Radio TEXperimenTales

Wenn man meinen Kram hier gerne liest, mag man mich vielleicht ja auch mal hören. Dazu gibt es jetzt die Gelegenheit, da der weitläufig für seine Wrint-Podcasts bekannte Holger Klein mich interviewt hat und das Interview dann tatsächlich auch veröffentlichte.

Wrintlogo

Es ist erschienen in der Rubrik “zum Thema” und dreht sich über weite Strecken um die Tücken des Voynich Manuskripts – das bleibt halt so ziemlich das Öffentlichkeitswirksamste, was ich zu erzählen habe. Dazu gibt es aber auch kleine Abstecher, z.B. in die Computerlinguistik (ganz zu Anfang – da läuft es noch etwas unrund bei mir, man gibt halt nicht alle Tage ein Telefoninterview) und um die Frage, was Mode und Wissenschaft miteinander zu tun haben.

Insgesamt muss ich feststellen, dass ich zufriedener mit dem Ergebnis bin, als ich vorher gedacht hatte. Mit Holger kann man allerdings auch verdammt gut plaudern, auf diesem Wege sei ihm herzlich dafür gedankt. Angebandelt wurde das ganze mal wieder über Twitter, wo das einzigartige @mettwurstballett Holger auf mein Halbwissen zum Voynich Manuskript aufmerksam machte, worauf dieser mich anrief. Das Ergebnis könnt ihr hier anhören oder herunterladen. Vielleicht ja irgendwo im Grünen an diesem sonnigen Pfingstwochenende.

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1066

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Emser Depesche: Der Überlieferungszusammenhang

Einleitung zu dieser Serie

Angenommen, wir möchten die Originale der Schriftstücke konsultieren, die zusammen als “Emser Depesche” berühmt geworden sind. Sie werden im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts verwahrt. Was uns im Lesesaal vorgelegt wird, ist ein dicker Aktenband. Er ist fadengeheftet, d. h. die Einzelschriftstücke wurden lagenweise eingenäht, und bietet den typischen Anblick preußischer Behördenakten des 19. Jahrhunderts.

(Natürlich haben wir dem Archiv vorher plausibel dargelegt, dass wir für unsere aktenkundlichen Studien zwingend auf das Original angewiesen sind. Sonst hätten wir aus konservatorischen Gründen zunächst nur einen Mikrofiche erhalten.)

Aus der Literatur kennen wir die moderne Archivsignatur, R 11674, und auch Blattzahlen: 209-214. Also könnten wir uns sofort auf Abekens Bericht aus Ems stürzen. Viele Forscher tun das auch und verzichten darauf, “ihre” Funde im Aktenzusammenhang zu kontextualisieren. Sie tun das auf eigene Gefahr.

Zwar ist auch die Aktenkunde – ein kleiner methodologischer Exkurs – auf Einzelschriftstücke ausgerichtet, aus deren Gestalt und Abfolge sie Entscheidungsprozesse inhaltlich rekonstruiert (Henning 1999: 120). Sie kommt aber, sozusagen als Vorspiel, nicht darum herum, die Einzelschriftstücke in der gesamten Überlieferung der aktenführenden Institution zu verorten, und muss sich dazu mit den Strukturen des Archivguts auseinandersetzen, in denen es heute vorliegt.

Kretzschmar (2011) hat am Beispiel der Gerichtsakten zu dem berüchtigten Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer demonstriert, dass diese ohne Kontextualisierung nur unter größten Mühen sachgerecht ausgewertet werden können. Die entscheidenden Informationen fand er auf den Aktendeckeln: Zeitgenössische Registratur- und neuere Archivvermerke.

Wir schließen den Aktenband wieder – vorsichtig, mit den Baumwollhandschuhen, die uns die Aufsicht gegeben hat – und sehen uns den Aktendeckel an.

Deckel des Aktenbandes PA AA, R 11674

Deckel des Aktenbandes PA AA, R 11674 

Wir bemerken, dass der Aktendeckel wegen des vorgedruckten “19″ für die Laufzeitangabe nicht original sein kann. Aktenzeichen und -titel wurden aber originalgetreu transkribiert. Mit Umlagerungen und Neueinbindungen zur Bestandserhaltung muss immer gerechnet werden. Auch die Schriftstücke im Inneren wurden in jüngster Zeit restauriert. Vielleicht hat dieses Detail aber dennoch etwas zu sagen. Wir merken es uns.

Es handelt sich um Akten des Auswärtigen Amts, “Abteilung A”. Haben wir damit die genaue Provenienzstelle innerhalb der Behörde gefunden, können also identifizieren, wo im Zuständigkeitsgefüge des Ministeriums die Akten entstanden sind? Noch nicht ganz. Im Auswärtigen Amt (des Norddeutschen Bundes, zu dieser Zeit) gab es keine Abteilung A, wie ein Blick in die Behördengeschichte (z. B. Conze 2013: 19) lehrt. Es gab eine politische Abteilung (römisch I), die ihre Akten in zwei Gruppen teilte: A-Akten zu politischen und B-Akten zu nichtpolitischen Betreffen; darunter fielen z. B. die Personalakten der Diplomaten.

Der Kopf des Deckels sagt uns in verkürzter Form, dass uns A-Akten der Abteilung I vorliegen, also ein politischer Betreff in der Zuständigkeit der Politischen Abteilung gegeben ist. Zeitgenössisch sprach man von IA-Akten. (1879 wurde dann die Politische Abteilung in die Abteilungen I A und I B gespalten; das muss uns hier aber nicht interessieren.)

Bei der “Berufung eines Prinzen von Hohenzollern auf den Spanischen Thron” als Betreff ist die politische Natur der Akten nicht zu bestreiten. Der Ort dieser Betreffakten in der Gesamtheit der IA-Akten ergibt sich aus dem Aktenzeichen: B o 32. “Aktenzeichen” ist hier noch nicht im heutigen Sinne als Teil eines umfassenden Aktenplans zu verstehen, der den Zuständigkeitsbereich einer Behörde vorausschauend aufteilt, auf die Gefahr hin, dass manche Aktenzeichen auf ewig unbelegt bleiben. In der klassischen Betreffsregistratur, wie sie auch im Auswärtigen Amt bestand, wurden neue Aktenzeichen ad hoc vergeben, wenn tatsächlich Schriftgut zu einem neuen Betreff anfiel. Innerhalb eines groben Gliederungsschemas wurden die Betreffe “chronologisch nach Anfall gereiht” (Enders 1968: 50).

Die IA-Akten des Auswärtigen Amt wurden nach Sachbetreffen in einer geografischen Gliederung geführt. Das entsprach den Bedürfnissen eines Außenministeriums. Bei den Innenbehörden war es in der Regel umgekehrt: übergeordnete Sachgliederung und geografische Betreffe an der Basis (Meisner 1935: 154). Geografisch befinden wir uns bei diesen Akten in

  • “B” = Europa und
  • “o” = Spanien,

was freundlicherweise auch noch einmal ausgeschrieben wurde. Innerhalb der IA-Europa-Spanien-Akten liegt uns der 32. Betreff vor, zu dem die Registratur Akten angelegt hat, eben die Spanische Kandidatur. Im Vergleich wird sofort deutlich, dass die Nummernfolge der Betreffe zufällig ist, so wie die Sachen gerade anfielen:

  • B o 30 “Verhältnisse der Insel Cuba”,
  • B o 31 “Innere Zustände und Verhältnisse Spaniens”,
  • B o 33 “Vereinigung Spaniens und Portugals zu einem Iberischen Reiche”.

Der Aufbau dieses Weymannschen Registraturplans wird von Philippi (1958) erläutert; man muss es mehrmals lesen und konkret anwenden, um es zu verstehen. Was bringt das nun? Zum einen durchschauen wir jetzt die älteren Angaben der Fundstelle in der Literatur, z. B. bei Walder (1972: 179), mit “IA Bo 32″. Die heutigen Archivsignaturen im Numerus Currens wurden erst 1990/91 eingeführt (Biewer 2005: 151 f.). Zum anderen ist es doch erwähnenswert, dass sich die zentrale Überlieferung zur Genese des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 bei den Spanienakten befindet – wenn auch aus der Registraturlogik heraus einfach zu erklären. Auf dieser Basis könnten wir jetzt methodisch sicher nach ergänzender Überlieferung in anderen Teilen der IA-Registratur suchen, wenn wir uns diplomatiegeschichtlich damit befassen wollten.

Nun wenden wir uns der Binnengliederung der Betreffakten B o 32 zu. Es handelt sich um eine mehrbändige Aktenserie, aus der uns der 4. Band vorliegt. Wir sehen, dass er trotz seines Umfangs Schriftgut eines einzigen Tages enthält, und bekommen so einen Eindruck von der Intensität der Diplomatie auf dem Höhepunkt der Krise. Wir wollen uns von der Vollständigkeit der Aktenserie überzeugen, prüfen den Anschluss an Band 3 – und bemerken gleich eine große Lücke. Band 3 endet mit der Blattnummer 89, Band 4 beginnt mit 116. Wir blättern jetzt den ganzen Band durch und sehen, dass auch die Blätter 134-136, 185-186 und 188-189 fehlen.

Glücklicherweise haben wir beim Aufschlagen bemerkt, dass sich auf der Rückseite des Aktendeckels ein Archivvermerk von 1958 befindet. Damals wurden die Akten aus britischen Gewahrsam zurückgegeben. Dieser Vermerk verweist uns für die fehlenden Seiten auf die parallelen Geheimakten. Dass es eine zweite Aktenserie I A B o 32 mit dem Zusatz “secr.” gibt, wussten wir natürlich schon aus unserer sorgfältigen Durchsicht des Findbuchs. Und in diesen Geheimakten (die längst nicht mehr geheim sind) finden sich, im Band 4, tatsächlich die fehlenden Seiten. Wir stellen fest, dass sich unsere Quellenbasis (Bl. 209-214 im “normalen” Band 4) dadurch nicht verändert.

Zur Überlieferungsgeschichte können wir jetzt postulieren, dass die “offenen” und die geheimen Schriftstücke zu I A B o 32 in der Registratur zunächst vermischt abgelegt wurden. Die durchgehende Blattzählung (Foliierung) ist der Beleg dafür. Später hat man beide Gruppen voneinander getrennt und in neue Aktendeckel eingebunden. “Serienspaltung durch Geheimhaltung” wäre ein Stichwort für die Archivwissenschaft, das vor allem für das 20. Jahrhundert einmal näher beleuchtet werden sollte.

Die Emser Depesche hielt man zu diesem unbestimmten Zeitpunkt offenbar nicht für geheimhaltungsbedürftig – da der Aktendeckel dieses vorgedruckte “19″ aufweist, fand die Umlagerung erst statt, nachdem Caprivi 1892 im Reichstag den unredigierten Depeschentext publik gemacht hat. Die Katze war also schon aus dem Sack.

Wir wiederholen die Prüfung nun für den Anschluss an Band 5, stoßen dort aber nur auf Wiedergaben des Depeschentexts, die wir für unser aktenkundliches Thema nicht brauchen. Soviel Aufwand für einen im Grunde negativen Befund? Ja, denn erst jetzt können wir uns sicher sein, dass wir in den Blättern 209-214 des Archivales mit der zeitgenössischen Registratursignatur I A B o 32 Bd. 4 und der archivischen Bestellnummer R 11674 aus dem Bestand R 201 (Abteilung I A, 1870-1920) des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts abschließend unsere Quellengrundlage identifiziert haben.

Wir können jetzt das vorgangsbegründende Schriftstück näher untersuchen: den Bericht Abekens über die Begegnung Wilhelms I. mit dem französischen Botschafter auf der Kurpromenade von Bad Ems.

Literatur

Biewer, Ludwig 2005. Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts. Plädoyer für ein Ressortarchiv. Archivalische Zeitschrift, 87, S.137–164.

Conze, Eckart 2013. Das Auswärtige Amt. Vom Kaiserreich bis zur Gegenwart. München: Beck 2013.

Enders, Gerhart 1968. Archivverwaltungslehre. 3. Aufl. Berlin (Nachdruck Leipzig 2004).

Henning, Eckhart 1999. Wie die Aktenkunde entstand. Zur Disziplingenese einer Historischen Hilfswissenschaft und ihrer weiteren Entwicklung im 20. Jahrhundert, in: Ders. 2004. Auxilia Historica. Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und ihren Wechselbeziehungen. 2. Aufl. Köln usw. S. 105-127.

Kretzschmar, Robert 2011. Der Kriminalprozess gegen Jud Süß Oppenheimer in archivwissenschaftlicher aus aktenkundlicher Sicht, in: Lorenz, Sönke und Molitor, Stephan Hg. 2011. Text und Kontext. Historische Hilfswissenschaften in ihrer Vielfalt. Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte 18. Ostfildern. S. 489–523.

Philippi, Hans 1958. Das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes. Der Archivar, 11, Sp. 139–150.

Walder, Ernst Hg. 1972. Die Emser Depesche. Quellen zur neueren Geschichte 27-29. 2. Auflage. Bern.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/188

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Texte aus Handschriften der Benediktinerinnen von St. Walburg in Eichstätt

“vnd darvmb ist es allen buchern not, das man sie nach dem schreiben mit gutem fleyß corrige”. Diese heute noch gültige Erkenntnis steht am Schluss eines ganz kurzen Traktats “Vom Abschreiben der deutschen Heiligen Schrift”, den Joseph Lechner (1893-1954) aus dem Cod. germ. 2 der Benediktinerinnenabtei St. Walburg in Eichstätt (Bl. 36ra-vb) edierte. [1] Den urheberrechtlich nicht geschützten kurzen Textanhang von Lechners Buch: Die spätmittelalterliche Handschriftengeschichte der Benediktinerinnenabtei St. Walburg/Eichstätt (By.). Münster i. W.: Aschendorff 1937, S. 89-96 habe ich als PDF auf Wikimedia […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7312

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(K)Eine Farbe mit viel Geschichte. Weiß im 16. Jahrhundert

 

Die französische Historiographie hat sich immer wieder mit der Geschichte der Farben befasst.  Was in der Kunstgeschichte auch in Deutschland gängig ist, konnte sich für die Frühe Neuzeit hierzulande an den Historischen Seminaren nie so recht durchsetzen. Dabei ist die Geschichte der Farben mehr als nur ein buntes Durcheinander vergangener Kolorierungen. Michel Pastoureau ist der vielleicht beste Kenner dieser Geschichte und hat ihr als Mediävist ein reiches Werk gewidmet. Auch für die Reformationszeit liegt von ihm ein Aufsatz vor, in dem er sich mit […]

 

 

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1862

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6. Juni 2014 – Auch für Deutsche ein Grund zur Freude?

Von Stefan Sasse

Amerikanische Truppen bei der Anfahrt auf "Omaha", 6.6.1944
Am 6. Juni 2014 jährt sich die Invasion der Alliierten in der Normandie zum 70. Mal. Seit 2004 sind auch deutsche Vertreter bei den Jubiläumsfeierlichkeiten in Frankreich zugegen, bei denen der alliierten Opfer gedacht wird. Wie in der Debatte um den 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen deutschen Kapitulation, stellt sich für uns die Frage, ob wir diesen Tag ebenfalls mitfeiern können. Die Antwort darauf ist nicht ganz so einfach, wie sie scheint. Selbstverständlich kann es für uns Deutsche keine Alternative sein, den Gang der Ereignisse an jenen Tagen zu bedauern. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs müssen unsere Sympathien bei der alliierten Sache liegen, so schizophren das für uns als Deutsche manchmal auch anmuten mag. 

Warum also entsteht überhaupt eine Debatte zum Thema? Schließlich war die Eröffnung einer zweiten Front in der Normandie am 6. Juni 1944 ein weiterer Sargnagel für das Regime und brachte das Kriegsende binnen eines letzten, blutigen Jahrs herbei. Ein erstes Argument betrifft den westlichen Fokus des Tags. Historisch war die Westfront wesentlich unbedeutender als die Ostfront, wo am 21. Juni 1944 die Bagration-Offensive der Sowjetunion die Heeresgruppe Mitte pulverisierte und die Front über 300km nach Westen verschob. 9 von 10 deutschen Soldaten kämpften im Osten; die Sowjets mobilisierten (und verloren) ungleich mehr Soldaten als die Westmächte. Sollte daher nicht ihnen der Löwenanteil des Danks an der Niederwerfung Nazi-Deutschlands zukommen? 

Wladimir Putin (CC-BY-SA 3.0 Kremlin.ru)
So bedenkenswert dieses Argument auch ist, es hat in den politischen Realitäten des Jahres 2014 wenig Boden. In Berlin fuhr die Springerpresse noch vor kurzem eine erfolglose Kampagne, die sowjetischen Denkmäler (etwa die ausgestellten Panzer und Kanonen) entfernen zu lassen. Nach den Ereignissen in der Ukraine und der völligen propagandistischen Zweckentfremdung des "Großen Vaterländischen Krieges" durch Putin ist eine unvoreingenommene Auseindersetzung mit dieser Frage von keiner Seite zu erwarten; das Eingeständnis der sowjetischen Bedeutung würde im aktuellen Konflikt Putin stärken, was für die Bundesregierung offensichtlich keine Option darstellt. 

Es bleibt daher die Frage, ob dem (wesentlich kleiner dimensionierten) westlichen Gegenentwurf zu dieser aktuellen russischen Propaganda - dem Verschweigen des sowjetischen Anteils und einer Konzentration auf die Landung als scheinbar kriegsentscheidendes Ereignis - ein deutscher Anteil zukommen sollte. Die politischen Erwägungen sprechen derzeit klar dafür, da man sich für das westliche Bündnis gegen Russland positionieren will. Doch auch hier gibt es ein Problem, das man nicht wegdiskutieren kann: die Gedenkveranstaltungen des 6. Juni drehen sich hauptsächlich um die alliierten Opfer, die an diesem Tag zu beklagen waren.

Kanadischer Soldatenfriedhof, Normandy (Burtonpe, GNU 1.2)
Haben deutsche Politiker also überhaupt das Recht, die Deutschen nun gewissermaßen nachträglich auf die Seite der Sieger zu stellen und mitzufeiern und damit dem Eindruck Vorschub zu leisten, dass der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus eigentlich keine wirklich deutsche Sache waren, sondern den Deutschen vielmehr unwillig aufgezwungen worden seien? Diese Frage ist keinesfalls einfach von der Hand zu weisen, denn sie hat Implikationen. Die Veteranen des D-Day, so sie noch leben, könnten daran durchaus Anstoß nehmen, und nicht ganz zu Unrecht. Und für unsere Vergangenheitsbewältigung ist der entsprechende Eindruck auch ein Problem. 

Nichts desto trotz bin ich trotzdem dafür, den 6. Juni (und natürlich auch den 8. Mai) als Gedenktag zu begehen und auch an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Wir müssen uns aber gleichzeitig immer des Spagats bewusst sein, der hier begangen wird. Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Rekordgeschwindigkeit nicht nur als Nation wieder aufgenommen, sondern auch als Freund begrüßt worden. Das ist keine Selbstverständlichkeit, bei allem Eigennutz, den die Sieger daraus zogen. Es steht uns auch 70 Jahre später nicht an, dies einfach zu vergessen. Unsere historische Verantwortung zwingt uns, dem Nationalsozialismus eine klare Absage zu erteilen, zu der aber eben auch die Akzeptanz seiner Lasten gehört. Und die verbietet eine allzu billige Fraternisierung mit den Siegern, nicht nur des guten Geschmacks willens, sondern aus dem Respekt ihnen gegenüber. Und das betrifft auch die sowjetischen Monumente am Brandenburger Tor.

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2014/06/6-juni-2014-auch-fur-deutsche-ein-grund.html

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FAMI im LWL-Archivamt III: Die Tiefe der Verzeichnung

Weiter geht es mit unserer Serie. Heute schreibt Carsten Haubrock über den Bestand, den er gerade bearbeitet. Er verzeichnet Akten der LWL-Finanzabteilung.

FAMI im LWL-Archivamt III: Die Tiefe der Verzeichnung ( von Carsten Haubrock)

In der vergangenen Woche hat euch mein Kollege Marcel mit dem Konzept der Erschließung vertraut gemacht und auch einen Einblick in den Bestand der LWL Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gegeben, in welchem er aktuell die Pressebesprechungen verzeichnet. Ich möchte an dieser Stelle dem geneigten Leser auch “meinen Bestand” kurz vorstellen, nämlich den der LWL-Finanzabteilung, früher bekannt unter der Bezeichnung Kämmerei. Die Finanzabteilung gehört zum Referat des Ersten Landesrats und befasst sich unter anderem mit der Haushaltsplanung, der Finanz- und Investitionsplanung sowie den Haushalts- bzw. Jahresrechnungen. Auch ist sie für das Haushalts- und Rechnungswesen der LWL-Einrichtungen, wie z.B. den Landeskrankenhäusern, Förderschulen, Heime, Wohnbereiche und Gutswirtschaften, zuständig, welche unter die Trägerschaft des LWL fallen oder von diesem betrieben werden. Besonders interessant fand ich auch den Bereich der Landschaftsumlage. Hier bekommt man einen guten Einblick in die Hauptfinanzierungsquelle des Landschaftsverbandes. Die Landschaftsumlage bezeichnet die Zahlungen, die durch den Hebesatz auf die Steuereinnahmen der Mitglieder des LWL, die 9 kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe, erhoben wird. Diese tragen und finanzieren sozusagen den Landschaftsverband. In den Unterlagen der Landschaftsumlage finden sich vor allem die Vierteljahresstatistiken der Kommunalfinanzen, sowie Schätzungen der Umlagegrundzahlen von Gemeinden und Kreisfreien Städten in NRW.

Der Kämmerei-Bestand unbearbeitet im Regal

Der Kämmerei-Bestand unbearbeitet im Regal

Aber auch unter dem Klassifikationspunkt Vermögen finden sich aufschlussreiche Archivalien, wie zum Beispiel Unterlagen zu den Stiftungen welche im Namen des Landschaftsverbandes betreut werden. Diesbezüglich möchte ich kurz die Piepmeyer-Stiftung erwähnen, welche von dem wohltätigen Kommerzienrat Heinrich Piepmeyer (1836-1914) aus Münster ins Leben gerufen wurde und deren Mittel man für die Verbesserung der Lebensqualität Behinderter Menschen einsetzt. Neben Unterlagen zu den Wahlen und Sitzungen des Verwaltungsrates der Stiftung sowie der Verwaltung des Vermögens findet man auch beispielsweise

 

 

Fotos von Umbauten im Integrativen Montessori Kindergarten in Münster, welche durch die Piepmeyer-Stiftung finanziert wurden, oder Unterlagen hinsichtlich der finanziellen Beihilfe zum Studienaufenthalt Behinderter im Ausland.

 

P1010093 Regal

Die Signatur wird im ersten Arbeitsschritt auf Papierstreifen bei der Archivalie notiert. Dann werden die Archivalien in Mappen und Kartons verpackt.

Da ich mit der Verzeichnung bisher noch nicht allzu vertraut war, musste ich mich zunächst mit der Struktur der Finanzabteilung auseinandersetzen. Hierbei war der Aktenplan eine sehr große Hilfe, denn in Kombination mit ebendiesem und den Aktenzeichen der Unterlagen, lassen sich sehr schnell Zuordnungen herstellen und Klassifikationen installieren, welche wiederum eine bessere Übersicht gewährleisten. Auch die Titelbildung ist so gesehen eine Kunst für sich. Knackig soll er sein, so ein Titel, dazu prägnant und ohne Interpunktion. Das wirklich schöne an diesem Bestand ist, das ein Großteil der anfallenden Akten bereits einen nahezu perfekten Titel besitzen, der nur hier und da ein wenig umgestellt werden muss. Die Benutzung des „Enthält-Feldes“ in ACTApro hatte mich allerdings zu Beginn ein wenig verunsichert. Wie viel des Inhalts der Akte soll ich hier kommunizieren und was ist überhaupt von Bedeutung? Da sagte ich mir, bevor ich etwas übersehe, bekommt halt nahezu jedes Blatt seine Erwähnung. Was als hehrer Vorsatz begann, war in der Praxis natürlich völlig untauglich. Selbst eine verhältnismäßig schmale Akte zu verzeichnen kostet nach dieser Strategie einfach Unmengen an Zeit und zudem verwirrt ein solch riesiger „Enthält-Vermerk“ den Betrachter mehr, als das er ihn informiert. Nach Rücksprache mit der zuständigen Archivarin erkannte ich, dass eine andere Herangehensweise erforderlich war. Im besten Fall sollte der Titel der Akte schon alles aussagen und Eintragungen in das „Enthält Feld“ überflüssig machen. Besondere Schriftstücke allerdings, die eine hohe Aussagekraft besitzen, sowie Unterlagen die aus dem üblichen Schema hervorstechen trägt man ein. Dokumente, die scheinbar nichts mit der eigentlichen Aussage der Akte zu tun haben werden im „Darin-Feld“ vermerkt. Nach und nach bekommt man auch ein Gefühl dafür, welche Informationen wichtig sind, und welche man unerwähnt lässt. Beispielsweise finden sich in den Archivalien zu den Bürgschaftsübernahmen des LWL auch quasi immer eine Anfrage des jeweiligen Darlehnsnehmers, sowie ein Tilgungsplan zum Darlehen und Korrespondenzen des LWL mit dem Darlehnsgeber. Da dies alles Informationen sind, die man in der Akte erwarten kann sofern der Titel gut ist, braucht man sie auch nicht mehr extra aufzuführen. Berücksichtigt man diese Anweisungen, kommt man letztlich auch recht zügig mit der Verzeichnung voran.

Soviel nun meinerseits zum Thema Verzeichnung. In meinen nächsten Bericht werde ich mich mit dem Thema der Magazintechnische Bearbeitung von Archivalien befassen. Oder vielleicht doch mit der Aufsicht des Lesesaals? Eventuell auch ein Blogbeitrag über die Gefahren und Tücken bei der Reponierung. Lasst euch überraschen.

Famis2014MasterHier schreiben unsere FAMIS Marcel Wachnau (links) und Carsten Haubrock (rechts).

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/767

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aventinus varia Nr. 45 [05.06.2014]: Von der Vision zur Realität, oder: Wer ist Manya Shohat? Über eine im aktuellen israelischen Geschichtsbewusstsein vergessene Pionierin

Im Zentrum steht die Person Manya Shohat, die eine der Leitfiguren in der Pioniergeneration der Zweiten Alija war und die Weichen für die Gründung des ersten Kibbuz in Degania stellte, dann aber im aktuellen israelischen Geschichtsbewusstsein weitgehend in Vergessenheit geriet. http://bit.ly/1rNTvAN

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5139/

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[paper:] Christof Rolker (Konstanz): Die Ordnung der Wappen. Zum sozialen Ort spätmittelalterlicher Wappenbücher, Historisches Seminar, Münster, 04.06.2014

Am 4. Juni 2014 trug Christof Rolker im Forschungskolloquium “400-1500″ am Historischen Seminar der Universität Münster aus seinen aktuellen Arbeiten zu spätmittelalterlichen Wappenbüchern vor. In Zentrum stand dabei natürlich das Wappenbuch des Konrad Grünenberg, zu dem er hier auf dem Blog regelmäßig berichtet. Hier das Abstract zu seinem Vortrag: Spätmittelalterliche Wappenbücher, die teilweise über 1000 Wappen umfassen, werden oft als Ausdruck eines spezifisch (land-)adeligen Selbstbewusstseins verstanden. Soweit die Auftraggeber nachweislich dem Stadtadel angehörten, oder Aufsteiger in diesen Stadtadel waren, gelten diese aufwendigen Sammlungen alternativ als Dokumente eines sozialen Aufstiegwillens. Aber wo war eigentlich „oben“ in diesen Gesellschaften? Anhand von drei Wappenbüchern des späten 15. Jahrhunderts, die alle von Stadtadeligen in Auftrag gegeben wurden, möchte ich zeigen, dass verschiedene Kompilatoren von Wappensammlungen darauf verschiedene Antworten gaben. Wappenbücher sind eindeutig, wie Jean-Christophe Blanchard festgestellt hat, Quellen der Sozialgeschichte: Welche Wappen vorkommen und welche nicht, welche prominent herausgestellt werden und welche eher versteckt sind, in welcher Form, in welcher Reihenfolge und nach welchen Ordnungskriterien die Wappen angeordnet werden – all diese Elemente eines Wappenbuchs können Aussagen über die Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Gruppen sein. Das heißt aber nicht, dass zwischen den Wappen, die (positiv, ausführlich, prominent) dargestellt werden, und der sozialen Gruppe, der […]

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/1093

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Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Marc Lazar – The Communist Challenge

Marc Lazar is professor of history and political sociology at Sciences Po. In Sciences Po he is Head of the graduate program in the History department since 2007, Dean of the History department and President of scientific Council since 2010. His research interests are Communism in France and Italy, the socialist left and Social Democrats in Western Europe, the changes in politics in France and Italy and the relations between the French left and the public service.

Das 20. Jahrhundert & der Erste Weltkrieg: Marc Lazar – The Communist Challenge from maxweberstiftung on Vimeo.

Abstract

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1577

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Arte-Dokumentation über Alan Turing

Morgen (Fr 6.6.2014, 21:10-22:10) auf Arte: Eine Dokumentation über Alan Turing.

Die Ankündigung:


Wie ein Mathegenie Hitler knackte
Der Fall Alan Turing

Er war weder General noch Stratege - und doch nahm er entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Zweiten Weltkriegs: Der britische Mathematiker Alan Turing entwickelte ein Verfahren zur Entschlüsselung der deutschen Funksprüche. Die Dokumentation porträtiert den genialen Codeknacker, der bereits mit 43 Jahren unter ungeklärten Umständen starb.

Alan Turing gehört zweifellos zu den größten Logikern und Theoretikern des 20. Jahrhunderts. Nur wenige Wissenschaftler haben so erfolgreich und vielseitig geforscht wie er. Turing, lange Zeit ein verkannter Held des Zweiten Weltkriegs, war durch die Entschlüsselung der Funksprüche der Deutschen maßgeblich am Sieg der Alliierten beteiligt. Als einer der einflussreichsten Vorreiter der frühen Computerentwicklung entwickelte er EDV-Programme und prägte den Begriff „künstliche Intelligenz“.

Trotz dieser herausragenden Leistungen nahm sein Leben einen tragischen Verlauf: Aufgrund seiner Homosexualität wurde er in seiner Heimat Großbritannien verfolgt. Er starb im Alter von 43 Jahren unter bis heute ungeklärten Umständen.

Das ungewöhnliche Schicksal des Wissenschaftlers, der unbeabsichtigt in den Strudel des Weltgeschehens geriet, setzt manche Kapitel im Zweiten Weltkrieg in neue Zusammenhänge und zeigt, wie eng der Sieg der Alliierten mit der Erfindung des Computers verknüpft ist.


Regie: Denis van Waerebeke

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/894827670/

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