Der inszenierte Alltag

Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965 Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) © Stiftung Deutsches Historisches Museum
Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965 Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) © Stiftung Deutsches Historisches Museum

Foto: Martin Schmidt, Traktoristin, um 1965
Erschien 1970 als Titelfoto der Zeitschrift „Lernen und Handeln“, dem Funktionärsorgan des Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD)
© Stiftung Deutsches Historisches Museum

Eine lächelnde, junge Traktoristin, das Lenkrad fest im Griff, den Blick entschlossen nach vorne gerichtet, begegnet uns als Postermotiv seit Ende März häufig in Berlin. Es ist weniger die Landarbeit selbst als ihre Inszenierung, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht: Die extreme Untersicht der Aufnahme lässt die Figur heroisch wirken, der enge Bildausschnitt verstärkt diese Wirkung. Neben der dramatischen Komposition sind es die Farbkontraste der Fotografie, die uns als Betrachter in den Bann ziehen. Die Diagonale aus roter Lenkerstange, rot-weiß gestreiftem Arbeitshemd und rot gepunktetem Kopftuch setzt sich vor dem gleißend blauen Himmel ab und verleiht der Fotografie eine besondere Ästhetik. Dieses Motiv bewirbt die Ausstellung zur Auftragsfotografie in der DDR, die unter dem Titel „Farbe für die Republik – Auftragsfotografie vom Leben in der DDR“ bis Ende August im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums zu sehen ist.

 

Mehr unter Zeitgeschichte-online:

Sabine Pannen, Der inszenierte Alltag. Die Ausstellung „Farbe für die Republik“ und der schwierige Umgang mit Auftragsfotografie der DDR, in: Zeitgeschichte-online, Mai 2014, URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/geschichtskultur/der-inszenierte-alltag

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/10/der-inszenierte-alltag/

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Wo ist Jan von Werth?

Im Jahr 1645 waren die Schlachten bei Mergentheim (5.5.1645) und bei Alerheim (3.8.1645) die entscheidenden Waffengänge der kurbayerischen Truppen. Bei Mergentheim gelang Feldmarschall Mercy ein wichtiger Sieg über die Franzosen, doch die Kämpfe drei Monate später endeten unglücklich. Die Niederlage bei Alerheim wog zudem durch den Schlachtentod Mercys besonders schwer, denn er hatte sich in den Jahren zuvor als der eigentliche militärische Lenker und strategische Kopf des bayerischen Heeres erwiesen. Gerade bei Mercys letzter Schlacht war auch ein anderer Kommandeur beteiligt, der sich hier besonders hervortat: Jan von Werth. Seine Kavallerieattacke auf dem linken Flügel überwältigte die dort stehenden französischen Kräfte, so daß der Sieg in greifbarer Nähe schien. Doch Werths Erfolg reichte nicht, da sich andernorts die feindlichen Truppen durchsetzen konnten; Alerheim wurde ein Sieg der französischen Waffen, wenn auch ein mit hohen Verlusten erkaufter.

Wer nun den aktuellen Band der Korrespondenzen Maximilians von Bayern mit seinen Gesandten Haslang und Krebs in Münster in die Hand nimmt und zu diesen Ereignissen weitere Informationen erwartet (Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013), muß feststellen, daß diese militärischen Ereignisse in den Briefen des Kurfürsten und seiner Gesandten nicht wirklich ausführlich zur Sprache kommen. Vor allem fällt aber auf, daß die Kommandeure der bayerischen Truppen in den Berichten kaum eine Rolle spielen. Selbst Mercy, den der Kurfürst wohl wirklich schätzte und dessen Tod er sehr bedauerte, findet kaum Erwähnung; nicht anders ergeht es Geleen, der Mercy im Amt des Feldmarschalls folgte. Und Jan von Werth, der bei Alerheim die französische Armee fast doch noch besiegt hätte? Er taucht in der gesamten Edition nicht auf.

Die Prominenz, die Werth in der heutigen Historiographie genießt, hat offenbar in damaliger Zeit keine Entsprechung gehabt. Man wird auch anerkennen müssen, daß er als General der Kavallerie zwar weit oben, aber eben nicht an der Spitze der kurbayerischen Militärhierarchie stand. Wenn schon nicht einmal der Feldmarschall thematisiert wurde, warum sollte der Kurfürst dann über Werth berichten? Vor allem aber wird deutlich, daß diese Korrespondenzen so stark von den Verhandlungsmaterien in Münster geprägt sind, daß die Militaria tatsächlich in den Hintergrund treten bzw.hier in die Anlagen verbannt sind: Der Bericht über die Schlacht bei Alerheim ist Beilage Nr. 5 (von insgesamt 11) zum Brief Maximilians vom 9. August.

Man muß in diesem Befund keineswegs ein Indiz für die (tatsächliche) Geringschätzung sehen, die Maximilian davon abgehalten hatte, Jan von Werth das Kommando über die bayerischen Truppen zu übertragen. Vielmehr zeigte sich Maximilian ganz auf das diplomatische Geschäft des Friedens fixiert; er wollte den Krieg beenden, das wird in diesen Korrespondenzen nur allzu deutlich. Deutlich wird aus historiographischer Perspektive aber auch, wie allzu leicht man geneigt ist, die Wertigkeit oder auch nur die Aufmerksamkeit, die die derzeitige Geschichtswissenschaft einzelnen Phänomenen und Persönlichkeiten entgegenbringt, auf die historischen Verhältnisse zu reprojizieren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/458

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Hans Albers: Ein Hamburger Jung’

„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob Du’n Mädel hast oder ob keins…“ Erst Mitte Mai erklang auf dem Hafengeburtstag erneut die Stimme Hans Albers’. Knapp siebzig Jahre nach dem Erfolgsfilm Große Freiheit Nr. 7 ist der selbsternannte Kapitän noch immer präsent in Sankt Pauli. Doch was genau verband Hans Albers und die Hansestadt – oder besser gefragt: Wie viel Hans Albers steckt in Hamburg?

Hans Philipp August Albers wird am 22.09.1891 in der Langen Reihe 71 in Hamburg-St. Georg als sechstes Kind der Familie Albers geboren. Sein Vater Philipp, genannt der „Schöne Wilhelm“ in Anlehnung an den damaligen Deutschen Kaiser, ist Schlachtermeister und führt enge Kontakte zur Theaterszene in Hamburg. Eugen Burg, erfolgreicher jüdischer Schauspieler, nennt er einen guten Freund.

Die Schule besucht Albers ohne großen Ehrgeiz, stattdessen beschäftigt er sich lieber mit anderen Dingen – wie dem Theater. Das Interesse am Schauspielern wächst, doch trotz der guten Kontakte des Vaters zum Theater, scheinen diese nur für sein persönliches Interesse wichtig zu sein: Albers sen. möchte seinen Sohn nicht auf der Bühne sehen, stattdessen sollte dieser eine Lehre als Kaufmann absolvieren. Widerwillig, und unter dem Druck des Vaters stehend, geht Hans Albers in die Lehre – nebenher nimmt er heimlich privaten Schauspielunterricht.

 

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Geburtshaus von Hans Albers in St. Georg: Frühe Beschäftigung mit dem Theater          / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Die häufigen Besuche am Theater und die immer größer werdende Begeisterung des Sohnes am Schauspielern interessieren Philipp Albers wenig: Er schickt seinen Sohn nach Frankfurt am Main zu einer Seidenfirma. Hans sollte dort seine Ausbildung fortführen, weit weg von der Hamburger Theaterszene. Der junge Mann zeigt jedoch auch hier schon Charakterzüge, die ihm später von Kollegen und Bewunderern zugeschrieben werden: lebendig, perfektionistisch, ehrgeizig, offen und selbstbewusst. Sonst hätte er wohl nicht am Frankfurter Neuen Theater vorgesprochen.

Es folgen ab 1911 kleine Auftritte in leichten Stücken unter anderem in Güstrow, Schandau und Köln. Während sich die Kritiker über sein Können uneinig sind, beginnen die Zuschauer, den Mann mit den stechend blauen Augen, den blonden Haaren und der markanten Stimme zu lieben. Ab 1913 gastiert Albers am Altonaer und Thalia Theater in seiner Heimatstadt – ein Triumph über den Vater und eine kurze Rückkehr in die geliebte Hansestadt. 1914 zieht er freiwillig in den Krieg, kämpft als Infanterist an der Ost- und Westfront, bis er 1917 schwer verletzt wird. Nach seiner Genesung im Wiesbadener Lazarett steht er schon wieder auf der Bühne des Residenz-Theaters.

Berlin ruft, oder: Albers’ erste Erfolge

Berlin, die florierende Künstlerstadt, zieht ihn Ende der 1910er-Jahre in seinen Bann und Albers sieht nun die Zeit gekommen, dort hinzuziehen. Hamburg wird er fortan nur noch als Besucher betreten. Doch gerade weil er nicht (mehr) in der Hansestadt lebte und seine größten Erfolge außerhalb Hamburgs verbuchen konnte, wird Albers heutzutage als (Hamburger) Seemann erinnert. Um der beliebteste Volksschauspieler Deutschlands zu werden, ist es zunächst jedoch ein weiter Weg, wie Albers auch bewusst ist.

In den folgenden zehn Jahren, die später als die „Goldenen Zwanziger“, in denen Berlin zur Metropole aufstieg, bekannt werden, spielt Hans, „was das Zeug hält“ – für Erfolg und letztendlich auch ein halbwegs geregeltes Einkommen. Sein Auftreten eröffnet ihm zwar keinen Weg in die „feinen“ Theater mit hochkarätigen Rollen, doch das scheint ihm schier egal zu sein. Er tritt in Revuen auf, im Varieté, hat Engagements am Berliner Theater, im Komödienhaus und am Theater in der Königgrätzer Straße.

Seine gespielten Charaktere: Draufgänger, Frauenhelden, „echte“ Männer, Abenteurer, Unterhalter. Hans Albers stellt diese Rollen authentisch dar: er mischt nuscheligen Hamburger- und Berliner-Dialekt und absolviert waghalsige Stunts. Er ist der Unterhalter, der Spaßmacher und Jedermanns Freund. Was Albers spielt, hält er auch im echten Leben. Nach der Arbeit auf der Bühne feiert er mit seinen Kollegen, Freunden und Bekannten. Alkohol nimmt zu der Zeit schon einen bedeutenden Platz in seinem Leben ein, was sich bis zu seinem Tod nicht ändern sollte.

 

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Proben am Hebbeltheater Berlin: Albers bei der Generalprobe zu “Liliom” 1946        / Foto: Bundesarchiv Bild 183-V20141-0043

 

Albers’ steigende Popularität in Berlin zahlt sich aus: Er erhält auch kleine Rollen beim Film. Am Set kann er mit seiner Mimik und seinem authentischen Auftreten überzeugen. Die Rollenangebote für den Film unterscheiden sich nicht sehr von den Theaterangeboten, schließlich lieben ihn die Leute als Abenteurer oder Draufgänger.

In Berlin nahm Albers’ Leben einen Wendepunkt: Sein Ehrgeiz und immer rollen-typisches Auftreten schufen den Hans Albers, der begann, Erfolg zu haben. Tagsüber spielte er beim Film für eine Gage von circa 40 RM, abends belustigte er sein Publikum von der Bühne aus, nachts feierte er mit Fans und Kollegen. Hans Albers zeigte das, was er gut konnte: sich selbst. Nach rund zehn Jahren am (Berliner) Theater war Hans Albers ein Begriff in der Metropole geworden. Der beliebte Frauenheld und „Tausendsassa“ aus Revuen und Operetten erhielt bedeutende Rollen in Rivalen (1929) von Erwin Piscator, Liliom (1931) von Ferenc Molnár und spielte auch auf Wiener Bühnen (1930).

Der Film wird laut

Das Jahr 1929 markiert den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Für viele Schauspieler bedeutete dies das Ende einer Ära: sie konnten im Tonfilm nicht mehr überzeugen und mussten Platz für andere „Stars“ machen. Nicht Hans Albers. Der inzwischen 38-jährige Mime wird für die ersten deutschen Tonfilme gebucht. Er spielt in Die Nacht gehört uns, Ein Tag Film (beide 1929) und Der blaue Engel (1930) mit. Allein im Jahr 1930 ist er bei drei Filmprojekten engagiert.

Albers wirkt zwischen 1917 und 1933 in über 100 Filmen mit1. Dort übernimmt er auch weiterhin die Rollen der Liebhaber, der Gauner und der Abenteurer. Der einstige Lokalschauspieler wird Volksschauspieler – jeder liebt und kennt ihn. 1932 ist er Deutschlands erfolgreichster Filmschauspieler mit einem Jahreseinkommen von 350 000 RM2. „Hans im Glück“ wird er genannt, denn der Erfolg scheint ihm zuzufliegen, ebenso wie Frauen und gute Laune.

 

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Hans Albers inszeniert sich und seine Sehnsucht nach dem Meer                                                                                / Foto: www.panfoto.de

 

Neben sprechenden Schauspielern rückt auch deren Gesang weiter in den Fokus der Tonfilme. Albers sammelt bei Revuen und im Varieté erste Gesangserfahrungen. Er hatte nie eine Gesangsausbildung erhalten und bringt sich die Texte und Melodien selbst bei. Lieder wie Hoppla, jetzt komm’ ich und Flieger, grüß mir die Sonne (beide 1932), die er in seinen Filmen singt, werden Hits und sind heute zum Teil noch „Gassenhauer“, wie Jürgen Rau es nennt3.

„Gott“ gegen die Nazis

Mitten in seinem aufsteigenden Erfolg in Deutschland gelangen die Nationalsozialisten im Jahre 1933 an die Macht. Der vielbeschäftigte Schauspieler bekommt davon nicht viel mit, oder besser ausgedrückt: Er will es gar nicht mitbekommen, obwohl ein Großteil seiner Künstlerkollegen und -freunde emigriert und Liliom abgesetzt wird.

Hans Albers wird heute der passive Widerstand angerechnet, der nicht sehr gering war – bis auf sein Mitwirken in einigen Propagandafilmen der Nazis. Ob es nun Widerstand oder persönlicher Nutzen war, lässt sich nur vermuten. Albers zeigte kein Interesse an Politik oder generell an anderen Personen, so lange sie nicht wichtig für ihn und seine Popularität waren. Der als egozentrisch geltende Schauspieler drehte sich nur um sich selbst. „So wahr ich der liebe Gott bin“, soll er sich schon in den Zwanziger Jahren betitelt haben – er, der großen Erfolg hat, und über allem stehe4. Inwieweit Albers nicht einfach nach Drehschluss seine Rolle des erfolgreichen „Hans im Glück“ spielte, ist unklar.

 

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Hans Albers im Portrait: „Dieser Albers ist ein Teufelskerl.“                                                                                   / Foto: www.panfoto.de

 

Die 1930er- und 1940er-Jahre werden hingegen „sein“ Jahrzehnt: Hans Albers avanciert mit Filmen wie Bomben auf Monte Carlo (1932) mit Heinz Rühmann, F. P. 1 antwortet nicht (1932), Flüchtlinge (1933), Peer Gynt (1934), Wasser für Cantioga (1939) und Münchhausen (1943) endgültig zum beliebtesten Schauspieler in Deutschland.

Die Zuschauer lieben ihn, Goebbels hasst ihn. Schon 1932 schrieb er: „Dieser Albers ist ein Teufelskerl.“5 Zusätzlich treibt Albers seine Gagen ins nahezu Unendliche: Für seine Filme erhält er Ende der 1930er-Jahre 120 000 RM pro Engagement; er ist damit der einzige deutsche Schauspieler im Dritten Reich, der je so eine hohe Bezahlung für einen Film erhielt6. Der Mann der Superlative kann es sich erlauben. Goebbels schimpft über ihn („Die Gagen müssen herunter. Vor allem für Albers“7), aber Hans Albers ist so beliebt, dass die Nazis ihm nichts anhaben können. „Der Blonde Hans“ spielt zudem in Unterhaltungsfilmen mit, die den Nazis hinsichtlich der Kriegsberichte von der Front zu Gute kommen.

Und wo bleibt Hamburg ?

Offensichtlich ist: die Stadt Hamburg hat nicht viel für Hans Albers’ stetig aufsteigende Karriere getan. Doch Mitte der 1940er-Jahre änderte sich diese Hamburg-Abstinenz und es wird deutlich, dass Albers keineswegs der norddeutschen Großstadt den Rücken kehrte, sondern vielmehr eine Hommage an sie wurde. Ausschlaggebend waren – ironischerweise – die Nationalsozialisten. Das Propagandaministerium plante 1943 einen heute als „Durchhaltefilm“ bezeichneten Spielfilm mit Helmut Käutner als Regisseur. Er sollte die deutschen U-Boote positiv darstellen und die Marine glorifizieren. Käutner, der darauf schlicht keine Lust hatte, drehte hingegen den bis heute als filmisches Aushängeschild der Reeperbahn geltenden Film Große Freiheit Nr. 7.

Hans Albers spielt den alten Seemann, der in Hamburg-St. Pauli an Land geht, im „Hippodrom“ an der Großen Freiheit Nr. 7 Seemannslieder singt und sich in ein junges Mädchen verliebt. Seine Gefühle werden nicht erwidert und der melancholische Seemann sehnt sich nach einer nicht erfüllbaren, heilen Welt – gleichzeitig begleitet ihn das Fernweh nach dem weiten Meer, der Freiheit. Hamburgs Hafen, die Reeperbahn und ein wehmütiger Hans Albers, der den Zwiespalt und das Gefühlsleben auf St. Pauli wiedergibt. Diese Rolle ist neu, schließlich galt der Mime eher als Draufgänger, Abenteurer, Unterhalter und Frauenheld, nicht unbedingt als Mann, der echte Gefühle zeigt.

 

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Filmplakate großer Erfolge: Der Deutschen liebster Schauspieler                                                                 / Foto: www.panfoto.de

 

Nach der Premiere am 12.12.1944 sind die Nazis nicht sehr begeistert von dem neuen Hans-Albers-Spielfilm: er enthalte weder Propaganda oder ein ideales NS-Bild, noch eine Darstellung des Drittes Reichs. Angeblich verbietet Großadmiral von Dönitz höchstpersönlich die Ausstrahlung des Spielfilms in Deutschland. Während Große Freiheit Nr. 7 in Schweden, Dänemark und der Schweiz veröffentlicht wird, soll die deutsche Ausgabe zunächst geschnitten werden. Statt einer überarbeiteten Version des Films wird er komplett gesperrt.

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob Du’n Mädel hast oder ob keins…“

Erst am 09.09.1945 geben die Alliierten den Film für eine Premiere in West-Berlin frei. Ein paar Wochen später ist der Film „der Renner“: in Hamburg stehen die Fans Schlange und die Karten gehen zu Schwarzmarktpreisen häufig nur „unter der Theke“ weg. Die Deutschen können sich mit dem Film identifizieren, gerade die Hamburger. Die Rolle des verletzlichen Seemanns drückt sehnlichst den Wunsch nach Heimat in einer heilen Welt aus. Krieg gibt es nicht, da Käutner tunlichst darauf geachtet hatte, keine zerstörten Häuser oder Hakenkreuze zu filmen; der Film wirkt wie ein Nachkriegsfilm. Auf Schallplatte überzeugt La Paloma, ein spanisches Lied aus den 1860er Jahren, das mit einem neuen Text versehen wurde. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins singt Albers ebenfalls in seiner Rolle des Seefahrers Hannes Kröger. Bis heute sind die Stücke, vielfach kopiert und umgeschrieben, bekannte Schlager.

Nach einem unproblematischen Entnazifizierungsverfahren versucht der 55-jährige Schauspieler in den 1950er Jahren größtenteils das Erfolgsmodell „Singender Seefahrer“ fortzuführen: entweder in Filmen oder bei Auftritten als Sänger, wo er seine bekannten Lieder erklingen lässt. In Filmen wie Käpt’n Bay-Bay (1953), Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (1954) und Das Herz von St. Pauli (1957) spielt Albers den Kapitän, den Seefahrer, den Kiezgänger, die von Freiheit und Sehnsucht, aber auch Abenteuern umringt werden. Der Schlager Auf der Reeperbahn nachts um halb eins wird im gleichnamigen Film erneut von Albers gesungen und avanciert trotz eher verhältnismäßig „normalem“ Erfolg des Films endgültig zum bekanntesten Hamburg-Lied.

 

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Plakate von Albers’ größten Filmen: Erfolgsmodell “Singender Seefahrer”                                                  / Foto: www.panfoto.de

 

Schon seit den 1930er Jahren erschienen seine Hits – heute würde man es „Soundtrack“ nennen – auf Schallplatte. Er war der Abenteurer, der Frauenheld, aber eben auch ein bisschen der Seefahrer. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fokussierte er sich musikalisch auf maritim angehauchte Schlager. Hans Albers vertonte und bebilderte den Hafen, das Meer und das Fernweh. Auf seinen Schallplattencovern, Plakaten und diversen anderen Werbedrucken zeigte er sich mit Kapitänsmütze, „Schifferklavier“ und maritimem Hintergrund. Hans Albers war eine Metapher von Hamburg geworden. Stets hielt sich seine Sehnsucht zur Hansestadt, in der er vermutlich nicht einen derart großen Erfolg wie in Berlin, der aufsteigenden Film- und Künstlermetropole der Zwanziger Jahre, gehabt hätte. Zusätzlich verschaffte ihm sein Bekanntheitsgrad die Möglichkeit, als „Singender Seefahrer“ Erfolg zu haben. Vermutlich wären die Filme ohne seine vorherigen Engagements, mit denen er bekannt geworden war, nicht derart aufgefallen.

Gedenken an den „Hamburger Popstar“

Hans Albers, ein Mann, der immer das Extreme und den Erfolg suchte, der trotz seiner Eskapaden, seiner Egozentrik und seinem Narzissmus von (fast) allen geliebt wurde. Im wilhelminischen Kaiserreich sammelt er erste Theatererfahrungen, in der Weimarer Republik wird er der beliebte Darsteller in Berlin, im Nationalsozialismus der teuerste Filmstar und in der Bundesrepublik Deutschland der schwächelnde Altschauspieler, der einen würdigen Abgang bringen kann als ernstzunehmender Darsteller und selbsternannter „Kapitän“.

Heute wie früher gilt: Wer Hamburg sagt, muss auch Reeperbahn sagen. Spätestens dann stimmt jeder Auf der Reeperbahn nachts um halb eins an. Die Medien ordnen der Hansestadt diesen Schauspieler und Sänger zu und auch die Stadt Hamburg bringt sich gerne mit Hans Albers in Verbindung – sei es auch nur für die Touristen. Hans Albers ist irgendwie immer Hamburg.

 

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Hans-Albers-Platz in Hamburg mit Denkmal und Immendorfs Kneipe im Hintergrund                         / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Nach seinem Tod am 24.07.1960 fand auf dem Ohlsdorfer Friedhof die größte Beerdigung der Hansestadt für einen deutschen Schauspieler statt mit tausenden Fans, die ihr Beileid bekundeten. 1964 wurde der Wilhelmsplatz auf dem Kiez in Hans-Albers-Platz umbenannt. In den 1980er Jahren zog es den Künstler Jörg Immendorff dorthin, wo er jahrelang die Künstlerkneipe La Paloma betrieb. In Düsseldorf schuf er ein Denkmal für den großen Schauspieler, dessen Kopie seit 1986 gegenüber des La Paloma steht. Kneipen auf dem Kiez benannten sich nach Hans Albers oder einem seiner Filme. Eine Gedenktafel wurde an Albers’ Geburtshaus in St. Georg befestigt und im „Panoptikum“ auf der Reeperbahn steht ein Hans Albers aus Wachs, original in „Seemannskluft“ mit „Schifferklavier“. Im September 1996 gründete sich der Hans-Albers-Freundeskreis in Hamburg, der sich der Förderung des Andenkens an Albers verpflichtete. 2010 erinnerten Printmedien wie ZEIT, Berliner Morgenpost und Westdeutsche Zeitung an seinen 50. Todestag.

Und heute? La Paloma, Auf der Reeperbahn nachts um halb eins oder Flieger, grüß mir die Sonne sind über hunderttausendmal auf der Video-Plattform YouTube geklickt und die jüngsten Kommentare stammen von 2014. Musikjournalist Jürgen Rau wählte Hans Albers jüngst auf Platz eins der beliebtesten Hamburger „Gassenhauer“, denn: „Hamburgs erster Popstar war Hans Albers!“8

Fazit: Hamburg und Hans Albers – das passt!

Seine Filme wie Große Freiheit Nr. 7 oder Auf der Reeperbahn nachts um halb eins prägten den Mythos eines typischen Hamburgers oder zumindest Kapitäns: Seefahrt, Sehnsucht nach Liebe und Unabhängigkeit, Melancholie, die Reeperbahn, Hafenromantik – all dies bedeutete Hamburg, wobei sich damit ebenso jede „Landratte“ identifizieren konnte. Auch wenn seine Filme oder sein Name heute nicht mehr jedem geläufig sind, so sind seine Lieder überall bekannt. Aber warum?

Seine Biographie zeigt deutlich: Hans Albers wuchs zwar in Hamburg auf und besuchte die Hansestadt immer gerne, doch den Großteil seines Lebens verbrachte er in Berlin, an Drehorten und am Starnberger See in Bayern – eigentlich gar nicht so norddeutsch. Außerdem spielte Hans Albers in den 1930/40er Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere in verhältnismäßig wenigen Engagements den Seefahrer oder Kapitän, geschweige denn den Hamburger. Doch wie überall zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität.

Hamburgs Verbundenheit zum deutschen Filmstar Hans Albers mag zum einen an seiner persönlichen Verbindung zur Hansestadt liegen. Seinen Hamburger Dialekt legte er nie komplett ab, er besuchte die Stadt, so oft es ging (und damit auch die Reeperbahn), und kurz vor seinem Tod hörte er am Starnberger See Aufnahmen von typischen Hamburger Hafengeräuschen. In der Hansestadt konnte er sich nicht mehr niederlassen, weswegen er verfügte, dass er wenigstens dort beerdigt würde. Die Hamburger mögen damals und heute großen Stolz empfunden haben, wie jede Stadt, die eine Berühmtheit „geboren“ hat.

 

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Gedenktafel an Albers’ Geburtshaus in St.Georg: Der große Sohn der Stadt, der in Bayern lebte       / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Gerade weil er sein Leben lang nicht mehr in die Stadt an der Elbe zurückkehren konnte, war seine Sehnsucht nach ihr echt und seine Rolle authentisch. Womöglich konnte er seine innere Zerrissenheit in der Rolle des Seefahrers ausdrücken und wirkte deshalb so überzeugend. Denn seine Charaktere sehnten sich ebenfalls nach Freiheit, Hamburg und Liebe. Hans Albers vertonte als erster die Reeperbahn und Hamburg in dieser Weise, was ihn bis heute einmalig macht.

Zum anderen beinhaltet die vergangene Seefahrerromantik, die Albers wehmütig besang, auch eine Erinnerung vieler Hamburger an die „gute alte Zeit“, als St. Pauli noch nicht zur kommerziellen Vergnügungsmeile aufgestiegen war. Wo noch „echte“ Seefahrer Halt machten in Hamburg, die Kneipen noch originell waren, wo jeder sein Glück finden konnte – zumindest für eine Nacht. Nostalgie ist das Stichwort. Das Erträumen und Erinnern an ein St. Pauli, das es vielleicht einmal gegeben haben mag – eben der Wunsch nach einer „heilen Welt“, Unabhängigkeit und Liebe, die sich auf der Reeperbahn finden ließe. Albers’ Lieder lösen das heute noch aus, genau wie 1945, als Große Freiheit Nr. 7 vorgeführt wurde.

Außerdem war es Albers selbst, der sich nach 1945 und dem Erfolg von Große Freiheit Nr. 7 vermehrt in Filmen als Seefahrer oder zumindest als Hamburger zeigte und stets mit Akkordeon in seinem Rollenoutfit auftrat. Vor dem Zweiten Weltkrieg in Film und Theater der selbstverliebte und erfolgssüchtige Mime – nach dem Krieg der melancholische Seemann. Hans Albers verschmolz stets mit seinen Rollen und nach dem Krieg, wo er als Draufgänger und Frauenheld keinen rechten Erfolg mehr haben konnte oder mochte, stellte er sich als das dar, was er womöglich immer sein wollte: verbunden mit Hamburg. Nach seinem Tode blieb der Nachkriegsgeneration genau dieses Bild im Kopf haften. Nichts Ungewöhnliches bei beliebten Stars wie auch Michaela Krützen in ihrer Albers-Biographie feststellt. Man denke an den U-Bahn-Schacht und Marilyn Monroe oder Marlene Dietrich und das Fass. Szenenbilder oder Filmrollen stehen in der späteren Erinnerungskultur für den Künstler, dessen Erfolg und das, was ihn auszeichnet9.

Hans Albers verkörperte ein Ideal, das Erfüllung in Hamburg fand. Wie lange der Schauspieler nicht in der Elbstadt weilte, welche anderen Erfolge er verbuchte und ob er die Seefahrer-Rolle wirklich ernst meinte: all das schien und scheint egal, und spielt doch gleichzeitig alles zur immer noch anhaltenden postumen Popularität mit hinzu. Die Hamburger haben ihm seine Abwesenheit nicht übel genommen, schließlich bedeutete sein Erfolg außerhalb der Hansestadt der Erfolg in der Hansestadt.

Zur Autorin:

Nadine Kaspersinski hat von 2010-2013 Geschichte und Fachjournalistik Geschichte in Gießen studiert. Seit dem Wintersemester 2013/14 ist sie Master-Studentin (Geschichte) an der Universität Hamburg.

Zum Weiterlesen:

  • Blumenberg, Hans-Christoph: In meinem Herzen, Schatz. Die Lebensgeschichte des Schauspielers und Sängers Hans Albers, Frankfurt am Main 1991.
  •  ”So wahr ich der liebe Gott bin”, in: SPIEGEL, 34/1989, 35/1989.
  • Krützen, Michaela: Hans Albers. Eine deutsche Karriere, Weinheim 1995.
  • Rau, Jürgen: Hamburg, deine Perlen. Die einzigartige Musikszene der Hansestadt. Mit 713 Abbildungen, Bremen 2011.
  • Schumann, Uwe Jens: Hans Albers. Seine Filme – sein Leben, München 1980.
  • Wegner, Matthias: Hans Albers (= ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hrsg.), Hamburger Köpfe), Hamburg 2005.

Zum Weiterhören:

 

1Vgl.: Friedemann Beyer: Die Gesichter der UFA. Starportraits einer Epoche, München 1992, S. 164.

2Vgl.: Matthias Wegner: Hans Albers (= ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hrsg.), Hamburger Köpfe), Hamburg 2005, S. 64.

3Vgl.: Jürgen Rau: Hamburg, deine Perlen. Die einzigartige Musikszene der Hansestadt. Mit 713 Abbildungen, Bremen 2011.

4Hans-Christoph Blumenberg, So wahr ich der liebe Gott bin, in: SPIEGEL, 34/1989.

5Vgl.: Matthias Wegner: Hans Abers, S. 63.

6Vgl.: Matthias Wegner: Hans Abers, S. 63 ff.

7Eintrag in Goebbels Tagebuch am 18.06.1937.

8Vgl.: Jürgen Rau: Hamburg, deine Perlen, S. 11.

9Vgl.: Michaela Krützen: Hans Albers. Eine deutsche Karriere, Weinheim 1995, S. 315 ff.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1440

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Digitale Kunstgeschichte: Internationale Arbeitstagung 26. und 27. Juni 2014

Unter dem Motto “Digitale Kunstgeschichte: Herausforderungen und Perspektiven” findet vom 26. bis 27. Juni eine internationale Arbeitstagung am Schweizerischen Institut für Kunstgeschichte in Zürich statt.

Auf dem Programm stehen neben zwei Keynotes (Prof. Dr. Anna Schreurs-Morét: Enthusiasten, Zweifler und Eingeborene: Eine Suche nach der goldenen Mitte im Umgang mit den digitalen Medien in der Kunstgeschichte und Prof. Dr. Hubertus Kohle: Digitale Kunstgeschichte. Plädoyer für eine Normalisierung) ein Abendvortrag von Prof. Dr. David Gugerli zu Korrespondenzen der digitalen Gesellschaft: Wie die Welt in den Computer kam sowie zwei Workshopmodule:

Workshops Modul 1 (Donnerstag, 26. Juni 2014)

  • 1a Open Access
  • 1b Digital Workspace
  • 1c Normdaten
  • 1d Digitalisierung und Methodologie

Workshops Modul 2 (Freitag, 27. Juni 2014)

  • 2a Big Data
  • 2b Archive und Sammlungen
  • 2c Digitalisierung und Recht
  • 2d Nachhaltigkeit

Ziel der Arbeitssitzungen ist es, ein Statement beizutragen zu der Erklärung Acht Punkte zu einer digitalen Kunstgeschichte, die am Schluss der Tagung verabschiedet wird.

Nähere Informationen zur Tagung und Anmeldung gibt es im Internet unter: http://sik-isea.ch/Aktuell/Veranstaltungen/DigitalArtHistory/tabid/359/Default.aspx

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3617

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Die Spur der Steine: 1965 drohte ein Beat-Verbot im Westen

Heute kehren die Rolling Stones auf die Berliner Waldbühne zurück. Hier spielten sie vor knapp 50 Jahren ihr legendäres Konzert, das in Ausschreitungen endete und in Deutschland einen Kulturkampf um die Beat-Musik entfachte. Eine Polizeiakte verrät, wie verhärtet die Fronten damals waren.

Bis zum Abend lief alles ganz normal. Um 15.45 Uhr des 15. September 1965 war eine Maschine der Air France auf dem West-Berliner Flughafen Tegel gelandet. Unter den Passagieren befanden sich die Mitglieder der Band, die in jenen Jahren die öffentliche Meinung spaltete wie keine andere. Ihre harten R&B-Rhythmen und Liedtexte provozierten schon, bevor sie “Sympathy for the Devil” und für harte Drogen bekundeten. Die Rolling Stones waren angereist, um auf einem von der deutschen Jugendzeitschrift “Bravo” mitorganisierten Beat-Konzert aufzutreten.

Die Fahrt durch Berlin lief noch nach Plan und bis zum Abend lief auch der Zustrom von Fans zur Charlottenburger Waldbühne weitgehend ungestört. Das Motto des Konzerts lautete “Heißer geht’s nicht mehr” – im Nachhinein sollte es vielen als selbst erfüllende Prophezeiung erscheinen. Es war eines der größten Rockkonzerte, die es bis dato in Deutschland gegeben hatte, und auch die internationale Tournee war noch ein junges Format, mit dem man wenig Erfahrung hatte. Rund 21.000 Menschen befanden sich in der Freiluftbühne, vor den Toren noch weitere tausend Fans, die keine der mit 20 Mark sehr teuren Karten mehr bekommen hatten. Pünktlich traten nacheinander deutsche Vor-Bands auf, darunter die Racketts sowie Didi und die ABC-Boys. Der britische Haupt-Act war für 21.30 Uhr vorgesehen und sollte um 22 Uhr enden. Als aber vorzeitig das Licht erlosch, brach das los, was ein Kommentator später mit einem “Inferno” vergleichen sollte. Was war geschehen?

Die Antwort findet sich in einem nüchternen Leitz-Ordner mit vergilbtem Etikett, der heute in einem Stahlschrank der polizeihistorischen Sammlung am Flughafen Tempelhof steht. Verglichen mit anderen dort befindlichen Exponaten der Berliner Kriminalgeschichte, mit Fingerabdruckkarten, Projektilen und Mordwaffen, nehmen sich die 400 überwiegend maschinenschriftlichen Blätter unspektakulär aus. Doch die Funksprüche und Protokolle der “Aktion Steinschlag”, wie die Medien den Polizeieinsatz vom Herbst 1965 tauften, sind ein Stück deutscher Kulturgeschichte. Anhand dieser Akten lässt sich nicht nur minutiös nachvollziehen, was aus Perspektive der Berliner Polizei in der Waldbühne geschah, sondern auch das politische Nachbeben ablesen.

Der obenauf abgeheftete Einsatzbefehl S 1-524/65 formuliert in klarem Amtsdeutsch, was sich die Polizei vorgenommen hatte: “Durchführen der erforderlichen verkehrspolizeilichen Maßnahmen”, “Verhinderungen von Ordnungsstörungen”, “Unterbinden strafbarer Handlungen”. Prophylaktisch hatte die Polizei Greiftrupps und “starke Eingreifreserven in der Nähe der Bühne” zur Festnahme von Straftätern und Fototrupps in Zivil aufgestellt. Auch eine eigene Sammelstelle für Festnahmen in einem Polizeigefängnis wurde eingerichtet. Dass es zu solchen kommen könnte, hatten zahlreiche Zeitungsartikel nahegelegt, die das Konzert schon im Vorfeld zum Beat-Krawall hochstilisiert hatten, obwohl der letzte Großkrawall auf einem Rockkonzert Bill Haleys im Sportpalast schon sieben Jahre zurücklag. Mit allzu schweren Ausschreitungen rechnete man aber offenkundig nicht, denn als Ausrüstung waren nur “Dienstanzug, Plastikmütze, Polizeiknüppel” angeordnet worden.

Dass das nicht reichen würde, deutet sich schon gegen 21.10 Uhr an, als laut Protokoll vor der Bühne die ersten Flaschenwürfe gemeldet wurden. Schon vorher ist es vereinzelt zum “Polizeiknüppelgebrauch” durch Beamte der Reserve gegen Jugendliche gekommen, die Absperrungen überklettern wollten. Ein Jugendlicher erlitt Bisswunden durch einen Polizeihund. Als daraufhin mehrere Autos umgeworfen wurden, kam auch der Wasserwerfer zum Einsatz und größere Gruppen von Jugendlichen wurden zu den Häftlingssammelstellen transportiert. Auch die Ereignisse in der Bühne selbst sind minutiös dokumentiert. Ab 20.10 gilt die Stimmung als “angeheizt”, Feuerwerkskörper werden abgebrannt, vereinzelt fliegen Gegenstände über die Köpfe: Grasnaben, Schuhe, Flaschen. Die Ordner haben nun “Schwierigkeiten, die Bühne freizuhalten”. Um 21.31 Uhr eskaliert schließlich die Lage:

Die Absperrung vor der Bühne wird jetzt von stärkeren Gruppen durchbrochen, Polizisten knüppeln die Bühne wieder frei. Nach kurzer Unterbrechung setzen die Stones das Konzert fort, doch das Werfen mit Gegenständen und Zünden von Feuerwerkskörpern nimmt zu. Als das Konzert nach nur wenigen Songs schließlich abgebrochen wird, macht das Management einen schweren Fehler: Es lässt die grellen Scheinwerfer ausschalten, weil sich die Fans davon provoziert gefühlt hatten. Für die Dauer von 15 Minuten liegt die Arena in völliger Dunkelheit. Einige geraten in Panik. Unterdessen spricht sich herum, dass die Band nach dem nur 20-minütigen Auftritt nicht wieder auf die Bühne kommen wird. Wut greift um sich, auf die Veranstalter, auf die Stones, auf die Polizei. Hunderte versuchen, die Bühne zu stürmen. Zur Vermeidung weiterer Zerstörungen beginnt nun das, was im Polizeiprotokoll “Räumung der Waldbühne unter Anwendung des Polizeiknüppels” heißt.

Der Rundfunkreporter Matthias Walden, der auf der Presse-Tribüne dem Spektakel beiwohnt, schreibt seine Beobachtungen in der Sprache eines Kriegsberichterstatters nieder. “Ich sah das Wogen und Zucken der 20.000 in der Waldbühne, sah nicht mehr Wald, sah kaum noch Bühne”, hebt er an. “Jugendliche Leiber, bewegt wie von verschluckten Pressluftbohrern, sich selbst mit den Fäusten auf die Köpfe schlagend, blicklos aufgerissene Augen, stampfende Füße, schleudernde Arme.” Dann ertönt ein anderes Konzert, “das harte Geräusch, das beim Zertrümmern der Sitzbänke entsteht, das Jaulen und Bellen der Polizeihunde, das Johlen und Pfeifen der Masse, Hilferufe nach Sanitätern, Scherbenklirren.” Einige Sitzreihen brennen, andere sind zertreten, ein Absperrgitter wird auf die Tobenden geworfen. Räumketten der Polizei rücken gegen die Bühne vor.

Die Bilanz des Polizeiberichts addiert nüchterne Zahlen, von denen später einige nach oben korrigiert werden müssen: 89 vorläufige Festnahmen, 61 Fälle von erster Hilfe, 28 ambulant in Krankenhäusern behandelte, 26 verletzte Polizisten, von denen sechs in Krankenhäusern behandelt werden müssen, ein verletztes Polizeipferd, ein demolierter S-Bahnzug und 300.000 DM Sachschaden an der Waldbühne. Die Holzbretter der Sitzbänke sind zu achtzig Prozent beschädigt, die Holzzäune zu 90 Prozent. Der Wiederaufbau wird sich noch Jahre hinziehen, denn die Versicherung deckt nur einen Teil der Kosten.

Am Morgen des 16. Septembers liegt nicht nur die Waldbühne in Trümmern. Ernstlich beschädigt ist auch das Ansehen der noch jungen angloamerikanischen Beat-Musik – und abermals das eines Teils der deutschen Jugend. Auch die Polizei und der Veranstalter stehen in der Kritik. Der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei fordert umgehend das Verbot von Beat-Konzerten. Nicht nur in Berlin, auch in der Bundesrepublik debattiert man nun öffentlich über Kulturverbote.

Hier weiterlesen (erschienen im Feuilleton der WAMS vom 8. Juni 2014).

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1498

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durchsichten: Rasse und Raum transnational. Die bevölkerungspolitische Zusammenarbeit zwischen Nationalsozialismus und italienischem Faschismus 1933-1943

http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/arbeitsbereiche/ab_janz/Forschungsprojekte/Projekt_Rasse_Raum_transnational Wir wissen bislang sehr wenig über die bevölkerungspolitische Kooperation zwischen dem Drittem Reich und dem Italien Mussolinis. Das ist umso erstaunlicher, als „Rasse“ und „Raum“ die beiden zentralen Determinanten der nationalsozialistischen wie der faschistischen Politik waren. Das Projekt fragt deshalb nach Zielsetzung, Umfang und Ergebnissen der Zusammenarbeit und nimmt dabei sowohl die Förderung der […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5161/

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Geschichte Chinas im Bild (V)

Die ersten vier Teile der (losen) Reihe ‘Geschichte Chinas im Bild’ (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4) stellten Foto-Sammlungen/Archive zusammen. In diesem Teil geht es um Holzschnitte, Kupferstiche etc., die in China entstanden und in Sammlungen in aller Welt gelandet sind.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1516

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„Eine so verrückte Sache (…) haben wir noch nie gemacht“

 

Eine Reise wert: das Grafikarchiv der Stiftung Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin

Ein Beitrag von Teja Häuser

„Du musst Caligari werden!“, dachte ich mir und machte mich auf den mühsamen Weg nach Berlin Lichterfelde ins Grafikarchiv der Deutschen Kinemathek. Das Filmhaus, das die Deutsche Kinemathek beherbergt, befindet sich zentral am Potsdamer Platz gelegen, der Bereich Grafik ist jedoch ausgelagert, nach sehr weit draußen, an den Rand von Berlin. Einen Termin hatte ich schon mal, aber der Weg dorthin war steinig und kalt. Ein einsamer Bus fuhr mich hinaus ins Niemandsland, wo ich Caligari auf die Spur kommen wollte.

Abb. 1: Mappe Außenseite: "Das Kabinett des Dr. Caligari" IMG_0811 Inv.Nr. 198033_F251_054 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 1: Mappe Außenseite: “Das Kabinett des Dr. Caligari” IMG_0811 Inv.Nr. 198033_F251_054 Deutsche Kinemathek Berlin

 

Kein Zeichen, nichts deutet auf ein Archiv von über 15.000 Filmplakaten, Nachlässen und Entwürfen zu Filmen hin. Versteckt hinter riesigen Lkw führt eine kleine Treppe hinauf zu modernen, hellen Räumen, eine große Fensterfront eröffnet den weiten Blick in die umliegende Natur. Anett Sawall, meine Ansprechpartnerin für das Grafikarchiv, begrüßt mich freundlich und weist mir meinen Platz zu. Einer der Wagen, wie sie in Archiven üblich sind, mit allerlei Material beladen, steht schon bereit. Ich habe genügend Platz, um alles auf Tischen ausbreiten und einsehen zu können.

Es waren wohl schon einige Interessierte hier, die Mappen (Abb. 1), Umschläge und Papiere, die vor mir liegen, zeigen deutliche Spuren. Ich bin gespannt: Was wird mich hinter den Kulissen des berühmten Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ erwarten?

Abb. 2: Foto der rekonstruierten Bühnenbauten, Originale im Garfikarchiv der Deutschen KInemathek; Foto: Teja Häuser Abb. 2: Foto der rekonstruierten Bühnenbauten, Originale im Grafikarchiv der Deutschen KInemathek Berlin; Foto: Teja Häuser

Ganz oben liegt ein kleiner Umschlag mit Fotos: Aufnahmen der rekonstruierten Bühnenbauten (Abb. 2) versetzen mich in die Zeit vor 1920, den Beginn der Dreharbeiten des düsteren Stummfilms.

Originale der Bauten sind nicht mehr erhalten. Es war zur damaligen Zeit nicht abzusehen, welch großen Erfolg der Film haben würde. Nachdem die Bauten ihren Zweck für den Dreh erfüllt hatten, vernichtete man sie. Auch im Zweiten Weltkrieg wurde vieles zerstört. Jedoch führte die anhaltende Begeisterung für den Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“ dazu, dass Jahrzehnte später vieles rekonstruiert wurde, um die Entstehung des Films nachvollziehen zu können. Diese Vorgehensweise trug auch dazu bei, dass sich seit jeher viele Legenden um den Film ranken.

Den Fotos liegt ein dreiseitiges maschinengeschriebenes Dokument bei, das Hermann Warm am 3. November 1968 unterzeichnete. Er war einer der drei Künstler, die für die Gestaltung des Films verantwortlich waren. Hermann Warm versuchte, den Hergang der Dreharbeiten am Set, den Aufbau der Filmbauten im Nachhinein zu rekonstruieren. Ob die Aussagen knapp fünf Jahrzehnte nach der Entstehung des Films tatsächlich der damaligen Situation entsprechen, sei mal dahingestellt, dennoch finden sich darin einige interessante Hinweise darauf, welch ein Pionierprojekt der Caligarifilm war:

„Es war nicht immer genügender Abstand für die Kamera, von der Dekoration im Atelier vorhanden, die Kamera stand einigemal ausserhalb des Ateliers, wie es aus den Lageplänen zu ersehen ist. Um der Kamera den freien Blick auf die Dekorationen, daß Spielfeld bei den Totaleinstellungen zu geben, mussten Glasscheiben und auch Scheibenfalz T. Eisen entfernt werden. Für die Kamera wurde im Freien, eine kleine Kombüse aus Blenden gebaut.“

Abb. 3: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Mordzimmer" von Hermann Warm; IMG_0114 Inv.Nr. 198033_F251_001 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 3: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Mordzimmer” von Hermann Warm; IMG_0114 Inv.Nr. 198033_F251_001 Deutsche Kinemathek Berlin

„Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass damals alle technischen Arbeitskräfte, gleichviel welcher Berufsart sie angehörten, überall Hand mit anlegten, ja sogar die Beleuchter bis zum Drehbeginn sich an den Aufbauarbeiten beteiligten. Bei dem Caligarifilm im besonderen, denn eine so verrückte Sache, wie die Arbeiter sagten, haben wir noch nie gemacht. In diesem Film hatte der Kameramann keine besonderen Aufgaben zu lösen, nur ein diffuses allgemeines Licht war zu geben, Licht und Schatten Stimmung alles war ja von uns gemalt. Ich möchte noch hervorheben, dass der Stil des Caligarifilms und die Idee diesen Film expressionistisch zu gestalten, allein von uns den drei Filmbildnern Hermann Warm, Walter Reimann, Walter Röhrig ausging, keinerlei Anregung für Stil und Gestaltung wurden gegeben. Alle anders lautenden Veröffentlichungen sind unrichtig.“

Hermann Warm, geboren am 5. Mai 1889 in Berlin und gestorben am 17. Mai 1976 in Westberlin, war bereits vor den Dreharbeiten des expressionistischen Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ein etablierter Theatermaler und Filmarchitekt. Er arbeitete gemeinsam mit Walter Röhrig und Walter Reimann an dem Film. Als Maler und Filmarchitekten bildeten sie ein dreiköpfiges Gespann von enormer kreativer Schaffenskraft. Ihnen gelang mit diesem Stummfilm unter der Regie von Robert Wiene ein Meilenstein der Filmgeschichte. Die Filmbauten trugen maßgeblich zu der düster expressionistischen Stimmung des Films bei. Mit gemaltem Licht und Schatten (Abb. 3), erzeugten sie ein spannungsreiches Spiel von Hell und Dunkel, das sich auf der Leinwand zu einer grotesken Filmlandschaft verzerrte.

Abb. 4: "Das Kabinett des Dr. Caligari": Die Stadt Holstenwall" und "Das Mordzimmer" Architekturskizze von Hermann Warm; IMG_1257 Inv.Nr. 198033_F251_114 Deutsche Kinemathek B Abb. 4: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: Die Stadt Holstenwall” und “Das Mordzimmer” Architekturskizze von Hermann Warm; IMG_1257 Inv.Nr. 198033_F251_114 Deutsche Kinemathek Berlin

Der außergewöhnliche und neuartige Stil des Films war wegbereitend und eröffnete neue Möglichkeiten in der Filmgestaltung, die auch international aufgegriffen wurden.

Vor mir liegen sie, die Architekturskizzen (Abb. 4) für die Filmkulissen mit denen „Das Cabinet des Dr. Caligari“ zum Leben erweckt werden sollte. Bis ins kleinste Detail genauestens festgelegt, auf Millimeterpapier geplant, berechnet, vergrößert, um sich schließlich immer näher an die Verwirklichung des Filmsets heranzutasten. Ich bin beeindruckt von der Komplexität der vorliegenden Materialien, immer wieder wurden kleinste Abweichungen akribisch festgehalten. Ich kann die Mühe und Leidenschaft, mit der sich die Künstler ans Werk begeben haben, nachfühlen. Jedes einzelne Blatt ist handbeschriftet, die Persönlichkeit überall herauszulesen. Zunächst dachte ich, die vorliegenden Blätter wären zeitgenössische Originale, denn nirgendwo fand sich ein Hinweis auf deren echtes Entstehungsdatum. Ich ging davon aus, dass die Skizzen eben während der Planung des Films entstanden. Im Gespräch mit dem Sammlungsleiter der Deutschen Kinemathek Werner Sudendorf erfuhr ich jedoch, dass die Architekturskizzen in der Mehrzahl erst Jahrzehnte nach der Aufführung des Films entstanden. Es sind Rekonstruktionen, die die Entstehung des Films im Nachhinein wiederauferstehen lassen sollen.

Die neue Sichtweise schmälert meine Begeisterung für den Film und seine bildkünstlerische Überlieferung nicht. Alle Zeichnungen sind von Hand angefertigt, die Täuschung ist gelungen. Das wirft für mich die Frage auf, wie perfekt und unpersönlich dazu im Vergleich ein Animationsfilm wirken muss, der unter Einsatz von moderner Computertechnik erstellt wird. Nach und nach wühle ich mich durch die Skizzen und Grundrisse, lese Anmerkungen und Kommentare und tauche immer weiter ein in die mörderische Szenerie zwischen Genie und Wahnsinn.

Abb. 5: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Feldweg an der Stadtgrenze" von Hermann Warm; Bild mit Farbkarte IMG_0317 Inv.Nr. 198033_F251_034 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 5: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Feldweg an der Stadtgrenze” von Hermann Warm; Bild mit Farbkarte IMG_0317 Inv.Nr. 198033_F251_034 Deutsche Kinemathek Berlin

Jedes Blatt ist sorgfältig archiviert und auf der Rückseite mit einer Nummer versehen. Alles wurde digital abfotografiert und in eine Datenbank aufgenommen. Ich notiere mir die Archivsignaturen, um mir einzelne Bilder vom Archiv als Scans bestellen zu können. Um einen möglichst originalgetreuen Zustand der Entwürfe und Skizzen, insbesondere der Farbigkeit im Foto wieder zu geben, wird jedes einzelne Blatt mit einer Farbkarte abfotografiert, sodass ein Weißabgleich im Nachhinein noch möglich ist (Abb. 5).

Ich schlage eine weitere Mappe auf, vor mir liegt „Das Mordzimmer“, eine farbige Zeichnung von Hermann Warm. Malerisch, düster verzerrt und ausdrucksstark folgen weitere seiner einzigartigen Szenenentwürfe für den Caligarifilm. Ich bin erstaunt von der Farbigkeit der Bilder, sie verleihen den Kulissen einen ganz eigenen Ausdruck, den der Film so nicht hergibt. Jedes einzelne Bild ist ein Kunstwerk, signiert von Hermann Warm. Jedoch sind auch diese Werke erst im Nachhinein entstanden, denn die Deutsche Kinemathek beauftragte Hermann Warm in den 1960er Jahren, Rekonstruktionen der Entwürfe zu erstellen. Die Farben sind dezent eingesetzt, sie geben die Stimmung der Szene deutlich wieder und lassen ein Gesamtkunstwerk entstehen, das durch seine Eigentümlichkeit und Ästhetik besticht. Manchmal kann ich mich jedoch eines Verdachts von Kitsch nicht erwehren. Ob dies der Tatsache geschuldet ist, dass es sich um Rekonstruktionen handelt, die sicherlich eine gewisse Verklärung mit sich bringen?

Abb. 6: Das Kabinett des Dr. Caligari": "Dächer" von Hermann Warm; IMG_0107 Inv.Nr. Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 6: Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Dächer” von Hermann Warm; IMG_0107 Inv.Nr. Deutsche Kinemathek Berlin

Dennoch lasse ich mich von meinem Weg nicht abbringen, mit Begeisterung enthülle ich jedes sorgsam eingeschlagene Passepartout, Schritt für Schritt gehe ich durch „Das Cabinet des Dr. Caligari“, über die „Dächer“ (Abb. 6)…

Abb. 7: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Rathausplatz mit Markteingang" von Hermann Warm; IMG_0108 Inv.Nr. 198033_F251_007 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 7: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Rathausplatz mit Markteingang” von Hermann Warm; IMG_0108 Inv.Nr. 198033_F251_007 Deutsche Kinemathek Berlin

 

 

 

 

… auf den „Rathausplatz mit Markteingang“ (Abb. 7),

 

 

 

 

 

Abb. 8: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Schlafzimmer von Jane" von Hermann Warm; IMG_0314 Inv.Nr. 198033_F251_31 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 8: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Schlafzimmer von Jane” von Hermann Warm; IMG_0314 Inv.Nr. 198033_F251_31 Deutsche Kinemathek Berlin
Abb. 9: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Gartenmauer" von Hermann Warm; IMG_0322 Inv.Nr. 198033_F251_39 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 9: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Gartenmauer” von Hermann Warm; IMG_0322 Inv.Nr. 198033_F251_39 Deutsche Kinemathek Berlin

 

 

 

 

…durch das „Schlafzimmer von Jane“ (Abb. 8),

 

 

 

 

 

 

 

… an der „Gartenmauer“ (Abb. 9) entlang,…

Abb. 10: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Mordzimmer" von Hermann Warm; IMG_0249 Inv.Nr. 198033_F251_017 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 10: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Mordzimmer” von Hermann Warm; IMG_0249 Inv.Nr. 198033_F251_017 Deutsche Kinemathek Berlin

 

 

 

 

… ins „Mordzimmer“ (Abb. 10)….

 

 

 

 

Abb. 11: "Das Kabinett des Dr. Caligari": "Gefängniszelle" von Hermann Warm; IMG_0250 Inv.Nr. 198033_F251_016 Deutsche Kinemathek Berlin Abb. 11: “Das Kabinett des Dr. Caligari”: “Gefängniszelle” von Hermann Warm; IMG_0250 Inv.Nr. 198033_F251_016 Deutsche Kinemathek Berlin

 

 

 

… bis schließlich zur „Gefängniszelle“ (Abb. 11).

Der Blick hinter die Kulissen hat sich wirklich gelohnt, er wirft, zumindest für mich, ein neues Licht auf den Stummfilmklassiker. Geschafft, aber zufrieden und den Kopf voller Bilder, verlasse ich das Grafikarchiv der Deutschen Kinemathek Berlin.

Vielen Dank an die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen Berlin und Frau Sawall vom Grafikarchiv,  die mir diesen spannenden Einblick ermöglichten und mir die Bilder zur Verfügung stellten.

Abbildungsverzeichnis:

  • Abb. 1: Mappe Außenseite; „Das Kabinett des Dr. Caligari“ IMG_0811 Inv.Nr. 198033_F251_054
  • Abb. 2: Foto der rekonstruierten Bühnenbauten, Originale im Grafikarchiv der Deutschen Kinemathek, keine Archivsignatur vorhanden; Foto: Teja Häuser
  • Abb. 3: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Mordzimmer“ von Hermann Warm; IMG_0114 Inv.Nr. 198033_F251_001
  • Abb. 4: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Die Stadt Holstenwall“ und „Das Mordzimmer“ Architekturskizze von Hermann Warm; IMG_1257 Inv.Nr. 198033_F251_114
  • Abb. 5: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Feldweg an der Stadtgrenze“ von Hermann Warm; Bild mit Farbkarte IMG_0317 Inv.Nr. 198033_F251_34
  • Abb. 6: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Dächer“ von Hermann Warm; IMG_ 0107 Inv.Nr. 198033_F251_37
  • Abb. 7: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Rathausplatz mit Markteingang“ von Hermann Warm; IMG_0108 Inv.Nr. 198033_F251_007
  • Abb. 8: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Schlafzimmer von Jane“ von Hermann Warm; IMG_0314 Inv.Nr. 198033_F251_31
  • Abb. 9: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Gartenmauer“ von Hermann Warm;IMG_0322 Inv.Nr. 198033_F251_39
  • Abb. 10:„Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Mordzimmer“ von Hermann Warm;IMG_0249 Inv.Nr. 198033_F251_017
  • Abb. 11: „Das Kabinett des Dr. Caligari“: „Gefängniszelle“ von Hermann Warm;IMG_0250 Inv.Nr. 198033_F251_016

 

Quellenverzeichnis:

  • Grafikarchiv der Deutschen Kinemathek Der Brief von Hermann Warm vom 3. November 1968 befindet sich im Original im Grafikarchiv der Deutschen Kinemathek, dieser ist nicht mit einer Archivsignatur erfasst.
  • http://www.deutsche-kinemathek.de/de/archive/plakate/allgemein 11.5.2014
  • http://www.deutsche-kinemathek.de/de/deutsche-kinemathek/das-filmhaus 11.5.2014
  • http://www.deutsche-kinemathek.de/de/ausstellungen/staendige-ausstellung-film/das-cabinet-des-dr-caligari-1920 11.5.2014
  • http://www.filmportal.de/film/das-cabinet-des-dr-caligari_cb123ff9496d416c972e6cd8aaec08ca 11.5.2014
  • http://www.filmportal.de/person/hermann-warm_a879929fca2a463e973995e80d95e703 11.5.2014
  • http://www.filmportal.de/person/walter-roehrig_e8fc9e002ddc435b88e55c8d69ebbac5 11.5.2014
  • http://www.filmportal.de/person/walter-reimann_d724764e2336447485fee83d2ae7f3cd 11.5.2014
  • http://www.filmportal.de/person/robert-wiene_3b1b939b80974a9f83c94e635940c8c0 11.5.2014
  • http://www.bertelsmann.de/news-und-media/specials/das-cabinet-des-dr.-caligari/ 11.5.2014

 

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/301

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aventinus studiosa Nr. 5 [08.06.2014]: Übersicht zu Neuerscheinungen studienrelevanter Literatur in den Monaten März bis Mai 2014

In den vergangenen Monaten sind neue Einfürungswerke, zur Medizingeschichte, zur Antike und zum Byzenatinischen Reich erschienen. Darüber hinaus gibt es einen Titel zu Wissenschaftlichem Arbeiten und eine Werkstatt zu Wissenschaftlichem Schreiben. http://bit.ly/1pSXLwX

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5159/

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Lexikon zur Computergeschichte: EMM386.EXE

Der EMM386.EXE (in den ersten Jahren seiner Verbreitung auch EMM386.SYS) war ein 187/88 auf den Markt gekommener Systemtreiber, der es ermöglichte die Upper Memory Blocks (UMB), also den Speicherbereich zwischen 640 KB und 1024 KB zu nutzen. Dies war insbesondere für eine hardwareunabhängige EMS-Verwendung relevant, da die EMS-Pages stets in die UMB´s geladen wurden. Ferner […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5151/

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