Jens Høvsgaard: Spionerne der kom ind med varmen. Historien om en gasledning på bunden ...
Die Präsidentenwahl in Finnland 2018 – über die Parlamentarisierung der finnischen Demokratie
Finnland war bis zur Verfassungsreform von 2000 eindeutig eine semipräsidentielle Demokratie. Lange Zeit beeindruckte die Machtfülle finnischer Präsidenten – wie zum Beispiel unter der Präsidentschaften von Urho Kekkonen (1956–1982) oder Mauno Koivisto (1982–1994). Vor allem die Außenpolitik wurde von den finnischen Präsidenten geprägt, insbesondere das Verhältnis Finnlands zur UdSSR oder zu Russland waren Hauptaufgabenfelder.
Bei der Präsidentenwahl vom 28. Januar 2018 wurde erstmals, seit die Direktwahl des finnischen Präsidenten 1994 eingeführt wurde, ein Kandidat im ersten Wahlgang gewählt: Sauli Niinistö, der amtierende Präsident, ehemalige Parlamentspräsident und ehemalige Justiz- und Finanzminister der konservativen Sammlungspartei, erzielte gleich im ersten Wahlgang 62,7 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 69,9 Prozent. Obwohl dem finnischen Präsidenten in der reformierten Verfassung durchaus noch Machtbefugnisse in der Außen- und Sicherheitspolitik zugestanden werden, zeigte der jüngste Wahlkampf, dass der finnische Präsident Sauli Niinistö in der parlamentarischen Demokratie angekommen ist.
Im Wahlkampf hat sich gezeigt, dass die insgesamt acht Kandidatinnen und Kandidaten keine strittigen Themen besetzten, zu keiner Zeit konnte von einem kontroversen oder „heißen“ Wahlkampf gesprochen werden. Die Frage einer NATO-Mitgliedschaft und insgesamt das Verhältnis Finnlands zu Russland waren zwar durchaus Themen, die in der Öffentlichkeit auch umstritten sind.
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Ein gesamtdeutscher Diplomat in Paris? Der gescheiterte Versuch 1848
Im August 1848 reiste Friedrich von Raumer mit dem Auftrag von Frankfurt nach Paris, dort als diplomatischer Vertreter der neuen Provisorischen Zentralgewalt von der französischen Regierung anerkannt zu werden. Sein Aufenthalt in Paris war allerdings kurz und erfolglos, denn bereits in den letzten Tagen des Jahres 1848 trat er die Rückreise an. Warum lohnt es sich trotzdem, die wenigen Monate zu betrachten, in denen Raumer vergeblich versuchte, von französischer Seite diplomatische Anerkennung zu finden?
Friedrich von Raumer (Künstler unbekannt; Quelle: Illustrierte Zeitung 1910/3, S. 626 – Wikimedia Commons)
Der Aufenthalt von Raumer in Paris stellte den Versuch dar, einen gesamtdeutschen diplomatischen Vertreter in Paris zu etablieren. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Paris mehrere deutsche Staaten, darunter beispielsweise Preußen, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt, die jeweils eigene diplomatische Vertretungen in der französischen Hauptstadt unterhielten. Die im Jahr 1848 infolge der revolutionären Umwälzungen entstandene Provisorische Zentralgewalt mit Sitz in Frankfurt am Main strebte alsbald an, eigene Diplomaten ins Ausland – darunter auch Raumer nach Paris – zu entsenden. Friedrich von Raumer war jedoch kein erfahrener Diplomat, sondern hatte sich bisher vielmehr als Historiker, Professor an der Berliner Universität sowie liberaler Abgeordneter der Nationalversammlung hervorgetan. Nicht nur auf Grund seiner diplomatischen Unerfahrenheit hatte er Schwierigkeiten, sich mit seinem Auftrag in Paris durchzusetzen: Die französische Regierung wollte den Vertreter einer vorläufigen Regierung nicht anerkennen. Demgegenüber reagierten die etablierten deutschen Diplomaten in Paris sowie die Regierungen, die sie vertraten, höchst unterschiedlich auf den Vorstoß der Provisorischen Zentralgewalt: Das Spektrum reichte von der sofortigen Bereitschaft, Paris zu verlassen bis dahin, die Bestrebungen möglichst zu ignorieren.
Im Rahmen meines Dissertationsprojekts möchte ich in einem Unterkapitel den gescheiterten Versuch, einen diplomatischen Vertreter für gesamtdeutsche Interessen in Paris im Jahr 1848 zu etablieren, untersuchen1 Denn es handelte sich um eine Situation, in der die Existenz mehrerer deutscher diplomatischer Vertretungen in Paris grundsätzlich in Frage stand. Die etablierten deutschen Diplomaten vor Ort mussten sich gezwungenermaßen mit ihrer eigenen Legitimität auseinandersetzen. Die Notwendigkeit ihrer Anwesenheit in Paris war kurzzeitig hinterfragbar geworden – angesichts der Möglichkeit, einen gesamtdeutschen Diplomaten in Paris zu etablieren.
- Die Quellengrundlage bilden neben den Akten aus den Staatsarchiven der fünf ausgewählten diplomatischen Vertretungen von Preußen, Österreich, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt die Akten der Provisorischen Zentralgewalt, die im Bundesarchiv (v.a. Bestand DB 53) verwahrt werden, Auszüge aus Parlamentsdebatten sowie die edierten Briefe von Friedrich von Raumer: RAUMER, Friedrich von: Briefe aus Frankfurt und Paris 1848–1849, 2 Bde., Leipzig 1849. In der Forschung ist der Provisorischen Zentralgewalt und ihrer Außenpolitik sowie dem Aufenthalt von Raumer in Paris bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden. Hilfreiche Ausführungen finden sich bei BOTZENHART, Manfred: 1848/49: Europa im Umbruch (Uni-Taschenbücher 2061), Paderborn – München – Wien u. a. 1998; HEIKAUS, Ralf: Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848) (Europäische Hochschulschriften – Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 739), Frankfurt am Main – Berlin – Bern u. a. 1997.
Nachlese: Journée d’étude „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“
Am Freitag, 13. Dezember 2013, fand am Deutschen Historischen Institut in Paris der Studientag „La marche vers l’unité allemande 1815–1871“ statt – siehe die ausführliche Ankündigung auf dem Blog des DHI. Die von Hélène Miard-Delacroix (Université Paris-Sorbonne) und Mareike König (DHI Paris) organisierte Veranstaltung richtete sich in erster Linie an KandidatInnen für die „agrégation“ (höhere Lehramtsprüfung) aus Deutsch; der Titel entsprach der historischen Rahmenfrage, die seitens des französischen Bildungsministeriums (Ministère de l’Éducation nationale) für dieses Jahr vorgegeben ist.
Veranstalterinnen und Vortragende waren freilich gleichermaßen bemüht, das aus einer solchen Formulierung sprechende Geschichtsbild kritisch zu beleuchten. Bereits in ihren einführenden Worten machte Hélène Miard-Delacroix darauf aufmerksam, dass die deutsche Reichsgründung von 1871 in der heutigen Geschichtswissenschaft kaum mehr als zwangsläufiger Endpunkt einer notwendigen und geradlinigen Entwicklung („marche vers …“), sondern als Resultat einer Vielzahl kontingenter Einzelentscheidungen und der mehrfachen „exclusion d’alternatives“ gesehen wird. Mareike König wies darüber hinaus darauf hin, dass die Vorstellung einer linearen Bewegung in dieser einen Richtung auf einem Narrativ beruht, das über Generationen hinweg in der öffentlichen Erinnerungskultur wie in der akademischen Geschichtsschreibung immer wieder in unterschiedlichen Varianten und mit sich wandelnden Zielsetzungen konstruiert wurde.
In der einen oder anderen Weise schlugen auch die Vortragenden in diese Kerbe. In sechs kurzen Beiträgen, die thematisch wie in ihrem Zugriff bewusst unterschiedlich angelegt waren, wurde eine Reihe von Perspektiven auf die Komplexität der Vorgänge im 19. Jahrhundert eröffnet. Armin Owzar (Université Paris III) legte seine Darstellung zur deutschen Verfassungsgeschichte jener Zeit überwiegend systematisch an und ging auf die Definition, die Merkmale und die Funktionen moderner Verfassungen ein. Er machte verständlich, dass kodifizierte Verfassungen zugleich herrschaftssichernd und herrschaftsbeschränkend wirken, und wies zudem auf ihre politische und gesellschaftliche Integrationsfunktion hin; dadurch suchte er begreiflich zu machen, dass Konstitutionalisierung in manchen Fällen durchaus auch von den Regierungen der deutschen Staaten als in ihrem eigenen Interesse liegend begriffen und betrieben wurde. Katrin Rack (Universität Bielefeld, derzeit Fellow am DHI Paris) ging auf die institutionelle Struktur des Deutschen Bundes, seine Stellung im europäischen Gleichgewicht und damit auf die internationalen Aspekte der „deutschen Frage“ ein. Ob der Bund fortbestand, ob und wie er sich weiterentwickelte, ob und in welcher Form an seiner Stelle ein deutscher Bundesstaat entstand, ging keineswegs nur die BewohnerInnen und die Regierungen der deutschen Staaten an, sondern berührte auch die Interessen der anderen europäischen Staaten und wurde in deren Öffentlichkeiten wahrgenommen und diskutiert.
Jakob Vogel (Sciences Po, Paris) widmete sich der Deutung der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 in der offiziellen und öffentlichen Gedenkkultur des Wilhelminischen Kaiserreiches. Dabei kam nicht nur die interessengeleitete Selektivität der meisten vermittelten Geschichtsbilder zur Sprache, sondern auch ein beachtliches Ausmaß an Deutungskonflikten sowohl innerhalb der Eliten des Kaiserreichs als auch zwischen diesen und oppositionellen Formationen – etwa in den durchaus ambivalenten Beziehungen staatlicher Stellen zu den Veteranenverbänden. Dieser Vortrag griff über die zeitliche Festlegung „1815–1871“ in einer Weise hinaus, die von den Veranstalterinnen ausdrücklich begrüßt wurde; gerade den von Mareike König hervorgehobenen Aspekt der Gemachtheit der verbreiteten Vorstellungen von der Geschichte der Einheitsbewegung unterstrichen und veranschaulichten die Ausführungen Vogels. Thorsten Logge (Universität Hamburg) behandelte die Rolle politischer Vereinsbewegungen anhand der Turner und Sänger. Er analysierte mediale Aspekte ihres Wirkens, insbesondere die zeitnahe Verbreitung eigener Deutungen ihres Tuns in Zeitungen und Druckschriften, die zu den Grundlagen der Entstehung der bereits mehrfach erwähnten Geschichtserzählung gehörte. Ebenso zeigte er, dass sowohl Turnen als auch Singen keine bloß zufällig gewählten Aktivitäten waren, sondern bürgerlich-männliche Tugenden dabei eingeübt, vermittelt und öffentlich zur Schau gestellt wurden.
Sitzung der Frankfurter Nationalversammlung (kolorierte Lithographie nach einer Zeichnung von Leo von Elliott, 1848)
Thomas Stockinger (Universität Eichstätt) bemühte sich, eine kurze, aber komplexe Phase der längeren Entwicklung übersichtlich darzustellen, nämlich die Versuche zur Bildung eines deutschen Staates im Gefolge der Revolution von 1848/49. Dazu gehörte einerseits das Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung, andererseits aber auch die parallelen, oft konkurrierenden Bemühungen der Regierungen um eine zwischenstaatliche Vereinbarungslösung, insbesondere die preußische „Unionspolitik“ von 1849/50. Der Vortrag fügte sich insoweit in den Tenor der Veranstaltung ein, als die Vielfältigkeit und teilweise Überlagerung der Interessensgegensätze ebenso betont wurden wie das hohe Maß an Kontingenz, das diesen Ereignisfolgen innewohnte. Im abschließenden Vortrag von Jean-François Eck (Université Lille III) ging es dann um den oft vernachlässigten ökonomischen Aspekt der Entwicklung: die vor allem in den 1850er und 1860er Jahren in Fahrt kommende Industrialisierung Deutschlands und die Rolle, die Vereinbarungen zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums dafür spielten. Hierzu zählte der Deutsche Zollverein ebenso wie die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt. Auch überwiegend privatwirtschaftliche Initiativen wie der Ausbau des Eisenbahnnetzes waren von großer Bedeutung.
Am Schluss der gut besuchten Veranstaltung kam es, wie bereits nach den einzelnen Vorträgen, zu angeregten Diskussionen, bei denen von den Zuhörenden zahlreiche wohldurchdachte Fragen gestellt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die Veranstaltung, für deren reibungslosen Ablauf vor allem dem Personal des DHI zu danken ist, nicht nur auf den Prüfungserfolg der „agrégatifs“ förderlich wirkt, sondern das eine oder andere von ihren Inhalten künftig auch den Weg in den Unterricht an den Schulen findet.
Die Folien der den Vortrag von Thomas Stockinger unterlegenden Präsentation finden Sie in Form eines PDF-Dokuments hier.
Mehr Europa wagen? Willy Brandt, die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) und der Nahe Osten
Spätestens seit den Ereignissen in der arabischen Welt in den vergangenen Jahren wird der Ruf nach einem gemeinsamen Auftreten der Europäischen Union in internationalen Angelegenheiten immer lauter, auch wenn er nicht neu ist: Mit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) etablierten … Continue reading
Tagungsbericht: Editionsreihen von Regierungsakten im internationalen Vergleich
Unter dem vielsagenden Titel „Zwischen Unverzichtbarkeit und Ungewissheit: Editionsreihen von Regierungsakten im internationalen Vergleich“ fand am 22. Oktober 2013 am Österreichischen Staatsarchiv in Wien ein Workshop statt, zu dem dieses zusammen mit dem Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung (INZ) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte. Ziel der Veranstaltung war vor allem die Bestandsaufnahme und Bewusstseinsbildung zu Stand und Perspektiven der Regierungsakteneditionen in Österreich, wozu auch der Vergleich mit derartigen Unternehmen in Deutschland und der Schweiz beitragen sollte.
Das Programm der Veranstaltung finden Sie hier.
Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, Bd. 2/4
Nach Begrüßungsworten vom Direktor des INZ, Michael Gehler, wurde die Tagung mit einem Impulsreferat von Waltraud Heindl eröffnet. Die pensionierte Universitätsprofessorin, bekannt unter anderem für ihre Forschungen zur Geschichte der Bürokratie in Österreich1 und des Frauenstudiums, war auch lange Zeit Mitarbeiterin an der Edition der Ministerratsprotokolle der Habsburgermonarchie. Sie begann mit der Feststellung, Editionen seien „das ungeliebte Kind“ unter den wissenschaftlichen Großprojekten. Politische Ansprüche, die sich auf eine einseitig ökonomisch verstandene „Anwendbarkeit“ richteten, und organisatorische Paradigmen, die jede langfristige Bindung von Mitteln zu vermeiden suchten, hätten schon die Vorstellung von Langzeitvorhaben den Entscheidungsträgern „unbegreiflich“ gemacht. Demgegenüber stellte sie die kritische Textedition als wissenschaftliche Tradition heraus, die aus dem Historismus des 19. Jahrhunderts komme – einer Zeit, in der die Historie eine Leitwissenschaft der europäischen Gesellschaften und das allgemeine Bewusstsein der Gebildeten in weit höherem Maße historisch geprägt gewesen sei als gegenwärtig. Die damals entwickelten Standards und Methoden seien allerdings keineswegs ausschließlich für die Geschichtswissenschaft, sondern für den gesamten Bereich der Geistes-, Kultur- und Rechtswissenschaften gültig geblieben. Die Edition strebe einerseits danach, aus einer schwer zugänglichen Quelle einen leicht und zuverlässig abrufbaren „Wiedergebrauchstext“ zu machen, andererseits sei ein bloßer Abdruck keine Edition, sondern als unverzichtbarer Bestandteil gehöre zu dieser auch die wissenschaftliche Aufbereitung durch kritische Textgestaltung, Regestierung, Kommentierung und Einleitung. Das Vorgehen habe dabei nicht dem Ermessen zu unterliegen, sondern an Richtlinien gebunden zu sein, die im voraus festgelegt und auch den Benutzern deutlich gemacht werden. Dementsprechend, so Heindl, seien „nur die besten Historikerinnen und Historiker gut genug, um editorisch tätig zu sein“. Im Übrigen würden auch der cultural und der linguistic turn in der Geschichtswissenschaft das Bedürfnis nach solide ausgeführten Texteditionen keineswegs reduzieren, sondern im Gegenteil erhöhen – schließlich könne niemand Texte dekonstruieren, wenn keine zur Verfügung stehen. Sie schloss mit einem Plaidoyer erstens dafür, den Entscheidungsträgern in politischen Ämtern und Förderinstitutionen den Wert von Editionen verständlich zu machen, und zweitens dafür, auch an den Universitäten wieder mehr die Fähigkeiten in der Lehre zu berücksichtigen, die EditorInnen bräuchten.
Im Folgenden wurden zwei deutsche, ein schweizerisches und drei österreichische Großvorhaben jeweils von ihren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern vorgestellt. Bärbel Holtz, Leiterin des Akademievorhabens „Preußen als Kulturstaat“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, sprach über die von 1994 bis 2003 durchgeführte Edition der Protokolle des Preußischen Staatsministeriums. Hier war eine durchgehende Überlieferung über mehr als ein Jahrhundert (1817–1934/38) zu bearbeiten, wobei die Vorgaben des Fördergebers – die Finanzierung erfolgte aus dem Akademienprogramm – von Beginn an klarstellten, dass eine limitierte Projektzeit einzuhalten und eine Volltextedition jedenfalls ausgeschlossen war. Zentral für die Lösung dieser Aufgabe war ein Editionskonzept, das eine Mischung aus überwiegend standardisierter regestenförmiger Wiedergabe und der Übernahme einzelner besonders signifikanter Ausdrücke aus dem Originalwortlaut vorsah. Dank dieser kompakten Präsentationsweise nimmt ein Protokoll in der Regel nur eine Druckseite ein. Der wissenschaftliche Wert liegt daneben aber auch in einem sehr eingehend gestalteten Anmerkungsapparat, der möglichst umfassend auf bezügliche Akten sämtlicher Ministerien verweist, und in den kommentierten Registern, wobei vor allem das Personenregister geradezu eine Prosopographie der bis dahin schlecht erforschten preußischen Beamtenschaft wurde und inzwischen gerne als solche benutzt wird. Die 12 Bände in insgesamt 17 Teilbänden sind heute vollständig und unentgeltlich online zugänglich.
Hanns Jürgen Küsters, Professor an der Universität Bonn und Hauptabteilungsleiter Wissenschaftliche Dienste bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, berichtete über die lange, aber keineswegs geradlinige Geschichte der Edition der „Dokumente zur Deutschlandpolitik“. Er hob hervor, wie unmittelbar dieses Unternehmen nicht nur in seiner Entstehung, sondern auch in Detailentscheidungen über Zielsetzungen und Editionsplan von konkreten politischen Darstellungs- und Legitimationsinteressen abhängig war und ist – ein Umstand, der zu einer (so Küsters wörtlich) „verkorksten“ Reiheneinteilung und Erscheinungsfolge der Bände geführt habe. Die Arbeitsgruppe unterstand direkt dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, später dem Bundesinnenministerium; andere Ministerien zeigten sich freilich nicht immer kooperativ bei der Bereitstellung amtlicher Schriftstücke. Küsters ging auch auf die großen Probleme der Auswahl der Dokumente ein, zumal auch ausländische Bestände nach Möglichkeit herangezogen werden; das „Zauberwort ‚Schlüsseldokumente‘ “, meinte er augenzwinkernd, stehe zwar in jedem Antrag und Projektbericht, eine Definition sei ihm aber noch nicht untergekommen.
Ursina Bentele präsentierte die Edition „Diplomatische Dokumente der Schweiz“. In den 1970er Jahren zunächst als interuniversitäre Initiative entstanden, ist sie heute ein Unternehmen der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften. Die erste Reihe mit 15 Bänden zum Zeitraum 1848–1945 ist abgeschlossen; die Edition der Dokumente ab 1945 erfolgt parallel in Form der Datenbank DODIS und gedruckter Bände, in die freilich nur ein Teil der in der Datenbank bearbeiteten Stücke im Volltext eingeht – die Bücher erhalten so die Funktion von „Wegweisern“ zur Datensammlung. Die Forschungsleistung der Editionsgruppe, so Bentele, bestehe aber auch noch unter diesen Umständen zu einem beträchtlichen Teil in der Reduktion des verfügbaren Materials auf die präsentierte Auswahl: Für einen Band, der drei Jahre Schweizer Außenpolitik abdeckt, würden etwa 600 Laufmeter Akten oder rund 1,5 Millionen Schriftstücke gesichtet.
Screenshot eines Rechercheergebnisses aus DODIS
Von österreichischer Seite wurde zunächst die Edition der Ministerratsprotokolle der Habsburgermonarchie von Stefan Malfèr und Thomas Kletečka vorgestellt. Als Gemeinschaftsunternehmen österreichischer und ungarischer HistorikerInnen nahm sie ihren Anfang in den späten 1960er Jahren; die erste Serie, enthaltend die Ministerratsprotokolle der Jahre 1848 bis 1867, ist heute mit insgesamt 26 Bänden nahezu abgeschlossen, die letzten zwei sind bereits in Vorbereitung. Ähnlich steht es um die in Ungarn edierten Protokolle des gemeinsamen österreichisch-ungarischen Ministerrats von 1867 bis 1918. Die dritte Serie mit den Protokollen des „cisleithanischen“ Ministerrats aus der Zeit der Doppelmonarchie ist auf lediglich elf Bände kalkuliert, weil ein erheblicher Teil der Vorlagen beim Brand des Wiener Justizpalastes am 15. Juli 1927 zerstört oder beschädigt wurde. Malfèr hob hervor, dass der hohe Standard – er bekannte sich insbesondere zur Volltextedition und zum ausführlichen wissenschaftlichen Kommentar einschließlich Verweisen auf Bezugsakten und Forschungsliteratur – zwar für die lange Bearbeitungsdauer mitverantwortlich sei, die immer wieder der Verteidigung bedurft habe, aber auch ein entscheidendes Kriterium für den Wert und die sehr positive Aufnahme der Edition in Fachkreisen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung liefere unvermeidlich auch bereits erste Ergebnisse hinsichtlich einer Interpretation des Regierungshandelns, in diesem Fall etwa für eine Neubewertung der Leistungen und Versäumnisse des „Neoabsolutismus“ der 1850er Jahre oder des Oktoberdiploms von 1860. Die Arbeit der Gruppe verstehe sich damit auch als Beitrag zu einer von ideologischen Verzerrungen und Ressentiments „entrümpelten Erinnerungskultur“ zur Habsburgermonarchie, so Kletečka.
Gertrude Enderle-Burcel überschrieb den von ihr gemeinsam mit Hanns Haas und Alexandra Neubauer-Czettl vorgetragenen Bericht über die Ministerratsprotokoll-Edition zur Republik Österreich bewusst provokativ mit „Blick zurück im Zorn“. Bei Beginn des Unternehmens in den 1970er Jahren habe zwar seitens des Bundeskanzlers Bruno Kreisky und der Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg ein klares politisches Bekenntnis zur Notwendigkeit der Bearbeitung bestanden, die Finanzierung und Ausstattung der Arbeitsgruppe sei jedoch von Beginn an unzulänglich gewesen, und dies habe sich im Laufe der Zeit nur noch verschärft. Nie habe es mehr als einen festen Dienstposten für das Vorhaben gegeben; die zwischen Bundeskanzleramt und Wissenschaftsministerium geteilte Zuständigkeit habe es beiden Behörden immer wieder erleichtert, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die Basisfinanzierung wurde schließlich nach jenem desaströsen Regierungsbeschluss von Oktober 2010, der zur Einstellung jeglicher Förderung des Bundes für außeruniversitäre Forschung führte, gestrichen. Derzeit gebe es noch eine Finanzierung durch die Gemeinde Wien in Form jährlicher (!) Förderverträge sowie eine Projektfinanzierung des Bundeskanzleramtes für die Digitalisierung und Transkription der Unterlagen. Dabei handle es sich – was im Grunde selbstverständlich sein müsste – um Quellen von höchster Wichtigkeit und großer Aussagekraft, deren Bearbeitung allerdings hohe Ansprüche stelle, da auch die Originalmitschriften zu berücksichtigen sind, in denen vieles enthalten ist, was in die Reinschriften keine Aufnahme fand. Diese Mitschriften freilich sind in Gabelsberger Kurzschrift aufgezeichnet worden, die heute nur noch von wenigen ExpertInnen gelesen wird. Die Zukunft des Unternehmens sei derzeit höchst ungewiss; nach den 23 erschienenen Bänden wären noch 29 weitere nötig, um auch nur die Erste Republik abzuschließen, eine zweite Reihe zur Zweiten Republik steht noch in den Anfängen.
Etwas versöhnlicher klang die Präsentation der „Außenpolitischen Dokumente der Republik Österreich“ durch Klaus Koch, Walter Rauscher und Elisabeth Vyslonzil. Dieses Gegenstück zu den „Diplomatischen Dokumenten der Schweiz“ wurde um 1990 – lange nach dem Einsetzen ähnlicher Projekte in vielen anderen europäischen Staaten2 – angestoßen. Der von Beginn an schlanke Editionsplan, der für den gesamten Zeitraum der Ersten Republik 12 Bände vorsah, ist durchgehalten worden; acht Bände sind erschienen, zwei im Druck, die letzten beiden in Vorbereitung.
Der durch diese Präsentationen geschaffene Überblick zeigte zwar, dass auch in Deutschland und der Schweiz für langfristige Editionsprojekte der Himmel nicht immer voller Geigen hängt, dass aber doch die Situation in Österreich besonders unbefriedigend ist. Während die preußischen Staatsministeriumsprotokolle von fünf Promovierten bearbeitet wurden und DODIS acht wissenschaftliche MitarbeiterInnen beschäftigt, kann keine der genannten österreichischen Unternehmungen darauf zurückblicken, jemals mehr als drei Dienstposten besessen zu haben. Fördermodelle mit zehn- oder zwölfjähriger Laufzeit gibt es in Österreich schlichtweg nicht. Ein Großteil der Finanzierung erfolgte in allen drei Fällen über Jahrzehnte hinweg in Form aneinandergereihter dreijähriger Projekte, bei jeweils neuer Beantragung und Begutachtung. Die Zukunft aller drei Editionen ist völlig offen; für keine gibt es derzeit eine Finanzierung über das Jahr 2014 hinaus.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Geschäftsführerin Dorothea Sturn), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Brigitte Mazohl, Präsidentin der Philosophisch-historischen Klasse) und des Österreichischen Staatsarchivs (Gertrude Enderle-Burcel) sowie einer Beamtin des Wissenschaftsministeriums (Ursula Brustmann), die freilich bereits eingangs erklärte, nicht für die politische Ebene des Ressorts sprechen zu können, sondern nur den Standpunkt der dortigen FachbeamtInnen zu repräsentieren. Als Leitfragen wurden ausgegeben: „Wie kann politisches Interesse für Editionen gefördert werden? Welche Wünsche der Öffentlichkeit an Editionen sind zu berücksichtigen? Wie kann die nötige Finanzierung eingeworben und verstetigt werden?“
Ein niederschmetternd einmütiger Befund war zunächst der, dass es um das politische Interesse für Wissenschaft im Allgemeinen, Geisteswissenschaften im Besonderen und speziell für Editionen in Österreich derzeit schlecht bestellt respektive dieses überhaupt nicht vorhanden sei. Hinsichtlich der derzeit laufenden Verhandlungen über eine Regierungsbildung nach den Nationalratswahlen im September wurden zudem von mehreren Seiten Befürchtungen laut, dass eine Zusammenlegung des Wissenschaftsministeriums mit anderen Ressorts, vielleicht auch eine Trennung der Universitäts- von den Forschungsagenden zu befürchten sei. Dass von Seiten der Wissenschaft mehr Arbeit zur Bewusstseinsbildung nötig sei, blieb angesichts dessen unbestritten. Dazu wurden von verschiedenen Seiten Vorschläge vorgebracht, teils organisatorischer Natur – Vernetzung laufender Editionsvorhaben zu einer Plattform zwecks gegenseitiger Information und koordinierter Medien- und Lobbyarbeit (Mazohl; von vielen Seiten begrüßt) –, teils inhaltlicher Art, etwa die Idee einer Betonung des Werts von Staatsakteneditionen als Instrument der Demokratieerziehung (Küsters). Manches war wohl auch eher sarkastisch gemeint, etwa die Frage von Waltraud Heindl, ob es zielführend sei, die Namen politischer Entscheidungsträger ähnlich groß und sichtbar außen auf Editionsbände zu schreiben, wie die Namen der Bürgermeister auf Wiener Gemeindewohnbauten stehen.
“Ediert aus den Mitteln der Republik Österreich in den Jahren 2017–2020 unter der Bundeskanzlerin X und dem Bundesminister für Wissenschaft Y”? (Photo: Bauinschrift des Bieler-Hofes in Wien 21. Quelle: Wikimedia Commons/Herbert Josl)
In institutioneller Hinsicht waren sich die Diskutierenden einig, dass die bestehenden Fördermodalitäten des FWF (als inzwischen nahezu einzig verbliebener Agentur zur Förderung der Geisteswissenschaften in Österreich) für langfristige Editionsprojekte wenig geeignet sind. Ob es Aufgabe des FWF sei, eine derartige Förderschiene in sein Programm aufzunehmen3, war hingegen umstritten. Von manchen wurde dies mit Nachdruck gewünscht, die FWF-Vertreterin sah eine solche Ausweitung der Tätigkeit angesichts der aktuellen Ressourcenausstattung des Fonds jedoch für die absehbare Zukunft als nicht diskutabel an4. Als Trägerinstitution größerer Vorhaben sahen fast alle, angesichts der weiterhin sehr ungünstigen Bedingungen für die Schaffung neuer außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, in erster Linie die Akademie der Wissenschaften gefragt. Nach den Worten ihrer Vertreterin wäre diese dazu gerne bereit – entsprechende Budgetmittel vorausgesetzt, womit natürlich wieder die politische Ebene angesprochen war.
Diskutiert wurde auch, inwiefern sich die Rahmenbedingungen auf editorische Tätigkeit selbst auswirken müssten. Von außen ist immer wieder der bloße Abdruck von Texten ohne wissenschaftlichen Apparat empfohlen, nicht selten auch gefordert worden, wie etliche Anwesenden berichten konnten. Allen Teilnehmenden der Veranstaltung war jedoch klar, dass hierin keine Lösung liegen kann, sondern gerade die wissenschaftliche Aufarbeitung den Mehrwert der editorischen Arbeit ausmacht: Indexierung schafft erst die Möglichkeit einer Benutzung zu vorgegebenen Themen, der Nachweis der bisherigen Literatur führt an den Forschungsstand heran und Verweise auf weitere Akten ermöglichen weiterführende Forschung. Ein Textabdruck oder auch eine Sammlung von Digitalisaten ohne alles dieses ist dagegen ein unbenutzbarer Datenwust. Dies müsste freilich auch außerhalb von Fachkreisen klar gemacht werden. Gertrude Enderle-Burcel gab unerquickliche Anekdoten aus ihren Verhandlungen mit Beamten des Bundeskanzleramts zum Besten: Es sei von ihren Gesprächspartnern als unverständlich bezeichnet worden, wie jemand ein oder gar zwei Jahre an einem Editionsband „herumnudeln“ könne; es sei nach den Kosten pro Seite, ja nach Kosten pro Anmerkung gefragt worden; schließlich erscheine die (bereits erwähnte) Finanzierung für die Digitalisierung und Transkription der Protokolle zwar ihr und ihren KollegInnen als Vorarbeit für eine Edition, dem Fördergeber jedoch anscheinend als abschließende Erledigung des Anliegens. Selbst die Anlage eines Registers sei für überflüssig befunden worden, denn wenn die Transkripte online verfügbar seien, gebe es ja die Möglichkeit der Volltextsuche – in ungefähr 13.000 Seiten …
Die neuen technischen Möglichkeiten der Bearbeitung und Präsentation wurden von allen als unverzichtbar eingestuft, etliche Stimmen riefen allerdings nach einer differenzierten Abwägung von Kosten und Nutzen. Auf Online-Präsenz ganz zu verzichten und nur auf gedruckte Editionsbände hinzuarbeiten, wurde allgemein als weder wissenschaftlich vertretbar noch gegenüber einem außerwissenschaftlichen Publikum entgegenkommend abgelehnt. Hingegen wurde darauf verwiesen, dass Online-Editionen, gerade solche in Datenbankform, vor allem erweiterte Zugangs- und Suchmöglichkeiten brächten, nicht jedoch die von uninformierter Seite häufig vermutete Kostenreduktion; im Gegenteil, spätestens bei der Absicht einer langfristigen Nutzung auf Jahrzehnte hinaus sei mit viel höheren Kosten zu rechnen. Gerade die lange Nutzungsdauer ist jedoch ein besonderes Merkmal von Editionen; Bände der „Monumenta Germaniae Historica“ oder der „Acta Borussica“ aus dem 19. Jahrhundert werden heute noch geläufig zitiert. Dies wurde mehrfach als gewichtiges Argument für den Druck gewertet, dessen Langzeit-Speicherfähigkeit von keinem elektronischen Medium ohne vielfache Datenmigration erreicht wird. Die meisten Diskussionsbeiträge liefen darauf hinaus, dass sich Kombinationslösungen empfehlen, bei denen die Kapazität, Zugänglichkeit und Suchmöglichkeiten einer Online-Edition mit den Speichereigenschaften einer parallelen Druckausgabe verbunden werden. Selbst bei dem in dieser Hinsicht zukunftsweisend erscheinenden DODIS-Projekt steht „die Abschaffung des gedruckten Bandes nicht zur Debatte“ (Bentele).
Gibt es ein Fazit, das auch für die Belange unseres weit kleiner definierten Eichstätter Editionsprojekts zur Zentralgewalt anwendbar wäre? Deutlich wurde durch die Veranstaltung zunächst, dass Editionen keineswegs bloße Kärrnerarbeit sind, sondern geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung, die eine vielfache Weiternutzung ermöglicht. Dass dies außerhalb enger Fachzirkel den Wenigsten klar zu sein scheint, ist ein wesentliches Problem, und es steht allen an Editionen beteiligten ForscherInnen gut an, jede Gelegenheit zur Bewusstseinsbildung zu ergreifen. Überaus klar wurde auch, dass Editionen hohe Ansprüche an eine gediegene und konsequente Bearbeitung stellen und dementsprechend Schwerarbeit sind. Letzteres wussten wir bei der Zentralgewalt-Edition schon; Ersteres auch, aber das Workshop bestärkt uns darin, den Blick stets darauf gerichtet zu halten, dass unsere Produktion nicht nach der Zahl der Dokumente bewertet wird, die wir abgetippt haben, sondern nach der zielführenden Auswahl derselben und der Güte der Bearbeitung. Jene Standards in Textgestaltung, Erschließung und Präsentation, die sich bei einem solchen Erfahrungsaustausch als unverzichtbar und unhintergehbar über die verschiedensten Projekte hinweg erweisen, sind auch in unserer Edition zu berücksichtigen. Aber davon wird an anderer Stelle mehr zu schreiben sein.
- HEINDL, Waltraud: Gehorsame Rebellen. Bürokratie und Beamte in Österreich 1780 bis 1848 (Studien zu Politik und Verwaltung 36), Wien – Köln – Graz 1990; HEINDL, Waltraud: Josephinische Mandarine. Bürokratie und Beamte in Österreich 1848–1918, Wien 2013.
- Ein solches Verspätungsempfinden im internationalen Vergleich hatte Ursina Bentele bereits als Motivation für die 1972 erfolgte Initiative zu den „Diplomatischen Dokumenten der Schweiz“ angesprochen, was von Klaus Koch mit ironischem Lächeln aufgegriffen wurde.
- Dies war 2007/08 unter dem Programmtitel NIKE bereits geplant, fiel jedoch der Wirtschaftskrise und den daraus folgenden Budgetkürzungen zum Opfer.
- Dorothea Sturn verwies hierbei darauf, dass etwa der Schweizerische Nationalfonds, pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, über viermal so viele Mittel verfüge wie der FWF.
aventinus nova Nr. 45 [11.10.2013]: Papst Johannes Paul II. als Außenpolitiker im polnischen Konflikt zwischen Regierung und Arbeiterschaft 1980-1983 [=historia scribere 5 (2013), S. 31-44]
Lieutenant-General Jochmus / Jochmus Pascha / Jochmus Freiherr von Cotignola: der transkontinentale Lebensweg eines Ministers der Zentralgewalt
Er zählt nicht zu den bekannten Gestalten unter den Regierungsmitgliedern der Provisorischen Zentralgewalt, und auch die historische Forschung hat von ihm wenig Notiz genommen: August Giacomo Jochmus. Wenige Jahre nach seinem Tod wurden einige in seinem Nachlass druckfertig vorliegende Schriften entsprechend seiner eigenen testamentarischen Verfügung herausgegeben1; sie enthalten eine autobiographische Skizze2 sowie ein kurzes, wesentlich darauf fußendes Lebensbild, das der Editor Georg Martin Thomas erstellte3. Der 1905 veröffentlichte Artikel der Allgemeinen Deutschen Biographie4 fasste nochmals die dort gebotenen Angaben zusammen – und seit dann ist so gut wie gar nichts mehr zu Jochmus erschienen. In neueren Lexika sucht man ihn vergebens, auch sonstige Forschungsliteratur zu ihm ist kaum zu finden, allenfalls hie und da eine beiläufige Erwähnung5. Was heute über seinen Lebensweg bekannt ist, dürfte daher zum überwiegenden Teil direkt oder mittelbar auf seine eigenen Angaben zurückgehen – ein Mangel, dem auch hier nur in wenigen Einzelheiten abgeholfen werden kann.
In jedem Fall war es ein ausgesprochen vielfältiges Leben, das er führte – im Hinblick auf Orte, Milieus und Betätigungen. Jochmus war 1808 in Hamburg geboren; über sein Elternhaus ist nicht viel überliefert. Der Vater starb früh. Nach dem Willen seiner Mutter hätte Jochmus den Beruf eines Kaufmanns ergreifen sollen, zog jedoch eine militärische Laufbahn vor6. Bereits mit 19 Jahren ging er nach Griechenland, um sich den Philhellenen anzuschließen, und machte dort die Feldzüge von 1827 bis 1829 mit; danach war er einige Jahre als Hauptmann des Generalstabs im griechischen Kriegsministerium beschäftigt, wobei er unter anderem mit Vermessungs- und Planungsarbeiten befasst gewesen zu sein scheint. Über Vermittlung des britischen Gesandten in Athen schloss er sich 1835 während des Ersten Carlistenkrieges in Spanien der Anglo-Spanischen Legion an, die auf der Seite der Königin Isabella kämpfte. Hier stieg er weiter rasch auf und brachte es bis zum Brigadegeneral und Chef des Generalstabs des spanischen Armeecorps in Kantabrien; zu dieser Zeit gewann er auch die wohlwollende Aufmerksamkeit des britischen Außenministers Henry John Temple, Viscount Palmerston7. 1838 ging er nach England und wurde von dort nach Konstantinopel entsendet, um mit dem britischen Gesandten Lord John Ponsonby (der 1849 als Botschafter in Wien nochmals ein wichtiger Korrespondent Jochmus’ war) die von Großbritannien angeführte Intervention mehrerer europäischer Mächte in Syrien in die Wege zu leiten.
Dort hatten die Streitkräfte des Ibrahim Pascha, Sohn des faktisch autonomen Gouverneurs von Ägypten Mehmet Ali Pascha, wiederholte Versuche der osmanischen Armee zurückgeschlagen, die Kontrolle des Sultans über die Gebiete an der Ostküste des Mittelmeers wiederherzustellen. Frankreich unterstützte zudem die ägyptische Seite, was den Konflikt auch zum potentiellen Kriegsanlass zwischen den europäischen Mächten werden ließ: zur sogenannten „Orientkrise“ von 1839–18418, parallel zur für die Entwicklung in Deutschland bedeutsamen „Rheinkrise“9. Jochmus erreichte hier, im Alter von wenig mehr als 30 Jahren, den Höhepunkt seiner aktiven militärischen Tätigkeit zunächst als Chef des Generalstabs der kombinierten englischen, österreichischen und osmanischen Landstreitkräfte, dann in der Schlussphase der Kämpfe als deren Befehlshaber. Als solcher verdrängte er im Winter 1840/41 die ägyptischen Truppen aus Syrien und trug damit zur Schaffung der militärischen Voraussetzungen für den „Meerengenvertrag“ von 1841 bei, der die Krise vorerst beilegte10. Jochmus trat in der Folge in das osmanische Kriegsministerium ein, wo er im Range eines Paschas von zwei Roßschweifen bis 1848 beschäftigt blieb. Während seiner Zeit im Osmanischen Reich knüpfte er offenbar auch jene Kontakte zur österreichischen Diplomatie und zu Mitgliedern des habsburgischen Kaiserhauses, die für seinen späteren Weg von großer Wichtigkeit waren; doch sollte er sich auch enge Verbindungen zu England zeit seines Lebens bewahren.
Im April 1848 verließ Jochmus seine Stellung in Konstantinopel und kehrte nach Deutschland zurück – den späteren Darstellungen zufolge anscheinend aus freien Stücken und veranlasst durch die Märzrevolution11. Im diesbezüglichen Erlass des Sultans, der sich in seinem Nachlass findet, ist freilich nicht von einer Resignation die Rede, sondern von einer Neuorganisierung des Ministeriums, durch welche für ihn keine weitere Verwendung bestehe12. Auch die Aktivitäten Jochmus’ während des folgenden Jahres sind weitgehend unbekannt. Im Mai 1849 hielt er sich in Baden auf, als er von Seiten des Reichsverwesers – bezeichnenderweise durch den österreichischen Gesandten bei der Reichsstadt Frankfurt und ehemaligen Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt, Ferdinand von Menßhengen – mit der Aufforderung kontaktiert wurde, „ein Reichs-Ministerium zu bilden und daran Theil zu nehmen“13. Seine Heranziehung scheint also von Anbeginn an vor allem durch seine Beziehungen zur österreichischen Diplomatie veranlasst gewesen zu sein. Die Bildung des letzten Ministeriums der Zentralgewalt verlief freilich hektisch und recht konfus, da neben Jochmus noch weitere Persönlichkeiten mit ähnlichen Aufträgen bedacht worden waren und viele potentielle Minister angesichts der denkbar ungünstigen Lage der Zentralgewalt ablehnten14. Letztlich erhielt Jochmus, der zeitweise auch zum Finanz- und Handelsminister vorgeschlagen worden war, das Außen- und ein neuerrichtetes Marineministerium.
Wie das Ministerium insgesamt, dem unmittelbar nach seiner Vorstellung von der Nationalversammlung das Misstrauen ausgesprochen wurde, so stieß auch Jochmus seitens der erbkaiserlichen Partei wie der Linken auf scharfe Ablehnung. Maximilian von Gagern lästerte in Anspielung auf Jochmus’ Karriere in Konstantinopel, die ihm wohl als Söldnertum ausgelegt wurde, angesichts der fortschreitenden Auflösung der Versammlung werde den neuen Minister bald nichts mehr hindern, „statt des Kreuzes auf der Paulskirche die drei Roßschweife mit dem Halbmond aufzupflanzen“15. Selbst sein Ministerkollege Johann Hermann Detmold nannte Jochmus nach einem guten Monat gemeinsamer Tätigkeit einen „Strohkopf“ und freute sich darüber, dass dieser den Reichsverweser auf dessen mehrmonatigem Kuraufenthalt in Gastein begleitete, weil in seiner Abwesenheit „die Sachen viel einfacher und leichter“ gingen16. Dennoch fällt es schwer, sich dem Urteil anzuschließen, von den Mitgliedern des letzten Reichsministeriums habe Jochmus „am wenigsten konkrete Arbeit“ geleistet17.
Vielmehr scheint er in mehrerlei Hinsicht keine unwichtige Rolle gespielt zu haben: Durch das rasch aufgebaute besondere Vertrauensverhältnis zum Reichsverweser, das sich auch nach dem Ende der Zentralgewalt in einem bis fast an das Lebensende des Erzherzogs fortgesetzten Briefwechsel niederschlug18, dürfte er viel dazu beigetragen haben, jenen trotz seiner immer wieder starken Rücktrittsgelüste zum Verbleiben zu bewegen19. Auch an den Verhandlungen sowohl mit den deutschen Regierungen als auch mit außerdeutschen Mächten über die Auflösung der Zentralgewalt und den Übergang zu einer neuen gemeinsamen Institution der deutschen Staaten war er, obwohl sie formell überwiegend vom Ministerpräsidenten Wittgenstein geführt wurden, maßgeblich beteiligt; dabei spielte er nicht zuletzt seine etablierten Verbindungen zur britischen Diplomatie immer wieder aus20 und legte zudem selbst mehrere Pläne zur Neuordnung Mitteleuropas vor21.
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass gerade Jochmus’ Marineressort im Sommer und Herbst 1849 zu den aktivsten Dienststellen der Zentralgewalt zählte, weil es eine Flotte mit einem knappen Dutzend Kriegsschiffen und ein entsprechend zahlreiches Personal unter sich hatte22. Dies stand im Kontrast dazu, dass ab Mai 1849 der Geschäftsgang einiger Ressorts (insbesondere des Justiz- und des Handelsministeriums, aber in beträchtlichem Maße auch des Inneren) nahezu zum Erliegen kam, weil in Abwesenheit eines Parlaments weder Gesetzgebungsprojekte noch zu vollziehende Beschlüsse vorhanden waren und auch die Kooperation der Einzelstaaten hinsichtlich ihrer inneren Angelegenheiten gegen Null ging. In den Sitzungsprotokollen des Reichsministeriums aus diesem Zeitraum tritt Jochmus daher keineswegs als inaktiver Minister in Erscheinung, sondern hatte im Gegenteil häufig über Flottenangelegenheiten zu berichten, unter anderem über die schwierige Suche nach einem sicheren Winterhafen oder über die Auseinandersetzungen um das erbeutete dänische Kriegsschiff „Gefion“. Diese Fregatte war nach dem glücklich verlaufenen Seegefecht vor Eckernförde am 5. April 184923 in deutsche Hände geraten und wurde, obwohl in unbrauchbarem Zustand, unter dem Namen „Eckernförde“ der deutschen Flotte eingegliedert. Nach dem im Juli mit Dänemark geschlossenen Waffenstillstand wäre Preußen nur zu gerne bereit gewesen, den materiell wenig wertvollen Rumpf zurückzugeben; die Schleswig-Holsteiner hingegen waren ebenso wie die von Jochmus vertretene Zentralgewalt entschlossen, die symbolträchtige Trophäe zu halten. Angesichts der drückenden Übermacht der Dänen zur See und der preußischen Truppen zu Lande kam es so weit, dass Jochmus den Befehlshaber der kleinen Reichsflottenmannschaft der „Eckernförde“ anwies, das Schiff im Falle eines Gewaltstreichs in die Luft zu sprengen24. Letztlich fand sich ein Kompromiss, der das Schiff durch Überwinterung in einem preußischen Hafen zwar der Verfügung Schleswig-Holsteins entzog, aber formell der Zentralgewalt und der deutschen Kriegsmarine erhielt.
Nach dem Ende der Provisorischen Zentralgewalt im Dezember 1849 bekleidete Jochmus längere Zeit keine öffentlichen Ämter. Finanziell unabhängig, konnte er es sich leisten, in den 1850er Jahren eine mehrjährige Weltreise zu unternehmen, während der er sich nicht nur neuerlich längere Zeit im arabischen Raum aufhielt, sondern auch Indien, China und Amerika besuchte. Er rühmte sich später auch, mit der einzigen Ausnahme Portugals jedes europäische Land bereist zu haben25. Er veröffentlichte Reiseberichte und Militärhistorisches in der Zeitschrift der Londoner Royal Geographical Society26 und wurde 1858 korrespondierendes Mitglied der Wiener Geographischen Gesellschaft27. Seit 1856 lebte er zumeist in Wien, weil sein Adoptivsohn Carlos dort die Offiziersausbildung begonnen hatte. Sichtlich band sich Jochmus, der bereits im November 1849 für sein Wirken als Reichsminister den österreichischen Leopolds-Orden erhalten hatte28, in diesen Jahren zusehends enger an den österreichischen Staat. Der Österreichisch-sardinische Krieg von 1859 bot eine erste Gelegenheit, bei der die Aufnahme Jochmus’ in die österreichische Armee als Feldmarschallleutnant beabsichtigt war, was jedoch vor dem raschen Ende des Kriegs nicht mehr vollzogen wurde.
Zu Anfang des folgenden Jahres wurde Jochmus in den österreichischen Adel als „Freiherr Jochmus von Cotignola“ erhoben. Das italienisch klingende Adelsprädikat hatte er selbst ausgewählt – wie aus Notizen in seinem Nachlass hervorgeht, hatte er im Vorfeld der Adelserhebung intensive genealogische Nachforschungen angestellt und insbesondere die gewagte Behauptung zu erhärten versucht, die Familie Jochmus (welche nach eigener Überlieferung aus Böhmen nach Norddeutschland gekommen war) stamme von italienischen Adeligen ab und sei insbesondere mit den Sforza-Herzögen von Mailand verwandt, unter deren Ahnen er einen „Giacomuzzo“ ausgemacht hatte29. In seine an die österreichischen Behörden eingereichten Papiere hatte er diese eher hanebüchenen Kombinationen letztlich nicht aufgenommen, sondern nur jenes „Cotignola“, das ihm als Besitzung der Sforza-Ahnen untergekommen war, wohl ohne Erläuterung der Hintergründe vorgebracht30. Diese an sich recht belanglose Episode wirft vielleicht einiges Licht darauf, was einem Mann mit einem so abenteuerlichen bisherigen Lebensweg alles als möglich erscheinen konnte: Wer es von Hamburg über Griechenland, Spanien, Syrien und Konstantinopel bis Frankfurt und Wien gebracht hatte, englischer Offizier, osmanischer Pascha und deutscher Reichsminister gewesen war, sich Freund und Briefpartner eines britischen Ministers, eines österreichischen Erzherzogs, aber auch russischer Adliger und Diplomaten nennen konnte, warum sollte der nicht auch mit italienischen Dynasten verwandt sein?
Für seine letzte Lebensphase scheint sich Jochmus allerdings vorbehaltlos Österreich verschrieben zu haben. In einer Denkschrift an Carlos von 1864 äußerte er sich höchst verbittert über die Entwicklungen in Deutschland seit 1849 und wollte mit der Vorstellung eines deutschen Staates nichts mehr zu tun haben: „[...] als im Jahre 1859 Deutschland sich selbst aufgab, ‘indem es Oesterreich verließ’, habe ich mich besitzlich und staatsrechtlich unverweilt, nach ernstester Erwägung von Deutschland losgesagt. Die höchste Lebensbedingung der Staaten, wie der Individuen ist die Ehre. Mein Entschluß ist gerechtfertigt worden [...] ‘Die deutsche Frage’ – sagte hingegen vor wenigen Wochen, bei Eröffnung des Reichsrath der Abgeordneten deren Präsident Ritter von Hasner – ‘ist die Nichtigkeits-Beschwerde gegen den verlorenen Proceß der Weltgeschichte’. – Verloren in letzter Instanz 1859, denn es ist mindestens gegen die Wahrscheinlichkeits-Berechnung, daß eine spätere Generation den dummen Frevel der Gegenwärtigen wieder gutmachen könne. Dem Finis Poloniae steht das Finis Germaniae ‘als Gesammt-Nation’, historisch begründet, zur Seite. Hauptursachen beider Erscheinungen sind der Mangel an innerer Organisations-Fähigkeit und an Staatszwecks-Gemeinsamkeit gegenüber dem Auslande. Der deutsche Bund bildete weder eine einheitliche Nation, noch eine Regierung. Seinem Wesen nach war er ein Staaten-Verband ‘deutscher Völkerschaften’ und dieser ist durch den thatsächlichen, wenn auch nicht formellen, Bundesbruch Preußens 1859 zerrissen worden; denn die Zerklüftung von 1863 in Frankfurt am Main und von 1864 in Schleswig-Holstein sind nur ‘Folgen’ des ersten Bundesbruches.“31 Die Schuld sah Jochmus also unzweideutig bei Preußen – eine Haltung, die durchaus als logische Fortsetzung seines Wirkens von 1849 verstanden werden kann32.
Der Preußisch-österreichische Krieg von 1866 brachte ihm dann doch noch die Würde eines Feldmarschallleutnanten der österreichischen Streitkräfte; allerdings dauerte auch diesmal die Ernennung so lange, dass der Waffengang bereits entschieden war, bevor Jochmus aktiv werden konnte. Er zog sich danach aus dem öffentlichen Leben zurück und reiste 1870–71 nochmals um die Welt. Seine letzten Jahre verbrachte er, anscheinend von einer langwierigen Krankheit gezeichnet, bei seiner Schwester in Bamberg, wo er auch starb33.
Trotz des Vorhandenseins eines recht umfangreichen Nachlasses und der vier Bände gedruckter Schriften ist es nicht leicht, sich ein Bild von der Persönlichkeit Jochmus’ zu verschaffen. Er hat im Laufe seines Lebens eine außerordentliche Fülle von Rollen gespielt und sich in verschiedenen, zum Teil fast inkompatibel erscheinenden Milieus bewegt. Die Vorstellung, dass einmal sein weltumspannender Lebensweg jenseits des Bereichs der Miszelle quellengestützt aufgearbeitet werden könnte, ist zugleich verlockend und einschüchternd: Ersteres, weil dies Licht in viele Aspekte der Verflechtung Europas mit anderen Weltregionen, insbesondere dem heutigen Nahen Osten, zu bringen verspräche. Potentiale, aber auch Grenzen und Ambivalenzen des globalen wie des innereuropäischen Kulturkontakts im 19. Jahrhundert müssten an Jochmus sichtbar werden: Wie viel verstand er wirklich von den Menschen und Lebensweisen der Länder, die er teils als Beobachter und Forscher, teils und vor allem aber als Soldat im Dienste des Interventionismus europäischer Mächte bereiste? Hat er sich etwa die türkische oder arabische Sprache je angeeignet? Konnten Begegnungen in solchem Kontext für gegenseitiges Verständnis sorgen, oder führten sie eher zur weiteren Ausprägung von Abgrenzungen Europas gegen Außereuropa im wissenschaftlichen wie im politischen Diskurs? – Einschüchternd ist demgegenüber die Vorstellung, wie hoch die Ansprüche an die Bearbeitung einer Jochmus-Biographie wären, die nicht seinen eigenen retrospektiven Aussagen verpflichtet bliebe, sondern seinen diversen Lebensstationen an Ort und Stelle archivalisch nachginge. Die Zahl der zu bereisenden Länder und Institutionen, die verschiedenen zu beherrschenden Sprachen und Überlieferungszusammenhänge, wären von einer einzigen Person kaum oder gar nicht zu bewältigen. Dem kann natürlich auch im Rahmen unseres Eichstätter Projekts nicht abgeholfen werden. Wohl aber verspricht dieses, über die Tätigkeit Jochmus’ in jenem Jahr 1849 einiges bekannt zu machen, das bis jetzt in den Frankfurter Akten vergraben war.
- THOMAS, Georg Martin (Hrsg.): August von Jochmus’ Gesammelte Schriften, 4 Bde., Berlin 1883–1884.
- Ebd., Bd. 3, IX–XII.
- THOMAS, Georg Martin: Vorerinnerung des Herausgebers, in: THOMAS, Georg Martin (Hrsg.): August von Jochmus’ Gesammelte Schriften, Bd. 1: The Syrian War and the Decline of the Ottoman Empire 1840–1848 in Official and Confidential Reports, Documents, and Correspondences with Lord Palmerston, Lord Ponsonby, and the Turkish Authorities, Volume 1, Berlin 1883, VII–XXI, hier IX–XV.
- CRISTE, Oscar: Jochmus: August Freiherr J. von Cotignola, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 50, Leipzig 1905, 745–746.
- Vgl. etwa BERTSCH, Daniel: Anton Prokesch von Osten (1795–1876). Ein Diplomat Österreichs in Athen und an der Hohen Pforte. Beiträge zur Wahrnehmung des Orients im Europa des 19. Jahrhunderts (Südosteuropäische Arbeiten 123), München 2005, 104–105, mit Benutzung einer Quelle aus dem Nachlass Jochmus; GOREN, Haim: Dead Sea Level. Science, Exploration and Imperial Interests in the Near East, London 2011, 91–92, 97–98.
- THOMAS, Vorerinnerung, X; leicht abweichende Angaben bei CRISTE, Jochmus, 745.
- WEBSTER, Charles: The Foreign Policy of Palmerston 1830–1841. Britain, the Liberal Movement and the Eastern Question, 2 Bde., London 1951, hier Bd. 1, 450.
- Eine ausführliche Darstellung aus britischer Sicht bietet WEBSTER, Foreign Policy, Bd. 2, 619–776. Für neuere Bearbeitungen mit genauerem Eingehen auf die Ereignisse in der Levante vgl. FARAH, Caesar E.: The Politics of Interventionism in Ottoman Lebanon, 1830–1861, Oxford – London 2000, 30–51; KARSH, Efraim – KARSH, Inari: Empires of the Sand. The Struggle for Mastery in the Middle East, 1789–1923, Cambridge (Massachusetts) – London 1999, 36–41. Wichtige Aktenstücke finden sich bei HUREWITZ, Jacob Coleman: The Middle East and North Africa in World Politics. A Documentary Record, Bd. 1: European Expansion, 1535–1914, New Haven – London 1975, 267–279.
- Zu dieser vgl. GRUNER, Wolf D.: Der Deutsche Bund, die deutschen Verfassungsstaaten und die Rheinkrise von 1840. Überlegungen zur deutschen Dimension einer europäischen Krise, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 53 (1990) 51–78.
- Abdruck bei HUREWITZ, Middle East, Bd. 1, 279.
- CRISTE, Jochmus, 745. Ausgesprochen vage formulierte Jochmus selbst seine Darstellung des Abgangs: THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3, X.
- Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II.
- Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 42, Menßhengen an Jochmus, 10. Mai 1849.
- Fürstlich Leiningensches Archiv Amorbach, Familienarchiv, Nachlass Fürst Karl zu Leiningen, Karton V, Denkschrift „Das Ministerium Wittgenstein“ (wohl von Alexander von Bally verfasst); vgl. JACOBI, Helmut: Die letzten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (März – Dezember 1849), Frankfurt am Main 1956, 105–110.
- PASTOR, Ludwig von: Leben des Freiherrn Max von Gagern 1810–1889. Ein Beitrag zur politischen und kirchlichen Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Großenteils nach ungedruckten Quellen bearbeitet, Kempten – München 1912, 303.
- STÜVE, Gustav (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Stüve und Detmold in den Jahren 1848 bis 1850 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens 13), Hannover – Leipzig 1903, 244: Detmold an Johann Karl Bertram Stüve, 4. Juli 1849.
- So, ohne nähere Begründung, JACOBI, Letzte Monate, 109.
- Zahlreiche dieser Briefe sind publiziert bei THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 4.
- Zu dieser Auffassung gelangte bereits VALENTIN, Veit: Geschichte der deutschen Revolution von 1848–49, 2 Bde., Berlin 1930–1931, Bd. 2, 466.
- Vgl. die Korrespondenz und Akten bei THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3.
- Er ließ insgesamt vier Projekte in Form von Diagrammen lithographisch vervielfältigen und verbreiten. Exemplare finden sich in seinem eigenen Nachlass sowie in jenem von Karl zu Leiningen: Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana C II Nr. 5; Fürstlich Leiningensches Archiv Amorbach, Familienarchiv, Nachlass Fürst Karl zu Leiningen, Karton VI. Nur die Amorbacher Überlieferung kennend, gelangte Veit Valentin zu der irrigen Annahme, dass die Blätter von Fürst Leiningen herrühren müssten: VALENTIN, Revolution, Bd. 2, 468f., 671. Die Urheberschaft Jochmus’ geht jedoch aus seinen Bemerkungen dazu in Verbindung mit der Münchner Überlieferung ebenso hervor wie aus einem Begleitschreiben zu einer Sendung von Exemplaren der Blätter an Arnold Duckwitz: Staatsarchiv Bremen, 7,183: Nachlass Arnold Duckwitz, Mappe 6, Jochmus an Duckwitz, 19. Dezember 1849.
- Eine im Dezember 1849 vorgelegte Übersicht weist für die Flotte eine faktische Mannschaft von 921 Mann bei einer Sollstärke von 1503 Mann aus: BArch, DB 52/16, fol. 91. Hinzu kommt das zivile Personal im Ministerium. Zur deutschen Kriegsmarine von 1848/49 vgl. BÄR, Maximilian: Die deutsche Flotte von 1848–1852. Nach den Akten der Staatsarchive zu Berlin und Hannover dargestellt, Leipzig 1898; HUBATSCH, Walther – BERNARTZ, Hanswilly – FRIEDLAND, Klaus – GALPERIN, Peter – HEINSIUS, Paul u. a.: Die erste deutsche Flotte 1848–1853 (Schriftenreihe des Deutschen Marine-Instituts 1), Herford – Bonn 1981; MOLTMANN, Günter: Die deutsche Flotte von 1848/49 im historisch-politischen Kontext, in: RAHN, Werner (Hrsg.): Die deutsche Flotte im Spannungsfeld der Politik 1848–1985. Vorträge und Diskussionen der 25. Historisch-Taktischen Tagung der Flotte 1985 (Schriftenreihe des Deutschen Marine-Instituts 9), Herford 1985, 21–41; PETTER, Wolfgang: Programmierter Untergang. Die Fehlrüstung der deutschen Flotte von 1848, in: MESSERSCHMIDT, Manfred – MEIER, Klaus A. – RAHN, Werner – THOSS, Bruno (Hrsg.): Militärgeschichte. Probleme – Thesen – Wege (Beiträge zur Militär- und Kriegsgeschichte 25), Stuttgart 1982, 150–170.
- STOLZ, Gerd: Die schleswig-holsteinische Erhebung. Die nationale Auseinandersetzung in und um Schleswig-Holstein von 1848/51, Husum 1996, 121–125.
- Jochmus teilte ein umfangreiches Dossier an Akten und Schriftverkehr in dieser Angelegenheit als Zirkularschreiben den Bevollmächtigten sämtlicher deutschen Staaten bei der Zentralgewalt mit, um die Unterstützung ihrer Regierungen für die Position der Zentralgewalt anzurufen: BArch, DB 52/15, fol. 5–27.
- THOMAS (Hrsg.), Jochmus’ Schriften, Bd. 3, XI.
- JOCHMUS, August Giacomo: Notes on a Journay into the Balkan, or Mount Haemus, in 1847, in: The Journal of the Royal Geographical Society 24 (1854) 36–85; JOCHMUS, August Giacomo: Commentaries (Written in 1830 and 1834.) 1. On the Expedition of Philip of Macedon against Thermus and Sparta; 2. On the Military Operations of Brennus and the Gauls against Thermopylae and Aetolia; 3. On the Battle of Marathon etc.; 4. On the Battle of Sellasia, and the Strategic Movements of the Generals of Antiquity between Tegea, Caryae, and Sparta, in: The Journal of the Royal Geographical Society 27 (1857) 1–53; JOCHMUS, August Giacomo: On the Battles of Sellasia, Marathon, and Thermus, in: Proceedings of the Royal Geographical Society of London 1 (1857) 481–483.
- Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 49–50.
- Vgl. Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 45.
- Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana A II Nr. 79. Die Säule im Familienwappen bot zu weiteren Spekulationen in Richtung einer Verwandtschaft mit den Colonna Anlass.
- Österreichisches Staatsarchiv Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Adel HAA AR, Karton 210.
- Bayerische Staatsbibliothek München, Jochmusiana C II Nr. 5.
- Nach THOMAS, Vorerinnerung, XV, soll Jochmus dennoch 1871 bei der Schaffung des Wilhelminischen Reiches Genugtuung empfunden haben: „[...] das hohe, stolze Gefühl, ein Deutscher zu sein, trat nun auch bei Jochmus voll in seine Rechte ein“. Sofern dies keine – nach damaligem Empfinden – Behübschung durch den Herausgeber der (in Berlin erschienenen) Schriften Jochmus’ ist, wäre es ein weiterer Beleg für die außerordentliche Wandelbarkeit seiner Einstellungen.
- CRISTE, Jochmus, 746; THOMAS, Vorerinnerung, XV.
Fabien Lévy (Chambéry): Vorboten der Italienischen Kriege. Der Platz Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert
deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 13. Mai 2013: Prodromes aux guerres d’Italie: la place de Gênes dans l’édifice stratégique français au XVe siècle
Mit dem berühmten Zug Karls VIII. 1494 nach Neapel schienen die Italienischen Kriege, in denen sich Franzosen und Spanier auf der italienischen Halbinsel gegenüberstanden, ganz unvermittelt zu beginnen. Ein Unternehmen, dessen Ruhm, Zeugnis der berühmten furia francese, ein katastrophales Abenteuer verschleierte, das mit der schmachvollen Rückkehr nach Frankreich endete. Dabei waren alle typischen „Zutaten“ der Italienischen Kriege bereits vorhanden: das ausgesöhnte Königreich Frankreich, ein ritterlicher König, umgeben von einem turbulenten Adel, den es im Zaume zu halten galt, militärisches Können und Truppen, wie sie nunmehr nur die großen Nationen aufbringen konnten, und schließlich und vor allem die offenkundige Anziehungskraft Italiens. Selbst die Niederlage, rasch in einen epischen Sieg umgewandelt, nahm die vielen weiteren Niederlagen vorweg, welche Frankreich auf der Halbinsel noch erleiden sollte.
Trotzdem war der Zug Karls VIII. nicht das Ergebnis einer plötzlichen Eingebung des Königs. Während des gesamten 15. Jahrhunderts, als es sich vorrangig mit England und Burgund auseinandersetzte, hatte Frankreich die italienische Halbinsel nicht vergessen. Jenseits des Getöses des Hundertjährigen Krieges wurde eine aktive Italienpolitik geführt. Der Weg, den die Franzosen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer wieder nach Neapel nahmen, wurde über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg vorbereitet und eingeübt. Der bemerkenswerte Platz, den Genua in diesem Abenteuer Karls VIII. einnahm, war kein zufälliger: Die Stadt am ligurischen Golf diente nicht nur als Sammelpunkt für einen Teil der französischen Truppen. Durch einen exorbitanten Kredit des Ufficio di San Giorgio und der Familie Sauli stellte sie auch die Finanzierung der Unternehmung sicher, bevor sie die französische Armee auf ihren Galeeren bis in den Golf von Neapel brachte. Diese strategische Stellung als Durchgangsstelle und maritimes wie finanzielles Zentrum war nicht das Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung, sondern einer – wenngleich zögerlichen und diskontinuierlichen – Konstruktion, die über das gesamte 15. Jahrhundert hinweg aus Genua ein entscheidendes Zentrum in den strategischen Planungen Frankreichs machte.
Zwischen 1396 und 1512 stand Genua drei Mal unter französischer Herrschaft: von 1396 bis 1409, von 1458 bis 1461 und schließlich von 1499 bis 1512. Aus diesen Zeiten und den sie verbindenden Zwischenräumen lassen sich klar mehrere Entwicklungen ausmachen.
So fällt zuallererst das zunehmende königliche Interesse an Genua auf. In der Tat lässt sich feststellen, dass das Interesse am Besitz Genuas sich langsam von den Fürsten auf den König verlagerte. Die ersten französischen Herrschaften über Genua waren noch keineswegs der königlichen Macht geschuldet, sondern Konsequenzen der Machenschaften einzelner französischer Fürstenhäuser und ihrer italienischen Interessen. Die komplexe Situation in der Stadt und auf der italienischen Halbinsel ausnutzend, waren es 1396 und 1458 noch die Orléans und Anjous, die Genua in die Hände des Königs trieben. Seit den 1440er Jahren jedoch lässt sich seitens Karls VII. und seiner Nachfolger eine bewusste und zielstrebige Politik ausmachen, Genua in Besitz zu nehmen und zu regieren – wobei sie nicht zögerten, etwaig störende Fürsten hierbei beiseite zu schieben. Seitdem drängte sich Genau als Stadt mit offensichtlicher strategischer Bedeutung, derer sich die Krone bemächtigen wollte und musste, für sich selbst und um in Italien intervenieren zu können, geradezu auf. Genua wurde in gewisser Weise damit Teil der strategischen Planungen der französischen Krone, um dies fortan auch zu bleiben.
Diese Entwicklung erklärt sich einerseits durch die zunehmende Herausbildung Genuas zu einem maritimen und finanziellen Zentrum. Auch hier ist die Entwicklung chaotisch, stellten die Genueser doch schon seit langer Zeit den Franzosen immer wieder Armbrustschützen und Schiffe zur Verfügung. Während der drei französischen Herrschaftsphasen wurde Genua daher rasch den Anforderungen der Fürsten und später der großen Politik der Krone unterworfen, die bei ihren Unternehmungen unermüdlich immer wieder die gleichen Zielen verfolgte: die Landung in Neapel, der Kampf gegen Engländer und Spanier, die späten Kreuzzüge. Genua erschien hierbei unentbehrlich. Zuallererst durch seine finanzielle Macht: Die Kommune, v.a. aber der Ufficio di San Giorgio finanzierten diese Unternehmungen mehr oder weniger freiwillig. Und dann aufgrund seiner maritimen Kapazitäten: Frankreich ließ zahlreiche Schiffe in Genua chartern und auch bauen, um so seine eigenen Unzulänglichkeiten wettzumachen und mit seinen besser ausgestatteten Feinden zumindest gleichzuziehen.
Genua erweiterte damit die strategischen Möglichkeiten der Franzosen und erlaubte es ihnen, sich auf der italienischen Halbinsel einzubringen. Genua erschien wie ein französischer Brückenkopf in Italien, der über Land und über See einen einfachen Truppentransport ermöglichte. Vor allem lag von Genua aus ganz Italien offen: Mailand, Florenz und, etwas weiter, Rom wurden direkt bedroht, während die Genueser Flotte es gestattete, rasch den Golf von Neapel zu erreichen und Druck auf Venedig auszuüben. So entstand im Verlaufe des 15. Jahrhunderts allmählich ein französischer Weg durch Italien, der von Genua über Mailand, Pisa und die Toskana bis hin nach Neapel führte, und der später auch während der Italienischen Kriege wieder genutzt wurde. Mehr noch: Genua gestattete es der französischen Monarchie, die Halbinsel zu verlassen und seine Kreuzzugsträume zu verwirklichen, indem es ihr mit seiner Flotte und seinen Kontoren die Wege in den Osten öffnete.
Im Endeffekt schlug sich die zunehmende strategische Bedeutung Genuas für Frankreich auch in juristischen und institutionellen Entwicklungen wieder, welche aus Genua eine französische Stadt machen sollten. Im Laufe des 15. Jahrhundert vervielfachte sich die Zahl der juristischen Traktate, welche die Zugehörigkeit Genuas zur französischen Krone bewiesen, und auch im Sprachgebrauch schlug sich nieder, dass aus den Genuesen wahrhafte und gute Untertanen Frankreichs werden sollten.
Der Platz und die Bedeutung Genuas in den strategischen Planungen Frankreichs im 15. Jahrhundert verkörpert damit in perfekter Weise das Vorspiel zu den Italienischen Kriegen. Die Stadt erschien zunehmend als das französische Tor nach Italien, Janua Janua Italiae, deutlich machend, dass die Italienischen Kriege in keiner Weise ein spontaner Prozess, sondern eine von langer Hand vorbereitete und strukturierte strategische Bewegung waren.
Übersetzung: Torsten Hiltmann, Georg Jostkleigrewe
Informationen zu Fabien Lévy: hier
Zum Programm im Sommersemester 2013: hier
Fussballgeschichte – Politik und Trauma
In der legendären “Wasserschlacht von Frankfurt” der Fussball WM 1974 unterlag die polnische Fussball-Nationalmannschaft im Halbfinale der deutschen Mannschaft mit 0:1. Wie stark prägte dieses Spiel die spannungsreichen Beziehungen beider Länder zur Zeit des Kalten Krieges? Und wie stark prägt es sie noch heute bei der EM in Polen und in der Ukraine, im Jahr 2012?
Im kommenden MONTAGSRADIO 08/2012 sprechen Markus Heidmeier und Jochen Thermann mit Thomas Urban, Osteuropa-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und Buchautor von “Schwarze Adler, weiße Adler. Deutsche und polnische Fussballer im Räderwerk der Politik” über die (außen-)politische Dimension des internationalen Profifussballs und darüber, wie sehr die Geschichte des 20. Jahrhunderts den Sport beeinflusst hat. Am Montag erscheint hier das komplette Gespräch.
Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/06/01/fussballgeschichte-%E2%80%93-politik-und-trauma/