SdK 80: Michaela Maria Hintermayr über Suizid

SdK80Suizidales Verhalten gilt in vielen Gesellschaften seit Jahrhunderten als moralisch verwerflich und wurde lange Zeit kriminalisiert. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde Suizid als Phänomen zunehmend mit Hilfe der Kategorie Geschlecht erklärt und rückte in den Fokus der neu entstandenen Soziologie. Das spiegelt sich dementsprechend in statistischen Analysen wider: Die Mehrzahl der Suizide werden von Männern begangen, die sich mit “harten” Methoden, wie Schusswaffen, das Leben nehmen. Die “weichen” Methoden, wie Gift, hingegen werden von Frauen bevorzugt. Die Historikerin Michaela Hintermayer untersucht den Zusammenhang zwischen suizidalem Verhalten und Geschlechtlichkeit. Sie erklärt, warum Suizid von Frauen häufig pathologisiert wurde, in dem körperliche Erklärungen für ihr Verhalten herangezogen wurden, während der Suizid von Männern als ernsthaftes, gesellschaftliches Krisensymptom interpretiert wurde.

LinklisteMichaela Maria Hintermayr, SdK 3: Evelyne Luef über Suizid in der Frühen Neuzeit, Ego-dokument (Wikipedia), Frauenbewegung (Wikipedia), Vergiften oder Erschießen? Gastbeitrag ORF-Science, Prozess wegen tödlicher Folge einer Tiefschlaftherapie, Katharina Walgenbach, Biopolitik (Wikipedia)



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Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk80

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SdK 80: Michaela Maria Hintermayr über Suizid

Suizidales Verhalten gilt in vielen Gesellschaften seit Jahrhunderten als moralisch verwerflich und wurde lange Zeit kriminalisiert. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde Suizid als Phänomen zunehmend mit Hilfe der Kategorie Geschlecht erklärt und rückte in den Fokus der neu entstandenen Soziologie. Das spiegelt sich dementsprechend in statistischen Analysen wider: Die Mehrzahl der Suizide werden von Männern begangen, die sich mit "harten" Methoden, wie Schusswaffen, das Leben nehmen. Die "weichen" Methoden, wie Gift, hingegen werden von Frauen bevorzugt. Die Historikerin Michaela Hintermayer untersucht den Zusammenhang zwischen suizidalem Verhalten und Geschlechtlichkeit. Sie erklärt, warum Suizid von Frauen häufig pathologisiert wurde, in dem körperliche Erklärungen für ihr Verhalten herangezogen wurden, während der Suizid von Männern als ernsthaftes, gesellschaftliches Krisensymptom interpretiert wurde.

Quelle: http://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk80

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“Burchardt, Hans-Jürgen u.a. (Hrsg.) (2012): Sozialpolitik in globaler Perspektive” – Eine Rezension von Katharina Hartl

Die Beschäftigung mit Sozialpolitik und Wohlfahrt in Ländern des globalen Südens ist ein relativ junges Forschungsfeld. In unseren Breiten setzte sie erst Ende der 1980er Jahre, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der neoliberalen Wende, ein. Bis heute orientiert sie sich … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7393

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Brandenburgische Creditive (1630)

Der Erfolg einer Gesandtschaft hängt nicht zuletzt von einer guten Vorbereitung ab – dies war bereits in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs so. Natürlich stand eine inhaltliche Vorbereitung an erster Stelle. Man gab einer Delegation möglichst genaue Instruktionen auf den Weg, damit sie wußte, in welchem Rahmen sie Verhandlungsspielraum besaß. Nicht minder wichtig war es aber auch, sich bereits im Vorfeld über das personelle Umfeld Gedanken zu machen, das die Gesandten antreffen würden. Auf wen würden sie treffen, mit wem sollten sie Kontakt suchen, wem würden sie vertrauen können? Wie diese Fragen zu beantworten waren, läßt sich beispielhaft an den „Creditiven“ ablesen, die der Kurfürst von Brandenburg für seine Abgesandten auf den Kurfürstentag von Regensburg im Jahr 1630 ausstellte.

Mit einem Creditiv ist zunächst eine Beglaubigung gemeint, mit der ein Fürst bestätigte, daß der Gesandte, der dieses Schriftstück vorlegen würde, auch tatsächlich mandatiert war. Entsprechend enthielten die brandenburgischen Creditive für Regensburg allesamt die Bitte an den Adressaten, daß sie dem Anbringen der namentlich vorgestellten Gesandten, „gleich es von vns selbst geschehe, volkommen glauben beymessen“. Letztlich waren diese Dokumente also entscheidend für die Akkreditierung der Abgeordneten.

Genau diese Funktion – und nicht mehr – erfüllten die Creditive, die an den Kaiser und die katholischen Kurfürsten ausgestellt waren (Natürlich wurde für jeden Kurfürsten ein eigenes Schreiben ausgestellt; ein pauschales Creditiv für alle wäre der Dignität dieser Reichsfürsten nicht angemessen gewesen.). Den Unterscheid zeigt das Creditiv an Kursachsen. Hier wurde über den üblichen formalen Rahmen hinausgehend festgehalten, daß die brandenburgischen Gesandten Befehl hätten, „nicht allein ein vnnd das andere anzubringen, Sondern auch in allen was vorgehet vertrawliche communication zupflegen“. Das Signal war eindeutig: Brandenburg wollte sich enger mit Kursachsen abstimmen und war entsprechend im Rahmen der Verhandlungen zu einem intensiven Informationsaustausch bereit.

Dieses Ansinnen fiel nicht vom Himmel, hatten doch beide Reichsfürsten kurz vor dem Regensburger Kollegialtag in einer eigenen Konferenz in Annaberg einer solchen Kooperation den Weg ebnen wollen. Das Creditiv knüpfte nun an diese Beratungen an und signalisierte den brandenburgischen Willen, diese neue Politik tatsächlich umzusetzen. Auch Kursachsen hatte seine Deputierten entsprechend instruiert, und wie sich im Verlauf der Regensburger Beratungen zeigen sollte, haben sich die Gesandtschaften beider Kurfürsten tatsächlich ausgetauscht (Überliefert sind diese Materialien in GStA PK, I. HA Rep. 12, Nr. 147).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/560

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Nikola Langreiter: Weibliches Handarbeiten – zwischen Notwendigkeit und Überfluss…

Schade, dass ich da Pragbedingt nicht kommen kann:

Vortrag: Weibliches Handarbeiten - zwischen Notwendigkeit und Überfluss
Do, 16.10.2014, 18:00

Im Rahmen der Austellung Arbeiten ruthenischer Flüchtlinge im Ersten Weltkrieg: Stick- und Knüpfmusterstücke (Objekte im Fokus), die noch bis 02.11.2014 zu sehen ist!

Von Nikola Langreiter
Europäische Ethnologin, Textilservice Wortstellerei, Lustenau

Das Selbermachen mag auf den ersten Blick harm- und belanglos scheinen. Doch viele rezente soziale, kulturelle, politische und ökonomische Entwicklungen kommen in diesem Phänomen zum Ausdruck. Strategien des Umgangs mit diesen Entwicklungen lassen sich beobachten und Erkenntnisse über Kultur und Gesellschaft gewinnen. Ganz allgemein wird gefragt, warum Menschen jeweils selber machen und wie sie das in ihren Bedeutungshaushalt einbauen. Die aktuelle DIY-Welle ist ambivalent: Selbermachen passt zu neoliberalen Konzepten (Entrepreneurship, Eigenverantwortung) und kann zugleich als Widerständigkeit interpretiert werden (Konsumverweigerung, ökosoziale Verantwortung, Selbstbestimmung). Neben dem traditionellen Handarbeiten und Heimwerken sind die neuen DIY-Nischenökonomien und auch das Radical Crafting hier ein Thema.

Anhand von Beispielen aus diesen unterschiedlichen Feldern des Selbermachens beleuchtet der Vortrag Sinnstiftungen der Akteurinnen und Akteure sowie das Spannungsfeld Notwendigkeit und Überfluss.

Die Vortragende war von 1995 an vor allem freiberuflich als Kulturwissenschaftlerin tätig; Vertragsassistenzen an den Universitäten Wien und Innsbruck, Lehraufträge ebendort und am IFF/Universität Klagenfurt; dazwischen Verlags- und Redaktionsarbeit. Forschungsschwerpunkte: Biografieforschung, Tourismus im Alpenraum, Wissenschaftskulturen, DIY – mit einem anhaltenden Interesse für Geschlechterfragen; betreibt seit 2014 die Wortstellerei: http://www.wortstellerei.at

http://www.volkskundemuseum.at/jart/prj3/volkskundemuseum/main.jart?content-id=1360933676396&rel=de&article_id=1406530110276&event_id=1406530110297&reserve-mode=active

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022218162/

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Ein Plädoyer für die alten Sprachen

Schafft Nordrhein-Westfalen demnächst die Latinumspflicht für das Gymnasiallehramt ab? – Dies fordert zumindest eine Online-Petition des AStA der Uni Bochum. In einer Juli-Ausgabe der ZEIT hat Moritz Fastabend, AStA-Vertreter besagter Hochschule, seine Position vertreten.1 Christian Baldus von der Uni Heidelberg sprach sich an gleicher Stelle dafür aus, die Latinumspflicht beizubehalten. Seine Argumente: Latein fördere die analytische Sprachkompetenz und die begriffliche Präzision, nicht zuletzt auch in der Muttersprache. Kürzlich sprang Andreas Frings vom Historischen Seminar der Uni Mainz Baldus in einem Blog-Beitrag zur Seite und […]

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/1005

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Die Open Access Week in Frankreich #OAWfr14

2886340385_fabfa7acda_z“Everywhere” steht ganz oben auf der Internetseite der diesjährigen Open Access Week. Damit wird doppeldeutig auf das Konzept der Woche verwiesen: Zum einen geht es um den unbeschränkten Zugang zu Informationen und Dokumente, zum anderen findet diese Woche (vom 20. bis zum 26.  Oktober 2014) wirklich überall, auf der ganzen Welt, statt. In Frankreich startete die Open Access Week eine Woche früher und geht über zwei Wochen. Am Montag, den 13. Oktober, fand beispielsweise in der Ecole des Mines in Nantes ein Informationstag statt, der sich ganz um das offene Archiv HAL Mines Nantes drehte, eines der offenen Archive von HAL zur Selbstpublikation für Wissenschaftler. Ebenso standen Fragen rund um Autorenrechte und die Sichtbarkeit von Forschung auf dem Programm. In den nächsten beiden Wochen finden in ganz Frankreich zahlreiche Veranstaltungen statt. Das komplette Programm ist auf der Internetseite der Open Access Week France verfügbar.

Um nur einige Veranstaltungsbeispiele zu geben: Am 17. Oktober findet in Lyon eine Diskussionsrunde zum Thema Publizieren im Open Access und zu den Möglichkeiten für Forschende und die Wissensverbreitung statt. Wer mehr über Suchstrategien zu Open Access Publikationen wissen möchte, ist am 20. Oktober im Workshop an der Université Pierre et Marie Curie richtig. Einige der Veranstaltungen richten sich explizit an den wissenschaftlichen Nachwuchs, die Diskussionsrunde der Doktorandenvereinigung “Hack Your PhD”, ebenfalls am 20. Oktober, ist ein Beispiel dafür. Es sind aber auch ganz allgemeine Informationsveranstaltungen für diejenigen dabei, die sich für Open Access interessieren und mehr wissen möchten, wie der Abend im Espace Pierre Gilles de Gennes. Parallel zu den großen Events sind zudem Ausstellungen, Seminarsitzungen und Caférunden organisiert worden.

Für diejenigen, die nicht live dabei sein können, werden einige Veranstaltungen (z.B. die Vorträge zu neuen Publikationsmodellen) als Video online zu Verfügung gestellt. Die Open Access Week France hat im Übrigen einen eigenen Hashtag, der die nächste Zeit für viel Lesestoff sorgen wird: #OAWfr14

Dieses Video wurde auf der Homepage der Open Access Week France veröffentlicht und erklärt in unter vier Minuten die Vorteile von Publikationen im Open Access:

Das Ziel von Open Access? Freie und sofortige Publikation von Forschungsergebnissen im Internet sowie deren freie Weiterverwendung. Und: Nichts geringeres als die Forschung zu verändern, so die Organisatoren der Woche auf der Homepage der Open Access Week.

Auch das DHIP setzt sich für Open Access ein und hat verschiedene Projekte, beispielsweise die Publikationsreihen Francia-Recensio und Trivium, einige Wissenschaftsblogs und Erschließungsprojekte (ganz aktuell: Die Korrespondenz der Constance de Salm). Zudem werden am Institut regelmäßig Seminarreihen und Veranstaltungen zu dem Thema organisiert. Die verschiedenen Projekte des DHIP hat Mareike König anlässlich der Open Access Week im vergangenen Jahr zusammengefasst[1] .

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Abbildung: Open von cobalt123, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

  1. Mareike König, Das DHIP und Open Access – ein Überblick zur Open Access Woche #oaweek13, in: Digital Humanities am DHIP, 23.10.2013. http://dhdhi.hypotheses.org/2040

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2293

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Film.Stadt.Wien

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMFilmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/104/
Filmstill: Arbeiter auf der Ringstrasse:  VIENNE EN TRAMWAY 1906 (ÖFM)  http://stadtfilm-wien.at/film/47/

Filmstill: Arbeiter auf der Ringstrasse:
VIENNE EN TRAMWAY 1906 (ÖFM) 

A transdisciplinary exploration of Vienna as a Cinematic City

Von einer „Filmstadt“ Wien zu sprechen, ist im Grunde paradox, verfügte Wien doch – die kurze Zeitspanne zwischen 1919 und 1922 ausgenommen – weder über eine nennenswerte Filmindustrie noch gehörte „Film“ jemals zu den ersten und wichtigsten Assoziationen, die Besucher ebenso wie Einwohner mit der Stadt in Verbindung brachten. Nicht ohne Grund: Weist doch die Mehrzahl der populären Bilder und Vorstellungen, die das globale Image der Stadt dominieren, in eine Zeit vor der Erfindung des Films. Von einem „gemütlichen Wien“ im Gegensatz zu einem „verständigen Berlin“ war bereits in der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts die Rede; die Selbstvermarktung als „Musikstadt“ – sowohl in der klassischen Spielart wie auch in der populären Ausprägung – war ein Produkt des späten 19. Jahrhunderts; und die nostalgische Verklärung der imperialen Vergangenheit, die bereits kurz nach dem Untergang der Monarchie 1918 einsetzte, aktualisierte nur eine seit dem Biedermeier ebenfalls als Wien spezifisch imaginierte Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es niemals gegeben hat.

 

Filmstill: Umzug der slowakischen Minderheit in Wien, Favoritenstrasse: 1. MAI 1929 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/16/

Filmstill: Umzug der slowakischen Minderheit in Wien, Favoritenstrasse: 1. MAI 1929. Anonyme Amateuraufnahmen von Umzügen und der Maifeier 1929 (ÖFM)

Diesem in der Hauptsache rückwärtsgewandten und dezidiert anti-modernen Wienbild hatte der konventionelle Kino-Film wenig entgegenzusetzen: Zum einen, weil er weder an der Hervorbringung des Bilds noch an der Kritik der Kehrseiten desselben federführend beteiligt war (letzteres war eine Sache des Theaters, der Literatur und des Kabaretts); zum anderen, weil insbesondere der Spielfilm frühzeitig die internationale Popularität des nostalgischen Wienbilds als entscheidenden Erfolgsfaktor entdeckt hatte. (In die Geschichte eingeschrieben: Erich von Stroheims „Merry-Go-Round“ von 1923.) Etwas zugespitzt, aber durchaus zutreffend könnte man behaupten, dass nicht der Wien-Film die Bilder und Vorstellungen der Stadt, sondern umgekehrt, die anderswo – in der Literatur, in der Bildenden Kunst, am Theater, in der populären Massenpresse etc. – erzeugten Bilder und Vorstellungen der Stadt den Wien-Film entscheidend beeinflusst haben.

 

Der Umstand, dass die Wien-Filme sich aus ökonomischen Gründen der Repräsentation eines in schroffem Gegensatz zur urbanen Realität stehenden Wienbilds verschrieben, ist sowohl für ihre bescheidene ästhetische Bedeutung verantwortlich zu machen wie auch für ihren geringen Erkenntniswert im Hinblick auf die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt: Hinweise auf die historische Entwicklung zur modernen Großstadt wird man in diesen Filmen ebenso wenig finden wie Hinweise auf die Erfahrung eines auch in Wien von Kontingenz, Flüchtigkeit und Anonymität geprägten Großstadtlebens. Vor diesem Hintergrund erschien es nahe liegend, die Untersuchung Wiens als einer filmischen Stadt nicht vom repräsentativen Spielfilm aus in Angriff zu nehmen, sondern von einem etwa 300 sogenannte ephemere Filme umfassenden Filmbestand des Österreichischen Filmmuseums (ÖFM), der sich aus frühen kinematographischen Ansichten, Wochenschaubeiträgen, Industrie-, Werbe-, Avantgarde- und Amateurfilmen zusammensetzt, ergänzt durch Dokumentationen und Auftragsfilme von „mediawien“, der Filmsammlung der Stadt Wien.

Filmstill: Elendsquartiere am Wienerberg, 1952: STADT AM MORGEN (media wien), Regie: Albert Quendler http://stadtfilm-wien.at/film/130/

Filmstill: Elendsquartiere am Wienerberg, 1952: STADT AM MORGEN (media wien), Regie: Albert Quendler 

Das Projekt Film.Stadt.Wien. entwickelte sich deshalb auch zu einem Erschließungsprojekt, das Filme, die allzu lange unbeachtet in Archiven lagen, für die wissenschaftliche Forschung aufbereitet und in weiterer Folge einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Eine datenbankgestützte Website präsentiert ausgewählte Filmdokumente mit ihren Metadaten, klassifiziert sie nach unterschiedlichen Arten von Raumnutzung und Akteuren, offeriert time-code-basierte Sequenzanalysen, topografische Informationen und schriftliche wie visuelle Kontextmaterialien. Such- und Filterfunktionen ermöglichen die effektive Recherche von Personen und Landmarks in spezifizierten Zeiträumen. () Der beträchtliche Aufwand, der mit einer solchen Form der Erschließung verbunden ist, knüpft sich an die Erwartung, dass in den Bildern „ein außerordentlicher Schatz an faktischer, historischer, sozialer und materialer Information aufbewahrt wird“ (Thomas Elsaesser), den schriftliche Quellen entweder gar nicht oder jedenfalls nicht in derselben Weise zugänglich machen.

Wo der Wien-Film die Logik seiner Erzählhandlung der Logik gängiger Wien-Klischees unterwirft, beobachten wir bei den einzelnen Gattungen des ephemeren Films eine Vervielfältigung der Bezugsrahmen und zugleich eine Fragmentierung der Erzählhandlung: Aufsehen erregende oder den Alltag skandierende Ereignisse bei den Beiträgen der „Wochenschau“; das Familienleben bzw. die „Verfestigung und Verfestlichung“ (Alexandra Schneider) anderer Formen der Gemeinschaft beim Amateurfilm; technische Erzeugnisse und Verfahren, Produktions- oder Betriebsabläufe, Rationalisierungsprozesse, Mitarbeiterkommunikation und Produktwerbung beim Industrie- und Werbefilm; schließlich die wütende Bezugnahme auf und brüske Zurückweisung der Wien-Klischees beim Avantgardefilm. Jede dieser fragmentierten Erzählhandlungen bezeichnet einer analytischen Stadtgeschichte den Ort, an dem sie weitere Grabungen durchführen und auf diese Weise zur Rekonstruktion jener urbanen Bezugsrahmen beitragen kann (vgl. Henri Lefebvre), die dem ephemeren Film zugrunde liegen, ohne von diesem ausdrücklich artikuliert zu werden.

 

Siegfried Mattl ist Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Gesellschaft, Wien (Projektleiter Film.Stadt.Wien)

 Vrääth Öhner ist Assistent und Vizestudienprogrammleiter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien (key researcher Film.Stadt.Wien)

Film.Stadt.Wien war ein vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds gefördertes Projekt. Es wurde in enger Zusammenarbeit von Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft, den FilmkünstlerInnen Gustav Deutsch und Hanna Schimek, dem Österreichischen Filmmuseum. Datenbank- und Websitedesign: vonautomatisch (Patrick Kranzlmüller & Alex Swoboda) http://stadtfilm-wien.at/, http://geschichte.lbg.ac.at/research-program-news/filmstadtwien

 

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMFilmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM) http://stadtfilm-wien.at/film/104/

Filmstill: Vor einem „Hitleraltar“ (Loos-Haus am Michaelerplatz): AMATEURAUFNAHMEN WIEN, FRÜHJAHR 1938 (ÖFM)

http://stadtfilm-wien.at/film/104/

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/10/14/film-stadt-wien/

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