Versteckter Antisemitismus in Frankreich im Ersten Weltkrieg

Dissertationsprojekt: Zwischen Union sacrée und verstecktem Antisemitismus – Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden in Frankreich während des Ersten Weltkriegs 

Alice_an_Robert_Hertz_vorneDer Erste Weltkrieg gilt in der französischen Historiographie als Kristallisationsmoment der Herausbildung eines starken jüdischen Patriotismus. Die vollständige jüdische Integration in die Nation sollte mithilfe militärischen Engagements und dem damit verbundenen Opfer auf dem Schlachtfeld gelingen. Durch den gemeinsamen Kampf sollte erreicht werden, was zu Friedenszeiten nicht möglich gewesen war: die Überwindung antisemitischer Ressentiments im Anschluss an die Dreyfus-Affäre und damit die uneingeschränkte Aufnahme der jüdischen Minderheit in die französische Gesellschaft.

 Hinter diesem Narrativ, das die Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden und ihre Erfahrungen während der Kriegsjahre fast ausschließlich auf den patriotischen Gedanken im Kontext des Schützengrabens reduziert, tritt eine darüber hinausgehende Vielstimmigkeit des Kriegserlebens weitgehend zurück. Diese wird zwar in den Editionen von Korrespondenzen französischer Juden wie Marc Bloch oder Émile Durkheim deutlich, doch geben diese Quellen lediglich Einblicke in die männlichen Erfahrungswelten von Soldaten und Agitatoren im Dienste Frankreichs. Die Dialogpartnerinnen dieser Briefwechsel bleiben hingegen oftmals stumm und damit auf die Rolle passiver Empfängerinnen beschränkt. Durch dieses Nicht-Beachten der Briefe der Korrespondentinnen werden bislang nicht nur komplexe Dialoge zweier Individuen auf einseitige Monologe verkürzt, sondern es entsteht auch eine deutliche Leerstelle in Bezug auf die weiblichen Erfahrungswelten während des Krieges.

Im Rahmen meines Dissertationsprojektes strebe ich deshalb eine gleichwertige Einbeziehung der vielfach – sowohl in der Historiographie zum Ersten Weltkrieg als auch in der Antisemitismusforschung – vernachlässigten weiblichen Perspektive an. Anhand einer auf die Verschränkung und Verflechtung männlicher und weiblicher Perspektiven ausgerichteten Analyse von Kriegskorrespondenzen französischer Intellektueller und ihrer Ehepartner widmet sich mein Projekt dabei erstens Strukturen und Besonderheiten im Sprechen über den Krieg und sein Erleben. Wie unterscheiden sich die Darstellungen und das Verständnis des Konflikts? Welche Rollen schrieben sich die Briefpartner selbst und gegenseitig zu? Wo sahen sie ihre Positionen und Verpflichtungen innerhalb des Konflikts und welche Hoffnungen projizierten sie auf die Zeit nach Kriegsende? Neben diesen allgemein auf das Kriegserleben ausgerichteten Fragestellungen liegt der Fokus meines Projekts auf der Analyse der Beziehungen zwischen Juden und Nicht-Juden während der Kriegsjahre. Welchen Stellenwert hatte die Religionszugehörigkeit für die Korrespondenten beziehungsweise definierten sie sich selbst als Juden? Wie charakterisierten sie ihre Beziehungen zu ihren Mitkombattanten oder innerhalb ihrer sozialen Netzwerke? Wurden sie zur Zielscheibe antisemitischer Angriffe oder berichteten sie von derartigen Vorfällen? Und zuletzt, welche Rolle schrieben sie dem Aufruf zur Union sacrée zu, wobei in diesem Zusammenhang auch das Verhältnis von Zensur und Autozensur zu reflektieren ist?

Alice_an_Robert_hintenDie Quellenbasis der Untersuchung bilden die Kriegskorrespondenzen von vier Ehepaaren: dem Ethnologen Robert Hertz und seiner Frau Alice, dem Historiker Jules Isaac und seiner Frau Laure, dem Soziologen Maurice Halbwachs und seiner Frau Yvonne sowie dem Philosophen Michel Alexandre und seiner Frau Jeanne. Die ausgewählten Paare repräsentieren sowohl Verbindungen zwischen zwei jüdischen Partnern als auch zwischen Juden und Nicht-Juden. Alle vier Paare entstammten dem universitären Milieu und waren miteinander bekannt beziehungsweise standen – im Falle von Maurice Halbwachs und Jeanne Alexandre – in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander. Trotz dieser engen sozialen Verbindungen repräsentieren sowohl die Frauen als auch die Männer der ausgewählten Paare sehr unterschiedliche Positionierungen und Erfahrungen während der Kriegsjahre. So meldete sich Robert Hertz zu Kriegsbeginn freiwillig zum Militärdienst und starb bereits im April 1915 an der Front, wohingegen Maurice Halbwachs nach seiner Ausmusterung im Kriegsministerium arbeitete. Laure Isaac zog sich mit ihren Kindern in die Bretagne zurück; Jeanne Alexandre dagegen engagierte sich zusammen mit ihrem Mann im sozialistisch-pazifistischen Milieu.

Eine verflechtende Analyse der Kriegskorrespondenzen dieser vier Ehepaare ermöglicht Einblicke in die Vielfältigkeit des Kriegserlebens sowie der alltäglichen Beziehungen von Juden und Nicht-Juden und zeichnet ein differenzierteres Bild der Kriegserfahrungen französischer Jüdinnen und Juden.

Zur Erweiterung der Perspektive über das universitäre Milieu hinaus werden zudem exemplarisch Zeitungen, Dossiers der Polizeipräfektur von Paris sowie Berichte aus den militärischen Einheiten, in denen Robert Hertz und Jules Isaac dienten beziehungsweise Akten ihrer Mitkombattanten, in die Analyse einbezogen. Durch diese Ausweitung des Quellenkorpus erscheinen die Korrespondenzen nicht als isolierte Einzelschicksale, sondern werden in einen milieuübergreifenden Kontext des Kriegserlebens von Jüdinnen und Juden in Frankreich während der Kriegsjahre eingebunden.

Methodisch bezieht sich das Projekt sowohl auf die Konzepte der „Kriegserfahrung“ des gleichnamigen Sonderforschungsbereichs der Universität Tübingen und der „Kriegskultur“ des Historial de la Grande Guerre, Péronne als auch auf die Verbindung von Antisemitismusforschung und Geschlechtergeschichte. Das Ziel der Dissertation ist es somit, einen Beitrag zur Verschränkung von kulturgeschichtlichen Ansätzen der  Militärgeschichte und einer um die Kategorie Geschlecht erweiterten Antisemitismusforschung zu leisten.

Das Dissertationsprojekt wird mit einem Wissenschaftsblog begleitet.

Abbildungen:

Vor- und Rückseite der Postkarte von Alice Hertz an ihren Mann Robert vom 21. November 1914: Carte. Charoy, 21 novembre 1914© Collège de France. Archives Laboratoire d’anthropologie social/ Fonds Robert Hertz. Mit Dank an das Collège de France für die Publikationserlaubnis. Alle Rechte vorbehalten.

Quelle: http://19jhdhip.hypotheses.org/1787

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Historiker werden im 20. Jahrhundert: Das Interviewbuch von Jacques Le Goff (1996)

Jacques Le Goff ist am 1. April 2014 im Alter von 90 Jahren in Paris verstorben. Er war ein Historiker von beeindruckender Schaffenskraft. Sein letztes Buch, eine Denkschrift zur Periodisierung der Geschichte, in der er die Frühe Neuzeit dem Mittelalter einverleibte, ist noch kurz vor seinem Tod erschienen.1 Der Mediävist gab den Annales entscheidende Impulse, war Präsident der VI. Sektion der École pratique des hautes études und der École des hautes études en sciences sociales. Montags war er bei Radio France Culture mit seiner Sendung “Les lundis de l’histoire” zu hören. Bereits 1996 erschien ein Interviewbuch, in dem Le Goff auf sein Leben und Werden als Historiker in der Nachkriegszeit und sein Wirken als arrivierter Ordinarius in Paris zurückblickt. Passend der Titel: “Une vie pour l’histoire” (Paris, La Découverte, 1996, ND 2010). Darin beschreibt er seine berufliche und persönliche Laufbahn und denkt über deren Einfluss auf seine Art, Geschichte zu schreiben, nach. Er gibt Einblicke in seine Ausbildung als Nachwuchswissenschaftlern in den schwierigen Jahren nach der “Libération” 1944. Er beschreibt seine Freundschaften und gibt seine Eindrücke etwa von Fernand Braudel preis, den er als großen Wissenschaftler, aber mitunter schwachen Charakter darstellt. Der Interviewer, Marc Heurgon, ist dabei meist nur der […]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1987

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Interoperationalität und semantisches Web für Mediävisten. Bericht zur Training School “Transmission of texts. New tools, new approaches” am IRHT Paris (31. März – 4. April 2014)

Training School am IRHT (Foto: Hanno Wijsman)

Training School am IRHT (Foto: Hanno Wijsman)

Anfang April konnte ich an einem gemeinsam von der COST Action „Medioevo Europeo“, dem Institut de Recherche d’Histoire de Textes (IRHT) und dem Projekt Biblissima organisierten Digital Humanities-Seminar teilnehmen. Unter dem Titel “Transmission of texts. New tools, new approaches”(mehr Infos: hier) standen dabei vor allem Fragen der Interoperationalität und das semantische Web im Vordergrund. Anhand konkreter Praxisbeispiele wurden hier neue Ansätze und Tools vorgestellt, die sich teilweise noch in der Entwicklung befinden, die aber zugleich auf sehr viel hoffen lassen. Damit verbunden war eine ebenfalls sehr praxisorientierte Einführung in TEI-XML und RDF.

Die Training School bot eine ganze Woche lang jeden Tag von 9 bis 19 Uhr ein intensives Programm. Von daher kann ich leider nicht alles wiedergeben, was ich hier gesehen und gelernt habe. Ich versuche aber mal, zumindest die Highlights zusammenzufassen, die ich mir notiert habe. Wer weitere Fragen hat, kann sich gerne an mich wenden.

Wichtiger Bestandteil des Programms war natürlich die Vorstellung der Beteiligten und deren Projekte. Nicht zuletzt, weil hier auch genau mit jenen Hilfsmitteln und Methoden gearbeitet wird, die im Rahmen der Training School vorgestellt wurden. Die Bedeutung der Interoperationalität und die Funktionsweise des semantischen Webs ließen sich so direkt am konkreten Beispiel nachvollziehen.

Sismel / Trame

Da ist einerseits das italienische Projekt TRAME, das am SISMEL in Florenz beheimatet ist, einer der Stützen der COST Action. Ziel von TRAME ist es, eine Metasuchmaschine für alle Datenbanken und -repositorien zu konstruieren, die Informationen zu mittelalterlichen Handschriften enthalten (Digitalisate, Kodikologie, Textgeschichte).

IRHT

Hauptveranstalter der Training School jedoch war das IRHT, in dessen Räumen auf der Avenue de Iéna auch die meisten Veranstaltungen stattfanden. Leider ist das IRHT in Deutschland kaum bekannt, was wirklich schade ist. Denn das auf die Erforschung alter Handschriften und Texte und deren (Überlieferungs-)Geschichte spezialisierte IRHT ist eine geradezu unglaubliche Einrichtung. Seit seiner Gründung in den 1930er wird hier alles gesammelt, was sich in Frankreich und weltweit zu Handschriften und alte Texten finden lässt. Organisiert ist das IRHT in 13 Sektionen, die gemeinsam alle hierzu notwendige Expertise unter einem Dach zusammenfassen. Die Bandbreite reicht von der Latinistik, Romanistik, Arabistik, Graezistik und Hebraistik, über Kodikologie, Bibliotheksgeschichte und Heraldik, Lateinische Paläographie und Diplomatik bis hin zu Handschriftenilluminationen. Dabei verfügt jede Sektion über eine herausragende Bibliothek, die jedes Forscherherz höher schlagen lässt. Wo sonst findet man z.B. sämtliche Handschriftenkataloge sowie Ausstellungs- und Auktionskataloge an einem Ort versammelt? Schließlich bietet das IRHT auch immer wieder Schulungen an, um Doktoranden und andere Interessierte im Umgang mit Handschriften auszubilden. Vielleicht wird ja die Direktorin des IRHT ihr Haus alsbald einmal auf dem DFMFA-Blog vorstellen.

Auf alle Fälle lohnt es sich, diese Institution einmal näher anzusehen. Nicht zuletzt, weil die über Jahrzehnte gesammelten Informationen zu Texten, Handschriften, Buchbesitzern etc., die bis vor kurzem noch allein in den vielen Zettelkästen des IRHT einsehbar waren, nun sukzessive online gehen. Dazu gehören auch die 76.000 Mikrofilme und digitale Reproduktionen von Miniaturen und Handschriften, die in Bibliotheken jenseits der Pariser Nationalbibliothek lagern. Interoperationalität spielt dabei eine große Rolle, denn all die verschiedenen Datensammlungen des IRHT sind miteinander verlinkt.

Rückgrat der Architektur ist die Datenbank MEDIUM, in der man früher noch die am IRHT vorhandenen Mikrofilme gesucht hat. Heute findet man hier alle Handschriftensignaturen verzeichnet, zu denen am IRHT Informationen zu finden sind. Die Handschriftensignaturen bilden sozusagen den Primärschlüssel zu dem ganzen System. Entsprechend kann man auch nach den Signaturen suchen. Oder aber, unter Verwendung der recherche avancée, den Bestand auch nach Eigenschaften wie Sprache, Dekoration usw. filtern. Die einzelnen Handschriften in MEDIUM sind dann wiederum mit den entsprechenden Angaben in den weiteren Datenbanken verlinkt, die da sind (in Auswahl):

  • Jonas: Katalog mittelalterlicher französischsprachiger Texte und Handschriften weltweit, durchsuchbar nach Autor, Titel und Signatur, einschließlich Texttradition und Bibliographie. Die Datenbank ist natürlich nicht komplett (zumindest was mein Thema angeht), aber man kann hier schon eine Menge finden und sie wird ständig erweitert. U.a. im Rahmen eines laufenden Katalogisierungsprojektes zu den bisher weitgehend noch unbekannten französischen Beständen der Bibiliotheca Vaticana (ca. 400 Handschriften!).
  • Bibale: Informationen zur Provenienz der Handschriften vom Mittelalter bis heute. Hier ist es möglich, anhand der Besitzvermerke, alter Signaturen, ex libris, Besitzerwappen, Inventare, Einbände usw. die Provenienz einer einzelnen Handschrift zu ermitteln oder auch ganze historische Bibliotheksbestände zu rekonstruieren.
  • Initiale: kunsthistorische Analyse dekorierter und illuminierter Handschriften und Inkunabeln.
  • Pinakes: Griechische Texte und Handschriften.

Die einzelnen Angaben wiederum sind mit der BVMM verbunden, der virtuellen Bibliothek mittelalterlicher Handschriften in französischen Bibliotheken (außer BnF) mit Bildern aus über 10.000 Handschriften, von denen hier über 3000 als vollständiges Digitalisat zu finden sind. Der Viewer erlaubt es dabei, auch mehrere Bilder gleichzeitig anzuzeigen und miteinander zu vergleichen.

Biblissima – das Megaprojekt

Biblissima, der dritte Partner der Training school, ist in der Tat ein wahres Megaprojekt. Wenn man sieht, was die BnF (einer der Partner) mit ihrer Digitalisierungsinitiative und Gallica bereits auf die Beine gestellt hat, kann man sicherlich davon ausgehen, dass auch dieses Projekt wie geplant auch umgesetzt wird. Biblissima soll nämlich nichts anderes als die „Bibliothek der Bibliotheken“ des 21. Jahrhunderts werden. So etwas wie eine, oder besser, die Metabibliothek, in der alle handschriftenrelevanten Daten der beteiligten Institutionen zugleich und miteinander kombiniert anzeigbar und durchsuchbar sein werden. Und das meint:

  • Digitialisate,
  • digitale Editionen
  • und Metadaten aus Forschungsdatenbanken (Handschriftenbeschreibungen, Ikonographie, Einband, Inkunabeln, etc.).

Während heutzutage jede Handschriftenbibliothek für ihre Bild- und Metadaten ein eigenes Format verwendet und die Bilder und Informationen der einzelnen Einrichtungen somit – um auf das in den Präsentationen immer wieder gebrauchte Bild zurückzugreifen – wie in einzelnen Silos lagern, die nicht mit einander kommunizieren können, soll Biblissima es ermöglichen, all diese Bilder und Daten miteinander in Kontakt zu bringen. Dafür wird auf ein gemeinsam mit Stanford entwickeltes Format (IIIF) und auf eine gemeinsame Technologie für die Viewer (Shared Canvas) zurückgegriffen. Letztere besteht darin, die einzelnen Handschriftenseiten als Grundlage zu nehmen. Diese werden dabei a priori als freie Fläche definiert, auf der man dann alle möglichen Informationen als einzelne Datenschichten ablegen kann: Digitalisate, digitale Editionen, Informationen zu Text und Handschrift, zu den Miniaturen, Schwarzlichtfotos, was auch immer. Wer schon einmal einen ersten Blick darauf werden möchte, findet hier ein Demo: http://demos.biblissima-condorcet.fr/mirador/ (nähere Infos dazu: hier).

Mit Biblissima soll es dann möglich sein, zu einer Handschriftenseite oder zu einer ganzen Handschrift (selbst wenn deren Teile getrennt über mehrere Bibliotheken verteilt sind) alle erreichbaren Informationen in ein und demselben Viewer gemeinsam anzeigen zu lassen. Dies kann auch mit mehreren Handschriften gleichzeitig geschehen, wenn man diese z.B. miteinander vergleichen möchte.

Für den Anfang sollen hier die virtuellen Bibliotheken der BnF (Gallica), die oben erwähnte BVMM des IRHT sowie die BVH (Les bibliothèques virtuelles humanistes der Universität Tours) miteinander verbunden werden. Aber auch die British Library und mehrere amerikanische Bibliotheken sind mit dabei. Die Datenpools speisen sich aus den genannten Datenbanken des IRHT, den Metadaten der BnF und weiteren Quellen – die aktuelle Liste umfasst ca. 50 Einzeldatenbanken.

Begleitet werden soll das Ganze durch eine Auswahl frei zur Verfügung stehender Arbeitsinstrumente für die Erstellung digitaler Editionen und deren Analyse. Zudem gibt es auf der Seite von Biblissima bald ein Toolkit, das die verschiedenen im Netz vorhandenen Datenbanken und Tools zusammenfasst und nach verschiedenen Kriterien filtern lässt.

Das Ganze ist natürlich ein Musterbeispiel für die Möglichkeiten des semantischen Webs. Aktuell wird hierfür der Thesaurus und eine Ontology speziell zur Beschreibung von Handschriften und deren Überlieferung erstellt, wobei das RDF-Framework auf CIDOC-CRM und FRBRoo basiert. Wie genau so etwas passiert, das wurde in einem der Praxisteile des Seminars gezeigt … und geübt.

Der Praxisteil: Interoperationalität und semantisches Web mit TEI-XML und RDF

Die 20 Teilnehmer aus insgesamt 14 Ländern haben also nicht nur die schöne neue Welt von morgen präsentiert bekommen, sondern auch ganz konkret erfahren und üben können, wie das alles funktioniert. Und zwar immer anhand der laufenden Arbeiten in den verschiedenen Projekten der beteiligten Institutionen. So wurde für die Markierung von Texten nach TEI- Richtlinien an alten Bibliotheksinventaren gearbeitet, auf deren Grundlage man am IRHT den Bestand der historischen Bibliotheken von Chartres rekonstruiert und mit den Resten abgleicht, die nach dem Bombardierung der Bibliotheque municipale von Chartres während des Zweiten Weltkriegs übrig geblieben sind. Verwendet wurde dabei der XMLmind_XML_Editor, der entsprechend angepasst wurde und der wohl auch dem XML-Editor im Toolkit von Biblissima zugrundeliegen wird.

Methoden und Tools zur Arbeit mit RDF im semantischen Web (Thesaurus erstellen, RDF-Triples formulieren und auf URI‘s verweisen, SPARQL-Abfragen erstellen) wurde uns wiederum am konkreten Beispiel des Biblissima-Projektes vorgeführt, bevor wir es dann auch selbst für unsere eigenen Projekte ausprobieren konnten.

Die Erstellung digitaler Editionen, insbesondere des kritischen Apparats (Varianten und Kommentare), wurden am letzten Tag schließlich anhand des nicht minder beeindruckenden Projektes SourcEncyMe geübt, einer kollaborativen Onlineplattform zu mittellateinischen Enzyklopädien und der Identifikation ihrer Quellen, die bisher noch unveröffentlicht ist. Dominique Poirel hat darüber hinaus in die verschiedenen Möglichkeiten zur Erstellung von Stemmata eingeführt. Wie sich das Ganze dann anhand TEI-encodierter Texte zumindest semi-automatisch umsetzen und graphisch aufbereiten lässt, hat anschließend Dominique Stutzmann gezeigt. Er selbst leitet die Lateinische Paläographie am IRHT und hatte am Tag zuvor sein eigenes digitales Projekt Oriflamms vorgestellt, das ebenfalls nicht unerwähnt bleiben soll. Hier geht es um die Möglichkeiten der automatischen Texterkennung für mittelalterliche Handschriften, wobei das Projekt schon beachtliche Resultate erzielt. Eine genauere Projektvorstellung gibt es voraussichtlich im nächsten Semester im Münsteraner „Forschungskolloquium Mittelalter (400-1500)“.

Fazit

Alles in allem war das, was während der 5 Tage am IRHT und bei Biblissima gezeigt und vorgeführt wurde, eine beeindruckende Demonstration des State of the art. Gerade der Umstand, dass die beiden Leitmotive Interoperationalität und semantisches Web hier immer wieder am praktischen Beispiel in ihrer ganzen Bedeutung fassbar wurden, war für mich eine der wichtigsten Erfahrungen dieser Training School. Das einzige, wovon ich mir noch mehr gewünscht hätte, waren die praktischen Übungen. Denn gerade durch die Arbeit mit Material aus den laufenden Projekten wurden Funktion und Sinn der einzelnen Methoden und Tools erst richtig erfahrbar. Die im Titel angekündigten new tools und new approaches haben sich im Programm der Training School damit aufs Beste miteinander verbunden.

Was mich letztlich zu der Frage bringt, wie es eigentlich mit ähnlich gelagerten Projekten in Deutschland aussieht. Vielleicht könnte man einmal eine Übersicht auch zu aktuellen mediävistischen DH-Projekten und Planungen in Deutschland hier auf dem DigiGW-Blog zusammenzustellen. Sehr gute Initiativen zur digitalen Rekonstruktion historischer Bibliotheken wie das Virtuelle Skriptorium St. Matthias in Trier, weitreichende Digitalisierungsinitiativen wie die der BSB und Metakataloge wie die Manuscripta medievalia gibt es ja auch hier. Und ich habe den Eindruck, dass sich da auch gerade einiges tut. Diese alle einmal in einem Überblick zusammenzufassen und vorzustellen wäre sicherlich sehr spannend und könnte gleichzeitig dazu beitragen, die Digitalen Geschichtswissenschaften bzw. die digitale Mediävistik und all das, was damit in Zukunft möglich wird, auch hier noch sichtbarer und bekannter zu machen.

 

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/723

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Le plus grand musicien de France – Rameau-Jahr 2014

Jean-Philippe Rameau (1683-1764), Gemälde von Joseph Aved (1702-1766), um 1728 | Foto: Wikipedia

Wer sich für Musik aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges interessiert, kommt an diesem Gedenkjahr nicht vorbei: Vor genau 250 Jahren starb der große, französische Komponist Jean-Philippe Rameau in Paris. Klavierschülern ist er vielleicht durch seine pièces de clavecin bekannt. In Frankreich wird das Jubeljahr groß gefeiert. Fast jeden Tag werden Rameaus Werke über das ganze Land verteilt dargeboten. Auch in Berlin und Wien gab es bereits und wird es noch einige erwähnenswerte Aufführungen geben.

Rameau schuf bzw. überarbeitete eine Reihe von Werken während der Siebenjährige Krieg tobte:

  • 1757 Anacréon
  • 1757 Les surprises de l’amour (Überarbeitung des gleichnamigen Ballets von 1748)
  • 1760 Les Paladins

Wie bei vielen Werken Rameaus hat man auch hier das Glück, dass sehr gute Aufnahmen existieren, die dem interessierten Hörer den kulturellen Hintergrund der Zeitgenossen auf angenehme Art und Weise vermitteln. Leider ist Rameau derzeit in Deutschland noch relativ unbekannt, vielleicht ändert sich dies in Zukunft.

 

Quelle: http://dsk.hypotheses.org/44

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Frankreich und der Prinz von Anhalt-Köthen

Ein Fallbeispiel für die Bedeutung der deutschen Fremdenregimenter als Patronageressource und Mittel der Reichspolitik im Siebenjährigen Krieg

Preußen und England griffen zu Beginn des Siebenjährigen Krieges auf konfessionelle Propaganda zurück, die bei Protestanten die Angst vor einem Religionskrieg der katholischen Mächte schüren sollte und sich die zahlreichen Streitpunkte zwischen Katholiken und Protestanten im Alten Reich zu Nutze machte. Der Umgang Frankreichs mit der Propaganda der Kriegsgegner ist ein äußerst spannendes Forschungsfeld, über das wir bisher in erster Linie durch Externbrinks Arbeit zu Deutschlandbild und Diplomatie Frankreichs im Siebenjährigen Krieg informiert sind. Frankreich umwarb in der Absicht die konfessionellen Fronten aufzubrechen, auch kleinere Reichsfürsten ohne finanzielles oder militärisches Gewicht. Die Legitimation für ein Eingreifen gegenüber Reichsfriedensbrecher Friedrich II. ergab sich aus dem Westfälischen Frieden. Die Armee Ludwigs XV. wurde in diesem Kontext als politischer Faktor bisher kaum beachtet. Dabei verfügte die französische Armee mit den deutschen Fremdenregimentern über eine wichtige Patronageressource, die zur Gewinnung protestantischer Verbündeter herangezogen werden konnte. Die französische Klientelpolitik im Reich lässt sich gut an den deutschen Regimentschefs ablesen. Ein von der Forschung noch nicht untersuchtes Beispiel ist das direkt im preußischen Einflussbereich befindliche, kleine, lutherische Fürstentum Anhalt-Köthen.

1. Anhalt-Köthen im Klientelverband Friedrichs II.

Friedrich II. von Preußen versuchte den Fürsten August Ludwig (1697-1755), der 1753 direkt als Generalleutnant in die preußische Armee eintrat, im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges durch Gunstbeweise an sich zu binden. Im Jahr 1751/1752 traten die beiden Söhne des Fürsten, der Erbprinz Karl Georg Leberecht und sein jüngerer Bruder, in preußische Dienste und wurden von Friedrich II. äußerst zuvorkommend behandelt.1 Im Januar 1753 erhielt der Fürst, nachdem er mit dem Monarchen gespeist hatte, einen Ring und eine Tabatiere mit dem Porträt des Königs als Geschenk.2 Als der Erbprinz Karl Georg Leberecht (1730-1789) 1755 die Regierung übernahm, lockerte sich das Klientelverhältnis. Der jüngere Bruder des neuen Fürsten, Prinz Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen(-Pleß) (1731-1797) hatte den Befehl über eine Kompanie.3 Auch er suchte anfangs die Nähe zum preußischen König, wie aus einer Bittschrift an Friedrich II. von 1754 hervorgeht, in der er den Monarchen bat, ihn zu einer Revue nach Stargard begleiten zu dürfen.4 Als sein Bruder 1755 die Herrschaft über Anhalt-Köthen antrat, suchte Friedrich Erdmann um seinen Abschied nach und erhielt seine Dimission. Der Rang eines Kompaniechefs hatte auf Dauer wenig Attraktivität für den fürstlichen Klienten, der in der ausbleibenden Beförderung eine „ungerechte[] Zurücksetzung“ sah.5 Anscheinend war kein Regimentskommando zur Hand und die Patronageressource Militär somit erschöpft.6

2. Prinz Erdmanns Wechsel in die französische Armee

Im Jahr 1757 setzte Prinz Friedrich Erdmann seine Karriere im französischen Militär fort. Ein politischer Hintergrund ist insbesondere zu diesem Zeitpunkt naheliegend, da Frankreich die vier anhaltinischen Fürstentümer umwarb. Dort war der Marquis de Fraigne als Diplomat und Spion aktiv. Er wurde von Preußen als Gefahr wahrgenommen und im Februar 1758 unter Missachtung des Landesrechts von einem Kommando preußischer Soldaten aus dem Schloss des Fürsten von Anhalt-Zerbst entführt und inhaftiert.7 Nachträglich versuchte Abbé Bernis ihn durch den Status eines ministre plénipotentiaire auprès des quatre princes de la maison d’Anhalt vor Friedrich II. zu schützen. Zur französischen Politik gegenüber Anhalt-Köthen gibt es bis jetzt jedoch keine Forschungsergebnisse. Ob Fraigne auch Anhalt-Köthen für die französische Sache gewinnen konnte, bliebe noch zu erforschen, ist aber nicht unwahrscheinlich. Die Askanier gehörten schließlich zum wichtigsten Klientel Preußens, wie auch ihr Anteil an den ausländischen Fürsten und Prinzen in der preußischen Armee deutlich macht.8

3. Frankreich und die anhaltinischen Fürstentümer

1757 stimmte der Gesandte der anhaltinischen Fürstentümer im Fürstenrat, der auch Anhalt-Köthen vertrat, nach anfänglichem Zögern für die Kriegserklärung gegen Preußen, worauf Friedrich II. trotz Beschwichtigungsversuchen Bernburg, Köthen und Dessau als feindlich ansah.9 Seit 1757 forderte das preußische Feld-Kriegs-Kommissariat jährlich Kriegslieferungen, wie aus Beschwerden der Anhalt-Köthischen Ritterschaft über die Form der Ausschreibung und die ungleiche Verteilung auf das Land durch den Fürsten hervorgeht.10 Das Fürstentum wurde durch Aushebungen, Lieferungen, Durchmärsche und Kontributionen stark belastet.11 Dass sich in dieser Situation nur der jüngere Bruder des Fürsten, nicht aber der Fürst selbst, offen an Frankreich anlehnte, lag wahrscheinlich in der unmittelbaren Nähe zu Preußen und der damit verbundenen Gefahr begründet.

4. Prinz Friedrich Erdmann im Siebenjährigen Krieg

Der folgende Karriereschub des Prinzen Friedrich Erdmann in französischen Diensten legt nahe, dass hier mit der Patronageressource Militär Preußen sowohl direkt als auch auf der Ebene der religiösen Propaganda geschwächt werden sollte.12 Der Prinz trat in das deutsche Kavallerieregiment Royal Allemand als überzähliger mestre-de-camp ein und kämpfte bei Hastenbeck, Kloster-Zeven und Krefeld.13 Beim Weserübergang im Frühsommer 1757 verschuldete er beinahe den Tod des französischen Oberkommandierenden d’Estrées, als „das Pferd des Prinzen von Anhalt-Cöthen gegen das Pferd des Herzogs ungestümmiglich mit Gewalt gesteigert, ist das Pferd des Herzogs in das Wasser gestürzet“.14 Am 10. Februar 1759 wurde der Prinz zum brigadier befördert und schon am 10. März 1759 zum colonel des Fremdenregiments Anhalt-Köthen.15 Friedrich Erdmann übte das Kommando über sein Regiment nicht nur nominell aus. Das Regiment nahm unter dem Befehl des Prinzen 1759 an den Schlachten von Bergen und Minden teil. Nach der Niederlage bei Minden erschien eine falsche Vermisstenmeldung: „den Cörper des [gefallenen] jungen Prinzen Friedrich Erdmann von Anhalt-Cöthen, hat man nicht finden können.“16 Der Prinz und ein Teil des Regiments wurden 1760 nach der Schlacht bei Corbach in der Nähe von Emsdorff gefangen genommen.17

5. Ein Rekrutierungsplakat des Regiments im Bestand des DHM

Das Regiment Anhalt-Köthen brachte der französischen Armee protestantische Rekruten, die durch die in den deutschen Fremdenregimentern übliche, pragmatische Toleranz eingebunden werden sollten. Auf einem Werbeplakat für das Infanterieregiment Anhalt-Köthen aus dem Jahr 1762 heißt es:

Besonders ist auch zu bemerken, daß sowohl die so der Catholischen als auch diejenigen so der Protestantischen Religion zugethan, freye und ohngekränkte Uebung ihres GottesDienstes bey dem Regiment genießen. Überdas so haben Ihro Königl. Majestät in höchst Dero Verordnung vom 21. Decembris 1762, Art. 25. 26. 27. und 28. allergnädigst zugesagt, daß alle diejenige sowohl Catholische als Protestanten, welche die bestimmte Zeit Ihro Majestät treu und ehrlich gedienet, entweder in dem Königlichen Invaliden-Haus Verpflegung, oder aber ihr völliges Tractament in dem Ort und Land, wo sie es begehren, Zeitlebens empfangen […].“18

Eine Vernetzung zwischen Personen aus dem Umfeld des anhalt-köthischen Hofes und dem Regiment fand über den Prinzen möglicherweise ebenfalls statt.

6. Der Prinz und das Regiment nach 1763

Als Fürst Karl Georg Leberecht von Anhalt-Köthen im August 1763 frisch vermählt in Köthen feierlich einzog, kam Friedrich Erdmann im Zeremoniell eine gebührende Rolle als Nummer zwei des Hauses Anhalt-Köthen zu, was auf eine grundlegende Akzeptanz seines Übertritts in französische Dienste hindeutet.19 Der Prinz wurde nach Kriegsende 1765 zum lieutenant général befördert, ließ sich anscheinend seinem Selbstverständnis gemäß als französischer General porträtieren20 und wurde als fähiger Offizier der französischen Armee beurteilt, da „personne ne connaît mieux que lui la manutention d’un corps et les moyens de la discipline“.21 Das Regiment Anhalt-Köthen überließ er 1783 gegen eine Ablösesumme von 28.048 livres dem Prinzen von Salm-Salm. Für Friedrich II. blieb Prinz Friedrich Erdmann noch lange nach dem Siebenjährigen Krieg eine Persona non grata.22 Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen ist ein bisher weitgehend unbekanntes Beispiel für den Gewinn protestantischen Klientels aus der Gruppe der preußischen Satelliten mithilfe der Fremdenregimenter.23

Während die Forschung von der französischen Konfessionspolitik im Reich während des Siebenjährigen Krieges in den letzten Jahren ein relativ klares Bild gewonnen hat, bleiben bei der Armee noch viele Fragen offen. Ein Ansatz wäre, französische Fremdenregimenter verstärkt aus konfessioneller Perspektive zu untersuchen. Gerade anhand der anhaltinischen Fürstentümer ließe sich die Verzahnung von Politik, Militär und Konfession im Siebenjährigen Krieg mit Akten von Kriegs- und Außenministerium exemplarisch untersuchen.

7. Anmerkungen:

1Rödenbeck, Tagebuch, Bd. 1, Berlin 1840, S. 218, 222. Winkel, Netz des Königs, Paderborn u.a. 2013, S. 359, 360. 2Rödenbeck, Tagebuch, Bd. 1, Berlin 1840, S. 249.3Winkel, Netz des Königs, Paderborn u.a. 2013, S. 126. 4Ebd., S. 126. 5Briefe und Journale der Fürstin Louise Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, Bd. 3, Dresden [um 1882], S. 55. 6Zum Regiment als knappe Patronageressource: Winkel, Netz des Königs, Paderborn u.a. 2013, S. 190-196. 7Externbrink, Diplomatie Frankreichs, Berlin 2006, S. 64f. 8Winkel, Netz des Königs, Paderborn u.a. 2013, S. 359f. 9Ebd., S. 262. Zum angespannten Verhältnis zwischen Friedrich II. und Anhalt-Dessau: Ebd., S. 259-267. 10Moser, Reichs-Staats-Handbuch, Frankfurt am Main/Leipzig 1768, S. 376-380. 11ADB, Bd. 15 (1882), S. 227-228, Stichwort: Karl Georg Leberecht, Fürst von Anhalt-Cöthen.12Insofern wären die französischen Bemühungen um den Prinzen von Anhalt-Köthen mit den Bemühungen um Brandenburg-Bayreuth, Brandenburg-Ansbach und Württemberg vergleichbar. 13Bodinier, Dictionnaire des officiers, Bd. 1 (2009), S. 70-71, Stichwort: Anhalt-Cöthen, prince d’Anhalt. Fieffé, troupes étrangères, Bd. 1, Paris 1854, S. 341. Der Prinz übte nicht das Kommando des Regiments aus, sondern war mestre-de-camp reformé bzw. colonel à la suite. Kroener gibt fälschlich an, dass Friedrich Erdmann mestre-de-camp gewesen sei. Kroener, Deutsche Offiziere, S. 63. 14Münchner-Zeitungen, Num. CXX, Anno 1757, Freytag den 29. Julii, S. 482. 15Hier fälschlich als Friedrich Hermann bezeichnet. Kroener, Deutsche Offiziere, S. 63. Fieffé, troupes étrangères, Bd. 1, Paris 1854, S. 408. 16Heiden, bedrängte Teutschland, Des bedrängten Teutschlands Vierter Theil in den Begebenheiten des Jahres 1759, Augsburg 1759, S. 46.17Vgl. Waehner, Tagebuch, Göttingen 2012, S. 128: „Der durchgehende courier meldet, daß der Durch[lauchtige] Erbprinz d[en] 16. hu[ius] unweit Marburg […] 4.700 Mann Fr[anzosen] unter welchen sich der Chef des corps, der Prinz v[on] Anhalt[-Köthen], mit befindet, 6 canonen, 7 Fahnen in Empfang genommen“. Siehe auch: Fieffé, troupes étrangères, Bd. 1, Paris 1854, S. 409. 18Werbeplakat für das Infanterie-Regiment Anhalt, Deutschland um 1762, 61,0 x 36,0 cm, DHM Berlin, Inv.-Nr. Gr 92/65. Vgl. zu Offizieren aus dem Umfeld des Prinzen: Briefe und Journale der Fürstin Louise Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, Bd. 3, Dresden [um 1882] S. 79 (Bludowsky von Orlau), 183 (Gottschalkowsky), 252. 19Steiff, Sammlung der Freudenbezeugungen, Cöthen 1763, S. 11f. Der Einzug hatte an vielen Stellen den Charakter einer Friedensfeier, wie an den Festdekorationen sichtbar wurde: Ebd., S. 33, 36 („Hat der Krieg uns gleich gedrückt, / Glücksburg uns nunmehr erquickt: / Weil es auch an Cöthen denckt, / Und uns eine Mutter schenckt“), 39, 47. 20 Wilhelm Christian Tischbein (1751-1824): Fürst Friedrich Erdmann von Anhalt-Köthen-Pleß (1731-1797), Schlesien nach 1784, unbekannte Maße, Muzeum Zamkowe w Pszczynie (Schlossmuseum in Pleß), ohne Inventarnummer. 21 Bodinier, Dictionnaire des officiers, Bd 1 (2009), S. 71, Stichwort: Anhalt-Cöthen, prince d’Anhalt. 22 Briefe und Journale der Fürstin Louise Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, Bd. 3, Dresden [um 1882], S. 55. 23Vgl. Winkel, Netz des Königs, Paderborn u.a. 2013, S. 262.

Quelle: http://dsk.hypotheses.org/13

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Reflexionen über diplomatische Herausforderungen im 19. Jahrhundert und heute

von Gesche Schifferdecker (Max Weber Stiftung)

Um mich inhaltlich auf das WeberWorldCafé „Bürger, Blogger, Botschafter: neue Medien und Akteure in der Diplomatie des 21. Jahrhunderts“ vorzubereiten, bin ich am 28. Februar 2014 zum Deutschen Historischen Institut Paris gefahren und habe an dem Studientag „Diplomatie unter Druck? Legitimität als diplomatisches Problem im 19. Jahrhundert“ teilgenommen. Da ich mich vorher hauptsächlich mit diplomatischen

Beziehungen im 20. und 21. Jahrhundert beschäftigt hatte, fand ich es wichtig, die Perspektive der „klassischen“( in der Regel bilateralen Diplomatie) kennenzulernen, um diese in Relation zu setzen zu den mannigfaltigen Akteuren und Interaktionsformen, die heute die diplomatische(n) Bühne(n) prägen. Deswegen soll es im Folgenden nicht nur um ausgewählte Thesen der Vortragenden des Studientages am DHI Paris gehen, sondern ich möchte anhand der drei Kategorien Vertrauen, Legitimität und Information auch Bezug nehmen auf gegenwärtige Entwicklungen und Fragestellungen in den internationalen Beziehungen.

Vertrauen

Das 19. Jahrhundert ist als Referenzpunkt für diplomatische Beziehungen besonders interessant, weil man – zumindest in Deutschland – in den 1820er Jahren sukzessive begonnen hat, Diplomaten professionell auszubilden. Gleichzeitig erfolgte eine Differenzierung des Berufs in verschiedene Vertreter bestimmter Segmente, zum Beispiel Konsuln, Militärattachés und Presseattachés. Unter anderem mit dieser Professionalisierung setzte sich Verena Steller (Frankfurt) auseinander, die den Eröffnungsvortrag des Studientages hielt. Diplomatie im 19. Jahrhundert bedeutete Steller zufolge hauptsächlich Diplomatie von Angesicht zu Angesicht, das heißt Diplomatie durch persönliche Interaktion. Ein zentraler Faktor war hier das Vertrauen, das durch die persönliche Begegnung unterstützt und intensiviert werden sollte. Dieses Vertrauen war zwar nicht einklagbar, half aber, Handlungen vorauszusehen. Vertrauensbildende Maßnahmen prägen auch heute diplomatische Beziehungen ganz wesentlich – und wenn einem Staat von offizieller Seite das Vertrauen entzogen wird, wie es zum Beispiel bei Iran im Kontext der Kritik an dessen Urananreicherungen der Fall war, kann dies schwerwiegende Folgen nicht nur für die politische Reputation, sondern auch die wirtschaftliche Situation des Landes haben. Umgekehrt hat das Vertrauen vieler Staaten massiv unter dem NSA-Skandal gelitten, nicht nur im Verhältnis zwischen den transatlantischen Partnern, sondern auch zwischen EU-Staaten, zwischen Bürgern und ihren Regierungen und das Vertrauen in die Sicherheit von Informationsdienstleistungen.

Legitimität

Fragen der Legitimität, mit denen sich Verena Steller am Beispiel Frankreichs nach der Reichsgründung 1870/71 beschäftigte, hatten einen hohen Stellenwert in den diplomatischen Beziehungen. 1870/71 befanden sich französische Diplomaten in einer prekären Situation: Mit dem Wechsel der Staatsform von der Monarchie zur Dritten Republik hatten die Provisorische Regierung und ihre Vertreter sowohl um die Gestalt jeglicher Repräsentation als auch um die diplomatische Anerkennung von Legitimität und Gewährung von gegenseitiger Anerkennung vor allem durch den deutschen Kriegsgegner zu ringen. Dabei handelte es sich bei der französischen Botschaft in Berlin um den wichtigsten diplomatischen Posten der Republik: Auf „feindlichem“ Boden diente er der Beobachtung und Überwachung, ermöglichte aber auch einen Dialog mit dem „Feind“, wie Marion Aballéa (Genf/Straßburg) feststellte.

Katrin Rack (Bielefeld/Paris) analysierte die Situation der deutschen Diplomaten, die zwischen 1815 und 1870/71 in Paris tätig waren. Auch sie waren mit vielfältigen Standort- und Anerkennungsproblemen konfrontiert – zeitweise waren dort 10 verschiedene deutsche Vertretungen präsent. Eine (gesamt-)deutsche Botschaft gab es erst ab 1871, sie entstand im Kontext der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Anhand der Diskussion über die Legitimität der Repräsentanten zeigte sich, dass es sich hier zwar um originäre Problematiken des 19. Jahrhunderts handelte, die unter anderem aus den spezifischen Machkonstellationen, die sich nach dem Wiener Kongress in Europa etabliert hatten, resultierten. Im Sinne des Völkerrechts waren alle Staaten gleich – de facto gab es aber Souveräne (Großmächte) und Mi-Souveräne (kleine und mittelgroße Staaten), wie Thomas Müller (Bielefeld) auseinandersetzte. Die Frage der Legitimität in den internationalen Beziehungen hat jedoch eine gleichbleibende Aktualität und wird gegenwärtig diskutiert zum Beispiel anhand des Krim-Referendums, das nicht nur von der EU und den Vereinigten Staaten abgelehnt wird, sondern dessen Rechtmäßigkeit auch eine Minderheit der Krim-Bewohner anzweifelt.

Information

Zur Bedeutung der Auslandskorrespondenten für die diplomatischen Beziehungen am Beispiel des im März 1893 wegen unliebsamer Berichterstattung aus Paris ausgewiesenen deutschen Journalisten Otto Brandes referierte Sonja Hillerich (Duisburg-Essen). Sie betonte, dass, obwohl das Ansehen der Presse in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessive wuchs, Auslandskorrespondenten trotzdem häufig anonym berichteten, weil die Zensurbestrebungen ausgeprägt waren: Es gab noch kein „Recht auf Information“, wie es heute – zumindest in demokratisch verfassten Staaten – besteht. Dennoch stellte sich in dieser Zeit zum ersten Mal die Frage, ob Presse als ein Mittel oder sogar als Akteur der diplomatischen Beziehungen identifiziert werden müsse.

Im 21. Jahrhundert haben die Medien diesen Status längst erreicht. Gleichzeitig haben sich durch die digitale Revolution die Möglichkeiten vervielfacht, so dass einzelne oder Gruppen von JournalistInnen, aber auch Kulturschaffende, WissenschaftlerInnen oder andere nicht-staatliche Akteure, sich auch ohne die Unterstützung institutioneller oder bürokratischer Strukturen global vernetzen und Debatten beeinflussen können. Ethan Zuckerman, Wissenschaftler am Berkman Center for Internet and Society, beschreibt die veränderten Kommunikationsstrukturen wie folgt: „They provide a new rhetorical space where a new generation of leaders can think and speak freely. In the long run, this ability to create a new public sphere, parallel to the one controlled by the state, will empower a new generation of social actors.“ Dies betonten auch die Macher des Films über den Wikileaks-Gründer Julian Assange, als sie diesen mit „Die fünfte Gewalt“ untertitelten.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Während es im 19. Jahrhundert in erster Linie darum ging, Vertrauen aufzubauen und als Souverän anerkannt zu sein, um „im Konzert der Mächte“ mitzuspielen, bewegen sich DiplomatInnen im 21. Jahrhundert in ihrem ehemaligen „Hoheitsbereich“ nun in einem unüberschaubaren Netz von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren. FachvertreterInnen im Ausland zusammenbringen und orchestrieren müssen, ohne dabei den Anspruch oder auch nur die Kapazitäten zu haben, die Interessen des Entsendestaates exklusiv zu repräsentieren bzw. in allen Diskursen selbst immer die führende Expertise einbringen zu können, gehört mittlerweile zu den größten Herausforderungen des diplomatischen Alltags.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/46

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Vortrag: 1830 et 1848, révolutions européennes et mouvements transnationaux (Sylvie Aprile)

Sylvie Aprile, Professorin für Histoire contemporaine an der Université Lille 3 und aktuelle Präsidentin der „Société d’histoire de la Révolution de 1848 et des révolutions du XIXe siècle“, hat am vergangenen 11. Februar 2014 an der Universität Freiburg im Breisgau einen Vortrag zu einem der gleichzeitig interessantesten und schwierigsten Aspekte der Revolutionen von 1830 und 1848 gehalten, nämlich zu ihrer transnationalen Dimension. Obwohl bereits den Zeitgenossen klar vor Augen stand, dass es in beiden Fällen einen gesamteuropäischen, in Ansätzen sogar globalen Zusammenhang der Ereignisse gab, ist sich die Historiographie – oder vielmehr: sind sich die Historiographien verschiedener europäischer Länder und politisch-ideologischer Lager – bislang nicht einig geworden über die beste Art, diesen Zusammenhang zu konzeptualisieren und zu beschreiben1. Dies lässt sich selbst an so grundlegenden Dingen ablesen wie der Frage, ob von einer europäischen Revolution von 1848 gesprochen werden kann oder nur von multiplen gleichzeitigen Revolutionen, die miteinander auf näher zu definierende Weise verbunden waren. Möglicherweise können auch beides sinnvolle Zugänge sein, wie sich etwa an einem jüngst von Sylvie Aprile mitherausgegebenen Sammelband zu 1830 ablesen lässt, der zwar im Titel von „les révolutions de 1830 en Europe“ spricht, dessen Einleitung aber mit „Une révolution transnationale“ überschrieben ist2.

Wichtig wäre aber jedenfalls, so Aprile in ihrem Freiburger Vortrag, die Überwindung dessen, was sie histoires cloisonnées nennt: in sich abgeschlossener nationaler Geschichtserzählungen, deren Interpretamente in den meisten Fällen von der teleologisch vorgegebenen Notwendigkeit geprägt waren und sind, die revolutionären Ereignisse in ein Narrativ der letztlich geglückten Nationalstaatsbildung einzuordnen. Sie plädierte weiterhin für eine Öffnung der Revolutionsforschung nach mehreren Richtungen, nämlich definitorisch, räumlich und zeitlich: von einer einseitigen Konzentration auf die spektakulärsten insurrektionellen Ereignisse hin zur Erforschung der vielen kleineren Protesthandlungen und Verschiebungen politischer Praxis und Symbolik; von der Festlegung auf wenige Zentren der Revolution, denen vorgeblich apathische „Peripherien“ gegenübergestanden wären, hin zum vielfach lohnenden näheren Blick auf die Letzteren; und von der Betrachtung einzelner Jahre wie 1830 oder 1848 als inselhafte Zäsuren hin zur Analyse der Sequenzen niederschwelligen Protests, die vorangingen und nachfolgten. Nicht zuletzt aber wären die in den letzten Jahrzehnten sprunghaft weiterentwickelten Ansätze und Perspektiven der transnationalen Geschichtsforschung, insbesondere der „verflochtenen Geschichte“, verstärkt in der Revolutionsforschung anzuwenden: histoire croisée als Antidot zur histoire cloisonnée.

Wir entnehmen diese Informationen dem ausführlichen Vortragsbericht von Axel Dröber (in französischer Sprache), der auf dem Blog des Deutschen Historischen Instituts Paris „Das 19. Jahrhundert in Perspektive“ veröffentlicht worden ist. Allen Interessierten sei natürlich die Lektüre des vollständigen Berichts wärmstens empfohlen!

  1. Auseinandersetzungen mit diesem Problem bieten etwa KAELBLE, Hartmut: 1848: Viele nationale Revolutionen oder eine europäische Revolution?, in: HARDTWIG, Wolfgang (Hrsg.): Revolution in Deutschland und Europa 1848/49, Göttingen 1998, 260–278; MIDDELL, Matthias: Europäische Revolution oder Revolutionen in Europa, in: FRÖHLICH, Helgard – GRANDNER, Margarete – WEINZIERL, Michael (Hrsg.): 1848 im europäischen Kontext (Querschnitte 1), Wien 1999, 9–34.
  2. FUREIX, Emmanuel: Une révolution transnationale, in: APRILE, Sylvie – CARON, Jean-Claude – FUREIX, Emmanuel (Hrsg.): La Liberté guidant les peuples. Les révolutions de 1830 en Europe (Époques), Seyssel 2013, 7–32.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/527

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Ein gesamtdeutscher Diplomat in Paris? Der gescheiterte Versuch 1848

Im August 1848 reiste Friedrich von Raumer mit dem Auftrag von Frankfurt nach Paris, dort als diplomatischer Vertreter der neuen Provisorischen Zentralgewalt von der französischen Regierung anerkannt zu werden. Sein Aufenthalt in Paris war allerdings kurz und erfolglos, denn bereits in den letzten Tagen des Jahres 1848 trat er die Rückreise an. Warum lohnt es sich trotzdem, die wenigen Monate zu betrachten, in denen Raumer vergeblich versuchte, von französischer Seite diplomatische Anerkennung zu finden?

Friedrich von Raumer

Friedrich von Raumer (Künstler unbekannt; Quelle: Illustrierte Zeitung 1910/3, S. 626 – Wikimedia Commons)

Der Aufenthalt von Raumer in Paris stellte den Versuch dar, einen gesamtdeutschen diplomatischen Vertreter in Paris zu etablieren. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Paris mehrere deutsche Staaten, darunter beispielsweise Preußen, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt, die jeweils eigene diplomatische Vertretungen in der französischen Hauptstadt unterhielten. Die im Jahr 1848 infolge der revolutionären Umwälzungen entstandene Provisorische Zentralgewalt mit Sitz in Frankfurt am Main strebte alsbald an, eigene Diplomaten ins Ausland – darunter auch Raumer nach Paris – zu entsenden. Friedrich von Raumer war jedoch kein erfahrener Diplomat, sondern hatte sich bisher vielmehr als Historiker, Professor an der Berliner Universität sowie liberaler Abgeordneter der Nationalversammlung hervorgetan. Nicht nur auf Grund seiner diplomatischen Unerfahrenheit hatte er Schwierigkeiten, sich mit seinem Auftrag in Paris durchzusetzen: Die französische Regierung wollte den Vertreter einer vorläufigen Regierung nicht anerkennen. Demgegenüber reagierten die etablierten deutschen Diplomaten in Paris sowie die Regierungen, die sie vertraten, höchst unterschiedlich auf den Vorstoß der Provisorischen Zentralgewalt: Das Spektrum reichte von der sofortigen Bereitschaft, Paris zu verlassen bis dahin, die Bestrebungen möglichst zu ignorieren.

Im Rahmen meines Dissertationsprojekts möchte ich in einem Unterkapitel den gescheiterten Versuch, einen diplomatischen Vertreter für gesamtdeutsche Interessen in Paris im Jahr 1848 zu etablieren, untersuchen1 Denn es handelte sich um eine Situation, in der die Existenz mehrerer deutscher diplomatischer Vertretungen in Paris grundsätzlich in Frage stand. Die etablierten deutschen Diplomaten vor Ort mussten sich gezwungenermaßen mit ihrer eigenen Legitimität auseinandersetzen. Die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in Paris war kurzzeitig hinterfragbar geworden – angesichts der Möglichkeit, einen gesamtdeutschen Diplomaten in Paris zu etablieren.

  1. Die Quellengrundlage bilden neben den Akten aus den Staatsarchiven der fünf ausgewählten diplomatischen Vertretungen von Preußen, Österreich, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt die Akten der Provisorischen Zentralgewalt, die im Bundesarchiv (v.a. Bestand DB 53) verwahrt werden, Auszüge aus Parlamentsdebatten sowie die edierten Briefe von Friedrich von Raumer: RAUMER, Friedrich von: Briefe aus Frankfurt und Paris 1848–1849, 2 Bde., Leipzig 1849. In der Forschung ist der Provisorischen Zentralgewalt und ihrer Außenpolitik sowie dem Aufenthalt von Raumer in Paris bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden. Hilfreiche Ausführungen finden sich bei BOTZENHART, Manfred: 1848/49: Europa im Umbruch (Uni-Taschen­bücher 2061), Paderborn – München – Wien u. a. 1998; HEIKAUS, Ralf: Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848) (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 739), Frankfurt am Main – Berlin – Bern u. a. 1997.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/476

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In den Salons von Paris

Eine breite gesellschaftliche Vernetzung kann als Basis der erfolgreichen politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks gesehen werden. Dabei profitierte der Dycker Schlossherr nicht nur von seinen persönlichen Qualitäten als Netzwerker.

Vielmehr konnte er insbesondere in der französischen Zeit des Rheinlandes von den bereits etablierten Kontakten seiner zweiten Ehefrau Constance de Salm (1767–1845) zehren.

Die engagierte femme de lettres unterhielt bereits vor ihrer Ehe mit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck einen gut frequentierten Salon im Paris der nachrevolutionären Epoche. Zu eben diesem Kreis, der sich zum größten Teil aus herausragenden zeitgenössischen Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern zusammensetzte, stieß Salm-Reifferscheidt-Dyck um das Jahr 1800 hinzu. Im geistigen Fahrwasser der Idéologues und der Décade philosophique – ihrem publizistischen Sprachrohr – erhielt er nicht nur einen Zugang zu bedeutenden Intellektuellen der Zeit, sondern ebenfalls zu einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Netzwerke.

Neben den Beiträgen zur Person Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks ist daher eine eingehendere Beleuchtung des gesellschaftlichen Engagements der Constance de Salm sowie dem Verhältnis der beiden Ehepartner zueinander innerhalb der Netzbiographie von großer Bedeutung. Die Beiträge zum Wirken der Constance und den gemeinsamen Pariser Netzwerken des Ehepaares profitieren dabei nicht zuletzt von einer intensiven Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHI Paris). Die Forscherinnen des DHI Paris widmeten sich in den vergangenen Jahren der Erschließung des umfangreichen Korrespondenznachlasses der Constance de Salm, der im Archiv der Société des amis du Vieux Toulon et de sa région in Toulon verwahrt wird und nun auch online zugänglich ist (siehe http://dhdhi.hypotheses.org/902 sowie http://dhdhi.hypotheses.org/1575).

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/375

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Verweigertes Kulturgut. Über ein Kirchenarchiv, freie Forschung und Laizismus

Historiker erforschen vergangene Kulturen. Deren Zeugnisse können Gegenstände sein – und Schriften. Letztere sind für mich der wichtigste Weg, um an die katholischen Religionskulturen des 16. Jahrhunderts heranzukommen. Was dem Archäologen die Ausgrabungsstätte oder dem Kunstwissenschaftler das Museum, ist dem Historiker deshalb das Archiv. Freie Forschung braucht freien Zugang zu den Archiven und freie, moderne Arbeitsbedingungen in diesen. Auch in Kirchenarchiven. In Regensburg ist das auf eine empörende Art nicht möglich. Über meine Erlebnisse dort möchte ich einen Beitrag zur Blogparade “Mein faszinierendes Kulturerlebnis”, die sich auch an Historiker wendet, von Kultur-Museum-Talk beisteuern. Faszinierend war meine Regensburger Erfahrung allerdings mehr im anthropologischen Sinn. Ich lernte bei dem, was mir im Bischöflichen Zentralarchiv (BZAR) widerfuhr, wenig über Geschichte. Dafür viel über Auswüchse des (Archiv-)Systems Kirche und dessen klerikale Funktionäre. Es geht um de facto verweigerten Zugriff auf Archivmaterial. Es war im April 2012. Ich bin auf meiner ersten wirklich langen Archivreise durch Ostbayern unterwegs. Nach einer Station in Passau komme ich für einige Tage ins Diözesanarchiv Regensburg. Die Quellenlage dort ist für mich vielversprechend. Es geht um Berichte über Predigerauseinandersetzungen und vor allem einen großen Packen Briefe des Dompropstes von Reisen durch das Alte Reich in den 1520er Jahren.1 Ein Ego-Dokument [...]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1773

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