Valeska Huber – Re-Ordering the mind: International Education in the Middle East after The First World War

Valeska Huber talks about a region that was heavily affected by the Great War and was re-ordered in the aftermath. During her talk she explores distinct meaning of ordering the minds, namely:

1. Education and formation of elites in the Middle East.
2. The setting of international standards of comparability – finding expression in attempts to measure the mind or standardise admission to education or to unify degrees.
3. The creation of new mindsets aiming for instance at self-determination
4. The development of an international mind – to use a rather vague term of the period.

Valeska Huber, who joined the Deutsches Historisches Institut London in April 2011, studied history and political science at the London School of Economics and Political Science (LSE) and at the University of Cambridge. After undertaking archival research in Britain, France and Egypt she spent a year as Visiting Fellow at Harvard University working on her doctoral dissertation on the history of mobility and acceleration in the Suez Canal Region (1869-1914). Her main fields of interests are colonial and global history with a focus on the Middle East, the history of mobility and migration, as well as spatial approaches in history, particularly urban and maritime history. She is currently engaged in a research project on globalization and the export of education in the twentieth century.

Valeska Huber – Re-Ordering the mind: International Education in the Middle East after WWI from maxweberstiftung on Vimeo.

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1572

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Ulrich Nieß, Social Media in der Historischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Zur Erarbeitung einer Web 2.0-Empfehlung für die Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK)

Das Video und die Präsentation des Kurzvortrags (4. April 2014, Offene Archive 2.1) sind jetzt online!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1709

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Viertes TextGrid-Nutzertreffen: Anpassungen und Erweiterungen

Am 4. und 5. August 2014 wird an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg das vierte TextGrid-Nutzertreffen stattfinden. Der Themenschwerpunkt „Anpassungen und Erweiterungen“ verbindet dabei Erfahrungsberichte aus Projekten, die TextGrid nutzen, mit Workshops zur fortgeschrittenen Nutzung von TextGrid Laboratory und Repository. Die Veranstaltung richtet sich aber auch an Interessierte, die noch keine Erfahrung im Umgang mit der Forschungsumgebung TextGrid haben.

In Vorträgen und bei den Posterpräsentationen im Rahmen des TextGrid-Cafés werden die Projekte „SlaVaComp“, „Theodor Fontanes Notizbücher“ und „Blumenbach online“ vorgestellt. Eine einführende Schulung vermittelt im Vorfeld des Treffens die Grundlagen für die Arbeit mit der virtuellen Forschungsumgebung. In Workshops werden Anpassungen aus konkreten Projekten vorgestellt und in Übungen nachvollzogen. In einem Workshop wird gezeigt, wie XML-Datenbanken in TextGrid eingebunden werden können. Ein anderer demonstriert, wie mit XSLT synoptische Ansichten erzeugt werden können. Die Möglichkeit, mit Entwicklern von TextGrid direkt ins Gespräch zu kommen, rundet das Programm ab.

Eine Anmeldung ist erforderlich. Das entsprechende Formular und weitere Informationen finden sich auf der Webseite zum Nutzertreffen.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3556

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Zur Aktenkunde der Emser Depesche

 

Einige Male wurde ich gefragt, ob das Bannerbild zu diesem Blog aus der Emser Depesche stamme. Das ist richtig. Genau gesagt: Es zeigt einen Ausschnitt des Kopfes der Entzifferung des telegrafischen Berichts Abekens aus Bad Ems.

Die Emser Depesche eignet sich gut, um den Erkenntnisgewinn einer aktenkundlichen Herangehensweise an die archivalischen Quellen zu demonstrieren. Dabei wird deutlich, wo die Unterschiede zu einer rein historisch-philologischen Textkritik liegen, die mit Texten und Textzeugen operiert, ohne die Natur von Aktenschriftstücken als Produkten von Verwaltungsprozessen zu berücksichtigen.

Walder (1972) ist die maßgebliche Edition der Depesche. Sie bietet einen zuverlässigen Text, zeugt aber auch von einer gewissen Ratlosigkeit im Umgang mit Überlieferungsverhältnissen, die aus aktenkundlicher Sicht eigentlich recht übersichtlich sind. Walder betrachtete Abekens Konzept des Telegramms und die Bismarck vorgelegte Entzifferung als unterschiedliche Dokumente und konnte auch die Ausfertigungen des Runderlasses mit dem redigierten Text begrifflich nicht treffend bezeichnen.

Walder (1972: 3) wollte “von der Depesche in den verschiedenen Stadien, die sie durchlaufen hat” jeweils “den genauen Text durch wortgetreuen Abdruck der erhaltenen Originale [...] geben”. Das ging soweit, das Originallayout im Drucksatz nachzubilden, andererseits aber Abkürzungen unaufgelöst zu lassen. Imitation also statt Edition, eine drucktechnische Variante der “paläographischen Abschrift” der klassischen Diplomatik. Zur an sich in der Tat gebotenen Differenzierung stellte Walder unglücklicherweise der “Emser Depesche” eine “Depesche aus Ems” gegenüber und perfektionierte damit die Verwirrung.

Die heute maßgebliche Quellensammlung zu den Ursprüngen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, Becker (2007: Nr. 854), übernimmt Walders Text, geht in der Fokussierung auf die Textgestalt aber noch weiter, indem die “Depesche aus Ems” der “Emser Depesche” im Paralleldruck gegenübergestellt wird – als wären es Original und interpolierte Verfälschung einer mittelalterlichen Urkunde in einem Diplomata-Band der MGH.

Einen Aktenvorgang, auch wenn er nur aus wenigen Stücken besteht, kann man in dieser Weise aber nicht aufbereiten, weil jedes einzelne Aktenschriftstück eben nicht bloß ein Textzeuge ist, sondern in seiner Materialität, mit unikalen Bearbeitungsspuren, eine räumlich und zeitlich definierte Momentaufnahme eines Entscheidungsprozesses markiert.

Dies zur Einleitung. Ich habe mir vorgenommen, an dieser Stelle in den nächsten Wochen fünf aktenkundliche Aspekte des als “Emser Depesche” bekannten Vorgangs zu behandeln:

  1. Der Überlieferungszusammenhang
  2. Abekens Telegramm I: Das Konzept
  3. Abekens Telegramm II: Die Entzifferung
  4. Bismarcks drei Teilrunderlasse
  5. Aktenkundliche Perspektiven

Der letzte Teil soll ein von Schäfer (2009: 98-101, 119) angemahntes Desiderat aufgreifen: Die Aktenkunde sollte sich, wie vor ihr schon die Urkundenlehre, stärker als umfassende Diplomatik begreifen, die “die Schriftlichkeit in Gerichtsbarkeit und Verwaltung sowie deren Produkte” zum Gegenstand hat. Hinzuzufügen ist die Regierungstätigkeit, die trotz Bürokratisierung keine Verwaltung im engeren Sinne ist. Das Telegramm in der Diplomatie ist dafür ein dankbares Demonstrationsobjekt.

Auf den Inhalt im Einzelnen und die historische Bedeutung der Emser Depesche muss hier wohl nicht eingegangen werden. Indem Bismarck den Bericht über die Begegnung Wilhelms I. mit dem französischen Botschafter in Bad Ems in einer redigierten Fassung verbreitete, provozierte er Frankreich zur Kriegserklärung. In wie weit Bismarck dies planvoll betrieb oder die Entwicklung ihn vor sich hertrieb, ist in der Forschung bis heute umstritten (monographisch zuletzt Wetzel 2005: 176 f.). Man könnte den Eindruck haben, es würden mi dt dieser Sachfrage in der Hand auch jahrzehntealte Gelehrtenfehden um Imperialismus und den Primat der Innenpolitik fortgesetzt. Der Wikipedia-Artikel hinkt der Forschung hinterher.

Ich arbeite seit einigen Wochen an diesem Thema, an dem ich einmal das ganze Instrumentarium der Aktenkunde demonstrieren möchte. Es ist zwar für die Depesche nicht relevant, aber ein schöner Zufall, dass das Landesarchiv Baden-Württemberg jetzt eine wichtige, von Becker (2007) schon ausgewertete Parallelüberlieferung zu den Akten des Auswärtigen Amts zur spanischen Thronfolge digitalisiert und online gestellt hat (über Archivalia).

Ich bin froher Hoffnung, etwa wöchentlich bloggen zu können … Demnächst also mehr: gleiche Stelle, gleiche Welle.

Literatur

Becker, Josef 2007. Bismarcks spanische “Diversion” 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg: Quellen zur Vor- und Nachgeschichte der Hohenzollern-Kandidatur für den Thron in Madrid 1866-1932. Bd. 3: Spanische “Diversion”, “Emser Depesche” und Reichsgründungslegende bis zum Ende der Weimarer Republik: 12. Juli 1870-1. September 1932. Paderborn. (Eingeschränkte Vorschau bei Amazon. Wer sich einloggt und nach Nr. 854 sucht, kann den gesamten Editionstext der Depesche lesen.)

Schäfer, Udo 2009. Amtliche Aktenkunde der Neuzeit: Records Management des 21. Jahrhunderts. Zur Schnittmenge zweier Disziplinen. In: Uhde, Karsten Hg. 2009. Quellenarbeit und Schriftgutverwaltung – Historische Hilfswissenschaften im Kontext archivischer Aufgaben. Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 48. Marburg. S. 89-128.

Wetzel, David. 2005. Duell der Giganten: Bismarck, Napoleon III. und die Ursachen des Deutsch-Französischen Krieges 1870-71. Paderborn.

Walder, Ernst Hg. 1972. Die Emser Depesche. Quellen zur neueren Geschichte 27-29. 2. Auflage. Bern.

 

 

 

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/181

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Russische Pfadfinder im Nachkriegsdeutschland

DP Scouting Archive 1gDie Bayerische Staatsbibliothek konnte im vergangenen Jahr eine Sammlung zur Geschichte der exilrussischen Pfadfinderbewegung in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erwerben. Die gedruckten sowie handschriftlichen Materialien dokumentieren die Bemühungen um den Aufbau und die ideologische Ausrichtung der Pfadfinderorganisation „Organizacija rossijskich junych razvedčikov“ (ORJuR) in den ersten Jahren nach ihrer Gründung im Jahr 1945.

Der 30. April 1909, an dem das erste Pfadfinderfeuer im Schlosspark von Pavlovsk bei Sankt Petersburg entzündet wurde, gilt als das Gründungsdatum der russischen Pfadfinderbewegung. Der in den Folgejahren mit wohlwollendem Interesse des Zaren Nikolaus II. begleitete Aufbau kam in den Wirren der Oktoberrevolution und des Bürgerkriegs vorläufig zum Erliegen. Anfang der 20er Jahre wurden in der Sowjetunion im Zuge der Machtmonopolisierung die Pfadfinder verboten und durch die von der Kommunistischen Partei kontrollierte Pionierorganisation – die gleichwohl eine ganze Reihe Pfadfinderelemente übernahm – ersetzt. Während die Pfadfinderbewegung in der UdSSR bis Ende der 20er Jahre mit brutalen Mitteln weitgehend zerschlagen wurde und – bis auf einige wenige illegale Gruppen – praktisch aufgehört hat zu existieren, lebte sie in den Zentren der Russischen Emigration in West- und Südosteuropa, China und Amerika weiter. Einen weiteren empfindlichen Einschnitt für die europäischen Pfadfinder brachten der deutsche Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg mit sich. Die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens im Dritten Reich und seiner Einflusssphäre zwang auch die exilrussischen Pfadfindergruppen zur Auflösung oder zum Gang in den Untergrund. Für sie markierte das Kriegsende de facto einen Neuanfang, in Russland selbst ließ dieser dann allerdings noch bis in das Jahr 1990 auf sich warten.DP Scouting Archive 1d

Die Sammlung füllt eine in etwa schuhkartongroße Schachtel aus und beinhaltet verschiedene Zeitschriften, Rundbriefe, Formulare und Handreichungen für Pfadfinderanführer etc., die vorwiegend in den DP-Lagern in der Region München sowie dem Lager Mönchehof bei Kassel gedruckt wurden. Außerdem sind diverse handschriftliche Notizen und Aufzeichnungen sowie Korrespondenz von Irina Vasil’evna Brunst und ihrem späteren Ehemann Andrej Korolenko mit anderen Aktivisten der Organisation enthalten.

Die sehr seltenen bzw. unikalen Materialien der Jahre 1945-1951 werden im Nachlassreferat der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke unter der Signatur Fasc.germ. 307 aufbewahrt. Alle Zeitschriftentitel aus dem Bestand wurden katalogisiert und sind in der Zeitschriftendatenbank (ZDB) nachgewiesen. Sie können separat durch die Eingabe der Nachlasssignatur Fasc.germ. 307 im OPAC der BSB abgerufen werden.

Eine Beschreibung der ganzen Sammlung erhalten Sie hier.

Filip Hlušička

 

DP Scouting Archive 1b DP Scouting Archive 1f

Quelle: http://ostbib.hypotheses.org/135

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Petition: Kein Verkauf von kommunalem Archivgut in NRW!

Wer uns in der Causa Stralsund unterstützt hat, wird gebeten, jetzt auch die von Thomas Wolf initiierte Petition “Kein Verkauf von kommunalem Archivgut in NRW!” zu unterschreiben:

https://www.openpetition.de/petition/online/kein-verkauf-von-kommunalem-archivgut-in-nrw

Die Facebook-Seite zur Petition:
https://www.facebook.com/keinverkaufkommunalesarchivgutnrw

“Zurzeit erfolgt im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen die Überprüfung des Archivgesetzes NRW auf dessen Praxistauglichkeit. In § 10 Abs 5 Satz 2 des aktuellen Entwurfs (s. u.) gilt die Unveräußerlichkeit für Archivgut bei Kommunen nur für Verwaltungsunterlagen.
Stadtarchive und Kreisarchive in Nordrhein-Westfalen verwahren nicht nur Unterlagen amtlicher Herkunft, die aus den behördlichen Registraturen stammen, sondern auch vielfältiges Sammlungsgut wie beispielsweise Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten. Nach dem jetzt gültigen Archivgesetz ist dieses Sammlungsgut nicht unveräußerlich, darf also verkauft werden. Das soll nach dem Entwurf der Gesetzesüberarbeitung so bleiben. Damit sind wir nicht einverstanden. Auch kommunales Archivgut muss unveräußerlich sein!

Begründung:
Aus archivfachlicher Sicht ist diese Bestimmung abzulehnen, wonach nichtstaatliches Archivgut nur dann unveräußerlich ist, wenn es sich um zu Archivgut umgewidmete Unterlagen aus dem Verwaltungshandeln der Träger der (kommunalen) Selbstverwaltung, von deren Verbänden sowie von kommunalen Stiftungen handelt. Die Norm gilt über eine Verweisung im Gesetz auch für sonstige öffentliche Archive, also insbesondere die Universitätsarchive, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass sowohl Archivträger als auch Archivar/innen dieser Archive an potentiellen Verkäufen kein Interesse haben.

Wie der erfolgreiche Protest gegen die Verkäufe aus der Gymnasialbibliothek Stralsund 2012 gezeigt hat, besteht ein großer Konsens, kommunale Kulturgüter, also auch archivisch ordnungsgemäß bewertetes Sammlungsgut, als unveräußerlich anzusehen. Bei der Veräußerung ist vor allem an Verkäufe zu denken, die in der Regel das betroffene Kulturgut seiner öffentlichen Zugänglichkeit entziehen und im Fall von Sammlungen durch Zerstückelung als Geschichtsquelle vernichten. Der Schutz der Landesverfassung für die Denkmäler der Geschichte und der Kultur muss auch für Archivgut gewährleistet sein.

Die Bestimmung hat in den vergangenen fünf Jahren keinerlei praktische Konsequenzen gehabt, sondern läuft ins Leere. Es ist im Gegenteil inkonsequent und birgt das Risiko einer ständigen Rechtsunsicherheit, wenn archivwürdige Unterlagen nichtamtlicher Provenienz, die für die nichtstaatliche Überlieferungsbildung von höchster Bedeutung sind, vom Gesetzgeber mit einem niedrigeren Schutz ausgestattet sind als das übrige Archivgut. Es geht hier ja um Archivgut, das den nichtstaatlichen Archiven aus privater Hand anvertraut wird (z. B. Nachlässe lokal und regional bedeutender Kulturschaffender oder Politiker/innen, Unterlagen von Unternehmen) oder sich seit langem im Archiv befindet (z. B. historische Bibliotheken, Fotosammlungen). Dieses muss genauso so gut geschützt werden wie das amtliche Archivgut. Es ist zudem nicht gesetzeslogisch, zwischen unveräußerlichem nichtamtlichem Archivgut in staatlichen Archiven einerseits und veräußerlichem nichtamtlichem Archivgut in nichtstaatlichenArchiven andererseits zu unterscheiden.

Von den Archivar/innen wird die Bestimmung einhellig abgelehnt, während Verbände der kommunalen Archivträger an ihr festhalten wollen. In den anderen Bundesländern ist Archivgut generell unveräußerlich, ohne dass die kommunalen Träger Einwände dagegen vorbringen. Daher fordern wir: Um das Kulturgut des Landes wirksam zu schützen, muss § 10 Absatz 5 Satz 2 im Landesarchivgesetz ersatzlos gestrichen werden.

Links:
Landtagsdebatte über einen Antrag der Piratenfraktion zur Evaluierung des Archivgesetzes: http://www.youtube.com/watch?v=ok28El2Iq2I .
Sitzungsniederschrift der Debatte: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP16-51.html#_Toc380942657 .
Entwurf des Archivgesetzes: http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-5774.pdf
Einbringungsrede zum Entwurf des Archivgesetzes (Anlage 6 zu TOP 23): http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMP16-58.html#_Toc388036353

Zur Gesetzgebung siehe auch http://archiv.twoday.net/search?q=sammlungsgut+nrw

Aktuelles zum Stand der Petition und zum Gesetzgebungsverfahren: http://www.facebook.com/keinverkaufkommunalesarchivgutnrw

Im Namen aller Unterzeichner/innen.

Siegen, 26.05.2014 (aktiv bis 25.11.2014)”

Siehe auch:

Klaus Graf, Lehren aus der Causa Stralsund: Mehr Schutz für historische Bestände, in: Weblog Kulturgut, 15. 5. 2013, http://kulturgut.hypotheses.org/204.
Der Text erschien zuerst in LIBREAS: Klaus Graf: Lehren aus der Causa Stralsund: Mehr Schutz für historische Bestände. In: LIBREAS.Library Ideas, Jg. 9, Heft 1 /Heft 22 (2013)
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:11-100208891 (PDF).

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/397

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Wer produzierte das Wissen, auf das sich die Geschichte des 19. Jh. stützt? Zwei Tagungen

Dass historische Quellen – welcher Art auch immer – keinesfalls jene „transparenten Fenster“ in die Vergangenheit sind1, als welche sie die Geschichtswissenschaft früherer Generationen benutzen zu können glaubte, ist eine Erkenntnis, die unter HistorikerInnen heute kaum mehr explizit bestritten werden dürfte. Mit ihrer Anwendung in der geschichtswissenschaftlichen Praxis sieht es freilich je nach Quellengattung, Epoche und Einzelfall noch recht unterschiedlich aus, und auch die quellenkundliche Forschung, die sich darauf richtet, Überlieferungen in ihrer unhintergehbaren Gemachtheit zu verstehen, hat in vielen Bereichen noch große Aufgaben vor sich.

Dabei dürften gerade Materialien aus der jüngeren und jüngsten Vergangenheit ein besonderes Risiko in sich tragen. In ihrer sprachlichen und medialen Form wirken sie oft verhältnismäßig vertraut und leicht verständlich – wodurch die Illusion von Transparenz leichter entsteht als bei mittelalterlichen Urkunden oder antiken Inschriften. Daher rührt wohl in erster Linie die relative Schwäche und geringe Verbreitung quellenkundlicher und historisch-grundwissenschaftlicher Forschung zum 19. und 20. Jahrhundert, die in diesem Blog auch kürzlich im Hinblick auf den Vergleich zwischen Aktenkunde und Diplomatik zur Sprache kam.

Die beiden Veranstaltungen, auf die hier hingewiesen werden soll, vertreten zwei Forschungsgebiete, die in dieser Hinsicht in neuester Zeit wichtige Beiträge leisten und eine breite Kenntnisnahme verdienen: die Geschichte der amtlichen Statistik und jene der Archive. Beide Institutionen erlebten im 19. Jahrhundert einen bemerkenswerten Aufschwung, der mit dem Ausbau und der Professionalisierung der staatlichen Verwaltung ebenso zusammenhing wie mit der Arbeit an der Konstruktion nationalstaatlicher Identitäten, die auf entsprechend zusammengestellte Wissensbestände gestützt wurden. Die Ergebnisse ihrer Tätigkeit sind noch heute unumgängliche Arbeitsgrundlagen für HistorikerInnen, die aber eben nicht als „transparente Fenster“ benutzt, sondern als selektiv und intentional konstruiertes Wissen angesehen werden müssen. Die Erforschung ihrer Produktionsbedingungen und ihrer Funktionen im Kontext der Entstehungszeit bildet einen Überschneidungsbereich zwischen Politik- und Verwaltungsgeschichte einerseits, Wissenschafts- und Wissensgeschichte andererseits; und die aus dieser Forschung zu schöpfenden Reflexionen sind einerseits bei der Arbeit zur Geschichte des 19. Jahrhunderts konsequent im Auge zu behalten, andererseits aber auch durchaus für das Verhältnis von Wissenschaft und Politik in der Gegenwart relevant.

Call for Papers: Die Zählung der Welt. Kulturgeschichte der Statistik vom 18. bis 20. Jahrhundert

Für die Tagung, die im September 2015 in Göttingen stattfinden soll, endet in wenigen Tagen die Einreichfrist für Abstracts. Die Veranstalter Stefan Haas, Michael C. Schneider und Nicolas Bilo schreiben über ihre Perspektive und Ziele Folgendes:

„Bisher sind Statistiken im Wesentlichen als sozialpolitisches oder sozioökonomisches Phänomen, in historischer Perspektive als Datengrundlage der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte thematisiert worden. Die Tagung möchte diesen Blick um eine kulturhistorische Perspektive erweitern. Statistiken bilden eine (historische) Wirklichkeit nicht nur rational ab, sie tragen vielmehr durch Kategorisierung und Taxonomie von Daten zu einer spezifischen Konstruktion von Realität bei, ja mehr noch: Die Erhebung der Daten selbst basiert bereits auf vorgängigen Entscheidungen über die Realitätskonstruktion, die nicht immer offengelegt werden.

Die Tagung verfolgt zwei Ziele: Erstens will sie ein Forum schaffen, Statistiken als Medium moderner Politik und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse zu historisieren. Durch die Verortung im Kontext der Erfindung der Nationalstaaten und im transnationalen Vergleich soll gefragt werden, welche historischen Bedingungen für die Entwicklung und den Einsatz von Statistik Bedeutung hatten. Zweitens soll gefragt werden, wie Statistiken Realität repräsentieren und wie sie dadurch eine kulturelle Wirklichkeit erzeugen, die dann geschichtswirksam wird. Dazu möchte die Tagung einen Zeitraum von der Einführung von Statistiken im 18. Jahrhundert bis zum Beginn des Kalten Krieges umfassen. Räumlich und kulturell will sie sich nicht auf eine westliche Binnenperspektive verengen, sondern auch Platz für transkulturelle und transnationale Vergleiche bieten. Schließlich fragt die Tagung nach dem wachsenden Einfluss der Mathematisierung auf die verschiedenen Agenturen der Datenerhebung seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts und das Verschmelzen mathematisch-probabilistischer Methoden mit den herkömmlichen Praktiken der Datenauswertung.“

Der vollständige Call for Papers ist auf HSK zu finden.

Tagung: Archives and History. Making Historical Knowledge in Europe during the Long Nineteenth Century

Ebenfalls in Göttingen findet vom 26. bis 28. Juni 2014 diese Tagung statt, in der das Verhältnis von Archiven und Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert thematisiert wird. Zur Sprache kommen sowohl die Frage, wie Archive und Archivbestände gebildet wurden, als auch die Bedingungen der geschichtsforschenden Arbeit in und mit ihnen. Aus der Ankündigung durch den Veranstalter Philipp Müller:

Under which institutional conditions were historians able to undertake historical studies in archives? And how did these conditions of historical-archival research impinge on the production of historical knowledge? In looking into these two inextricably interlinked matters, the symposium highlights an essential, and ultimately scientific, attribute of historical work, rising to prominence in Europe during the long nineteenth century. In order to advance our understanding of the history of the study of records and files, its performance and ramifications for the making of historical knowledge, the symposium draws on different strands of scholarship and gathers experts from different fields of research such as the history of historiography, the history of sciences, anthropology and the history of archives.

Das Programm ist gleichfalls auf HSK abrufbar.

  1. Die Metapher ist hier entlehnt nach GEARY, Patrick J.: Entre gestion et gesta. Aux origines des cartulaires, in: GUYOTJEANNIN, Olivier – MORELLE, Laurent – PARISSE, Michel (Hrsg.): Les cartulaires. Actes de la Table ronde organisée par l’École nationale des chartes et le G.D.R. 121 du C.N.R.S. (Paris, 5–7 décembre 1991) (Mémoires et documents de l’École des chartes 39), Paris 1993, 13–26, hier 13. Vgl. die daran geknüpfte Diskussion bei KURATLI HÜEBLIN, Jakob: Archiv und Fälscherwerkstatt. Das Kloster Pfäfers und sein Umgang mit Schriftgut, 10. bis 18. Jahrhundert (Studia Fabariensia. Beiträge zur Pfäferser Klostergeschichte 4), Dietikon – Zürich 2010, 16–18.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/559

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Vortrag: FWF-Start-Projekt „Monastische Aufklärung“ zieht Projektbilanz (Wien, 28. Mai 2014)

Das FWF-Start-Projekt „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ (angesiedelt am Institut für Geschichte der Universität Wien und am Institut für österreichische Geschichtsforschung) läuft mit Anfang des Jahres 2015 aus. Mehrere Mitglieder der Projektgruppe präsentieren in der Vortragsreihe „Geschichte am Mittwoch“ am 28. Mai Ergebnisse der vergangenen fast sechs Projektjahre: von der Pez-Edition und dem digitalisierten Pez-Nachlass über mehrere aus dem Projekt hervorgegangene Sammelbände bis zu den weiteren Perspektiven einer Fortsetzung der Forschungen zur Geschichte der frühneuzeitlichen monastischen Gelehrsamkeit. http://www.univie.ac.at/monastische_aufklaerung/de/aktuelles/start-projekt-bei-geschichte-am-mittwoch.html   Zeit: Mittwoch, 28. Mai […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7236

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Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig unter neuer Leitung

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

 

Seit 1. August 2013 ist Dr. Miriam Halwani Leiterin der fotografischen Sammlung des Museum Ludwig in Köln. 1977 gegründet, ist die Sammlung eine der größten ihrer Art in Europa. Sie umfasst Bestände von frühen Daguerreotypien aus den Sammlungen Agfa und Lebeck über Reisefotografien, Werken der russischen Avantgarde bis hin zu zeitgenössischen Fotografien. Zeit für ein Gespräch mit der Kunsthistorikerin, die bereits für ihre Dissertation zur „Geschichte der Fotogeschichte 1839-1939“ intensiv in den Kölner Beständen recherchierte.

 

Dr. Miriam Halwani,Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Dr. Miriam Halwani, Leiterin der Fotografischen Sammlung des Museum Ludwig, Köln

Lucia Halder: Frau Halwani, worum geht es in Ihrer Auftakt-Ausstellung am Museum Ludwig, und wann wird sie eröffnet?

 

Miriam Halwani: Die Ausstellung widmet sich der Fotografischen Sammlung und Sammlungsidee Erich Stengers. Stenger hatte 1906 angefangen, systematisch Zeugnisse der Fotogeschichte zu sammeln, d.h. außer Fotografien aller Verfahren und Anwendungsgebiete (explizit künstlerisch, wissenschaftlich, dokumentarisch) auch ganze Mappen, Bücher mit eingeklebten Fotografien, Schmuck und Hutnadeln mit eingelassenen Fotos, Handbücher, Karikaturen zur Fotografie oder auch Autografen. Bis 1955 hatte er so eine in ihrer Art einzigartige Sammlung zur Kulturgeschichte der Fotografie zusammengetragen, eine visuelle Enzyklopädie. Heute verwahrt das Museum Ludwig seine Sammlung. Stengers dezidiertes Ziel war aber die Einrichtung eines Fotomuseums, für das er konkrete Pläne vorlegte, die nun in der Ausstellung Das Museum der Fotografie. Eine Revision genutzt werden, um zwei Anliegen zu verfolgen: einmal dieses spezifische Museum im Museum vorzustellen, das Stengers Fotogeschichte erzählt – aus Sicht eines Kunstmuseum-Besuchers sicher eine alternative Fotogeschichte zu der der Highlights und großen Namen. Und zum andern soll die immer wieder formulierte Forderung nach einem grundlegenden Fotomuseum, die seit dem 19. Jahrhundert und bis heute immer wieder formuliert oder auch an unterschiedlichen Orten realisiert wurde, hinterfragt werden. Wozu eine Abgrenzung der Fotografie von anderen Bildverfahren? Das lässt sich mit Stengers Fotomuseum in einem Kunstmuseum wie dem Museum Ludwig wunderbar zur Diskussion stellen. Die Schau wird vom 28. Ju­ni bis zum 5. Ok­to­ber 2014 zu sehen sein.

 

L.H.: Henri Cartier-Bresson sagte über den Zusammenhang zwischen Kunst und Fotografie: „Die Fotografie ist ein Handwerk. Viele wollen daraus eine Kunst machen, aber wir sind einfach Handwerker, die ihre Arbeit gut machen müssen.“ Es hat auch tatsächlich lange gedauert, bis es die Fotografie ins Kunstmuseum geschafft hat. Ist der Diskurs, ob die Fotografie Kunst ist, im „age of visuality“ (W.J.T. Mitchell) mittlerweile Geschichte?

 

M.H.: Die Frage, ob Fotografie Kunst sei, so oft sie auch schon gestellt wurde, birgt letztlich eine Sprachfalle und kann zu keinem Ergebnis führen. Eine Fotografie ist eine Fotografie – ein Bild, ein Material, wenn Sie so möchten. Kunst ist eine Setzung. Interessant wird es erst, wenn wir uns von der beständig wabernden Definition von Kunst lösen und uns fragen, wie das Verhältnis der Bilder und Dinge zueinander ist, die Menschen produzieren, wie das Verhältnis der Menschen zu ihren Bildern und Dingen. Okwui Enwezor spricht vom Kunsthistoriker als Ethnologen. Ethnologen wollen Lebensweisen verstehen. Als Kunsthistorikerin möchte ich verstehen, welche Bedeutung Bilder im Leben der Betrachter spielten und spielen. – Übrigens hatte Henri Cartier-Bresson schon sehr früh, nämlich 1947, eine Ausstellung im MoMA. Ob Fotografie nun Kunst ist oder sein kann, haben Museumskuratoren also schon längst beantwortet.  

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine 27,5 x 39,9 cm

Henri Cartier-Bresson: Sonntag an der Marne, 1938, Print, Silbergelatine
27,5 x 39,9 cm

L.H.: In der Sammlung des Museum Ludwig befinden sich unterschiedlichste Bestände: Wissenschaftliche Fotografien, Reisefotografien, genuin künstlerische Aufnahmen, Dokumentarfotografien, Alben und Materialien zur Fotogeschichte. Was ist der rote Faden der Sammlung?

 

M.H.: Die Fotografische Sammlung des Museum Ludwig kann gar nicht nur einen roten Faden haben, weil sie sich aus verschiedenen Sammlungen zusammensetzt, die zu verschiedenen Zeiten nach verschiedenen Kriterien zusammengetragen wurden. Zu nennen sind allen voran die Sammlung Gruber, die Sammlung Agfa mit der Sammlung Stenger, die Sammlungen Robert Lebeck oder Daniela Mrazkova. Und genau diese Heterogenität ist es, die die Fotografische Sammlung ausmacht und es einem ermöglicht, genuin Forschung zu betreiben.  

 

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936 Print, Fotografie Silbergelatine 48 x 41 cm

Arkadi Schaichet: Komsomolze am Steuer, Moskau 1936
Print, Fotografie
Silbergelatine
48 x 41 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print, Silbergelatine 35,5 x 27,9 cm

Robert Capa: Sizilianische Kampagne, Print,
Silbergelatine
35,5 x 27,9 cm

 

L.H.: Was für ein Sammlungskonzept werden Sie in Zukunft verfolgen?

 

M.H.: Im Moment bin ich noch dabei, die Sammlung zu sichten, um zu erkennen, wo Lücken bestehen. Es ist wichtig, eine Sensibilität für die Zusammensetzung der Fotografischen Sammlung, aber auch die der anderen Sammlungen des Museum Ludwig zu gewinnen, bevor verantwortungsbewusste Erwerbungen für das Museum gemacht werden können. Es ist ja einiges auf dem Markt, und es werden einem fast wöchentlich Arbeiten angeboten. Überstürzen möchte ich nichts. Was einmal in der Sammlung ist, bleibt dort. Das zwingt zur Umsicht. Schließlich arbeitet ein Museum in anderen zeitlichen Dimensionen als beispielsweise ein Privatsammler.  

 

L.H.: „Inzwischen bin ich der Einzige, der weiß, wo die Dinge zu finden sind, aber ich hoffe, dies wird sich bald ändern“, sagte ihr Vorgänger Bodo von Dewitz in einem Interview im Jahr 2011.[1] Im Blick hatte er vermutlich die geplante Digitalisierung der Sammlung – derzeit ein großes Thema für viele Museen und Archive. Wie geht das Museum Ludwig damit um?

 

M.H.: Sie sprechen da ein Thema an, das mir sehr am Herzen liegt und leider in dem immer schneller werdenden Turnus an Sonderausstellungen leicht in den Hintergrund gerät. Die Fotografische Sammlung ist keine Privatsammlung und steht prinzipiell jedem offen. Nur, um bekannt zu machen, was im Museum Ludwig verwahrt wird, ist die Digitalisierung unumgänglich. Das ist bislang viel zu wenig geschehen – was auch schlicht eine Kostenfrage ist. Ich will Förderer gewinnen, die ermöglichen, die umfangreichen Bestände digital zu erfassen und online zu stellen, um es jedem zu ermöglichen, die Sammlung kennenzulernen, zu forschen, damit nicht immer über die gleichen Arbeiten gesprochen wird, weil sie einmal in einem Ausstellungskatalog gedruckt wurden. Der Kurator soll zwar physisch die Sammlung hüten, aber er sollte nicht der Einzige sein, der weiß, was sich in der Sammlung befindet. Mir ist das genauso wichtig, wie Ausstellungen zu machen. Nur ist es leichter, Geld für Ausstellungen zu akquirieren als für die vielleicht stillere, aber bei weitem nicht weniger nachhaltige Sammlungsarbeit.  

 

L.H.: Bodo von Dewitz sprach auch gerne von glücklichen „Fügungen“ und „Zufällen“ bei Neuerwerbungen. Gibt es solche Zufallsfunde und Fügungen im institutionalisierten Kunstmarkt heute überhaupt noch? 2010 ging beispielsweise ein Flohmarktfund durch die Presse: Entdeckt wurden Fotografien – vermutlich von Ansel Adams – im Wert von mehreren Millionen Dollar. Sind das Pressehypes oder ist das Fotohistoriker-Realität?

 

M.H.: Das ist nicht Alltag, aber es ist Realität. Es gibt so viele ungehobene, fast vergessene Fotos, Konvolute und Sammlungen von sehr guter Qualität, die noch in Privatbesitz sind und deren Wert erst nach und nach erkannt wird. Wie Sie wissen, hat sich ein Markt für Fotografie erst in den 1970er-Jahren etabliert. Das ist keine lange Zeit, um alle Dachböden und Archive durchstöbert zu haben oder um jedes Auge so zu schulen, Bestes von Gutem und Banalem zu unterscheiden. Aber je mehr Fotografie im Museum zu sehen ist, desto mehr bekommt man als Museum auch angeboten. Einiges ist vielleicht weniger interessant, anderes dafür eine „Entdeckung“.  

 

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

Edward-Jean Steichen: Dolor, aus: Camera Work 2, 1903, Print, Heliogravüre

L.H.: Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Visual History mit der Visualität von Geschichte und gleichermaßen mit der Geschichte des Visuellen. Einer kulturgeschichtlich erweiterten Zeitgeschichte verpflichtet, fließen in das Forschungsfeld zahlreiche Aspekte benachbarter Disziplinen ein. Finden Sie sich als Kunsthistorikerin in den Fragestellungen der Visual History wieder?

 

M.H.: Ich habe die Kunstgeschichte nie als abgeschottet von anderen Disziplinen erlebt. Die Visual History kann sich ja auf Traditionen berufen, die älter sind als ihr Name. Aber natürlich wirft gerade der Umgang mit der Fotogeschichte Fragen auf, die sich mit den „klassischen“ Methoden der Kunstgeschichte nicht allein beantworten lassen.

 

L.H.: Frau Halwani, häufig bezeichnen Sie Fotografien übergreifend als „Bilder“. Sie haben offenbar einen ähnlich breiten Bildbegriff wie die noch recht junge Bildwissenschaft und Visual History. Beide machen ja zunächst keinen Unterschied zwischen Kunst- und Alltagsbildern. Spiegelt ihre Sammlung dies in gewisser Weise wider, die ja auch unterschiedlichste Genres vereint?

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

Postkarte mit einer Fotografie von Franz Schensky aus der Sammlung Stenger, 1931

M.H.: Ja. Das ist auch genau das, was mich an der jetzigen Ausstellung so reizt: Erich Stenger sammelte abseits der künstlerischen Fotografie, die für ihn nur eines von zig Anwendungsgebieten der Fotografie war, wie er es nannte. Ebenso wichtig war ihm etwa die Tierfotografie, zum Beispiel Fotos von Möwen auf Helgoland aus den 1920er/30er-Jahren. Robert Lebeck kaufte Alben aus dem Japan des späten 19. Jahrhunderts, die auch nicht als „hohe Kunst“ verstanden wurden, aber nun mal existieren. Viele Fotografen der 1920er-Jahre, die Künstler der Avantgarde meine ich, haben die Unterscheidung Kunst/Dokument längst überworfen, an der heute mitunter noch geknabbert wird, wie Ihre Frage zeigt. László Moholy-Nagy zeigt in den 20ern Bilder in seinem Buch „Malerei Fotografie Film“, wie sie Stenger sammelte, und feiert in ihnen das neue Sehen. Diesen Schritt hat Stenger nie getan. Das zeigt, wie beliebig solche Setzungen oder Zuschreibungen sind. Darum will ich mir in meinen Erkundungen der Fotogeschichte die Tür offenhalten, und das tue ich am besten mit einem Begriff wie Bild, der weniger kategorisiert.  

 

L.H.: Horst Bredekamps Bildakt-Theorie gab einen wichtigen Impuls für die Visual History. Sie impliziert die Deutung von Bildern als Akteure bzw. handlungsstiftende Agenten. Der Fototheoretiker Bernd Stiegler mahnte jüngst, dass diese Umcodierung der Handlungstheorie durchaus dramatische Konsequenzen haben könne, da nun Handlung an die Bilder delegiert werde. „Nicht nur der Mensch, sondern auch (oder sogar vorrangig) sie [die Bilder, L.H.] sind es, die Geschichte machen, prägen und formen. Eine solche Bestimmung ist politisch wie theoretisch problematisch“, so Stiegler.[2] Teilen Sie die Ansicht einer „Bildermacht“ im Bredekamp’schen Sinne oder eher die Kritik daran?

 

M.H.: Dass Bilder einen Einfluss auf uns ausüben, ist unbestritten. Dass Bredekamp wieder jenen Einfluss thematisiert, der die Menschen seit Urzeiten fasziniert oder ängstigt, fand ich wohltuend und wichtig. Aber dennoch: Kein Bild kann handeln, sondern höchstens Handlungen verursachen. An dem Begriff „Macht“ störe ich mich, weil der auf der Betrachterseite Ohnmacht impliziert – und das ist falsch, das muss jedenfalls nicht der Fall sein. Die Bilder, die den Einfluss ausüben, sind ja von Menschen gemacht. So muss es also die Aufgabe etwa eines Museums sein, Augen und Bewusstsein zu schulen, um die Mechanismen zu verstehen, die uns zu den Bildern ziehen und vielleicht anregen, bestimmte Dinge zu tun, fühlen oder denken.

 

L.H.: Eine der musealen Kern-Aufgaben neben dem Sammeln, Bewahren, Ausstellen und Vermitteln ist das Forschen. An vielen Museen fehlt es mittlerweile an Zeit und Geld für diese Kernaufgabe. Wie sieht es bei Ihnen mit der Forschung an der Fotografischen Sammlung aus – ist die Sammlung des Museum Ludwig auch zugänglich für externe Wissenschaftler?

 

M.H.: Ich bin froh, durch den Lehrstuhl für Fotogeschichte und -theorie an der Kölner Universität die Möglichkeit zu haben, auch vor Ort Forschungen anzuregen. Und ich hoffe auf eine enge Zusammenarbeit. Tatsächlich könnte das ein Konflikt sein: diese hervorragenden Bestände zu sichten und nicht die Zeit zu haben, allen Fragen nachgehen zu können, wie es zur Zeit der Promotion noch möglich war. Aber ich muss das ja auch nicht alleine tun. Hauptsache ist doch, die Bestände werden öffentlich gemacht, in Ausstellungen, Publikationen, Datenbanken, und regen Wissenschaftler an, ins Museum Ludwig zu kommen und an den Objekten zu forschen. Wir haben einen Vorlageraum, die Möglichkeit besteht also ohne weiteres. Und es kommen regelmäßig Besucher aus der ganzen Welt, um für Ausstellungen oder Publikationen Einsicht in die Bestände zu nehmen. Meine Aufgabe ist es, ihnen den Zugang zu erleichtern und so das Wissen über die Sammlungsbestände zu vergrößern.

 

L.H.: Vielen Dank für das Gespräch!

 


[1] Bodo von Dewitz/Alexander Kraus/Andreas Renner, Kein Künstler, aber ein „verspielter Hund“: Bodo von Dewitz über das Kuratieren als kreativen Prozess , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: http://www.zeitenblicke.de/2011/2/Interview/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-31879.
[2] Bernd Stiegler, Rezension zu: Paul, Gerhard: BilderMACHT. Studien zur Visual History des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013, in: H-Soz-u-Kult, 29.11.2013, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-4-173>.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/26/die-fotografische-sammlung-des-museum-ludwig-unter-neuer-leitung/

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