit einer Hypothese liegt.

Wie sich das konkretisieren lässt, illustrieren Heuser und Le-Khac am Beispiel des viktiorianischen Romans. Für einen Bestand von 2779 britischen Titeln mit der Erscheinungszeit zwischen 1800-1900 analysieren sie die Entwicklung der Verwendung von Ausdrücken aus zwei semantischen Feldern in der Zeit. Sie unterscheiden Ausdrücke mit wertorientierter Bedeutung von solchen mit konkret beschreibender und spezifizierender Semantik. Für das Korpus lässt sich in der Zeitachse eine Verschiebung der Häufigkeit des Auftretens vom ersten Typus zum zweiten feststellen. Der entscheidende Schritt der Analyse liegt nun in der Interpretation dieser Messreihe. Die gelingt nur über die Verortung in einem übergeordneten Kontext. Dieser aber wiederum wird nur aus einem entsprechenden, traditionell geisteswissenschaftlichen Vorwissen eingrenzbar.

Der Interpretation geht folglich die Kombination verschiedener Parametern voraus. Je mehr Datenebenen kombiniert werden, so die sich erstaunlicherweise überrascht zeigenden Autoren, desto enger wird der Spielraum, der für die Interpretation bleibt und desto präziser kann diese ausfallen. Ob sie tatsächlich zutrifft ist freilich auch von einem soliden Forschungsdesign abhängig. Aber dies gilt ohnehin in jeder Wissenschaft. Empirisch wird im beschriebenen Beispielverfahren sichtbar, dass bestimmte Ausdrücke zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Häufigkeit verwendet wurden. Über das Abtragen auf der Zeitachse lässt sich eine Variabilität darstellen, die man bei Bedarf wieder unter diversen Gesichtspunkten exakt ausmessen kann. Die Messung stellt eindeutige Verschiebungen im Wortgebrauch fest. Addiert man dazu die allgemeine kulturhistorische Dimensionalität mit Aspekten wie Landflucht, Verstädterung, Industrialisierung und der damit verbundenen Erweiterung individueller Handlungsoptionen und -zwänge, lässt sich die These, dass der viktorianische Roman die sich im 18. Jahrhundert vollziehenden sozialen Veränderungen im Vereinigten Königreich auch auf der Ebene des Vokabulars spiegelt, sehr einsichtig erhärten.

Die Erkenntnis selbst ist vielleicht nicht sonderlich verblüffend, sondern entspricht vielmehr dem Eindruck jedes Lesers, der sich diachron durch diese Literatur gearbeitet hat. Das eigentlich Neue ist jedoch, dass man diesen Eindruck nun mithilfe von Wortfrequenzanalysen eindeutig untermauern kann. Die mehrdimensionale Datenanalyse prüft empirisch eine Hypothese, die durchaus auch streitbarer sein kann, als die von den Autoren beispielhaft durchgespielte.

Verfahren der Digital Humanities lösen, so auch die Argumentation der Autoren, die traditionellen Praxen der Geisteswissenschaft nicht etwa ab. Vielmehr setzen sie diese voraus. Die Anwendung solcher Verfahren erfordert ein breites grundständiges Wissen auf dem Anwendungsgebiet. Eingebettet in ein korrektes Forschungsdesign ermöglichen sie jedoch eine empirische und übergreifende Prüfung von Hypothesen, wie sie ohne diese digitalen Mess- und Visualisierungswerkzeuge kaum möglich ist.

(Berlin, 15.11.2011)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1061

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