Laufenberg: Hamburgs „roter Diktator“

Vor 100 Jahren begann mit dem Kieler Matrosenaufstand die Novemberrevolution und nach wenigen Tagen war auch in Hamburg die alte Ordnung hinweggefegt. Ein Arbeiter- und Soldatenrat übernahm für ein paar Wochen die Macht in der Hansestadt. Dessen Vorsitzender, Heinrich Laufenberg, avancierte für kurze Zeit zu Hamburgs „rotem Diktator“. – von André Zuschlag

November 1918: Revolution in Hamburg. Ein Arbeiter- und Soldatenrat hat die Macht in der Hansestadt übernommen. Der Senat, die Jahrhunderte alte Machtinstitution des Bürgertums, wird kurzerhand für abgesetzt erklärt und die rote Fahne auf dem Rathaus gehisst. Doch wie sich der Rat als neue Machtinstitution langfristig zusammensetzen soll, darüber gibt es in Hamburgs Arbeiterschaft erbitterte Diskussionen. Gewerkschaften und die Sozialdemokraten als größte Arbeitervertretungen wollen bürgerliche Kräfte einbeziehen, Linksradikale und Kommunisten sind strikt dagegen.

[...]

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=3352

Weiterlesen

Elbphilharmonie: „Die Schöne, sie ist erwacht“

Mit der Eröffnung der Elbphilharmonie am 11. Januar 2017 bekommt Hamburg ein neues Wahrzeichen, das die Gegensätze zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Tradition und Moderne sowie Geschichte und Zukunft auf einzigartige Weise vereint – von Lisa-Marie Behm

Stolz und majestätisch liegt sie da, die Elbphilharmonie, verankert in traditionsreichem Boden, umflutet von der Elbe, hellen Lichtern und den staunenden Blicken einer ganzen Stadt. Ihr zu Ehren fährt Hamburg an diesem Eröffnungsabend des 11. Januar 2017 sein urtypisches Wetter auf. Sturm und Regen peitschen um Hamburgs neues Wahrzeichen, rau, kalt und nass. Es herrschen höchste Sicherheitsvorkehrungen, die Straßen rund um das Bauwerk sind weiträumig abgesperrt. Neben rund 2100 Gästen und dem Ersten Bürgermeister der Stadt, Olaf Scholz, hat sich die deutsche Staatsspitze um Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck im Großen Saal eingefunden, um die Eröffnungsfeier mit den Hamburgern zu begehen.



[...]

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=3268

Weiterlesen

Aby Warburg: Ein Leben für die Kunst

Geboren als Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie in Hamburg, berühmt geworden als Reformer der Kunstgeschichte und Begründer der Kulturwissenschaft, gelitten an schweren Depressionen und Wahnvorstellungen – Aby Warburgs Leben hätte auch für drei gereicht. – Von Hannah Boeddeker

Am 12. Dezember 1933 verließ ein Schiff den Hamburger Hafen in Richtung London. Bis unters Deck drängten sich in Kisten eng an eng 85.000 „Emigranten“, die so dem sicheren Tod durch Verbrennen zu entkommen versuchten – es handelte sich um 60.000 Bücher und 25.000 Abbildungen. In dieser Nacht wanderten die Bestände der „Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg“ aus, um in der britischen Hauptstadt eine neue Heimat zu finden. Als „Warburg Institute“ später in die Londoner Universität eingegliedert, werden bis heute dort kunsthistorische Studien betrieben.

[...]

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=3035

Weiterlesen

Grabmal und Portrait des Grafen Ladislaus von Haag (um 1505 – 1566) – Zeugnisse adeliger Selbstdarstellung und Memoria ‚at its best’ (TEIL 2)

Nachdem im ersten Teil dieses Beitrags Einblicke in die Lebensumstände des Grafen Ladislaus von Frauenberg zu Haag gegeben wurden und dessen Grabdenkmal als Beispiel zeitgenössischer Memorialkultur vorgestellt wurde, soll nun im zweiten Teil en Detail auf das Portrait des Grafen eingegangen werden:

Nicht nur im Tode, sondern auch im Leben hat sich von Ladislaus eine Darstellung erhalten, die besondere Aufmerksamkeit verdient: das ganzfigurige Portrait des Grafen, angefertigt vom Münchner Hofmaler Hans Mielich, zählt zu den herausragenden Beispielen der Portraitkunst des 16. Jahrhunderts in Deutschland, durch die erschwerte Zugänglichkeit jedoch kaum bekannt.  (Mielich fertigte u.a. auch Portraits des erwähnten Pankratz von Freyberg und dessen Ehefrau an. Da er der Reformation offensichtlich gewogen war, mag er sich beim Portrait Graf Ladislaus besonders bemüht haben.)

Ladislaus von Fraunberg, Graf zu Haag gefertigt 1557 von Hans Mielich (1516-1573) Sammlung des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz-Wien, Inv. Nr. GE 1065 Bild und Infos aus: Kemperdick, Stephan (Hg.): Das frühe Porträt. Aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein und dem Kunstmuseum Basel, München 2006, S. 104 f.
Ladislaus von Fraunberg, Graf zu Haag (1505-1566)
gefertigt 1557 von Hans Mielich (1516-1573)
Sammlung des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz-Wien, Inv. Nr.

[...]

Quelle: http://hofkultur.hypotheses.org/313

Weiterlesen

Grabmal und Portrait des Grafen Ladislaus von Haag (um 1505 – 1566) – Zeugnisse adeliger Selbstdarstellung und Memoria ‚at its best’ (TEIL 1)

Anlass zu diesem Beitrag war der Vortrag zu Grab und Grabmal des Grafen Ladislaus von Fraunberg zu Haag von Kunsthistoriker Dr. Gerald Dobler im Rahmen des Jahresprogramms des Wasserburger Geschichtsvereins (am 23.11.2015)

2016 jährt sich zum 450. Male der Tod des letzten Grafen von Haag aus dem Geschlecht der Fraunberger (um 1505-1566). Damit verbunden war auch der Untergang der reichsfreien Grafschaft als politisch eigenständiges Territorium, das zuletzt als evangelische Enklave eine Insel im umgebenden katholischen Territorium der Wittelsbacher bildete.

Konfessionen in Bayern um 1580. Rot: evangelisch. Grafschaft Haag: östlich von München. aus: Adel in Bayern, Ausst. Kat. 208, S. 95.
Konfessionen in Bayern um 1580.
Rot: evangelisch.

[...]

Quelle: https://hofkultur.hypotheses.org/283

Weiterlesen

Hans Albers: Ein Hamburger Jung’

„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob Du’n Mädel hast oder ob keins…“ Erst Mitte Mai erklang auf dem Hafengeburtstag erneut die Stimme Hans Albers’. Knapp siebzig Jahre nach dem Erfolgsfilm Große Freiheit Nr. 7 ist der selbsternannte Kapitän noch immer präsent in Sankt Pauli. Doch was genau verband Hans Albers und die Hansestadt – oder besser gefragt: Wie viel Hans Albers steckt in Hamburg?

Hans Philipp August Albers wird am 22.09.1891 in der Langen Reihe 71 in Hamburg-St. Georg als sechstes Kind der Familie Albers geboren. Sein Vater Philipp, genannt der „Schöne Wilhelm“ in Anlehnung an den damaligen Deutschen Kaiser, ist Schlachtermeister und führt enge Kontakte zur Theaterszene in Hamburg. Eugen Burg, erfolgreicher jüdischer Schauspieler, nennt er einen guten Freund.

Die Schule besucht Albers ohne großen Ehrgeiz, stattdessen beschäftigt er sich lieber mit anderen Dingen – wie dem Theater. Das Interesse am Schauspielern wächst, doch trotz der guten Kontakte des Vaters zum Theater, scheinen diese nur für sein persönliches Interesse wichtig zu sein: Albers sen. möchte seinen Sohn nicht auf der Bühne sehen, stattdessen sollte dieser eine Lehre als Kaufmann absolvieren. Widerwillig, und unter dem Druck des Vaters stehend, geht Hans Albers in die Lehre – nebenher nimmt er heimlich privaten Schauspielunterricht.

 

HA_GeburtshausStGeorgweb

Geburtshaus von Hans Albers in St. Georg: Frühe Beschäftigung mit dem Theater          / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Die häufigen Besuche am Theater und die immer größer werdende Begeisterung des Sohnes am Schauspielern interessieren Philipp Albers wenig: Er schickt seinen Sohn nach Frankfurt am Main zu einer Seidenfirma. Hans sollte dort seine Ausbildung fortführen, weit weg von der Hamburger Theaterszene. Der junge Mann zeigt jedoch auch hier schon Charakterzüge, die ihm später von Kollegen und Bewunderern zugeschrieben werden: lebendig, perfektionistisch, ehrgeizig, offen und selbstbewusst. Sonst hätte er wohl nicht am Frankfurter Neuen Theater vorgesprochen.

Es folgen ab 1911 kleine Auftritte in leichten Stücken unter anderem in Güstrow, Schandau und Köln. Während sich die Kritiker über sein Können uneinig sind, beginnen die Zuschauer, den Mann mit den stechend blauen Augen, den blonden Haaren und der markanten Stimme zu lieben. Ab 1913 gastiert Albers am Altonaer und Thalia Theater in seiner Heimatstadt – ein Triumph über den Vater und eine kurze Rückkehr in die geliebte Hansestadt. 1914 zieht er freiwillig in den Krieg, kämpft als Infanterist an der Ost- und Westfront, bis er 1917 schwer verletzt wird. Nach seiner Genesung im Wiesbadener Lazarett steht er schon wieder auf der Bühne des Residenz-Theaters.

Berlin ruft, oder: Albers’ erste Erfolge

Berlin, die florierende Künstlerstadt, zieht ihn Ende der 1910er-Jahre in seinen Bann und Albers sieht nun die Zeit gekommen, dort hinzuziehen. Hamburg wird er fortan nur noch als Besucher betreten. Doch gerade weil er nicht (mehr) in der Hansestadt lebte und seine größten Erfolge außerhalb Hamburgs verbuchen konnte, wird Albers heutzutage als (Hamburger) Seemann erinnert. Um der beliebteste Volksschauspieler Deutschlands zu werden, ist es zunächst jedoch ein weiter Weg, wie Albers auch bewusst ist.

In den folgenden zehn Jahren, die später als die „Goldenen Zwanziger“, in denen Berlin zur Metropole aufstieg, bekannt werden, spielt Hans, „was das Zeug hält“ – für Erfolg und letztendlich auch ein halbwegs geregeltes Einkommen. Sein Auftreten eröffnet ihm zwar keinen Weg in die „feinen“ Theater mit hochkarätigen Rollen, doch das scheint ihm schier egal zu sein. Er tritt in Revuen auf, im Varieté, hat Engagements am Berliner Theater, im Komödienhaus und am Theater in der Königgrätzer Straße.

Seine gespielten Charaktere: Draufgänger, Frauenhelden, „echte“ Männer, Abenteurer, Unterhalter. Hans Albers stellt diese Rollen authentisch dar: er mischt nuscheligen Hamburger- und Berliner-Dialekt und absolviert waghalsige Stunts. Er ist der Unterhalter, der Spaßmacher und Jedermanns Freund. Was Albers spielt, hält er auch im echten Leben. Nach der Arbeit auf der Bühne feiert er mit seinen Kollegen, Freunden und Bekannten. Alkohol nimmt zu der Zeit schon einen bedeutenden Platz in seinem Leben ein, was sich bis zu seinem Tod nicht ändern sollte.

 

HA_Bundesarchiv_Bild_183_Hans_Albers_als_hebbeltheater_Generalprobe

Proben am Hebbeltheater Berlin: Albers bei der Generalprobe zu “Liliom” 1946        / Foto: Bundesarchiv Bild 183-V20141-0043

 

Albers’ steigende Popularität in Berlin zahlt sich aus: Er erhält auch kleine Rollen beim Film. Am Set kann er mit seiner Mimik und seinem authentischen Auftreten überzeugen. Die Rollenangebote für den Film unterscheiden sich nicht sehr von den Theaterangeboten, schließlich lieben ihn die Leute als Abenteurer oder Draufgänger.

In Berlin nahm Albers’ Leben einen Wendepunkt: Sein Ehrgeiz und immer rollen-typisches Auftreten schufen den Hans Albers, der begann, Erfolg zu haben. Tagsüber spielte er beim Film für eine Gage von circa 40 RM, abends belustigte er sein Publikum von der Bühne aus, nachts feierte er mit Fans und Kollegen. Hans Albers zeigte das, was er gut konnte: sich selbst. Nach rund zehn Jahren am (Berliner) Theater war Hans Albers ein Begriff in der Metropole geworden. Der beliebte Frauenheld und „Tausendsassa“ aus Revuen und Operetten erhielt bedeutende Rollen in Rivalen (1929) von Erwin Piscator, Liliom (1931) von Ferenc Molnár und spielte auch auf Wiener Bühnen (1930).

Der Film wird laut

Das Jahr 1929 markiert den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm. Für viele Schauspieler bedeutete dies das Ende einer Ära: sie konnten im Tonfilm nicht mehr überzeugen und mussten Platz für andere „Stars“ machen. Nicht Hans Albers. Der inzwischen 38-jährige Mime wird für die ersten deutschen Tonfilme gebucht. Er spielt in Die Nacht gehört uns, Ein Tag Film (beide 1929) und Der blaue Engel (1930) mit. Allein im Jahr 1930 ist er bei drei Filmprojekten engagiert.

Albers wirkt zwischen 1917 und 1933 in über 100 Filmen mit1. Dort übernimmt er auch weiterhin die Rollen der Liebhaber, der Gauner und der Abenteurer. Der einstige Lokalschauspieler wird Volksschauspieler – jeder liebt und kennt ihn. 1932 ist er Deutschlands erfolgreichster Filmschauspieler mit einem Jahreseinkommen von 350 000 RM2. „Hans im Glück“ wird er genannt, denn der Erfolg scheint ihm zuzufliegen, ebenso wie Frauen und gute Laune.

 

HA_Albers_Hans_SPM

Hans Albers inszeniert sich und seine Sehnsucht nach dem Meer                                                                                / Foto: www.panfoto.de

 

Neben sprechenden Schauspielern rückt auch deren Gesang weiter in den Fokus der Tonfilme. Albers sammelt bei Revuen und im Varieté erste Gesangserfahrungen. Er hatte nie eine Gesangsausbildung erhalten und bringt sich die Texte und Melodien selbst bei. Lieder wie Hoppla, jetzt komm’ ich und Flieger, grüß mir die Sonne (beide 1932), die er in seinen Filmen singt, werden Hits und sind heute zum Teil noch „Gassenhauer“, wie Jürgen Rau es nennt3.

„Gott“ gegen die Nazis

Mitten in seinem aufsteigenden Erfolg in Deutschland gelangen die Nationalsozialisten im Jahre 1933 an die Macht. Der vielbeschäftigte Schauspieler bekommt davon nicht viel mit, oder besser ausgedrückt: Er will es gar nicht mitbekommen, obwohl ein Großteil seiner Künstlerkollegen und -freunde emigriert und Liliom abgesetzt wird.

Hans Albers wird heute der passive Widerstand angerechnet, der nicht sehr gering war – bis auf sein Mitwirken in einigen Propagandafilmen der Nazis. Ob es nun Widerstand oder persönlicher Nutzen war, lässt sich nur vermuten. Albers zeigte kein Interesse an Politik oder generell an anderen Personen, so lange sie nicht wichtig für ihn und seine Popularität waren. Der als egozentrisch geltende Schauspieler drehte sich nur um sich selbst. „So wahr ich der liebe Gott bin“, soll er sich schon in den Zwanziger Jahren betitelt haben – er, der großen Erfolg hat, und über allem stehe4. Inwieweit Albers nicht einfach nach Drehschluss seine Rolle des erfolgreichen „Hans im Glück“ spielte, ist unklar.

 

HA_Portrait

Hans Albers im Portrait: „Dieser Albers ist ein Teufelskerl.“                                                                                   / Foto: www.panfoto.de

 

Die 1930er- und 1940er-Jahre werden hingegen „sein“ Jahrzehnt: Hans Albers avanciert mit Filmen wie Bomben auf Monte Carlo (1932) mit Heinz Rühmann, F. P. 1 antwortet nicht (1932), Flüchtlinge (1933), Peer Gynt (1934), Wasser für Cantioga (1939) und Münchhausen (1943) endgültig zum beliebtesten Schauspieler in Deutschland.

Die Zuschauer lieben ihn, Goebbels hasst ihn. Schon 1932 schrieb er: „Dieser Albers ist ein Teufelskerl.“5 Zusätzlich treibt Albers seine Gagen ins nahezu Unendliche: Für seine Filme erhält er Ende der 1930er-Jahre 120 000 RM pro Engagement; er ist damit der einzige deutsche Schauspieler im Dritten Reich, der je so eine hohe Bezahlung für einen Film erhielt6. Der Mann der Superlative kann es sich erlauben. Goebbels schimpft über ihn („Die Gagen müssen herunter. Vor allem für Albers“7), aber Hans Albers ist so beliebt, dass die Nazis ihm nichts anhaben können. „Der Blonde Hans“ spielt zudem in Unterhaltungsfilmen mit, die den Nazis hinsichtlich der Kriegsberichte von der Front zu Gute kommen.

Und wo bleibt Hamburg ?

Offensichtlich ist: die Stadt Hamburg hat nicht viel für Hans Albers’ stetig aufsteigende Karriere getan. Doch Mitte der 1940er-Jahre änderte sich diese Hamburg-Abstinenz und es wird deutlich, dass Albers keineswegs der norddeutschen Großstadt den Rücken kehrte, sondern vielmehr eine Hommage an sie wurde. Ausschlaggebend waren – ironischerweise – die Nationalsozialisten. Das Propagandaministerium plante 1943 einen heute als „Durchhaltefilm“ bezeichneten Spielfilm mit Helmut Käutner als Regisseur. Er sollte die deutschen U-Boote positiv darstellen und die Marine glorifizieren. Käutner, der darauf schlicht keine Lust hatte, drehte hingegen den bis heute als filmisches Aushängeschild der Reeperbahn geltenden Film Große Freiheit Nr. 7.

Hans Albers spielt den alten Seemann, der in Hamburg-St. Pauli an Land geht, im „Hippodrom“ an der Großen Freiheit Nr. 7 Seemannslieder singt und sich in ein junges Mädchen verliebt. Seine Gefühle werden nicht erwidert und der melancholische Seemann sehnt sich nach einer nicht erfüllbaren, heilen Welt – gleichzeitig begleitet ihn das Fernweh nach dem weiten Meer, der Freiheit. Hamburgs Hafen, die Reeperbahn und ein wehmütiger Hans Albers, der den Zwiespalt und das Gefühlsleben auf St. Pauli wiedergibt. Diese Rolle ist neu, schließlich galt der Mime eher als Draufgänger, Abenteurer, Unterhalter und Frauenheld, nicht unbedingt als Mann, der echte Gefühle zeigt.

 

HA_Filmkombi_1

Filmplakate großer Erfolge: Der Deutschen liebster Schauspieler                                                                 / Foto: www.panfoto.de

 

Nach der Premiere am 12.12.1944 sind die Nazis nicht sehr begeistert von dem neuen Hans-Albers-Spielfilm: er enthalte weder Propaganda oder ein ideales NS-Bild, noch eine Darstellung des Drittes Reichs. Angeblich verbietet Großadmiral von Dönitz höchstpersönlich die Ausstrahlung des Spielfilms in Deutschland. Während Große Freiheit Nr. 7 in Schweden, Dänemark und der Schweiz veröffentlicht wird, soll die deutsche Ausgabe zunächst geschnitten werden. Statt einer überarbeiteten Version des Films wird er komplett gesperrt.

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob Du’n Mädel hast oder ob keins…“

Erst am 09.09.1945 geben die Alliierten den Film für eine Premiere in West-Berlin frei. Ein paar Wochen später ist der Film „der Renner“: in Hamburg stehen die Fans Schlange und die Karten gehen zu Schwarzmarktpreisen häufig nur „unter der Theke“ weg. Die Deutschen können sich mit dem Film identifizieren, gerade die Hamburger. Die Rolle des verletzlichen Seemanns drückt sehnlichst den Wunsch nach Heimat in einer heilen Welt aus. Krieg gibt es nicht, da Käutner tunlichst darauf geachtet hatte, keine zerstörten Häuser oder Hakenkreuze zu filmen; der Film wirkt wie ein Nachkriegsfilm. Auf Schallplatte überzeugt La Paloma, ein spanisches Lied aus den 1860er Jahren, das mit einem neuen Text versehen wurde. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins singt Albers ebenfalls in seiner Rolle des Seefahrers Hannes Kröger. Bis heute sind die Stücke, vielfach kopiert und umgeschrieben, bekannte Schlager.

Nach einem unproblematischen Entnazifizierungsverfahren versucht der 55-jährige Schauspieler in den 1950er Jahren größtenteils das Erfolgsmodell „Singender Seefahrer“ fortzuführen: entweder in Filmen oder bei Auftritten als Sänger, wo er seine bekannten Lieder erklingen lässt. In Filmen wie Käpt’n Bay-Bay (1953), Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (1954) und Das Herz von St. Pauli (1957) spielt Albers den Kapitän, den Seefahrer, den Kiezgänger, die von Freiheit und Sehnsucht, aber auch Abenteuern umringt werden. Der Schlager Auf der Reeperbahn nachts um halb eins wird im gleichnamigen Film erneut von Albers gesungen und avanciert trotz eher verhältnismäßig „normalem“ Erfolg des Films endgültig zum bekanntesten Hamburg-Lied.

 

HA_Kombi_schwarzweiss

Plakate von Albers’ größten Filmen: Erfolgsmodell “Singender Seefahrer”                                                  / Foto: www.panfoto.de

 

Schon seit den 1930er Jahren erschienen seine Hits – heute würde man es „Soundtrack“ nennen – auf Schallplatte. Er war der Abenteurer, der Frauenheld, aber eben auch ein bisschen der Seefahrer. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fokussierte er sich musikalisch auf maritim angehauchte Schlager. Hans Albers vertonte und bebilderte den Hafen, das Meer und das Fernweh. Auf seinen Schallplattencovern, Plakaten und diversen anderen Werbedrucken zeigte er sich mit Kapitänsmütze, „Schifferklavier“ und maritimem Hintergrund. Hans Albers war eine Metapher von Hamburg geworden. Stets hielt sich seine Sehnsucht zur Hansestadt, in der er vermutlich nicht einen derart großen Erfolg wie in Berlin, der aufsteigenden Film- und Künstlermetropole der Zwanziger Jahre, gehabt hätte. Zusätzlich verschaffte ihm sein Bekanntheitsgrad die Möglichkeit, als „Singender Seefahrer“ Erfolg zu haben. Vermutlich wären die Filme ohne seine vorherigen Engagements, mit denen er bekannt geworden war, nicht derart aufgefallen.

Gedenken an den „Hamburger Popstar“

Hans Albers, ein Mann, der immer das Extreme und den Erfolg suchte, der trotz seiner Eskapaden, seiner Egozentrik und seinem Narzissmus von (fast) allen geliebt wurde. Im wilhelminischen Kaiserreich sammelt er erste Theatererfahrungen, in der Weimarer Republik wird er der beliebte Darsteller in Berlin, im Nationalsozialismus der teuerste Filmstar und in der Bundesrepublik Deutschland der schwächelnde Altschauspieler, der einen würdigen Abgang bringen kann als ernstzunehmender Darsteller und selbsternannter „Kapitän“.

Heute wie früher gilt: Wer Hamburg sagt, muss auch Reeperbahn sagen. Spätestens dann stimmt jeder Auf der Reeperbahn nachts um halb eins an. Die Medien ordnen der Hansestadt diesen Schauspieler und Sänger zu und auch die Stadt Hamburg bringt sich gerne mit Hans Albers in Verbindung – sei es auch nur für die Touristen. Hans Albers ist irgendwie immer Hamburg.

 

HA_Hans_Albersplatz_Denkmal

Hans-Albers-Platz in Hamburg mit Denkmal und Immendorfs Kneipe im Hintergrund                         / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Nach seinem Tod am 24.07.1960 fand auf dem Ohlsdorfer Friedhof die größte Beerdigung der Hansestadt für einen deutschen Schauspieler statt mit tausenden Fans, die ihr Beileid bekundeten. 1964 wurde der Wilhelmsplatz auf dem Kiez in Hans-Albers-Platz umbenannt. In den 1980er Jahren zog es den Künstler Jörg Immendorff dorthin, wo er jahrelang die Künstlerkneipe La Paloma betrieb. In Düsseldorf schuf er ein Denkmal für den großen Schauspieler, dessen Kopie seit 1986 gegenüber des La Paloma steht. Kneipen auf dem Kiez benannten sich nach Hans Albers oder einem seiner Filme. Eine Gedenktafel wurde an Albers’ Geburtshaus in St. Georg befestigt und im „Panoptikum“ auf der Reeperbahn steht ein Hans Albers aus Wachs, original in „Seemannskluft“ mit „Schifferklavier“. Im September 1996 gründete sich der Hans-Albers-Freundeskreis in Hamburg, der sich der Förderung des Andenkens an Albers verpflichtete. 2010 erinnerten Printmedien wie ZEIT, Berliner Morgenpost und Westdeutsche Zeitung an seinen 50. Todestag.

Und heute? La Paloma, Auf der Reeperbahn nachts um halb eins oder Flieger, grüß mir die Sonne sind über hunderttausendmal auf der Video-Plattform YouTube geklickt und die jüngsten Kommentare stammen von 2014. Musikjournalist Jürgen Rau wählte Hans Albers jüngst auf Platz eins der beliebtesten Hamburger „Gassenhauer“, denn: „Hamburgs erster Popstar war Hans Albers!“8

Fazit: Hamburg und Hans Albers – das passt!

Seine Filme wie Große Freiheit Nr. 7 oder Auf der Reeperbahn nachts um halb eins prägten den Mythos eines typischen Hamburgers oder zumindest Kapitäns: Seefahrt, Sehnsucht nach Liebe und Unabhängigkeit, Melancholie, die Reeperbahn, Hafenromantik – all dies bedeutete Hamburg, wobei sich damit ebenso jede „Landratte“ identifizieren konnte. Auch wenn seine Filme oder sein Name heute nicht mehr jedem geläufig sind, so sind seine Lieder überall bekannt. Aber warum?

Seine Biographie zeigt deutlich: Hans Albers wuchs zwar in Hamburg auf und besuchte die Hansestadt immer gerne, doch den Großteil seines Lebens verbrachte er in Berlin, an Drehorten und am Starnberger See in Bayern – eigentlich gar nicht so norddeutsch. Außerdem spielte Hans Albers in den 1930/40er Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere in verhältnismäßig wenigen Engagements den Seefahrer oder Kapitän, geschweige denn den Hamburger. Doch wie überall zählt nicht die Quantität, sondern die Qualität.

Hamburgs Verbundenheit zum deutschen Filmstar Hans Albers mag zum einen an seiner persönlichen Verbindung zur Hansestadt liegen. Seinen Hamburger Dialekt legte er nie komplett ab, er besuchte die Stadt, so oft es ging (und damit auch die Reeperbahn), und kurz vor seinem Tod hörte er am Starnberger See Aufnahmen von typischen Hamburger Hafengeräuschen. In der Hansestadt konnte er sich nicht mehr niederlassen, weswegen er verfügte, dass er wenigstens dort beerdigt würde. Die Hamburger mögen damals und heute großen Stolz empfunden haben, wie jede Stadt, die eine Berühmtheit „geboren“ hat.

 

HA_Gedenktafel

Gedenktafel an Albers’ Geburtshaus in St.Georg: Der große Sohn der Stadt, der in Bayern lebte       / Foto: Nadine Kaspersinski

 

Gerade weil er sein Leben lang nicht mehr in die Stadt an der Elbe zurückkehren konnte, war seine Sehnsucht nach ihr echt und seine Rolle authentisch. Womöglich konnte er seine innere Zerrissenheit in der Rolle des Seefahrers ausdrücken und wirkte deshalb so überzeugend. Denn seine Charaktere sehnten sich ebenfalls nach Freiheit, Hamburg und Liebe. Hans Albers vertonte als erster die Reeperbahn und Hamburg in dieser Weise, was ihn bis heute einmalig macht.

Zum anderen beinhaltet die vergangene Seefahrerromantik, die Albers wehmütig besang, auch eine Erinnerung vieler Hamburger an die „gute alte Zeit“, als St. Pauli noch nicht zur kommerziellen Vergnügungsmeile aufgestiegen war. Wo noch „echte“ Seefahrer Halt machten in Hamburg, die Kneipen noch originell waren, wo jeder sein Glück finden konnte – zumindest für eine Nacht. Nostalgie ist das Stichwort. Das Erträumen und Erinnern an ein St. Pauli, das es vielleicht einmal gegeben haben mag – eben der Wunsch nach einer „heilen Welt“, Unabhängigkeit und Liebe, die sich auf der Reeperbahn finden ließe. Albers’ Lieder lösen das heute noch aus, genau wie 1945, als Große Freiheit Nr. 7 vorgeführt wurde.

Außerdem war es Albers selbst, der sich nach 1945 und dem Erfolg von Große Freiheit Nr. 7 vermehrt in Filmen als Seefahrer oder zumindest als Hamburger zeigte und stets mit Akkordeon in seinem Rollenoutfit auftrat. Vor dem Zweiten Weltkrieg in Film und Theater der selbstverliebte und erfolgssüchtige Mime – nach dem Krieg der melancholische Seemann. Hans Albers verschmolz stets mit seinen Rollen und nach dem Krieg, wo er als Draufgänger und Frauenheld keinen rechten Erfolg mehr haben konnte oder mochte, stellte er sich als das dar, was er womöglich immer sein wollte: verbunden mit Hamburg. Nach seinem Tode blieb der Nachkriegsgeneration genau dieses Bild im Kopf haften. Nichts Ungewöhnliches bei beliebten Stars wie auch Michaela Krützen in ihrer Albers-Biographie feststellt. Man denke an den U-Bahn-Schacht und Marilyn Monroe oder Marlene Dietrich und das Fass. Szenenbilder oder Filmrollen stehen in der späteren Erinnerungskultur für den Künstler, dessen Erfolg und das, was ihn auszeichnet9.

Hans Albers verkörperte ein Ideal, das Erfüllung in Hamburg fand. Wie lange der Schauspieler nicht in der Elbstadt weilte, welche anderen Erfolge er verbuchte und ob er die Seefahrer-Rolle wirklich ernst meinte: all das schien und scheint egal, und spielt doch gleichzeitig alles zur immer noch anhaltenden postumen Popularität mit hinzu. Die Hamburger haben ihm seine Abwesenheit nicht übel genommen, schließlich bedeutete sein Erfolg außerhalb der Hansestadt der Erfolg in der Hansestadt.

Zur Autorin:

Nadine Kaspersinski hat von 2010-2013 Geschichte und Fachjournalistik Geschichte in Gießen studiert. Seit dem Wintersemester 2013/14 ist sie Master-Studentin (Geschichte) an der Universität Hamburg.

Zum Weiterlesen:

  • Blumenberg, Hans-Christoph: In meinem Herzen, Schatz. Die Lebensgeschichte des Schauspielers und Sängers Hans Albers, Frankfurt am Main 1991.
  •  ”So wahr ich der liebe Gott bin”, in: SPIEGEL, 34/1989, 35/1989.
  • Krützen, Michaela: Hans Albers. Eine deutsche Karriere, Weinheim 1995.
  • Rau, Jürgen: Hamburg, deine Perlen. Die einzigartige Musikszene der Hansestadt. Mit 713 Abbildungen, Bremen 2011.
  • Schumann, Uwe Jens: Hans Albers. Seine Filme – sein Leben, München 1980.
  • Wegner, Matthias: Hans Albers (= ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hrsg.), Hamburger Köpfe), Hamburg 2005.

Zum Weiterhören:

 

1Vgl.: Friedemann Beyer: Die Gesichter der UFA. Starportraits einer Epoche, München 1992, S. 164.

2Vgl.: Matthias Wegner: Hans Albers (= ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hrsg.), Hamburger Köpfe), Hamburg 2005, S. 64.

3Vgl.: Jürgen Rau: Hamburg, deine Perlen. Die einzigartige Musikszene der Hansestadt. Mit 713 Abbildungen, Bremen 2011.

4Hans-Christoph Blumenberg, So wahr ich der liebe Gott bin, in: SPIEGEL, 34/1989.

5Vgl.: Matthias Wegner: Hans Abers, S. 63.

6Vgl.: Matthias Wegner: Hans Abers, S. 63 ff.

7Eintrag in Goebbels Tagebuch am 18.06.1937.

8Vgl.: Jürgen Rau: Hamburg, deine Perlen, S. 11.

9Vgl.: Michaela Krützen: Hans Albers. Eine deutsche Karriere, Weinheim 1995, S. 315 ff.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=1440

Weiterlesen

Puder

Fragt man eine(n) KunsthistorikerIn nach der Verbindung zwischen Edouard Manets “Nana” von 1877 in der Hamburger Kunsthalle und beispielsweise Jean-Marc Nattiers Portrait von Marie-Thérèse-Catherine Crozat (geb. Gouffier) und ihrer Tochter Louise-Honorine Crozat in Indianapolis wird er/sie möglicherweise je nach Veranlagung die … Weiterlesen

Quelle: http://vivien.hypotheses.org/290

Weiterlesen

Vorgänger von Maurice Quentin de La Tour

Rund 20 Jahre nach seinem Tod wurde Vivien von Jacques Lacombe im  “Dictionnaire portatif des Beaux-Arts, ou abregé de ce qui concerne l’Architecture, la Sculpture, la Peinture, la Gravure, la Poésie & la Musique; avec La définition de ces Arts, l’explication … Weiterlesen

Quelle: http://vivien.hypotheses.org/255

Weiterlesen