Workshop: Neue landesgeschichtliche Forschungen zur Geschichte der Weimarer Republik.Themenbereich Institutionengeschichte

Stärker noch als im Bereich der allgemeinhistorischen Epochendisziplinen hat die Beschreibung und Analyse von Institutionen einen festen Platz im landes- und regionalgeschichtlichen Arbeiten:

Einerseits ist die Beschäftigung mit längerfristig bestehenden und an bestimmten Zwecken orientierten Einrichtungen für jeden Historiker nicht zu umgehen, da diese als Produzenten ereignisübergreifender und serieller Überlieferung in vielen Fällen einen Blickwinkel auf das zu erfassenden Geschehen eröffnen, ohne freilich ein vollständiges und objektives Bild zu vermitteln. Erst das Wissen um ihre Arbeitsweise und ihre Funktionsprinzipien befähigt deshalb zu fundierter Quellenkritik und ermöglicht somit geschichtswissenschaftliche Erkenntnisbildung.

Als Instrument der Herrschaftsausübung ist das Wirken von Institutionen jedoch darüber hinaus ein unerlässlicher Schlüssel zum Verständnis der historischen Entwicklung eines Territoriums als Ganzes. So besteht wohl kein Zweifel, dass der Art der institutionellen Durchdringung, das heißt der für einen bestimmten Personenkreis oder ein Gebiet beanspruchte Regelungsanspruch, entscheidenden Einfluss auf das Leben der betroffenen Gruppen und ihr Verhältnis zueinander hat.

Verkürzt formuliert kann Institutionengeschichte folglich sowohl den Status einer Hilfswissenschaft als auch eines für sich selbst relevanten Fachgebiets mit Recht beanspruchen.

 

Freilich wurden mit der reinen Aufzählung und Abgrenzung von Macht- und Rechtsbereichen die Anwendungsmöglichkeiten von Institutionengeschichte lange Zeit unnötigerweise beschränkt: Mit der Überwindung der konventionellen Fixierung auf den Aspekt der Herrschaftsausübung ist es nun gängige Praxis, sich beispielsweise die Frage vorzulegen, was eine beliebige Einrichtung eigentlich zur sozial anerkannten Institution erhebt. Diese und ähnliche Perspektivverschiebungen schaffen und erhöhen die Aufmerksamkeit für unterschiedliche Formen der Legitimation und symbolischen Kapitalbildung, steigern die Sensibilität für schrittweise Funktionsverschiebungen oder betonen gängige und innovative Interaktionsmuster mit der außerinstitutionellen Umwelt.

Die sich daraus bereits ergebende Erkenntnis, dass es sich bei Institutionen im Kern um normative Strukturen, also sozial erzeugte Idealbilder handelt, welche ständig um die Realisierung des eigenen Anspruchs zu ringen haben, erweitert deshalb den traditionell landeshistorischen Erfassungshorizont: Sie gibt endgültig den Blick auf interne Abläufe sowie Brüche frei und ermöglicht mit der Ablösung einer rein funktionalen Bewertung den Übergang zu einer ergebnisoffenen Analyse von Institutionen. Anstelle definierter Kompetenzkataloge gewinnen somit inhärente Eigenlogiken an Profil, statt der Feststellung eines mehr oder weniger abgesteckten Handlungsrahmens rückt nun die Betonung variabel interpretierbarer Handlungsspielräume in den Vordergrund.

 

Die Untersuchung von Institutionen aller Art wird folglich auch in Zukunft ein fruchtbares Arbeitsfeld der Landesgeschichte bleiben und ist deshalb mit drei Dissertationsprojekten auf dem Workshop vertreten:

Beleuchtet Maria Magdalena Bäuml in ihrer Studie zum Bayerischen Ministerium für Unterricht und Kultus den gesamten Bereich der Bildungs-, Kirchen- und Kunstpolitik, beschäftigt sich Beatrix Dietel in breiterem zeitlichen Rahmen mit Voraussetzungen, Zielen und Inhalten der Hochschulpolitik im Freistaat Sachsen; Michael Schmitt legt schließlich den Fokus auf die Würzburger Professorenschaft in der Übergangszeit zur nationalsozialistischen Diktatur.

 

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Zur Diskussion des Themenbereiches Personengeschichte gelangen Sie hier.

Zur Diskussion des Themenbereiches Infrastruktur- und Kommunalgeschichte gelangen Sie hier.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1285

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Nelly Labère (Bordeaux): Das ‘Gesamtwerk’ denken – ein mittelalterliches Paradox?

deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 16. Dezember 2013: “Penser l’œuvre complète – un paradoxe pour le Moyen Age ?” Lässt sich im Mittelalter bereits die Idee eines ‚Gesamtwerkes‘ denken? Dies ist die Frage, mit welcher wir uns im Laufe unserer … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1133

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FES: Jahresberichte der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 2008 ff.

http://www.ebert-gedenkstaette.de/pb/,Lde/Startseite/Service/Rueckschau.html Die Jahresberichte der Stiftung geben Einblicke in die vielfältige Stiftungsarbeit, welche über Ausstellungen und Vorträge bis hin zu Publikationen und Forschungsarbeit reicht. Die Berichte dokumentieren detailliert sämtliche Aktivitäten der Stiftung, welche die facettenreiche Persönlichkeit und das damit verbundene Wirken Friedrich Eberts aufzeigen.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/07/4571/

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mediaevum.net: Bayern und die MGH — (fast) 200 Jahre gemeinsame Geschichte

http://mittelalter.hypotheses.org/1427 Der Vortrag des langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiters bei der Monumenta Germaniae Historica München Christian Lohmer anlässlich des Symposions zur Ausstellungseröffnung „Bayern und die Monumenta Germaniae Historica“ am 19. Januar 2013 skizziert entlang der Geschichte der MGH die enge Verbindung mit Bayern, wie sie seit fast 200 Jahren besteht.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4497/

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Juliette Sibon (Albi): Die Juden des europäischen Mittelmeerraums im späten Mittelalter aus wirtschaftshistorischer Perspektive. Quellen, Methoden und neue Ergebnisse

Deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 10. Juni 2013: Les juifs d’Europe méditerranéenne au bas Moyen Age à la lumière de l’approche économique: sources, méthodes et nouveaux apports

Die Geschichtsschreibung zur Geschichte der Juden kennt zwei wesentliche Entwicklungen: die eine, die man als „weinerlich“ bezeichnen könnte, hochsensibel für die Nöte des Volkes  Israel, die Verfolgungen, die Diskriminierungen; und die andere, voller Idealismus, idyllisch, auf die auch die Idee der convivencia zurückgeht, der Mythos des friedlichen Zusammenlebens der drei Religionen auf der iberischen Halbinsel.

Tatsächlich wird das südliche Europa oft als Ausnahme gesehen, als „ein neues Judäa“ (J. Michelet), im Gegensatz zu den nördlichen Regionen Zarfat (hebr. Frankreich) und Aschkenas (hebr. Deutschland), wo die mittelalterlichen Juden unter viel dramatischeren Bedingungen gelebt hätten. Sicherlich wird diese Schwarz-Weiß-Zeichnung von den meisten Spezialisten heute nuanciert, doch bleibt sie nichtsdestoweniger bedeutsam und spaltet die Ansichten.

Ich, für meinen Teil denke, dass der Versuch, diese Debatte zu klären, aussichtslos ist. Die Grundlagen zur Erneuerung der Reflexion sind nicht da. Der Verzicht auf jeden Anachronismus und jede Teleologie – Grundvoraussetzung jeder historischen Untersuchung – sollte zum Mißtrauen gegenüber allzu negativen wie allzu harmonischen Darstellungen führen, und nicht dazu, daß man sich für eine der beiden Varianten entscheidet. Neue und fruchtbare Perspektiven hingegen eröffnet es meines Erachtens, wenn man die Ambivalenz der Lebensbedingungen der mittelalterlichen Juden analysiert und vor allem, wenn man das Schicksal der Juden weder als linear noch als außergewöhnlich begreift; wenn man eine „Geschichte der Juden“ statt einer „Jüdischen Geschichte“ betreibt.

 1)    Quellen : zwei miteinander verbundene Typologien

 

 «literarisch»

normativ

pragmatisch

lateinisch

ExegeseChroniken

kanonisches Recht

römisches Recht

notarielle Urkunden

Gerichtsakten

städt. Bekanntmachungen

hebräisch

Exegese

Chroniken

halakha

Responsen

takkanot (Gemeindesatzungen)

pers. Aufzeichnungen

 a)      Lateinische Texte zur Geschichte der Juden: das Beispiel Provence

Da das Ungleichgewicht zwischen christlichen und hebräischen Quellen für die Provence unter angevinischer Herrschaft (1245-1481) besonders ausgeprägt ist, hat sich das interne Leben der Gemeinschaften nur Schritt für Schritt aus den städtischen Archiven und den Registern der lateinischen Notare und Gerichte wie der kirchlichen Rechtsprechung und der Rechnungen der städtischen Schatzmeister (clavaires) rekonstruieren lassen.

Die immensen Sammlungen rabbinischer responsa, wie sie für das Katalonien des 13. und 14. Jahrhunderts oder für das Italien des 16. Jahrhunderts existieren, fehlen in der Provence, so dass man sich als Historiker, abgesehen von den literarischen jüdischen Quellen, auf eine vollständig lateinische Quellengrundlage stützen muss.

Es sind daher die normativen und pragmatischen Dokumente lateinischer Provenienz, auf denen seit den in der Revue des Études Juives seit dem Ende des 19. Jahrhunderts publizierten Pionierarbeiten die regionalen Studien beruhen, ebenso wie die quantitativen Studien zum ökonomischen Leben und die jüngeren Monographien v.a. sozial- und kulturhistorischer Prägung. Sie bieten ein Panorama der jüdischen Gemeinden, nicht mehr nur für die gesamte Provence, sondern auch für das Languedoc und den Roussillon, die Cerdagne, Sardinien und die Iberische Halbinsel.

 b) Die hebräischen Texte

Das scheinbare Fehlen hebräischer Quellen für den westlichen Mittelmeerraum im Mittelalter wurde lange Zeit als gegeben akzeptiert. Dies hat sich seit einigen Jahren geändert und die Arbeit des Sammelns, der Restaurierung, Klassifizierung, der Transkription und der Übertragung „nicht-literarischer“ und „nicht kalligraphischer“ Schriften beginnt erste Früchte zu tragen und die ökonomische Anthropologie der mittelalterlichen Juden im christlichen Westen zu erneuern.

Die Bandbreite der der erhaltenen Dokumente pragmatischer Schriftlichkeit im Hebräischen ist tatsächlich sehr groß: responsa, persönliche Notizbücher (pinqassim im Hebräischen), nebst hebräischer „Urkunden“, Verträge (zweisprachige Verkaufsverträge, Schuldscheine und Quittungen, Forderungsabtretungen, Eheverträge und Testamente samt Inventaren), selbst hastig geschriebene „Kritzeleien“ am Rande lateinischer Register, deren Funktion noch zu untersuchen bleibt.

 2. Die Methode

 a)      Eine „entgetthoisierte“ Geschichte, eine vergleichende Geschichte

Eine „entgetthoisierte“ Geschichte ist eine Geschichte die sich des Erbes der „Wissenschaft des Judentums“ annimmt und den Platz der Juden in der mittelalterlichen Gesellschaft neu durchdenkt.

Der ökonomische Zugang ist hier  besonders fruchtbar. Nicht nur die Rolle der Juden im Handel, sondern auch in der Produktion im Rahmen handwerklicher und vor allem landwirtschaftlicher Unternehmungen wird in den Blick genommen. Durch ein neues Verständnis ihrer Beziehungen zu den Christen einerseits, und durch den Vergleich der jüdischen Gemeinschaften unterschiedlicher geographischer Räume andererseits wird ihr Verhältnis zum Geld, ihre unternehmerischen Techniken und ihre Integration in die civitas seitdem neu betrachtet.

Und auch in dem Maße, in dem sich die Fragen der Spezialisten der jüdischen Gemeinschaften mit jenen des Handels und der Arbeitswelt im christlichen Milieu überschneiden, gewinnt diese Geschichte an Offenheit.

 b)     Ein Beispiel zur Umsetzung: Die Frage der Zugehörigkeit der Juden zur Bürgerschaft in der christlichen mittelalterlichen Stadt

 Im christlichen Mittelmeerraum im Spätmittelalter sind die Juden in den Städten habitatores und cives. Das ist im christlichen Sizilien ebenso der Fall wie in der angevinischen Provence, und ganz besonders in Marseille, das eine der drei großen jüdischen Gemeinschaften der Grafschaft beherbergt – schätzungsweise 1000 bis 2000 Personen, d.h. ungefähr 10% der Gesamtbevölkerung  der Stadt. Hier werden die Juden in den lateinischen Dokumenten ausdrücklich als cives bezeichnet, in der gleichen Weise wie auch ihre christlichen Nachbarn. Unter der Krone von Aragon hingegen werden die Juden niemals als cives bezeichnet. Heißt das, dass ihre Lebensbedingungen jenen der Juden in Marseille diametral entgegengesetzt sind, wo sie, zumindest theoretisch, eine politische Größe in der Stadt bilden? Verweist das gebrauchte Vokabular auf einen unterschiedlichen Status, de jure wie de facto?

Antwort ?

Ob sie nun ausdrücklich als cives bezeichnet werden – wie in Marseille und, in einem gewissen Maße, auch in Mallorca – oder nicht, die Juden sind sehr wohl Mitglieder der Bürgergemeinschaft und können innerhalb der mehrheitlich christlichen Gemeinschaft der Stadt von Rechts wegen eine Bürgerschaft   in Anspruch nehmen, die theoretisch zwar durch ihre nachgeordnete Stellung begrenzt ist, die aber weit davon entfernt ist, völlig gehaltlos zu sein. Der christianitas nicht zugehörig, sind die Juden nichtsdestoweniger Teil der civitas.

 3) Neue Erkenntnisse: einige Beispiele

 a) Die Juden und die Zinsleihe: Shatzmiller neu interpretiert

Joseph Shatzmiller ist der erste Historiker, der die Bedeutung des Marseiller Juden und Geldleihers Bondavin de Draguignan, Sohn Abrahams († 1316), gesehen und ans Licht gebracht hat. Dank seines Vermögens, das auf Krediten, Seehandel und Immobilienbesitz basierte, hat sich Bondavin an die Spitze der städtischen Gesellschaft aufgeschwungen. Vom Beispiel Bondavins ausgehend, zeichnet Shatzmiller ein positives Bild des jüdischen Geldleihers. Weit davon entfernt, ein Aussätziger zu sein, ist Bondavin ehrbar und genießt das Vertrauen und die Freundschaft der Eliten der Mehrheitsgesellschaft, bereit seine Glaubwürdigkeit vor dem angevinischen Gerichtshof zu bezeugen.

Bondavins Finanzgeschäfte haben zweifellos eine ökonomische Dimension. Einerseits unterstützen sie die landwirtschaftliche Produktion, das Handwerk und den Handel. Zum anderen tragen sie zum Aufschwung des großen Kapitals und zur indirekten Finanzierung der expansionistischen Politik der von Anjou bei.

Statt zur Stigmatisierung und zur Exklusion der jüdischen Geldleiher zu führen, sind die diversen Schuldverhältnisse Bestandteile eines Systems von persönlichen Beziehungen und des Zusammenhalts zwischen den Eliten der beiden Gemeinschaften, in welchem der symbolische Wert der Transaktion deren wirtschaftliche Bedeutung deutlich übersteigt.

Die symbolische Dimension der Finanzaktivitäten Bondavins ist sowohl im vorgelagerten wie im nachgelagerten Bereich sichtbar. Der Ausdruck ex causa gracie et amoris ist keineswegs sinnentleert. Sie gehört zur „moralischen Ökonomie des Schenkens“ (Barbara Rosenwein), an der die städtischen Eliten Marseilles, die christliche wie die jüdische, Anteil haben. Mitnichten überflüssig, ist sie Teil der Freundschaftsrhetorik, die sichtbarer Zeichen bedarf. Der Erfolg Bondavins stützt sich auf die Solidarität unter Reichen, auf eine nach außen getragene Zuneigung – wie im Prozess von 1317 –, einer öffentlichen Meinung, die ihn heraushebt.

 b) Der Platz der Jude auf den mittelalterlichen Märkten: Das Beispiel Mordacays Joseph

Das lateinische Archiv Marseilles birgt einige hebräische Dokumente, die, obgleich bruchstückhaft, das Verständnis der wirtschaftlichen Aktivitäten der Juden in eine neue Perspektive rücken. Allem voran der pinqas des Mardcays Joseph. Die vorrangige Aktivität, die dieses Heft verzeichnet, ist der Korallenschnitt: Mordacays stellt die Rohstoffe zur Verfügung, die „Arbeiter“ liefern ihm die bearbeiten Korallen.

Der pinqas macht das Korallengeschäft Mordacays nachvollziehbar: er bezieht die Rohstoffe aus der Fischerei im sardischen Meer (zwischen Sardinien und den Balearen) und er stellt Korallenhandwerker an, um diese dann zu bearbeiten. Insgesamt erscheinen 14 Namen in dem pinqas, von denen fünf christlich und neun jüdisch sind.

Übersetzung: Torsten Hiltmann, Georg Jostkleigrewe, Christian Scholl

Informationen zu Marie Bouhaïk-Gironès: hier

Zum Programm im Sommersemester 2013: hier

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/797

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Kulturen & Technologien — Europäische Sommeruniversität in Digitalen Geisteswissenschaften, 22.7. bis 2.8.2013 in Leipzig

http://www.culingtec.uni-leipzig.de/ESU_C_T Um auch Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern eine aktive Teilhabe an den Digital Humanities zu ermöglichen, richtet die Universität leipzig ein wiederholtes Mal eine Sommeruniversität zu den Digitalen Geisteswissenschaften aus. Das Programm besteht aus der Teilnahme an Vorträgen, einem Workshop sowie eigenen Präsentationen und kann zertifiziert werden. Das Programm bietet hierbei sowohl die Möglichkeit, sich durch […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4482/

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Fabien Lévy (Chambéry): Vorboten der Italienischen Kriege. Der Platz Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert

deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 13. Mai 2013: Prodromes aux guerres d’Italie: la place de Gênes dans l’édifice stratégique français au XVe siècle

Mit dem berühmten Zug Karls VIII. 1494 nach Neapel schienen die Italienischen Kriege, in denen sich Franzosen und Spanier auf der italienischen Halbinsel gegenüberstanden, ganz unvermittelt zu beginnen. Ein Unternehmen, dessen Ruhm, Zeugnis der berühmten furia francese, ein katastrophales Abenteuer verschleierte, das mit der schmachvollen Rückkehr nach Frankreich endete. Dabei waren alle typischen „Zutaten“ der Italienischen Kriege bereits vorhanden: das ausgesöhnte Königreich Frankreich, ein ritterlicher König, umgeben von einem turbulenten Adel, den es im Zaume zu halten galt, militärisches Können und Truppen, wie sie nunmehr nur die großen Nationen aufbringen konnten, und schließlich und vor allem die offenkundige Anziehungskraft Italiens. Selbst die Niederlage, rasch in einen epischen Sieg umgewandelt, nahm die vielen weiteren Niederlagen vorweg, welche Frankreich auf der Halbinsel noch erleiden sollte.

Trotzdem war der Zug Karls VIII. nicht das Ergebnis einer plötzlichen Eingebung des Königs. Während des gesamten 15. Jahrhunderts, als es sich vorrangig mit England und Burgund auseinandersetzte, hatte Frankreich die italienische Halbinsel nicht vergessen. Jenseits des Getöses des Hundertjährigen Krieges wurde eine aktive Italienpolitik geführt. Der Weg, den die Franzosen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer wieder nach Neapel nahmen, wurde über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg vorbereitet und eingeübt. Der bemerkenswerte Platz, den Genua in diesem Abenteuer Karls VIII. einnahm, war kein zufälliger: Die Stadt am ligurischen Golf diente nicht nur als Sammelpunkt für einen Teil der französischen Truppen. Durch einen exorbitanten Kredit des Ufficio di San Giorgio und der Familie Sauli stellte sie auch die Finanzierung der Unternehmung sicher, bevor sie die französische Armee auf ihren Galeeren bis in den Golf von Neapel brachte. Diese strategische Stellung als Durchgangsstelle und maritimes wie finanzielles Zentrum war nicht das Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung, sondern einer – wenngleich zögerlichen und diskontinuierlichen – Konstruktion, die über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg aus Genua ein entscheidendes Zentrum in den strategischen Planungen Frankreichs machte.

Zwischen 1396 und 1512 stand Genua drei Mal unter französischer Herrschaft: von 1396 bis 1409, von 1458 bis 1461 und schließlich von 1499 bis 1512. Aus diesen Zeiten und den sie verbindenden Zwischenräumen lassen sich klar mehrere Entwicklungen ausmachen.

So fällt zuallererst das zunehmende königliche Interesse an Genua auf. In der Tat lässt sich feststellen, dass das Interesse am Besitz Genuas sich langsam von den Fürsten auf den König verlagerte. Die ersten französischen Herrschaften über Genua waren noch keineswegs der königlichen Macht geschuldet, sondern Konsequenzen der Machenschaften einzelner französischer Fürstenhäuser und ihrer italienischen Interessen. Die komplexe Situation in der Stadt und auf der italienischen Halbinsel ausnutzend, waren es 1396 und 1458 noch die Orléans und Anjous, die Genua in die Hände des Königs trieben. Seit den 1440er Jahren jedoch lässt sich seitens Karls VII. und seiner Nachfolger eine bewusste und zielstrebige Politik ausmachen, Genua in Besitz zu nehmen und zu regieren –  wobei sie nicht zögerten, etwaig störende Fürsten hierbei beiseite zu schieben. Seitdem drängte sich Genau als Stadt mit offensichtlicher strategischer Bedeutung, derer sich die Krone bemächtigen wollte und musste, für sich selbst und um in Italien intervenieren zu können, geradezu auf. Genua wurde in gewisser Weise damit Teil der strategischen Planungen der französischen Krone, um dies fortan auch zu bleiben.

Diese Entwicklung erklärt sich einerseits durch die zunehmende Herausbildung Genuas zu einem maritimen und finanziellen Zentrum. Auch hier ist die Entwicklung chaotisch, stellten die Genueser doch schon seit langer Zeit den Franzosen immer wieder Armbrustschützen und Schiffe zur Verfügung. Während der drei französischen Herrschaftsphasen wurde Genua daher rasch den Anforderungen der Fürsten und später der großen Politik der Krone unterworfen, die bei ihren Unternehmungen unermüdlich immer wieder die gleichen Zielen verfolgte: die Landung in Neapel, der Kampf gegen Engländer und Spanier, die späten Kreuzzüge. Genua erschien hierbei unentbehrlich. Zuallererst durch seine finanzielle Macht: Die Kommune, v.a. aber der Ufficio di San Giorgio finanzierten diese Unternehmungen mehr oder weniger freiwillig. Und dann aufgrund seiner maritimen Kapazitäten: Frankreich ließ zahlreiche Schiffe in Genua chartern und auch bauen, um so seine eigenen Unzulänglichkeiten wettzumachen und mit seinen besser ausgestatteten Feinden zumindest gleichzuziehen.

Genua erweiterte damit die strategischen Möglichkeiten der Franzosen und erlaubte es ihnen, sich auf der italienischen Halbinsel einzubringen. Genua erschien wie ein französischer Brückenkopf in Italien, der über Land und über See einen einfachen Truppentransport ermöglichte. Vor allem lag von Genua aus ganz Italien offen: Mailand, Florenz und, etwas weiter, Rom wurden direkt bedroht, während die Genueser Flotte es gestattete, rasch den Golf von Neapel zu erreichen und Druck auf Venedig auszuüben. So entstand im Verlaufe des 15. Jahrhunderts allmählich ein französischer Weg durch Italien, der von Genua über Mailand, Pisa und die Toskana bis hin nach Neapel führte, und der später auch während der Italienischen Kriege wieder genutzt wurde. Mehr noch: Genua gestattete es der französischen Monarchie, die Halbinsel zu verlassen und seine Kreuzzugsträume zu verwirklichen, indem es ihr mit seiner Flotte und seinen Kontoren die Wege in den Osten öffnete.

Im Endeffekt schlug sich die zunehmende strategische Bedeutung Genuas für Frankreich auch in juristischen und institutionellen Entwicklungen wieder, welche aus Genua eine französische Stadt machen sollten. Im Laufe des 15. Jahrhundert vervielfachte sich die Zahl der juristischen Traktate, welche die Zugehörigkeit Genuas zur französischen Krone bewiesen, und auch im Sprachgebrauch schlug sich nieder, dass aus den Genuesen wahrhafte und gute Untertanen Frankreichs werden sollten.

Der Platz und die Bedeutung Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert verkörpert damit in perfekter Weise das Vorspiel zu den Italienischen Kriegen. Die Stadt erschien zunehmend als das französische Tor nach Italien, Janua Janua Italiae, deutlich machend, dass die Italienischen Kriege in keiner Weise ein spontaner Prozess, sondern eine von langer Hand vorbereitete und strukturierte strategische Bewegung waren.

Übersetzung: Torsten Hiltmann, Georg Jostkleigrewe

Informationen zu Fabien Lévy: hier

Zum Programm im Sommersemester 2013: hier

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/728

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Marie Bouhaïk-Gironès (CNRS / Paris IV): Für eine Sozialgeschichte des spätmittelalterlichen Theaters. Akteure und Praktiken

(Pour une histoire sociale du théâtre à la fin du Moyen Age. Acteurs et pratiques)
deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 15. April 2013.

1. Das Forschungsvorhaben

Mein Forschungsprojekt widmet sich generell dem Theater als einem acte de travail, als einem Schaffensprozess und einer beruflichen Tätigkeit. Durch eine Verschiebung des Erkenntnishorizontes von der traditionellen Theatergeschichte hin zu  einer  Untersuchung der Theaterpraxis, durch die Historisierung der Forschung zu den formalen Strukturen der Stücke sowie eine besondere Berücksichtigung des Beitrags der Schauspieler und anderer Träger soll so ein neuer Zugriff auf die Geschichte des mittelalterlichen Theaters ermöglicht werden. Das Projekt basiert auf der Annahme, dass die Aufführungspraxis eine professionelle Tätigkeit darstellt, ausgeführt von Personen, welche über ein spezifisches Handlungswissen verfügen und ihre Arbeit gemeinschaftlich zu organisieren verstehen. Es geht mir also um eine Geschichte der Berufsausübung des mit dem Theater befassten Personals und damit einhergehend um eine kritische Auseinandersetzung mit der in der bisherigen Forschung verbreiteten Vorstellung vom “vormodernen Theater”.

In der weitgehend textzentrierten Forschungstradition wird das mittelalterliche Theater noch immer als ein literarisches Genre verstanden, während es sich, historisch gesehen, vielmehr genau andersherum verhält: Die Literatur ist Teil des Theaters, genauer gesagt der konkreten Theatervorstellung bzw. Aufführungspraxis. Mein Ansatz besteht darin, den ursprünglichen Kontext wiederherzustellen und zu dem zurückzukehren, was die Quellen erkennen lassen: nämlich die Schauspieler und die jeweiligen Aufführungspraktiken in ihrer zeitlichen Bedingtheit. Denn nur in Verbindung mit der Alltagsrealität von Theatertruppen, mit der Ausbildungspraxis und der Vermittlung von Handlungswissen, als kasuistische Arbeitstechnik der Juristen und bevorzugte Form der Parodie, lässt sich die Theaterpraxis des 12.-16. Jahrhunderts in einem angemessenen Analysekontext würdigen: dem der Geschichte der öffentlichen Rede, ihrer Aneignung, ihrer Ausübung, ihrer Legitimation und ihres Status.

Um das mittelalterliche Theater, dessen Erforschung sich viel zu oft allein auf die Modalitäten seiner Verschriftlichung beschränkte, als Forschungsgegenstand aus seiner Isolation zu befreien, muss das Theaterschaffen im continuum professioneller und sozialer Praktiken verortet werden, indem man die Theateraufführung in die Reihe der politischen Praktiken eingliedert und damit in seinen breiteren Kontext. Es geht nicht nur darum, zu verstehen, was sich während der Theatervorstellung abspielt, darauf abhebend, dass die Vorstellung ein Publikum zusammenführt. Es geht vor allem darum zu begreifen, was sich davor und was sich danach ereignet. Entsprechend soll bei der Auseinandersetzung mit den theatralen und performativen Praktiken des späten Mittelalters die ‚Theatervorstellung‘ als viel zu enger Rahmen aufgegeben werden, um den Blick auf das zu richten, was zwischen den Vorstellungen passiert.

 2. Ist die Geschichte der Schauspielkunst die Geschichte einer Professionalisierung?

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Theaterschauspieler im Mittelalter, der konkreten Organisation ihrer Inszenierungen und ihrem sozialen und rechtlichen Status, stellt ein Forschungsdesiderat dar, das eine Lücke in der Untersuchung der Sozialgeschichte der Theater- und Aufführungspraxis in der Vormoderne schließt. Deren Erforschung wurde zum Teil auch durch den verbreiteten Mythos behindert, der die Entstehung der professionellen Schauspielkunst erst am Beginn der Moderne verortet – ohne dass dabei die Frage nach der “Professionalität” eines Schauspielers jemals wirklich gestellt wurde. Dieses Paradigma führt zu einem Teufelskreis: Vor der Entstehung des Schauspielers gibt es keinen Schauspieler! Die in der Theatergeschichtsschreibung vorherrschende Meinung ist deutlich von einer evolutionären Sicht auf die Geschichte des Schauspielers geprägt, welche diese vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert als eine Fortschrittsgeschichte vom Amateurhaften hin zum Professionellen beschreibt. Sie postuliert die Geburt des Schauspielers im Italien der Mitte des 16. Jahrhunderts, von wo aus diese neue Figur auch in die anderen Regionen Europas vordringt, um mit dem „comédien français“ im 17. Jahrhundert schließlich zu ihrem Höhepunkt zu gelangen. Doch kann man diesen blinden Fleck mehrerer Jahrhunderte von Theatergeschichte nicht erhellen, indem man den Beginn des Professionalisierungsprozesses  ins  Mittelalter vordatiert. Vielmehr gilt es, die falschen Selbstverständlichkeiten, die Beliebigkeit der gebrauchten Kategorien und die in der bisherigen Theatergeschichte etablierten Zäsuren genauer zu hinterfragen, indem man den Rahmen für eine methodische Kritik an der traditionellen Gegenüberstellung zwischen Amateurtheater und professionellem Theater und damit zwischen mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Theater absteckt. Auf diese Weise kann die gesamte Theatergeschichtsschreibung hinterfragt werden, die der Periode einer nicht endenden Genese des Theaters zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert jener seiner ruhmreichen Entstehung im Italien, England, Spanien oder Frankreich der Frühneuzeit gegenüberstellt. Es geht darum, eines der größten Missverständnisse der Theatergeschichte zu verstehen und die terminologischen und konzeptuellen Ambiguitäten aufzudecken, welche diesem zugrundeliegen. Ganz besonders geht es darum, die Geschichte des Schauspielers nicht mit der seiner Professionalisierung zu verwechseln bzw. sie auf diese zu reduzieren, sowie den Aussagewert der nationalen Betrachtungsweise für das Verständnis dieser Art von Problemen in Frage zu stellen.

Während man bisher davon ausging, dass die ältesten Verträge von Pariser Theatertruppen in das Ende des 16. Jahrhunderts datieren, haben die Archive der Pariser Notare nun mehrere Verträge aus dem 15. Jahrhundert zu Tage befördert, in denen sich mehrere Schauspieler nach dem Modell der societas zusammenschlossen. Deren Untersuchung erlaubt es, die Frage nach der Entstehung professioneller Schauspieltruppen neu zu stellen (der älteste bisher gefundene notarielle Vertrag einer auf Farcen spezialisierten Pariser Schauspieltruppe ist in einer Urschrift vom 2. März 1486 überliefert). Die Vertragspartner, meist zwischen vier und fünf, schlossen sich für die Dauer eines Jahres zusammen, um gemeinsam zu spielen. Dabei folgen die Notariatsakte der Standardform von Handelszusammenschlüssen, wie sie im Rahmen professioneller und gewerblicher Tätigkeit eingeführt waren. Diese Gesellschafterverträge existieren in Frankreich seit dem 13. Jahrhundert und bereits seit dem 11. Jahrhundert in Italien in Form der societas, der Vereinigungen von Kaufleuten (colleganza) oder Handelskompanien. Einzelpersonen schließen sich zusammen, um Gewinne und Verluste zu vergemeinschaften. Abgesehen von den Zunftregeln war die Arbeit im ausgehenden Mittelalter nicht geschützt. Zusammenschlüsse in Form von „associations“ waren daher in zahlreichen Berufsbranchen gängige Praxis. Jedoch ging die Tätigkeit der Schauspieler nicht – wie viele andere – in die Ordnung der Gewerbe ein.

Abgesehen davon, dass sie ein Jahrhundert früher als die bisher für Frankreich bekannten Verträge datieren, nehmen diese Pariser Notariatsakten ohne Zweifel auch den berühmten Assoziationsvertrag von acht Gesellschaftern in Padua vom Februar 1545 vorweg. Diese Urkunde veranlasste die Theaterhistoriker, die Geburt der commedia dell’arte und damit den Beginn des professionellen Theaters zu datieren. Oft diente dieses Dokument dazu, die vorherrschende These von der einflussreichen Rolle des italienischen Theaters des 16. Jahrhundert bei der Entstehung des „modernen Theaters“ zu untermauern. Der vertragliche Zusammenschluss der Schauspieler ist jedoch kein Beleg für deren Professionalisierung. Die Schauspieler, egal wie oft sie auf der Bühne stehen, bedienen sich, wie alle anderen in einem Geschäft aktiven Personen, der ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel, um ihre Aktivitäten zu organisieren.

Diese Pariser Verträge sind kein Beleg dafür, dass es im Frankreich des 15. Jahrhunderts professionelle Schauspieler gab. Doch sie bezeugen, dass die Theateraufführung ein kommerzieller Akt ist. Die Entdeckung dieser frühen Veträge sollte uns daher weder dazu anhalten, den nationalen Rahmen für die Entstehung des modernen Theaters zu ändern, noch dazu, den Zeitpunkt des Aufkommens der ersten professionellen Theatergruppen und damit den Beginn des historischen Prozesses der Professionalisierung um einige Jahrzehnte vorzuverlegen. Vielmehr sollte sie Anlass dazu sein, den Beweischarakter, den die bisherige Forschung dieser Art von Dokumenten in Bezug auf die Professionalisierung der Schauspielkunst im 16. Jahrhundert zugewiesen hat, zu hinterfragen. Die „Professionalisierung der Schauspielkunst im 16. Jahrhundert“ ist ein Gemeinplatz, der das Forschungsfeld einengt.

Die spätmittelalterliche Schauspielkunst ist nur wenig institutionalisiert und kaum professionell zu nennen. Und sie bleibt dies auch, über alle Jahrhunderte hinweg. Statt dessen muss man an einer Geschichte der „kleinen Schritte“ arbeiten: Statt sich auf eine „Zäsur“, auf einen bestimmten Zeitpunkt als der „Geburt“ des professionellen Schauspielers zu konzentrieren, sollten vielmehr die Veränderungen in der Rekrutierung, der Ausbildung, in den Arbeitsbedingungen, den Netzwerken, in der Art der Mehrfachtätigkeit und das sich wandelnde Konzept von ‚Professionalität‘ im Fokus der Aufmerksamkeit liegen. Um sich besser dem tatsächlichen sozialen Handeln der Schauspieler nähern zu können, muss man sich auf den Grad ihrer Einbindung in Netzwerke (hinsichtlich der Frequenz und der Intensität) und auf den Produktionsprozess einer Theateraufführung stützen. Als ein Gemeinschaftswerk par excellence bietet die Theatervorstellung ein besonders geeignetes Forschungsfeld für die Erkundung von Handlungen, Techniken, Wissen und Konventionen, für die Untersuchung von Vereinigungen, Kooperationen und Netzwerken, die hierfür notwendig sind, sowie für eine Analyse der „Produktionskette“ des Kunstwerkes. Die Aufmerksamkeit sollte ebenso den vertraglichen und rechtlichen Bedingungen gelten, in denen sich die Schauspieler befanden, wie den wechselseitigen Beziehungen in der Welt des Theaters (Aktivitäten, Netzwerke, Kooperationen, Übereinkünfte).

Übersetzung: Torsten Hiltmann, Karin Becker

Informationen zu Marie Bouhaïk-Gironès: hier

Zum Programm im Sommersemester 2013: hier

 

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/708

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Kolloquium: "2000 Jahre danach. Der Auerberg und der Beginn der römischen Besiedlung in Südbayern."

Am Samstag, den 13. April 2013, 10.00 - 21.00 Uhr, findet ein öffentliches Kolloquium zum Thema "2000 Jahre danach. Der Auerberg und der Beginn der römischen Besiedlung in Südbayern." statt. Veranstaltungsort ist die Auerberghalle in Bernbeuren. Ein Einladungsschreiben, das Programm und einen Flyer zur Veranstaltung sowie Informationen zur Anmeldung können auf der Seite des Auerbergmuseums abgerufen werden.

Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/03/kolloquium-2000-jahre-danach-der.html

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Misères de la condition royale en Occident (XIIIe-XVe siècles) (Gilles Lecuppre)

Die Nöte des königlichen Daseins im spätmittelalterlichen Europa

14. Juni 2010

Deutschsprachige Zusammenfassung

Die mediävistische Forschung hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr dem Aufbau der Monarchie zugewandt. Ob eine allmähliche Genese des modernen Staates beschrieben oder die Feinheiten der Propaganda entschlüsselt wurden, den Studien lag dabei stets die Vorstellung eines allgemeinen politischen Konsenses zugrunde. Vielleicht so sehr, dass man vergaß, dass Politik immer auch Konflikt bedeutet, in dessen Zentrum mehr denn je der Titel des Königs stand. Weder der juristische, administrative oder fiskalische Apparat noch die Ausarbeitung klarer Nachfolgeregelungen oder die für die Funktion beanspruchte Sakralität konnten den König vor Staatsstreichen und anderen Bedrohungen bewahren. Die Konzentration immer größerer Gewalt geht stets mit immer höheren Ansprüchen an den Souverän einher: Die Zentralisierung politischer Autorität führt zur Zentralisierung des politischen Konfliktes. Und auch die schwindelerregende Höhe, in welche das ideale Königtum gehoben wurde, verlangt nach einem Monarchen, der diesem heiklen Amt gewachsen war. Beides trägt zu einer neuen Radikalität des Widerstandes bei.

In den Ereignissen selbst wie in der Historiographie ist es das Schicksal des Königs, bedrängt zu werden. Die christliche Moral fordert, dass der Inhaber der obersten Gewalt stetig an Menschlichkeit und Bescheidenheit erinnert werde: Widrigkeiten sollten ihm besonderer Ansporn sein. Die Zeitgenossen werden kaum vergessen: „Des Königs Herz ist in der Hand des HERRN wie Wasserbäche, und er neigt es, wohin er will“ (Spr. 21,1).

Ein Ziel des Beitrages ist es zu zeigen, dass auch die Erfahrungen des Bürgerkrieges – neben dem Hang der politischen Gesellschaft zur Figur des väterlichen Königs – zum Aufstieg der westlichen Monarchien beigetragen haben.

I. Schwächen und Unheil der Könige

1. Gefahren durch Geschlecht und Alter

Zehn Prozent der königlichen Nachfolger in den letzten drei Jahrhunderten des Mittelalters sind Frauen. Doch wird die weibliche Thronfolge zumeist als Krise wahrgenommen, die damit oft zersetzende Kräfte freisetzt. Davon zeugen die Ereignisse um Johanna von Konstantinopel um 1225. Die Erbin der Grafschaften Flandern und Hennegau, die von 1205 bis 1244 regierte, sah sich einem allgemeinen Aufstand ihrer Vasallen und Städte gegenüber. Ausgelöst wurde dieser durch Intrigen im Zusammenhang mit einem Betrüger, der im Land erschien und sich als ihr Vater Kaiser Balduin von Konstantinopel ausgab. Johanna musste sich letztlich an den König von Frankreich als ihren obersten Lehnsherren wenden, um ihre Autorität wieder herzustellen. Noch länger dauerte es, ihren Ruf wiederherzustellen.

Trotz der ständigen Anstrengungen, die Nachfolgeregelungen auf die Primogenitur hin zu verengen, war auch die Regierung eines Kindes bzw. die Regentschaft in dessen Namen häufig Umstürzen jedweder Art ausgesetzt. Meist zugunsten des väterlichen Onkels, der aufgrund seines Alters Sicherheit bot, aber auch, nach unserem Verständnis eher paradox, für die dynastische Kontinuität stand.

2. Unzulänglichkeiten der Existenz und des Körpers des Königs

Der König konnte nicht frei über seinen Körper verfügen und in den Auseinandersetzungen zwischen Parteiungen oder auswärtiger Mächte zum Unterpfand neu gefundener Gleichgewichte werden. Während der Regierung Karls VI. von Frankreich (1380-1422) wurden der Könige und dessen Söhne mehrfach seitens der Partei der Armagnacs entführt. Ein Vorgang, der nicht durch das Verbrechen der Majestätsbeleidung abgedeckt und von seinen Autoren als simple Varianten der Mobilität des Königs dargestellt wurde.

Seit Ende des 13. Jahrhunderts bot sich der englischen Diplomatie der Raub schottischer Prinzen oder der Thronkandidaten als probates Mittel an. Sie konnte damit zugleich an die ständige Bedrohung erinnern, welche die Engländer über das kleine Königreich ausübten und welches sie sich gern zum Untertan gemacht hätten.

Auch über seinen Tod konnte der König nicht frei verfügen. Die Historiographie wie die Feinde der Krone wussten ihn ganz nach ihren eigenen Interessen zu verwerten. Wilhelm, Graf von Holland und römischer König (1247-1256), hätte dem großen Interregnum ein Ende setzen und die Kaiserkrone ergreifen können. Doch fand er im Kampf gegen das unedle Volk der Friesen ein tragisches Ende: Das Eis eines zugefrorenen Sees gab unter dem Gewicht seines Pferdes nach. Die Kirchenmänner bemächtigten sich dieses Ereignisses, um an die Ungewissheit auch des Lebens der Großen zu erinnern.

Trotz der Verschärfung der Rechtsprechung gegen den Verrat war es im 13. Jahrhundert gebräuchlich, die Neuigkeit vom Tod des Königs in Umlauf zu bringen um somit dessen Anhängerschaft aufzulösen – ein weiterer Beleg für die persönliche Natur von Gehorsam und dessen Schwächen.

3. Verzicht und Delegation

Die Ausübung von Macht ist nicht immer erstrebenswert. Einige Potentaten zogen es sogar vor, ihr in Ermangelung der notwendigen Mittel und Sicherheiten den Rücken zu kehren. Die Päpste, die sich im 13. Jahrhundert gern in der Rolle der Hüter der Königtümer sahen, hatten es bisweilen schwer, geeignete Kandidaten zu finden.

Andere versuchten, ihre Macht zu delegieren. Doch selbst das wurde ihnen oft mit dem Verweis auf die Verpflichtungen versagt, die sie während des Eids bei der Salbung eingegangen waren. Vielmehr schuldeten sie einem jeden ihrer Barone die gleiche Zuneigung: So loyal sich ein Günstling auch zeigen mochte, in den Augen des Adels und der Chronisten war er stets des Verrats schuldig.

Trotz der Abscheu, welche die mittelalterlichen Menschen gegenüber Uneinigkeit und Teilung als Zeichen des Bösen hegte – die Gelegenheiten, welche den König sich ein alter ego wählen oder erdulden sahen, waren nicht selten: die Regentschaften einmal ausgenommen, konnte der Monarch zusammen mit seiner Ehefrau, seinem Bruder, seinem Sohn, seinem Günstling, seinem wichtigsten Berater oder seinem Feind als Gespann auftreten, und selbst mit einem Betrüger als Wiedergänger eines früheren Königs. Nicht immer gelang es durch Gewalt und Krieg, alle Gegensätze zu beseitigen. Zog sich der Konflikt in die Länge, mussten neue Formen der Teilung erfunden werden: Aufteilung des Territoriums, internationale Schlichtung, neuartige Formulierungen von Unterwerfung etc.

II. Rivalität um die Königskrone

Die Zeitgenossen hüteten sich davor, von Zwiespalt zu sprechen, und mehr noch, ihn zu denken – und dennoch ist er in der Monarchie häufig anzutreffen. Allein das 13. Jahrhundert, das gern als klassisch bezeichnet und mit der Perfektion seiner Kathedralen und seiner theologischen Summen gleichgesetzt wird, ist über das ganze Abendland hin von königlichen Schismen durchzogen, die Wahlkönigtümer ebenso trafen wie dynastische Thronfolgen.

Lange Zeit bildete das Königreich Frankreich eine Ausnahme. Die zeitgenössischen Autoren betrachten die mittlerweile chronische Zersplitterung im Reich mit Belustigung, vor allem aber mit viel Stolz, bis zu dem Zeitpunkt, als die Kapetinger in direkter Linie ausstarben und man sich an die Wahl eines Nachfolgers machen musste (1328). Diese Wahl wurde ihrerseits in Frage gestellt, während auch die englischen und navarrischen Verwandten Ansprüche auf den Thron anmeldeten.

III. Zwielichtige Praktiken der Monarchie

Die Fortschritte der königlichen Herrschaft kann man schließlich auch als eine „Domestizierung“ zweifelhafter und unmoralischer Praktiken verstehen, die von den traditionellen Fürstenspiegeln abgelehnt wurden.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von Thomas von Aquin neu definiert, macht der Skandal die Sünde publik. Seine Untersuchung in den königlichen Häusern erlaubt es die Meisterschaft aufzuzeigen, welche die Fürsten gegenüber diesem a priori zerstörerischen Phänomen entwickelten: Auf ihre Initiative wichen die Grenzen des Akzeptierbaren zurück. Die Entscheidung für den Skandal statt für das Schweigen konnte dazu beitragen, eine Politik zu unterstützen (wie beim Skandal um die Tour de Nesle unter Philipp IV. den Schönen, 1314) und seine rituelle Beilegung konnte als Zeichen für die Zuneigung zum Monarchen interpretiert werden (wie nach dem Bal des Ardents am französischen Königshof, 1393).

Das Abgleiten ins Tyrannische, das potentiell jede Monarchie treffen konnte, vor allem aber jene, die aus einem Staatsstreich hervorgegangen waren, zeichnete sich insbesondere durch eine große Zahl von Komplotten aus. Der geschickte Souverän wusste diese aber nicht nur abzuwehren, sondern auch selbst einzufädeln, um auf diese Weise seinen Einflussbereich zu erweitern, vor Opposition zu warnen oder die Zuneigung seiner Untergebenen zu steigern, die bisweilen sogar bereit waren, imaginäre Verschwörungen niederzuwerfen.

Ein weiteres neues Element am Ende des 15. Jahrhunderts ist die Fähigkeit der Regierenden, Gerüchte gezielt zu steuern. Neben den autorisierten Informationskanälen und der Propaganda wurde im Rahmen der politischen Kämpfe gegen Fürsten und Städte dieser Umweg mit zunehmender Fertigkeit gewählt. So betrachtet, hatten die Könige in der Phase der Bürgerkriege Vieles dazugelernt, was ihre Handlungsmöglichkeiten im Falle eines Konfliktes erheblich erweiterte.

Ende des 15. Jahrhunderts stellten sich Humanisten in den Dienst der Monarchen, um mit Hilfe einer neuen und glanzvollen Sprache oder mit dem schmeichelhaften Vergleich mit Gestalten antiker Mythen deren Legitimität Ausdruck zu verleihen. Sicherlich ein geschicktes Ansinnen: Denn wie erst das Monster den Helden zum Helden machte, so machte erst die Prüfung den König zum König.

Informationen zu Gilles Lecuppre: hier
Zum Programm im Sommersemester 2010: hier

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/256

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