(4) Und was machst du so? Interviews mit Absolvent_innen der Sozialwissenschaften

Michael Lüdtke (36), studierte von 2003 bis 2006 Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Rostock. Derzeit ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter  in Rostock tätig. Soziologiemagazin: Viele Kommiliton_innen befürchten, dass die Dauer ihres Soziologiestudiums und vielleicht sogar die Wahl der thematischen … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5581

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aussichten Nr. 38 [11.11.2013]: Neue Einträge bei aussichten-online.net; Digest 01.09.2013-31.10.2013

Wissenschaftsgeschichte der Altertumswissen­schaften. Themenportal bei PropylaeumDok http://www.aussichten-online.net/2013/09/4703/ http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/portale/wgesch Das Portal sammelt Beiträge, die über den Dokumentenserver der Virtuellen Fachbibliothek Altertumswissenschaften bereitgestellt werden, und sich mit der Historiographie der Altertumswissenschaften beschäftigen. .................................. Fachbibliographie Marburger Studentenleben. Studentensprache, Studentenlied, Universitätsgeschichte http://www.aussichten-online.net/2013/09/4722/ http://www.uni-marburg.de/bis/ueber_uns/dezbib/bibgw/bibbg/studbibl Die von Dr. Norbert Nail und Dr. Lydia Kaiser zusammengestellte Bibliographie enthält zahlreiche Titel zur Marburger […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/11/4761/

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9. Was ist Glück? 2/5: Aristoteles’ artgerechte Haltung

Die ARD bewirbt ihre Themenwoche “Glück” unter anderem mit dem Bild eines Jungen, der im Gras liegt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt hat und lächelt. Für das kreative Fotografen-Team, das hinter diesem Bild steckt, manifestiert sich Glück im Kindesalter eben genau so, wie wenn die Zahn-Prothese im dritten Rentenjahr noch richtig sitzt. Sorgenfreiheit, Muße und etwas Sonne reichen dann wohl aus, um von einem guten Leben sprechen zu können. Schade, dass Sie dann nichts mehr von einer Gurke unterscheidet. Denn die macht auch nichts anderes, als herumzuliegen und Sonne zu tanken. Dieses Glücksverständnis hat auch unser Büstenfreund Aristoteles befremdlich gefunden und sich die Sache einmal genauer angeschaut.

Sehen Sie, im Gegensatz zu einer Gurke haben Sie als Mensch nämlich die Möglichkeit, in vielen verschiedenen Varianten aktiv zu sein: Sie können Yoga machen, kochen, einen Bantudialekt lernen oder Primzahlen sortieren. Wenn wir das mit Aristoteles auf den Punkt bringen wollen, ist das, was Sie von anderen Lebewesen wie beispielsweise Pflanzen grundsätzlichen unterscheidet, dass Sie sich bewegen können. Was Sie von Tieren unterscheidet, ist hingegen, dass Sie ihren Kopf benutzen können. Damit sind die Grundvoraussetzungen dessen, was Sie im Leben machen und erreichen können, grundverschieden von denen der Gurke oder eines beliebigen Emus. Und genau das müssen Sie laut Aristoteles bedenken, wenn Sie die objektiven Kriterien eines glücklichen Lebens entdecken wollen.

Sie sind also mit Anlagen ausgestattet, die Ihrer Art eigen sind. Das sieht Aristoteles ganz nüchtern biologisch. Diese Anlagen zu haben, reicht aber noch lange nicht aus. Sie müssen etwas mit Ihnen anfangen und das, was Sie können, sollten Sie besonders kultivieren und bestmöglich ausprägen. Aristoteles unterscheidet dafür zwei Kategorien von menschlichen Aktivitäten: Die erste umfasst alles Geistige: Verstehen, Hinterfragen, Planen, Wissen und solche Dinge werden von ihm natürlich dem Denken (auf Griechisch: διάνοια – Denken) zugerechnet. Die zweite Kategorie umfasst Ihren Charakter und Ihre Gewohnheiten (auf Griechisch: ἠθική – moralisch). Beides müssen Sie so gut es geht und stetig besser werden lassen, damit Sie den besten Status erreichen können, der Ihnen möglich ist. Keine Lust gibt´s dabei nicht, denn Sie würden sich dadurch nur in das eigene Fleisch schneiden. Sie verlieren nämlich in jedem Moment, den Sie nicht für das eine oder das andere verwenden, die Möglichkeit auf ein wirklich gutes und befriedigendes Leben. Sie müssen eben einsehen, dass es auch für den Menschen ein artgerechtes Leben gibt und nur dadurch können Sie glücklich werden. Also die Benutzung und Vervollkommnung dieser zwei Talente: Denken und Charakter sind das A und O unseres Lebens. Das klingt eigentlich ganz schön. Aber gibt es nicht noch mehr? Doch, denn dazu kommen auch noch einige andere Dinge, die aber nicht ebenso direkt von uns abhängig sind, sondern auch mit Zufall zu tun haben: Freundschaften und Familie, die gemäß unseres Wesens als Menschen ebenfalls eine absolut zentrale Rolle in unserem Leben spielen müssen, brauchen wir ebenso dringend für ein glückliches Leben. Hier ein schönes Zitat aus der Nikomachischen Ethik:

“Ohne Freunde möchte niemand leben, auch wenn er alle übrigen Güter besäße.” (1155a5)

Wenn wir all das haben und erreichen, dann können wir uns glücklich schätzen: Also einen vollkommenen Status erreichen, hinter dem es nichts besseres mehr gibt, das wir erstreben wollen können. Welche Handlungsanleitungen Aristoteles uns genau gibt, werden wir uns anschauen, wenn wir über diesen altbackenen Begriff der Tugenden sprechen werden. Bis dahin muss die aristotelische Definition von Glück als Verstandes- und Charaktervervollkommnung mit Freundschaften und Familie alleine dem Glücksverständnis von Urlaubswerbung und der ARD-Themewoche standhalten.

Sie sehen, Aristoteles redet anders als Platon und wirkt lebensnaher. Wenn Sie mehr über artgerechte Haltung erfahren wollen und keine Lust mehr auf Gurken haben, werfen Sie doch einfach einmal direkt einen Blick in die Quelle. z.B.: Aristoteles (2010): Nikomachische Ethik. Übersetzt von Franz Dirlmeier. Bibliogr. erg. Ausg., [Nachdr.]. Stuttgart: Reclam (Universal-Bibliothek, Nr. 8586).

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/129

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Wünschelruten-Laufen als alternative archäologische Prospektionsmethode #KulturEr

Gastbeitrag von Kai Thomas Platz

Ein Beitrag zur Blogparade „Mein faszinierendes Kulturerlebnis“

Es trug sich vor langer Zeit in einer fernen Gegend zu…als ich, Student der Archäologie, auf einer Ausgrabung eines hallstattzeitlichen Gräberfeldes in der fränkischen Schweiz aushalf. In der Kampagne wurden 3 oder 4 klassisch aufgebaute Hügelgräber freigelegt, die der Zahn der Zeit eingeebnet hatte. Ein Steinkreis umfasste die ehemalige Aufschüttung, in deren Mitte sich eine Steinpackung befand, die einst die Grabkammer mit einem oder mehreren Verstorbenen überdeckte. Aber um die Bestattungen selbst soll es hier gar nicht gehen, sondern eher um die Möglichkeiten der Aufspürung solcher Gräber. In diesem Fall waren die Erdaufschüttungen bereits weg und nur noch der Steinkreis mit einer in der Mitte befindlichen Steinpackung waren zu finden. Die Grabungskampagne neigte sich dem Ende zu und der Herbst kam. Direkt neben der Fläche sollte im nächsten Jahr weitergegraben werden. Dann kam es zu einer Begegnung der dritten Art.

Ein Herr kam mit seiner Wünschelrute auf die Grabung und erklärte, dass er grad mal die neue Fläche abgehen würde, damit wir Archäologen wüssten, was nächstes Jahr freizulegen ist. Ich durfte ihn begleiten und tat dies mit großem Interesse. Der Herr hielt zwei dünne Metallstäbe in den beiden Händen, die er so hielt, dass sie sich am Ende überkreuzten.  Er ging also, sein hochsensibles Prospektionsinstrument vor sich gestreckt, über die Fläche. Er schritt langsam und hochkonzentriert die rechteckige Fläche in Bahnen ab. Völlig unvermittelt klappte die Rute nach unten. „Das ist der Steinkreis“. Nach zwei Schritten klappte die Rute wieder nach oben. Nach zwanzig Schritten zog es die Rute wiederum, wie von einem Magneten gezogen, nach unten. „Die Steinpackung!“ Höchst interessant! Der erste Grabhügel war zentimetergenau lokalisiert. Auf diese Weise fand die Rute 3 weitere prähistorische Grabstätten, ohne dass ihr Herr dabei vergaß überzeugend zu versichern, dass er das schon sehr oft mit hundertprozentiger Treffsicherheit gemacht habe.

Der Job in der fränkischen Schweiz war vorbei und ich widmete mich wieder meinem Studium. Im  nächsten Jahr fuhr ich aus reiner Neugier wieder in die Gegend, um die Kollegen zu besuchen. „Na, wie schauds denn aus? Wievill Grabhüchela sinna kumma?“ fragte ich. „Goar kanna!“. Das Gräberfeld war schlicht zu Ende gewesen. Spannend war, dass sich in einer Ecke des Grabungsschnitts, genau dort wo der Herr mit seiner Wünschelrute absolut gar nichts lokalisiert hatte, eine bis oben mit Steinen angefüllte, vorgeschichtliche Pinge fand, ein Bergbauschacht, der mit einer konventionellen Prospektionsmethode vermutlich entdeckt worden wäre. Aber Wünschelruten zeigen halt nur Wünsche und Wünsch-Dir-Was war an diesem Tag eben nicht.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/889

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„Nichtarbeitende Gefangene haben zu verhungern!“ – Podcast zu sowjetischen Kriegsgefangenen in deutscher Kriegsgefangenschaft

Ein vom SWR2 produzierter Podcast arbeitet am Beispiel des Kriegsgefangenenlagers Sandbostel die Geschichte sowjetischer Kriegsgefangener in deutscher Gefangenschaft auf und setzt sich mit aktuellen Themen wie den Entschädigungszahlen an die Opfer auseinander.

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Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/11500

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How to write about the Vienna School of Art History?

Ein Kommentar zu Matthew Rampleys Vortrag:[i]

“How to write about the Vienna School of Art History?” Diese Frage ist brisant. Ihre Antwort lieferte Erkenntnis daüber, was die Welt der Wiener Schule im Innersten zusammenhält.

Um es kurz zu machen, der Referent, Matthew Rampley ließ das Publikum diesbezüglich an einem der traditionellen Mittwochsvorträge in Faustischer Unwissenheit zurück. Die Formel des Vortrags „How to write about Vienna School of Art History“ hatte sich zu „Die Wiener Schule der Kunstgeschichte“ verwandelt. Ein semantischer Shift vonTragweite. Im ersten Fall hätte es nämlich darum gehen müssen, wie die Konstruktion „Wiener Schule“ funktioniert.

Für diese zeichnet maßgeblich Julius von Schlosser verantwortlich, der 1934 in einem Aufsatz zwei Dinge gemacht hat:[ii] Erstens zeichnete er eine Genealogie von österreichischen Kunstgelehrten, die diese Schule bildeten und zweitens betonte er die deutsche Identität dieses Konstrukts und richtete es somit 1934 auf den großen nördlichen Nachbarn. Schlossers Wiener Schule ist eben keine „neutrale“ Auflistung der forscherischen Leistungen, sondern inkludiert und exkludiert bestimmte Forscher. Albert Ilg und Josef Strzygowski beispielsweise spricht der Autor die Zugehörigkeit zur exklusiven Gemeinschaft weitgehend ab. Im Falle Strzygowskis hat dies tatsächlich dazu geführt, dass er schwer integrierbar in das Wiener System zu sein scheint. Solcherlei langlebige Verzerrungen zeigen dann, wie wirkmächtig Schlossers Erfindung schlussendlich ist.

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Dass es viele Einzelstudien zu Akteuren der Wiener Schule gibt, denen wenige zur Wiener Schule als solcher entgegenstehen, damit eröffnete Rampley die Erörterung. Der erste Versuch, die Wiener Kunstgeschichte in ihrer Methodik insgesamt zu erfassen, stammt von Vincenc Kramář.[iii]

Im Zentrum der in der rezenten wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung steht die „Riegl-Renaissance“, seit den 1970er Jahren.[iv] Hier wurde Riegl nachträglich zu einem der Antipoden der Visual Culture. Dabei wies Rampley auf die wichtige Tatsache hin, dass Riegls Multikulturalismus durchaus imperialistisch zu lesen ist und in der habsburgischen Staatsideologie als Vielvölkerreich gründet. In dieser herrschte eine – wenn man so will – deutsche Leitkultur, die zwangsläufig mit nationalistischen Bestrebungen der Kronländer in Konflikt geriet. Um die Berufung des Tschechen Max Dvořak auf die Wiener Lehrkanzel entzündete sich dann auch ein heftiger Streit.

Die Wechselwirkungen zwischen ihm, Riegl und der tschechisch-sprachigen Kunstforschung konnte Rampley überzeugend am El Greco-Vortrag Dvořaks nachweisen. So fußt der Vortrag auf einem Aufsatz des kubistischen tschechischen Malers Emil Filla, dessen theoretische Basis wiederum Riegls Kunstwollen bildet. Diese Reziprozität ist ein bisher unbearbeitetes Terrain, angesichts der Sprachbarrieren und territorialen Barrieren in Zeiten des Kalten Kriegs aber längst überfällig. Die spezifische Wiener Situation offenbart sich am Gegensatz von Zentrum und Peripherie innerhalb der Donaumonarchie, sie ist als solche atypisch im deutschsprachigen Raum. Innerhalb dieses kulturrelativistischen Systems kommt es sowohl zur kulturellen Mimikry als auch zum Widerstand. Kunstgeschichte diente als Instrument des Widerstandes, als Manifest spezifischer kultureller Identität.

Denkt man Rampley weiter und fragt danach, wie eine Geschichte der Wiener Schule zu schreiben wäre, so hätte man eine Phase 1, die von 1849-1918 reicht und deren Amalgam der Liberalismus und die Habsburger Monarchie mit Fokus auf dem Deutsch-Österreichertum bilden. Einen Sonderstatus nimmt dabei einzig Strzygowski ein, der mit seinem vergleichenden bildwissenschaftlichen globalen Ansatz die Debatte nach der Frage um die gesamte europäische Identität insgesamt anstößt. Dieses progressive Denken wird allerdings vom „Nordstandpunkt“ seines völkischen Spätwerks fast vollständig verdeckt. Auch erklärt sie nicht dieses Paradoxon. Die Komplexität der politischen Haltungen nimmt in den 1920er und 1930er Jahre zu – vorausgesetzt man betrachtet alle Akteure, die am Institut in dieser Zeit lehren und nicht nur die Ordinarii. Eine Auseinandersetzung mit der Frage des Österreichischen in der Kunst liefert beispielsweise Sedlmayr mit seinem “Österreichischen Barock”.

Man ist geneigt, zu sagen: Lieber Julius von Schlosser, danke für Ihren gelungenen PR-Gag, jetzt wenden wir uns wieder wichtigeren Dingen zu. Aber solche Setzungen sind keine belanglosen Erscheinungen. Sie verschaffen Akteuren einen Zuschreibungsrahmen in ein spezifisches, exklusives elitäres Wissenschaftsdispositiv, denn nicht jede/r AbsolventIn repräsentiert(e) automatisch die Institution. Daher muss die Frage lauten: Wie wurde die Geschichte der Wiener Schule geschrieben? Oder: Wie ist die Geschichte der Wiener Schule zu schreiben. Ob sich diese Zauberformel, des Pudels Kern gewissermaßen jemals offenbaren wird, darüber bin ich sehr gespannt.

 

[i] Matthew Rampleys Vortrag, “Die Wiener Schule der Kunstgeschichte” fand am 23. Oktober 2013 im Rahmen der Mittwochsvorträge der Kunsthistorischen Gesellschaft statt. Rampley hält eine Professur für Kunstgeschichte an der University of Birmingham. Seine Monographie, The Vienna School of Art History. Scholarship and the Politics of Empire, 1847-1918 (University Park, 2013) ist derzeit in Vorbereitung.

[ii] Julius von Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte. Rückblick auf ein Säkulum deutscher Gelehrtenarbeit in Österreich.” Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung Erg. Bd. 13 (1934).

[iii] Vincenc Kramář, “Videňská Škola Dějin Umění,” in: Volné Směry (1910).

[iv] Georg Vasold, Alois Riegl und die Kunstgeschichte als Kulturgeschichte. Überlegungen zum Frühwerk des Gelehrten,  Freiburg i. Br. 2005, S. 6.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/530

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Biblischer Schädlingsbefall


“Seht, der Herr JHWH ist mein Helfer. Wer will mich verdammen? Seht, sie alle zerfallen wie ein Kleid; die Motte wird sie fressen.” (Jesaja 50,9; Jerusalemer Bibel)

Zwischen Genesis und der Offenbarung des Johannes kreucht und fleucht einiges. Vom Wurm ist in der Bibel genauso die Rede wie von Heuschrecke, Schlange oder Biene. Einem bisher von der Forschung recht unbeachteten Tier widmet sich:

Peter Riede, Bilder der Vergänglichkeit. Studien zur alttestamentlichen Mottenmetaphorik (Forschung zur Bibel 128), Würzburg: Echter 2013. 80 Seiten, ISBN: 978-3-429-03634-8 , EUR 20,00 (DE).

Nach einleitenden Bemerkungen (9-12) widmet sich der Verfasser der “natürlichen Lebensweise von Kleider- und Pelzmotten” (Kapitel I: 13-16). Interessant: Es sind die kleinen Mottenraupen, die mit ihrem Beißwerk Pelze und Stoffe zerstören, um sich daraus eine Wohnröhre zu bauen, in der sie sich schließlich zur Puppe entwickelt. Das zweite Kapitel schreitet das Feld des Alten Orients insgesamt ab (“Motten im alten Israel und seiner Umwelt”: 17-22). Wenn etwa im Akkadischen terminologisch zwischen der Mottenraupe und dem ausgewachsenen Tier differenziert wird, spricht das für eine genaue Kenntnis über die Entwicklung dieses Insekts. Zuweilen sei die Motte auch als Personenname belegt, mit wahlweise zärtlicher oder humoristischer Konnotation.

Bei seinem anschließenden Streifzug “Motten in der Bildsprache des Alten Testaments” (Kapitel III: 23-63, mit der Zusammenfassung 64f.) entdeckt Riede die Motte als Bildspender in zum Teil überraschenden Kontexten: Motten sind ebenso zerstörende Wesen, die im Verborgenen arbeiten und den Reichtum – besonders die Kleider – der Wohlhabenden gefährden (Hiob 13,28; Jesaja 50,9; 51,8), wie auch zerstörte Wesen, wenn sie – zerdrückt – “als Bild für die Vergänglichkeit und Sterblichkeit des Menschen” (64) stehen (Hiob 4,19). Die Verpuppung der Motte wird – als “Hausbau” verstanden – zum Bild für die Lebensweise des Frevlers, der da meint, “sein Haus sei ebenso wie sein Besitz beständig und stabil, doch gibt er sich damit einem Irrglauben hin, ist es doch leicht, zerbrechlich, schnell zerstört” (65) (Hiob 27,18). Die Motte diene auch als Metapher für Gott selbst, wobei hier der bedrohliche Aspekt der Motte betont werde (Hosea 5,12; Psalm 39,12). Es zeigt sich: Die Motte im Alten Testament ist ein ambivalentes Wesen: fragil einerseits, weil sie als Schmetterling selbst zerdrückt wird, zerstörerisch andererseits, weil sie Kleider rücksichtslos zerfrisst. Beide Seiten werden als Bilder für die Vergänglichkeit fruchtbar gemacht.

Ausblickhaft bespricht Riede noch zwei neutestamentliche Texte, die sich der Motten und ihrer zerstörerischen Kraft bedienen (66f.). Es sind zwei Appelle gegen das Schätzesammeln und Anhäufen von Reichtümern:

“Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Fraß zerstören und wo Diebe durchgraben und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Fraß zerstören und wo Diebe nicht durchgraben noch stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.” (Matthäus 6,19-21; Elberfelder Bibel; vgl. Lukas 12,33)

 

“Nun also, ihr Reichen, weint und heult über eure Plagen, die über euch kommen! Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind von Motten zerfressen worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird zum Zeugnis sein gegen euch und euer Fleisch fressen wie Feuer; ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen.” (Jakobus 5,1-3; Elberfelder Bibel)

Peter Riede hat mit seinem Buch ein Tier näher beleuchtet, das in der Realität wie auch in der Bildsprache des Alten Testaments im Verborgenen lebt. Riede hat einmal mehr gezeigt, dass es gerade die allzu alltäglichen und eigentlich banalen Metaphern sind, die den Menschen zu denken geben. Bis heute.

 

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/14

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Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert – Eine Rezension von Dana Ionescu

Die Linguistin Monika Schwarz-Friesel und der Historiker Jehuda Reinharz haben mit „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“ eine umfassende empirisch fundierte Monografie zu aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus in Deutschland vorgelegt. Das Ziel der Arbeit ist es, die vielfältigen „Verbalmanifestationen … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5778

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