PostDoc Informatik / Digital Humanities gesucht!

An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist in der Arbeitsgruppe DMIR (Data Mining and Information Retrieval Group) von Prof. Dr. Hotho in Kooperation mit der Nachwuchsgruppe Computergestützte literarische Gattungsstilistik von Dr. Schöch zum 1.4.2015 die Stelle

 einer stellv. Projektleiterin / eines stellv. Projektleiters  (TV-L 13/14, ganztags)

im Bereich Text Mining/Machine Learning für Digital Humanities, befristet für zunächst zwei Jahre mit der Option auf Verlängerung um weitere zwei Jahre, zu besetzen. Die Stelle wird im Rahmen der oben genannten, vom BMBF geförderten Nachwuchsgruppe vorbehaltlich der Bewilligung ausgeschrieben.

Neben der Projektarbeit zur Klassifikation von literarischen Texten soll der Bewerber/die Bewerberin gemeinsam mit Dr. Schöch die Nachwuchsgruppe “Computergestützte literarische Gattungsstilistik” leiten. Dies schließt die Betreuung von Doktoranden/innen der Informatik ein. Der Bewerber/die Bewerberin sollte eine Promotion im Bereich Text Mining, Natural Langugages Processing, Machine Learning oder in verwandten Gebieten vorweisen. Erfahrung mit der Koordination von Forschungsprojekten ist von Vorteil. Die Möglichkeit zur Habilitation in der Informatik ist gegeben.

Wenn Sie sich wissenschaftlich auf internationalem Niveau weiterqualifizieren wollen und Interesse an internationaler, teamorientierter und interdisziplinärer Projekt- und Forschungsarbeit in einem Umfeld mit hervorragende technischer Ausstattung haben, dann freuen wir uns über Ihre Bewerbung.

Die Universität Würzburg strebt eine Erhöhung des Frauenanteils an und ist daher ausdrücklich an Bewerbungen entsprechend qualifizierter Frauen interessiert. Schwerbehinderte Bewerberinnen oder Bewerber werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. Die Stelle ist auch in Teilzeit besetzbar.

Bewerberinnen/Bewerber werden gebeten, ihre Unterlagen bis zum 1.3.2015 per E-Mail an hotho@informatik.uni-wuerzburg.de zu senden.

Weitere Informationen:

Auskünfte können bei Prof. Dr. Hotho (hotho@informatik.uni-wuerzburg.de) oder Dr. Schöch (christof.schoech@uni-wuerzburg.de) eingeholt werden.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4676

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Video über die Sammlung Frauennachlässe an der Uni Wien

Tagebücher: In Geschichte eingeschrieben. Die Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien from Sammlung Frauennachlässe on Vimeo.

Markus Hintermayer und Christian Steiner vom Zentralen Informatikdienst der Uni Wien haben ein zwanzigminütiges Video über die Sammlung Frauennachlässe an der Universität Wien erstellt, also sehet hin und informieret Euch!

Das Tagebuch einer pensionierten Sozialarbeiterin aus den 1990er-Jahren wird ebenso vorgestellt wie das eines Zuckerbäckers aus dem 19. Jahrhundert oder einer Wienerin, die die Zeit des Zweiten Weltkrieges in einer damals so genannten "nicht privilegierten Mischehe" (über)lebte.
Anhand dieser - und noch weiterer - Tagebuchbestände werden die Arbeit der Sammlung Frauennachlässe besprochen. Grundsätzliche Fragen der Genre-Diskussionen von auto/biographischen Quellen werden thematisiert und Projekte aus der Forschung und universitären Lehre präsentiert.


Mit: Christa Hämmerle, Li Gerhalter, Martin Scheutz und Theresa Adamski

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022394713/

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Blog: Geschichte verwalten. Studienmanagement im Historischen Seminar

http://geschichtsadmin.hypotheses.org Dieser Blog ist für Reflexionen aus der Praxis des Studienmanagements gedacht. Neben Forschung und Lehre ist auch die Administration von Forschung und Lehre inzwischen einem Professionalisierungsschub unterworfen. Das Studienmanagement (Organisation, Koordination und Kommunikation aller Fragen, die mit dem Betrieb und der Weiterentwicklung von Studium und Lehre zu tun haben) hat dabei im Fach Geschichte […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/02/5647/

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Bibliotheksreferendare im DH-Bereich

In Baden-Württemberg sind jetzt Referendarsstellen im Bibliotheksbereich ausgeschrieben, die für Wissenschaftler mit DH-Hintergrund von Interesse sein könnten. Nach freundlicher Information von Frau Dr. Hiller von Gaertringen (Karlsruhe) sucht Freiburg einen Philologen mit Schwerpunkt Digital Humanities, Karlsruhe einen Historiker mit Schwerpunkt Digital Humanities und Tübingen einen Computerlinguisten.
Nähere Infos finden Sie unter:
http://www.wlb-stuttgart.de/die-wlb/ausbildung/einstellung-von-bibliotheksreferendaren-innen-fuer-den-hoeheren-dienst-an-wissenschaftlichen-bibliotheken-in-baden-wuerttemberg/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4672

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

____

Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

____

Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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Eine Brücke zwischen Journal und Blog: Interview mit Marko Demantowsky über „Public History Weekly“ #wbhyp

PHWMareike König (MK): Public History Weekly (PHW) ist ein Blogjournal zu den Themen Geschichte und Geschichtsdidaktik, das seit etwa eineinhalb Jahren auf den Verlagsseiten von Oldenbourg/De Gruyter im Open Access angeboten wird. Was genau ist ein Blogjournal, oder anderes: Was ist das „Bloghafte“ an Public History Weekly, was entspricht eher einem Journal?

Mario Demantowsky (MD): Wir sind ein internationales und multilinguales Journal, das den öffentlichen Umgang mit Geschichte thematisiert, unsere BeiträgerInnen sind HistorikerInnen mit dem Schwerpunkt Geschichtsdidaktik und Geschichtskultur. Anfang September 2013 sind wir gestartet, seitdem haben wir 63 Ausgaben produziert mit jeweils 1 bis 2 sogenannten Initialbeiträgen. Auf diese Initialbeiträge haben bisher 190 in der Regel sehr ausführliche und fundierte Kommentare geantwortet.

In der Tat ist das Format ein neuartiger Hybrid, eher Wochenzeitschrift als Weblog. Die Ausgangsfrage lautete: Wie sollte eine Zeitschrift in unserem Fach heute beschaffen sein, damit sie möglichst viele potentiell Interessierte erreicht? Viele Features, die man vom Bloggen kennt, schienen uns für eine solche neuartige Zeitschrift außerordentlich hilfreich. Auch der Spirit des Bloggens, das unfertige, sich angreifbar machende Schreiben schien uns sehr hilfreich, um Interessierte zu erreichen.

Aber es gibt natürlich wesentliche Unterschiede zu einem Weblog, vor allem in Hinsicht Periodizität und Formatstandards. Die LeserInnen können sich auf Folgendes verlassen:

-          Die Beiträge erscheinen absolut regelmäßig zu einer festen Zeit, ja zu einer festen Minute: donnerstags, 8 Uhr MEZ.
-          Sie haben ein festes Format und erfüllen alle Ansprüche an wissenschaftliches Publizieren.
-          Die Kommentare werden redaktionell betreut. Bei PHW erscheint nichts, was nicht durch eine formale und inhaltliche Qualitätskontrolle gegangen ist.
-          Auch die Kommentare erscheinen zu festgelegten Zeiten.
-          Es ist möglich, ganz frei zu kommentieren. Wir bitten allerdings bei den meisten Beiträgen, auch 1-2 ExpertInnen um eine Stellungnahme (Peer Comment).

Aber auch von Fachzeitschriften unterscheidet uns natürlich vieles:

-          Unsere thematischen Beiträge beginnen mit einem "Initialbeitrag", der möglichst "anstößig" geschrieben, nicht für sich stehen soll, sondern auf direkte Diskussion abzielt. Die nach allen Regeln der Kunst erfolgende Erschließung in wissenschaftlichen Datenbanken bezieht sich dann auf die gesamte Texteinheit, die Initialbeiträge, Kommentare und AutorIn-Replik einschließt. Diese multiperspektivischen, kontroversen Texteinheiten sind m.E. eine ganze neue wissenschaftliche Textgattung. Damit das so sein kann, muss der Thread nach der Replik auch abgeschlossen werden. Soziales digitales Publizieren muss kein endlos mäanderndes Geschehen sein, zitierfähig wird das Ganze erst durch den Abschluss (siehe dazu auch Groebners Kritiken am digitalen Publizieren).

-          Wir arbeiten mit festen Stammautoren, die sich mindestens für 2 Jahre verpflichten. Auch diese Eigenart hat ganz pragmatische Gründe: Ein zuverlässiger wöchentlicher Erscheinungsturnus braucht im Hintergrund für Redaktion und Autoren absolut verlässliche Strukturen. Dank unserer Stammautorenriege können wir Redaktionspläne mit einem Vorlauf von 12 Monaten erarbeiten. Darüber hinaus stellt das Schreiben bei uns an unserer AutorInnen ganz neue Anforderungen, die einen formatspezifischen Professionalisierungsprozess nach sich ziehen, dem dient eine intensive Betreuung der AutorInnen durch die Redaktion ebenso wie nicht zuletzt unsere jährlichen Editorial Meetings in Basel. Dazu stossen immer wieder GastautorInnen als Überraschungsgäste.

Schließlich: Wir sind kein klassisches Verlagsprodukt und sind auch nicht auf Verlagsseiten verankert, sondern wir sind ein Kooperationsprojekt der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz mit dem De Gruyter Oldenbourg Verlag. Deshalb ist der Website auch neutral, seine technische Basis wird allerdings vom Verlag bereitgestellt und gewartet. Auch das macht unseren neuartigen Hybridcharakter aus. Wir lösen uns aus der müßigen Konfrontation von "alten" Wissenschaftsverlagen contra neuer Publikationskultur. Es ist De Gruyter Oldenbourg und dort v.a. Martin Rethmeier außerordentlich hoch anzurechnen, dass er sich auf dieses (teure) Experiment eingelassen hat.

MK: Der Untertitel von PHW lautet „Blogjournal for History and Civil Education“. Welche Themen werden in den wöchentlichen Ausgaben aufgegriffen? Wie kommen Sie auf Ihre Autorinnen und Autoren?

MD: Der Untertitel auf der Website ist renovierungsbedürftig. Bei Twitter und Facebook firmieren wir als BlogJournal for Public Use of History and History & Civics Education. Der explizit geschichtsdidaktische Bezug erscheint uns sinnvoll, weil der Einbezug des schulischen Geschehens in die kritische Geschichtskulturdebatte nach unserem Dafürhalten für beide Seiten wichtig und – zumindest in der angelsächsischen Community – neu ist. Geschichtsunterricht ist ein sublimer Ausdruck vorherrschender historischer Basisnarrative und bedarf der kritischen geschichtskulturellen Einordnung. Gleichermaßen wird man die Rezipienten musealer oder massenmedialer Angebote nicht erklären können, wenn man den Geschichtsunterricht als historische Sozialisationsinstanz außer Acht lässt. Wir wollen bei PHW die beiden Diskurse also zusammenführen.

Die thematische Wahl der einzelnen Beiträge bleibt den StammautorInnen völlig überlassen. Die jährlichen Meetings und ihre Diskussionen helfen natürlich, ein sinnvolles thematisches Spektrum näher zu bestimmen, aber für die Zuverlässigkeit der Texteinreichung bleibt die pure, wissenschaftsbetriebsferne Lust entscheidend, mit der sich AutorInnen auf uns einzulassen vermögen.

Wir haben uns in einem ersten Schritt bewusst bemüht, jüngere, namhafte und gleichwohl nicht-netzaffine ProfessorInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anzusprechen und sind dabei auf ein großes Wohlwollen gestoßen, wofür ich auch nach zwei Jahren noch dankbar bin. In einem zweiten Schritt haben wir 2013 die Riege unserer StammautorInnen multilingual erweitert. Das Ziel bestand darin, führende VertreterInnen aus den separierten Diskursen zur Public History aus Argentinien, Australien, Kanada, Mexiko, Russland, Südafrika, USA und der Türkei zu gewinnen. Auch das hat sehr gut funktioniert. Im Herbst 2015 wird es bei PHW einen weiteren Globalisierungsschub geben.

MK: Ein kurzer Blick auf die Statistik, wenn es erlaubt ist: Wie hoch sind die Zugriffe auf das wöchentlich erscheinende Blogjournal? Welche Themen laufen besonders gut, sowohl vom Zugriff als auch von den Kommentaren her?

MD: Ich habe auf diese Frage vor Monaten freimütiger geantwortet als heute. Das liegt daran, dass ich den uns zugänglichen Zählmethoden nicht mehr ganz traue. Es gibt den eigenen WordPress-Zähler, es gibt das WordPress Add-on Google Analytics Summary, und es gibt das Google Analytics Tool selbst. Jeweils differente Zahlen. Hält man sich an letzteres, was mir am zuverlässigsten scheint, sollte man bedenken, dass alle User mit Cookie-Blocker nicht erfasst werden. Das dürften gerade in unserer netzaffinen Leserschaft nicht wenige sein. Insofern sind die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln, solche Angaben sind grundsätzlich ja auch schwer nachzuprüfen ... Google Analytics bietet allerdings eine Reihe interessanter Features, die Tendenzen erkennen lassen. Mit einigen konservativen Berechnungen sind wir im vorigen Jahr  auf mindestens 4000 StammleserInnen gekommen (ca. 32.000 unique clients). Im vergangenen September haben wir auf multilingualen Betrieb umgestellt, seitdem wächst die Leserschaft, und sie wird naturgemäß internationaler.

In der Tat gibt es große Zugriffsdifferenzen zwischen den einzelnen Beiträgen. Das ist jeweils kein inhaltliches Gut/Schlecht-Kriterium, Aufsehen erregen die Besonderheiten. Inzwischen haben sich aber doch echte PHW-Stars mit stabil großem Erfolg herausgebildet, wie Prof. Dr. Markus Bernhardt, der für 2013/14 von unserem Advisory Board denn auch ausgezeichnet worden ist. Es laufen aber bei allen AutorInnen die Themen gut, die einen wirklichen Informationsgewinn versprechen, die eine These verfechten und die auch gerne Angriffsfläche bieten. Unsere Artikel sind im wahrsten Sinne anstößig, wenn sie funktionieren. Ein letzter Punkt: In den ersten Monaten hat sich das Interesse immer sehr fokussiert einzelnen Beiträgen zugewandt, inzwischen bemerken wir eine breite Diversifizierung des Interesses. Dafür ist zum einen die gestiegene Zahl der Beiträge verantwortlich (inzwischen 79). Aber vor allem auch im Nachhinein eingebaute Features wie das Issues- und das Contents-Menü, die die Vielfalt und die Vielzahl unserer Artikel wie ein klassisches Inhaltsverzeichnis dauerhaft präsent halten. Wir sind von daher nicht mehr nur eine Art von Wochenzeitschrift, sondern zunehmend auch ein Ideen- und Anregungspool.

MK: Die Beiträge des Blogjournals können kommentiert werden. Jedoch nicht beliebig: die Kommentare werden redaktionell betreut, laut Guidelines sollen sie „eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Initialbeitrag"[1] darstellen, teilweise werden Kommentare auch eingeworben, und sie werden nur zu Office-Zeiten freigeschalten. Nach einigen Wochen wird der Kommentar-Threat geschlossen. Warum diese Beschränkungen?

MD: Einiges habe ich oben schon beantwortet. Hier möchte ich nur auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Social Media hat außerhalb der "Social-Media-Bubble" einen schlechten Ruf. Dieser speist sich einerseits natürlich aus einer gewissen grundsätzlichen kulturkonservativen Distanz gegenüber dem "Neuland". (Früher musste man bei diesem Begriff übrigens auf Scholochow verweisen, heute auf Merkel. Wer Merkels Neuland-Begriff aber verstehen will, sollte die DDR-Schulpflichtlektüre "Neuland unterm Pflug" einmal nachholen. Ich schweife ab.) Andererseits stehen dahinter natürlich auch mehr oder minder substantielle Erfahrungen mit wirklichen Fehlentwicklungen in der Social-Media-Kommunikation, vor allem der Trollerei. Unsere Hauptarbeit besteht also darin, diese Widerstände zu verflüssigen, jenseits der Probleme die wissenschaftlichen Potentiale deutlich zu machen. Wir sehen uns da tatsächlich als Brückenbauer. Also haben wir ein Tool konstruiert, dass die Vorteile der Social Media für Wissenschaftskommunikation ausschöpft und gleichzeitig die Risiken zu minimieren versucht. Das erreichen wir durch eine kleine Retardierung der Echtzeitigkeit und durch vorsichtige und sehr liberale Moderation.

MK: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Kommentieren gemacht? Wie schwierig ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Kommentieren zu bringen?

MD: Sehr schwierig, oft. Zur Begründung siehe vorige Antwort. Allerdings ist schon zu sagen, dass im Sinne des Formats gute, also anstößige Beiträge nicht lange auf Kommentare zu warten brauchen. Uns liegt aber auch schon sehr daran, zusätzlich ExpertInnen-Stimmen in die Diskussionen einzuladen, die von sich aus wegen der hinlänglich bekannten strapazierten Zeitbudgets vielleicht nicht kommentieren würden. Manch prominente Stimme will auch grundsätzlich eingeladen werden. Das zu den "Peer Comments".

Dazu kommt, das gilt aber ebenso für die Initialbeiträge: Viele KollegInnen sind es gar nicht gewöhnt, für eine echte Öffentlichkeit zu schreiben, so wie wir sie fachspezifisch sicher erreichen. Man wacht aus dem Schreiben von länglichen Sammelbandbeiträgen auf und soll für uns kommentieren, am besten von einem Tag auf den anderen. So schnell, so öffentlich und widersprechbar, da werden bei manchen offenbar doch Gefühle der Beklemmung geweckt. Das kann zurzeit sicher gar nicht anders sein, aber es markiert auch die große kulturelle Herausforderung, vor der sich die hochspezialisierte Wissenschaft, heute im digitalen Wandel mehr als je zuvor, plötzlich wieder sieht. Die berufliche Dimension "public intellectual" haben viele KollegInnen gar nicht mehr auf dem Zettel.

MK: Haben Sie Tipps und Hinweise für Bloggende, die mehr Kommentare einwerben möchten? Was ist zu beachten? Oder werden Kommentare überschätzt?

MD: Nein, Kommentare werden nicht überschätzt, sondern sind das Elixier des digitalen und sozialen Publizierens.

Das Grundproblem, angesehene WissenschaftlerInnen zum Kommentieren zu bringen, ist ein ökonomisches: Das Zeitbudget ist so extrem verknappt, der Arbeitsstau so hoch, dass man – wenn schon nicht nach dem finanziellen – dann nach dem Kriterium des Reputationsgewinns Aufgaben sortieren und aussortieren muss. Wir haben durch die Zusammenarbeit mit einem angesehenen Verlag, durch die Auswahl der StammautorInnen und des Advisory Boards, durch die Investition in Datenbankerschließung und in das Layout versucht, das Reputationsproblem zu lösen. Das war und ist für uns eine große Herausforderung, vor allem in der Perspektive einer nachhaltigen Etablierung von Reputationszuweisung! Ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

MK: Kann eine Mischform zwischen Blog und Journal, wie es „Public History Weekly“ darstellt, dem Bloggen zu mehr wissenschaftlicher Akzeptanz verhelfen?

MD: Ja, das hoffe ich. Allgemeiner besteht die Hoffnung darin, das mehr und mehr KollegInnen über die Brücke von PHW sich der Kommunikation in den sozialen Medien annehmen, verstehen, welches Potential diese Formate bereitstellen und wie wichtig es ist, dass ihre Stimmen auch dort gehört werden und zur Geltung kommen.

MK: Bloggen Sie selbst? Wenn ja, worüber?

MD: Ich setze mich als geschäftsführender Herausgeber von PHW auch der Beurteilung und der Diskussion um eigene Initialbeiträge aus. Das führt manchmal in einen double bind, aber es macht mir auch Spaß. Neben meiner aufreibenden Tätigkeit in Basel, meinen "normalen" wissenschaftlichen Verpflichtungen und der Redaktionsarbeit bei PHW komme ich leider nicht zu einem eigenen Weblog (meine Professur pflegt allerdings einen). In einer idealen Welt hätte ich dafür Zeit, irgendwann hoffentlich ist es möglich. Ich verstehe und schätze das Prinzip des Wissenschaftsbloggens und bin ein wirklich großer Bewunderer der bloggenden KollegInnen, die ich jetzt nicht einzeln nennen möchte, die aber wissen, dass ich sie meine.

MK: Wie geht es weiter mit dem Blogjournal? Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Wird die Waage eher in Richtung Journal oder eher in Richtung Blog ausschlagen?

MD: Wir kultivieren erst einmal unseren Hybridcharakter. Ich glaube, nur so können wir unsere Brückenfunktion wahrnehmen. Bis 2016 läuft der Kooperationsvertrag, ist unsere Finanzierung gesichert. Meine Hochschule investiert einen erheblichen Betrag in die Redaktionsarbeit, der Verlag in die technische Basis und das Marketing. Wie es ab 2016 weitergeht, wissen wir im Moment noch nicht. Insbesondere unsere neuartige Multilingualität sorgt für Kosten, die wir ursprünglich nicht budgetiert hatten. Wir starten dazu in diesem Frühjahr ein Crowdfunding, und es wäre für das Projekt insgesamt von größter Bedeutung, dass sich möglichst viele unserer LeserInnen bereit finden könnten, etwas dazu beizutragen.

MK: Vielen Dank für das Interview!

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Das Interview versteht sich als Beitrag zur Blogparade "Wissenschaftsbloggen - zurück in die Zukunft #wbhyp". Marko Demantowsky hat die Fragen schriftlich beantwortet.

 

  1. Siehe Guidelines von Public History Weekly, http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/contribute/.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2358

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Eine kurze Geschichte der Kinderbetreuung

Barack Obama und seine Partei der Democrats haben ein neues Thema auf die Tagesordnung gesetzt: erste Priorität für die Betreuung und vorschulische Bildung von Kindern. Zumindest in Sonntagsreden ist dieses Thema auch hierzulande seit mehreren Jahren ein Dauertopos. Nur, woher kommt das eigentlich? Warum müssen Kinder inzwischen ganztags betreut werden? Reichen die Familien nicht mehr aus, handelt es sich hier um ein weiteres Ausgreifen eines wildgewordenen Wohlfahrtsstaats, der in die Familien hineinregiert?

Nein. Den Staat musste man hier eher zum Jagen tragen. Der gewaltige Bedarf an vorkindlicher Betreuung und Bildung, der zweifellos existiert, kommt durch die Eltern. Es gibt ihn aber noch nicht wirklich lange. Woher also kommt das? Die Antwort darauf finden wir bei einem kurzen Blick in die Geschichte, der vielleicht auch hilft, einen Kontext für die aktuellen Diskussionen herzustellen.

Die Idee, dass Kinder besondere Bedürfnisse haben und daher besondere Fürsorge benötigen - also nicht einfach nur "kleine Erwachsene " oder "unfertig" sind - ist noch nicht sehr alt und hat erst im 19. Jahrhundert begonnen, sich langsam durchzusetzen. Angesichts der sozialen Missstände jener Zeit - Stichwort Kinderarbeit - war die Frage vorkindlicher Betreuung ein reines Elitenproblem. Alle anderen mussten die Kinder so früh wie möglich für den Broterwerb einspannen und überließen sie vorher sich selbst, beziehungsweise häufig der Fürsorge einer Amme oder einer ähnlichen Einrichtung.

Tatsächlich ist überraschend, wie groß der Anteil der Eltern, die ihre kleinen Kinder in fremde Pflege gaben, früher tatsächlich war. Im Paris der Zeit vor der Französischen Revolution etwa waren über 90% der Kinder unter drei Jahren in Pflege, und zwar rund um die Uhr. Die Eltern gaben die Kinder häufig  direkt nach der Geburt weg und holten sie erst mit zwei bis vier Jahren wieder zu sich - mit oftmals traumatischen Folgen für die Kinder, die dabei ihre Bezugspersonen komplett verloren. Von den üblichen pädagogischen Maßnahmen jener Tage überhaupt nicht zu reden, die größtenteils aus Schlägen bestanden, oder von der Verfütterung von hochprozentigem Alkohol als Beruhigungsmittel selbst für Säuglinge.

Es dauerte bis ins 20. Jahrhundert hinein ehe sich die Idee durchgesetzt hatte, dass die Kindheit eine schützenswerte Phase im Leben der Kinder sei. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings etwas bemerkenswertes geschehen: der Kapitalismus, seiner übelsten Auswüchse durch progressive Gesetzgebung beraubt, hatte sich zu einer Wundermaschine für die Wohlstandsentwicklung entpuppt. Der Lebensstil des Bürgertums, früher nur einer schmalen Schicht vorbehalten, wurde nun von allen Schichten imitiert. Wir sehen dies in einem gewaltigen Rückgang der Frauenerwerbsquoten zugunsten des Ein-Ernährer-Modells selbst in den Arbeiterschichten.

Genau diese Entwicklung aber - die ökonomische Basis für das Ein-Ernährer-Modell - schaffte eine permanent verfügbare Bezugsperson, die sich zu 100% Haushalt und Kindeserziehung widmen konnte: die Ehefrau. Durch den größten Teil des 20. Jahrhunderts hindurch ermöglichte es dieser historische Ausnahmezustand, sowohl die Rechte der Kinder zu schützen und gewaltige Fortschritte in Fürsorge und Pädagogik zu machen, was zu den wohl gesündesten, gebildetsten und glücklichsten Kindergenerationen in der Geschichte der Menschheit führte. Doch durch die Entwicklung seit den 1980er Jahren, gerne landläufig unter "Neoliberalismus" zusammengefasst, wurde die ökonomische Basis dieser Arbeitsteilung in Frage gestellt - flankiert von einem ideologischen Angriff auf das Rollenmodell der Hausfrau durch die beginnende Frauenbewegung, die darin zu Recht ein Unterdrückungsmodell erkannte.

Wenn jedoch sowohl Männer als auch Frauen dem freiheitsspendenden Vollerwerb nachgehen, so wiederholt sich das Dilemma des 19. Jahrhunderts auf materiell überlegendem Niveau: wer versorgt die Kinder, wenn man diese nicht frühzeitig in das System des Broterwerbs einbinden will (was heutzutage auch keine praktische Alternative mehr darstellt, selbst wenn man alle ethischen Bedenken beiseite lässt)? Da sich gleichzeitig auch die traditionellen Großfamilien aufgelöst haben, stehen die Großeltern nicht mehr als kostenlose Arbeitskräfte zur Verfügung. Angesichts der gewaltigen, von der Bevölkerungsmehrheit nicht zu stemmenden Kosten professioneller Betreuung bleibt als einzige Alternative daher der Staat übrig.

Das direkte Resultat ist ein rasch steigender Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen, der auch in Zukunft kaum abebben dürfte. Er resultiert zwingend aus den Auflösungen traditioneller Familien- und Erwerbsstrukturen. In der bisherigen Debatte wurden diese Teile immer getrennt gedacht - das heißt, dass von konservativer Seite die Auflösung der Familie, von progressiver Seite häufig (und paradoxerweise) der Abschied vom Ein-Ernährer-Modell beklagt wurde. Beide hängen aber zwingend miteinander zusammen. Das Problem nur auf seine moralische oder nur seine ökonomische Komponente zu reduzieren hilft niemandem, am allerwenigsten den Kindern.

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2015/02/eine-kurze-geschichte-der.html

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