Erstes Treffen des DARIAH-DE Stakeholdergremiums “Wissenschaftliche Sammlungen” in Göttingen

Am 23.07.2014 fand an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen das erste Treffen des Stakeholdergremiums „Wissenschaftliche Sammlungen“ statt. Das Expertengremium wird als regelmäßiges Plenum des Austausches zwischen Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen, BibliothekarInnen, ArchivarInnen und InformationswissenschaftlerInnen dienen, um fachwissenschaftliche Anforderungen an digitale wissenschaftliche Sammlungen zu artikulieren. Ziel des Gremiums ist es, Erfahrungen im Umgang sowie potentielle Nutzungsszenarien von wissenschaftlichen Sammlungen zur Sprache zu bringen, die von DARIAH-DE entwickelten Konzepte und Nutzungsszenarien in Bezug auf wissenschaftliche Sammlungen kritisch zu evaluieren, entsprechende Empfehlungen und Konzepte zu erarbeiten und für ihre Dissemination Sorge zu tragen sowie weitere relevante Fragen im Bereich zu identifizieren und zu diskutieren.

Mehr Informationen hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3867

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Round Table „Annotation von digitalen Medien”

von Luise Borek und Ruth Reiche, Technische Universität Darmstadt

Wer kennt ihn nicht, den Drang beim Lesen eines Textes ein paar Zeilen zu unterstreichen, eine Notiz an den Rand zu schreiben oder wichtige Stellen mit einem Post-It zu versehen, um sie bei Bedarf schnell wieder zu finden? Annotieren ist ein urmenschliches Bedürfnis, im Analogen wie auch im Digitalen. Doch ist bei einer Transformation vom Analogen ins Digitale ein Mehrwert zu erwarten, der Annotationspraktiken als Arbeitsinstrument für die Geistes- und Kulturwissenschaften neue Qualitäten verleiht, insofern digitale Annotationen medienübergreifend wirken, leicht mit anderen geteilt und von anderen ergänzt werden können und so die Entstehung von Wissen über einen längeren Zeitraum nachvollzogen werden kann.

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Prinzipiell können alle Arten von digitalen Objekten annotiert werden, nicht nur Texte, sondern z.B. auch Bilder oder Videos. In diesem thematischen Kontext hat sich der Round Table „Annotation von digitalen Medien” positioniert, organisiert von der HRA Heidelberg und mit TeilnehmerInnen verschiedener Fachdisziplinen aus Berlin, Darmstadt, Essen, Heidelberg und Rom. Er fand am 5. und 6. Juni 2014 im Heidelberger Karl Jaspers Centre statt. Anhand konkreter Beispiele aus den jeweiligen Forschungsprojekten ist die Runde gemeinsam fünf Kernfragen digitalen Annotierens nachgegangen:

  1. Was sind Annotationen?
  2. Wer nutzt Annotationen?
  3. Zu welchem Zweck?
  4. Wie werden sie eingesetzt?
  5. Warum überhaupt Annotationen?

Die Frage danach, was Annotationen sind, entspringt dem Bedürfnis einer definitorischen Abgrenzung des Gegenstandsbereichs. Auch wenn alles, was auf ein ‚Datum’ referenziert, ein ‚Metadatum’ ist, so gehen Annotationen doch über rein deskriptive Metadaten hinaus. Vielmehr können manuelle Annotationen als Mikro-Publikationen eines Autors oder einer Autorin verstanden werden, denen maschinell generierte Annotationen gegenüberstehen. Bei einer solchen Gegenüberstellung darf allerdings nicht vergessen werden, dass letzteren die Leistung zum Design des automatisierten Verfahrens vorausgeht. Weiter können wissenschaftliche, private sowie projektinterne Annotationen unterschieden werden, die sich in ihrem Zugang unterscheiden (öffentlich vs. privat) sowie in ihrer Dauerhaftigkeit (persistent vs. flüchtig). Mit diesen drei Typen und ihren Anforderungen sind auch schon unterschiedliche Nutzergruppen impliziert.

Doch aus welchem Grund annotieren welche Nutzer? Hier sind verschiedene Szenarien denkbar, die stark vom jeweiligen Workflow abhängen, in dem die Annotationen auftreten und der somit ihre Anforderungen bedingt. In einem kollaborativen Arbeitsprozess besitzen Annotationen z.B. oftmals vorläufigen Charakter. Erst nach erfolgter Prüfung werden diese im späteren Verlauf durch feststehende Annotationen abgelöst. Letztere bedürfen selbstverständlich eines anderen Status als ihre kurzlebigen (und nicht mehr benötigten?) Vorgänger, denn die Grundlage der Wissenschaftlichkeit besteht in der Nachprüfbarkeit von Belegen. Deshalb sind persistente Annotationen für wissenschaftliche Nachnutzbarkeit dringend notwendig. Konsequent umgesetzt entsteht ein verlässliches Netzwerk des Wissens, das die Idee des Konzepts ‚Linked Data’ mittels eines standardisierten Referenzsystems für wissenschaftliche Kontexte weiterdenkt.

Neben den bereits skizzierten Themenfeldern rund um das Annotieren eröffnet sich mit Fragen nach Raum- und Zeitkomponenten von zu annotierenden Objekten ein weiterer Bereich, der in diesem Kontext noch wenig diskutiert wurde: Objekte verändern sich über die Zeit. Folglich wird nicht ein Objekt annotiert, sondern dessen Zustand bzw. eine Version des Objekts, die das vorliegende Digitalisat repräsentiert.

Der Round Table hat sich als ein geeignetes Format für praxisorientierten Austausch über Annotationen erwiesen und allen TeilnehmerInnen Anregungen für ihre Forschungsprojekte gegeben. Im Rahmen von DARIAH-DE kann das Annotationscluster als Plattform für weitere Gespräche über dieses verbindende Thema fungieren. Zu diesem Zweck ist bereits eine Mailingliste eingerichtet. Wir laden alle Interessierten zum Erfahrungsaustausch ein und freuen uns auf rege Diskussionen. Let’s post-it!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3831

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Veranstaltungshinweis “Mit Netz und offenen Daten – Kulturgut digital” am 12. September 2014 am Zuse-Institut Berlin

*Mit Netz und offenen Daten – Kulturgut digital, 12. September 2014, Zuse-Institut Berlin*

logo-thicklinesAus der Ankündigung:

Wir möchten am 12. September 2014 einen Tag lang die Möglichkeiten und Herausforderungen der nachhaltigen Digitalisierung und Langzeitverfügbarkeit von digitalem Kulturgut erkunden. Wir laden Sie ein zu einem Streifzug durch die Berliner Digitalisierungsprojekte 2013 und 2014 und möchten mit Ihnen darüber sprechen, wie man Kulturdaten nicht nur zugänglich, sondern sie nachhaltig verfügbar machen und öffnen kann. Dazu wollen wir mit Ihnen, den digiS-Projektpartnern und Gästen von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Open Knowledge Foundation, der Deutschen Digitalen Bibliothek, Wikimedia Deutschland, der Europeana und der Stiftung Deutsche Kinemathek in den “Paardialog” treten. Überdies können wir Tim Renner, Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten Berlin, als Gast auf unserer Veranstaltung begrüßen.

Das ausführliche Programm und die Anmeldung finden Sie auf unserer Webseite. Anmeldeschluss ist der 05. September 2014. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos.

Mit freundlichen Grüßen

Anja Müller

 

digiS – Servicestelle Digitalisierung
Anja Müller
Projektkoordination
 
Zuse-Institut Berlin
Takustraße 7
D-14195 Berlin
 
t +49-30-84185-363
f +49-30-84185-269
manja.mueller@zib.de
mdigis@zib.de
www.servicestelle-digitalisierung.de

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3819

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Neuerscheinung: Facing the Future – European Research Infrastructure for the Humanities and Social Sciences

Die Konferenz “Facing the Future”, die im November 2013 gemeinsam vom European Strategy Forum on Research Infrastructures (ESFRI), dem Europäischen Akademienverband All European Academies (ALLEA), der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und dem Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (Rat SWD) im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts “Bestandsaufnahme und Analyse geistes- und sozialwissenschaftlicher Grundlagenforschung an den europäischen Wissenschaftsakademien” organisiert wurde, hat ihre Ergebnisse in einem Buch zusammengefasst: “Facing the Future – European Research Infrastructure for the Humanities and Social Sciences” von Adrian Dusa Dietrich Nelle, Günter Stock und Gert G. Wagner (Herausgeber).

Ein pdf des Buches befindet sich hier.

ISBN 978-3-944417-03-5

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3816

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Tipp: Versöhnung durch Kunst?


Eine Auseinandersetzung mit indigenen australischen Soldaten im Ersten Weltkrieg

“Wenn manche Leute sagen, das ist ein verborgener Teil unserer Geschichte, dann muss man fragen: Für wen waren diese Dinge verborgen?” Dass zahlreiche indigene Soldaten im Ersten Weltkrieg in der australischen Armee gekämpft haben, scheinen sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik des Landes lange Zeit vergessen zu haben.

Obwohl ihnen in der Armee Gleichstellung versprochen wurde, hat man ihre Leistungen nach Ende des Krieges nur wenig gewürdigt. Und erst seit etwa zwanzig Jahren gesteht die Regierung öffentlich das staatlich verschuldete Unrecht gegenüber der indigenden Bevölkerung an. Tom Wright, der Stellvertretende Direktor der Sydney Theatre Company, setzte sich direkt zu Beginn des Gedenkjahres 2014 in dem Theaterstück “Black Diggers” mit der Rolle der Aborigines in den australischen Truppen auseinander.

Dirk Fuhrig vom Deutschlandfunk hat einen spannenden Beitrag über das Theaterstück gemacht, das Sie hier hören können.

 

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/340

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Earth System Governance Konferenz 2014

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Vom 1.-3. Juli 2014 fand die “Earth System Governance Conference 2014: Access and Allocation in the Anthropocene” an der University of East Anglia in Norwich (England) statt. Umweltprobleme wie zum Beispiel Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Wasserqualität und Bodenerosion machen es notwendig, die Beziehung zwischen Mensch und Natur zu überdenken, um ein nachhaltige Entwicklung auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene zu ermöglichen. Dies erfordert jedoch neue Strategien und Transformationsansätze.

Vor diesem Hintergrund entstand bereits 2009 das Earth System Governance Projekt. Earth System Governance wird definiert als “interrelated system of formal and informal rules, rule-making mechanisms and actor-networks at all levels of human society (from local to global) that are set up to steer societies towards preventing, mitigating, and adapting to global and local environmental change and earth system transformation, within the normative context of sustainable development”. Earth System Governance beleuchtet fünf Hauptthemen: „agency“ (wer ist verantwortlich bzw. wer agiert und wie?), “adaptiveness“ (Anpassungsfähigkeit von Governance-Systemen), „accountability“ (demokratische Qualität des Governance-Systems) und „access und allocation“ (Gerechtigkeit und Fairness).

Schwerpunkte der Konferenz 2014 waren insbesondere die Themen Zugang zu und Verteilung von Ressourcen sowie transformative Wege zur Nachhaltigkeit. Die Konferenz brachte in verschiedenen Diskussionsrunden und Vorträgen über 200 Experten aus Wissenschaft und Praxis aus allen Kontinenten zusammen. Vorgestellt und diskutiert wurden neue Ansätze und Forschungsprojekte zu innovativem Lernen, Umweltgerechtigkeit, Resilienz, der Rolle verschiedener Akteure und Klimawandel.

Insbesondere junge ForscherInnen kamen bei der Konferenz auf Ihre Kosten: in einem eintägigen „Early Career Researcher Workshop“ wurden transdisziplinäre Forschungsansätze, Konzepte der transformativen Wege zu Nachhaltigkeit und die besondere Rolle und Bedeutung junger ForscherInnen diskutiert. Auch hatte ich im Rahmen der Konferenz selbst die Möglichkeit, ein eigenes Forschungsprojekt zum Thema umweltbezogene Gesundheit und die Rolle von Jugendlichen in der Entwicklung lokaler Risikokommunikationsprogramme am Beispiel von Mexiko vorzustellen.

Sponsoren und Partner der Konferenz waren die University of East Anglia, Earth System Governance, Tyndall Centre for Climate Change Research, Future Earth Research for Global Sustainability, United Nations University, UNU-IAS, Environmental Change Institute, University of Oxford, Post 2015 Project on Sustainability Transformation beyond 2015, PBL Netherlands Environmental Assessment Agency und COST. Die nächste Earth System Governance Konferenz wird 2015 in Canberra, Australien, stattfinden.

 

Quelle: http://nachhaltig.hypotheses.org/276

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Ausstellungsrezension: Ritterturnier – Geschichte einer Festkultur im Schaffhauser Allerheiligenmuseum

Für Archivalia habe ich die sehr gelungene Schaffhauser Ausstellung “Ritterturnier – Geschichte einer Festkultur” besprochen, die hier im Blog bereits kurz angekündigt wurde. Ich habe diese zuerst im Rahmen einer Proseminarexkursion mit über 20 Studierenden, dann noch einmal als Individualtourist besucht. Besonders gelungen ist die sorgfältige Auswahl der Ausstellungsstücke und deren Einbindung in ein Gesamtkonzept, das kultur-, sozial- und alltagshistorische Erzählstränge ebenso berücksichtigt, wie die Entwicklung der Turniersachkultur. Dass man einen nachgebauten Turnierhelm auch mal anprobieren kann, hat nicht nur meine Studierenden, sondern auch mich selbst sehr beeindruckt.

Die ganze Ausstellungsbesprechung findet sich bei Archivalia, Ausschnitte seien hier zitiert:

“Man kann darüber streiten, ob die im Begleittext [zu Ausstellung und begleitendem Ritterturnier] gewählten Formulierungen „originalgetreu”, „höchstmögliche Authentizität” oder „lebendig und historisch korrekt” sinnvoll gewählt sind,1 die Ergänzung der Ausstellung durch das Reenactment eines Turniers weisen aber auf einen äußerst gelungenen Aspekt der Schaffhauser Ausstellung hin: die praktische Erfahrbarkeit des Turnierwesens für den Ausstellungsbesucher. So finden sich im Verlauf der Ausstellung zahlreiche Objekte, die von den Besucherinnen und Besuchern angefasst und anprobiert werden können, beispielsweise verschiedene Turnierhelme und fein geplättelte Turnierhandschuhe.

Damit ist ein zentraler Fokus der Ausstellung angesprochen: Die Entwicklung der Turnierrüstung. So beginnt die Ausstellung im ersten Raum mit der Präsentation von Rüstungselementen und Helmen aus der Antike, die eigenen Beständen des Allerheiligenmuseums entnommen sind, um dann – das Frühmittelalter wird weitgehend ausgespart – die Entwicklung von Helmen, Rüstung und Waffen bis in die Frühe Neuzeit in den Blick zu nehmen. Die Objekte sind sorgsam ausgewählt und verfügen fast ausnahmslos über qualitativ hochwertige Beschreibungen – ein großer Pluspunkt der Schaffhauser Ausstellung!

Auf diese Weise kommt die Ausstellung völlig ohne die sonst ubiquitären Audioguides aus. Die einzelnen Objektbeschreibungen werden durch längere – aber nicht zu lange – Texte zu den thematisch konzipierten Räumen der Ausstellung ergänzt. Für Kinder sind in jedem Raum kurze Texte angebracht, in denen Fragen zu den Ausstellungsstücken des Raums formuliert werden. Die thematische Gliederung der Ausstellung in Sinnabschnitte, die zumeist in eigenen Räumen unter Formulierung eines Leitmottos präsentiert werden, gibt der Schaffhauser Ausstellung einen klaren roten Faden. Auf die Entwicklung von Rüstungen und Waffen (besonders interessant: die Helmhaube Erzherzog Sigismunds von Tirol), folgt der anhand des Schaffhauser Turnierberichts von 14362 sowie des Turnierbuchs von René d’Anjou geschilderte Ablauf eines Turniers. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Rolle der Frauen als handelnde Subjekte geschenkt. Zur Illustration des Turnierablaufs wurden Darstellungen aus Handschriften in einer Filmsequenz stark vergrößert.”

[…]

Zum Abschluss des Rundgangs durch 600 Jahre Turniergeschichte, werden die Besucherinnen und Besucher durch einen großen Raum geführt, in dem lebensgroße Rüstungen (Stechzeug Erzherzog Sigmunds von Tirol) ausgestellt, Turnierszenen aus Maximilians Freydal nachgebaut (inklusive eines “Stechsattel im Hohen Zeug” von Anfang des 15. Jahrhunderts) sowie Helme und Handschuhe zum Anprobieren bereitgestellt werden. So wird unter anderem nochmal der Unterschied zwischen Stech- und Rennzeug deutlich zu machen. Der Raum kann somit sinnbildlich für die gesamte Ausstellungskonzeption gelten, die das Turnierwesen auf vielfältige Weise “erfahrbar” machen will. Insofern ist die Schaffhauser Ausstellung eine sinnvolle Umsetzung der oft eingeforderten „Wenden“: material und performative turn.3

“Insgesamt beeindruckt die Schaffhauser Ausstellung nicht nur durch die vielfältig aufgezeigten Perspektiven auf das Turnierwesen, sondern auch aufgrund der gelungenen Darstellung. Sucht man nach Verbesserungsvorschlägen, so ist vor allem die Kontextualisierung im Rahmen der Entwicklung des Adels in Hoch- und Spätmittelalter sowie Früher Neuzeit anzuführen. Insbesondere für interessierte Laien wäre es hilfreich gewesen, begleitend zur ausführlichen Entwicklung des Rüstungswesens zu Beginn der Ausstellung auch die Wandlungsprozesse des Adels und das Aufkommen eines Rittertums seit dem Hochmittelalter vorgestellt zu bekommen.4 Schließlich sind diese für das Entstehen des ritterlichen Turniers zentral. Das Turnier ist eben kein Phänomen des Mittelalters an sich, sondern insbesondere eines des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In diesem Sinn wären auch Angaben in den Objektbeschreibungen zu präzisieren, die den generischen Singular „im Mittelalter“ aufweisen (so bsw. auch in der Beschreibung von Sporen des 17. Jahrhunderts), gerade weil diese „statischen“ Beschriftungen mit dem sonst so deutlich in der Ausstellung verankerten Konzept konkurrieren, das darauf abzielt, die Entwicklung und Veränderungen des Turnierwesens aufzuzeigen.

Von dieser Kritik unbeachtet, ist es der Schaffhauser Ausstellung auf beeindruckende Weise gelungen, ein facettenreiches Bild des Turnierwesens in Spätmittelalter und Früher Neuzeit zu entwerfen. Gerade im Vergleich zu sonstigen Großausstellungen der vergangenen Jahre sticht die sinnvoll in eine Gesamtkonzeption der Ausstellung eingebettete Auswahl der Ausstellungsobjekte hervor. Ebenso gut gelungen: Die Konzeption der Ausstellung ist ohne Audioguide erfahrbar, ohne die Besucherinnen und Besucher mit einem Übermaß an Texten zu erschlagen. Die Objekte sind fast durchweg sehr gut beschrieben und schlagen eine gelungene Brücke zwischen der Entwicklung der materiellen Turnierobjekte und der Schilderung des Turnierwesens in kultur- und sozialhistorischer Perspektive. Die Ausstellung wird durch einen Katalog abgerundet, der Essays zur Geschichte und Entwicklung des Turniers aufbietet, (leider nur) die wichtigsten Objekte der Ausstellung vorstellt, sowie zentrale Quellen zu Ablauf und Charakter des Turniers in deutscher Übersetzung versammelt.5

Für den Rest ihrer Laufzeit, bis zum 21. September 2014, ist der vom Direktor des Allerheiligenmuseums, Peter Jezler, kuratierten Schaffhauser Ausstellung großer Zuspruch zu wünschen: Sie ist für Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler, interessierte Laien und Kinder gleichermaßen lehrreich.”

  1. Vgl. meinen Beitrag: Ausstellung und Tagung zu Ritterturnieren in Schaffhausen, in: Mittelalter am Oberrhein, 17. März 2014
  2. Vgl. Karl Stehlin: Ein spanischer Bericht über ein Turnier in Schaffhausen im Jahr 1436, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 14 (1915), S. 145-176, wiederabgedruckt auch im Katalog der Ausstellung: Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014, S. 231-235.
  3. Jay Winter, Introduction. The performane of the past. Memory, history, identity, in: Performing the past. Memory, History, and Identity in modern Europe, hg. von Karin Tilmans, Frank van Vree und Jay Winter, Amsterdam 2010, S. 11-31; Jan Keupp/ Romedio Schmitz-Esser, Einführung in die „Neue alte Sachlichkeit“: Ein Plädoyer für eine Realienkunde des Mittelalters in kulturhistorischer Perspektive, in: Blog: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte: http://mittelalter.hypotheses.org/3904 13.06.2014.
  4. Auch der von Peter Jezler verfasste Beitrag “Grundlagen” im Katalog schildert zwar sehr gelungen, die Entwicklung von Rüstungen, Turnierablauf und Turniercharakter, geht aber auf die allgemeinen sozialgeschichtlichen Wandlungsprozesse weniger ein: Vgl. Peter Jetzler, Grundlagen, in: Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014, S. 15-23.
  5. Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/534

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Ausstellungsrezension: Ritterturnier – Geschichte einer Festkultur im Schaffhauser Allerheiligenmuseum

Für Archivalia habe ich die sehr gelungene Schaffhauser Ausstellung “Ritterturnier – Geschichte einer Festkultur” besprochen, die hier im Blog bereits kurz angekündigt wurde. Ich habe diese zuerst im Rahmen einer Proseminarexkursion mit über 20 Studierenden, dann noch einmal als Individualtourist besucht. Besonders gelungen ist die sorgfältige Auswahl der Ausstellungsstücke und deren Einbindung in ein Gesamtkonzept, das kultur-, sozial- und alltagshistorische Erzählstränge ebenso berücksichtigt, wie die Entwicklung der Turniersachkultur. Dass man einen nachgebauten Turnierhelm auch mal anprobieren kann, hat nicht nur meine Studierenden, sondern auch mich selbst sehr beeindruckt.

Die ganze Ausstellungsbesprechung findet sich bei Archivalia, Ausschnitte seien hier zitiert:

“Man kann darüber streiten, ob die im Begleittext [zu Ausstellung und begleitendem Ritterturnier] gewählten Formulierungen „originalgetreu”, „höchstmögliche Authentizität” oder „lebendig und historisch korrekt” sinnvoll gewählt sind,1 die Ergänzung der Ausstellung durch das Reenactment eines Turniers weisen aber auf einen äußerst gelungenen Aspekt der Schaffhauser Ausstellung hin: die praktische Erfahrbarkeit des Turnierwesens für den Ausstellungsbesucher. So finden sich im Verlauf der Ausstellung zahlreiche Objekte, die von den Besucherinnen und Besuchern angefasst und anprobiert werden können, beispielsweise verschiedene Turnierhelme und fein geplättelte Turnierhandschuhe.

Damit ist ein zentraler Fokus der Ausstellung angesprochen: Die Entwicklung der Turnierrüstung. So beginnt die Ausstellung im ersten Raum mit der Präsentation von Rüstungselementen und Helmen aus der Antike, die eigenen Beständen des Allerheiligenmuseums entnommen sind, um dann – das Frühmittelalter wird weitgehend ausgespart – die Entwicklung von Helmen, Rüstung und Waffen bis in die Frühe Neuzeit in den Blick zu nehmen. Die Objekte sind sorgsam ausgewählt und verfügen fast ausnahmslos über qualitativ hochwertige Beschreibungen – ein großer Pluspunkt der Schaffhauser Ausstellung!

Auf diese Weise kommt die Ausstellung völlig ohne die sonst ubiquitären Audioguides aus. Die einzelnen Objektbeschreibungen werden durch längere – aber nicht zu lange – Texte zu den thematisch konzipierten Räumen der Ausstellung ergänzt. Für Kinder sind in jedem Raum kurze Texte angebracht, in denen Fragen zu den Ausstellungsstücken des Raums formuliert werden. Die thematische Gliederung der Ausstellung in Sinnabschnitte, die zumeist in eigenen Räumen unter Formulierung eines Leitmottos präsentiert werden, gibt der Schaffhauser Ausstellung einen klaren roten Faden. Auf die Entwicklung von Rüstungen und Waffen (besonders interessant: die Helmhaube Erzherzog Sigismunds von Tirol), folgt der anhand des Schaffhauser Turnierberichts von 14362 sowie des Turnierbuchs von René d’Anjou geschilderte Ablauf eines Turniers. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Rolle der Frauen als handelnde Subjekte geschenkt. Zur Illustration des Turnierablaufs wurden Darstellungen aus Handschriften in einer Filmsequenz stark vergrößert.”

[…]

Zum Abschluss des Rundgangs durch 600 Jahre Turniergeschichte, werden die Besucherinnen und Besucher durch einen großen Raum geführt, in dem lebensgroße Rüstungen (Stechzeug Erzherzog Sigmunds von Tirol) ausgestellt, Turnierszenen aus Maximilians Freydal nachgebaut (inklusive eines “Stechsattel im Hohen Zeug” von Anfang des 15. Jahrhunderts) sowie Helme und Handschuhe zum Anprobieren bereitgestellt werden. So wird unter anderem nochmal der Unterschied zwischen Stech- und Rennzeug deutlich zu machen. Der Raum kann somit sinnbildlich für die gesamte Ausstellungskonzeption gelten, die das Turnierwesen auf vielfältige Weise “erfahrbar” machen will. Insofern ist die Schaffhauser Ausstellung eine sinnvolle Umsetzung der oft eingeforderten „Wenden“: material und performative turn.3

“Insgesamt beeindruckt die Schaffhauser Ausstellung nicht nur durch die vielfältig aufgezeigten Perspektiven auf das Turnierwesen, sondern auch aufgrund der gelungenen Darstellung. Sucht man nach Verbesserungsvorschlägen, so ist vor allem die Kontextualisierung im Rahmen der Entwicklung des Adels in Hoch- und Spätmittelalter sowie Früher Neuzeit anzuführen. Insbesondere für interessierte Laien wäre es hilfreich gewesen, begleitend zur ausführlichen Entwicklung des Rüstungswesens zu Beginn der Ausstellung auch die Wandlungsprozesse des Adels und das Aufkommen eines Rittertums seit dem Hochmittelalter vorgestellt zu bekommen.4 Schließlich sind diese für das Entstehen des ritterlichen Turniers zentral. Das Turnier ist eben kein Phänomen des Mittelalters an sich, sondern insbesondere eines des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In diesem Sinn wären auch Angaben in den Objektbeschreibungen zu präzisieren, die den generischen Singular „im Mittelalter“ aufweisen (so bsw. auch in der Beschreibung von Sporen des 17. Jahrhunderts), gerade weil diese „statischen“ Beschriftungen mit dem sonst so deutlich in der Ausstellung verankerten Konzept konkurrieren, das darauf abzielt, die Entwicklung und Veränderungen des Turnierwesens aufzuzeigen.

Von dieser Kritik unbeachtet, ist es der Schaffhauser Ausstellung auf beeindruckende Weise gelungen, ein facettenreiches Bild des Turnierwesens in Spätmittelalter und Früher Neuzeit zu entwerfen. Gerade im Vergleich zu sonstigen Großausstellungen der vergangenen Jahre sticht die sinnvoll in eine Gesamtkonzeption der Ausstellung eingebettete Auswahl der Ausstellungsobjekte hervor. Ebenso gut gelungen: Die Konzeption der Ausstellung ist ohne Audioguide erfahrbar, ohne die Besucherinnen und Besucher mit einem Übermaß an Texten zu erschlagen. Die Objekte sind fast durchweg sehr gut beschrieben und schlagen eine gelungene Brücke zwischen der Entwicklung der materiellen Turnierobjekte und der Schilderung des Turnierwesens in kultur- und sozialhistorischer Perspektive. Die Ausstellung wird durch einen Katalog abgerundet, der Essays zur Geschichte und Entwicklung des Turniers aufbietet, (leider nur) die wichtigsten Objekte der Ausstellung vorstellt, sowie zentrale Quellen zu Ablauf und Charakter des Turniers in deutscher Übersetzung versammelt.5

Für den Rest ihrer Laufzeit, bis zum 21. September 2014, ist der vom Direktor des Allerheiligenmuseums, Peter Jezler, kuratierten Schaffhauser Ausstellung großer Zuspruch zu wünschen: Sie ist für Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler, interessierte Laien und Kinder gleichermaßen lehrreich.”

  1. Vgl. meinen Beitrag: Ausstellung und Tagung zu Ritterturnieren in Schaffhausen, in: Mittelalter am Oberrhein, 17. März 2014
  2. Vgl. Karl Stehlin: Ein spanischer Bericht über ein Turnier in Schaffhausen im Jahr 1436, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 14 (1915), S. 145-176, wiederabgedruckt auch im Katalog der Ausstellung: Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014, S. 231-235.
  3. Jay Winter, Introduction. The performane of the past. Memory, history, identity, in: Performing the past. Memory, History, and Identity in modern Europe, hg. von Karin Tilmans, Frank van Vree und Jay Winter, Amsterdam 2010, S. 11-31; Jan Keupp/ Romedio Schmitz-Esser, Einführung in die „Neue alte Sachlichkeit“: Ein Plädoyer für eine Realienkunde des Mittelalters in kulturhistorischer Perspektive, in: Blog: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte: http://mittelalter.hypotheses.org/3904 13.06.2014.
  4. Auch der von Peter Jezler verfasste Beitrag “Grundlagen” im Katalog schildert zwar sehr gelungen, die Entwicklung von Rüstungen, Turnierablauf und Turniercharakter, geht aber auf die allgemeinen sozialgeschichtlichen Wandlungsprozesse weniger ein: Vgl. Peter Jetzler, Grundlagen, in: Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014, S. 15-23.
  5. Ritterturnier. Geschichte einer Festkultur, hg. von Peter Jezler, Peter Niederhäuser und Elke Jezler, Luzern 2014.

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/534

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„Zürcher Erklärung zur digitalen Kunstgeschichte“ veröffentlicht

Wie hier im Blog bereits angekündigt, hat die Tagung „Digitale Kunstgeschichte: Herausforderungen und Perspektiven“ vom 26. und 27. Juni 2014 in acht Workshops fachspezifische Positionen und Forderungen zu drängenden Fragestellungen im Zeichen des digitalen Wandels erarbeitet und als Endergebnis die „Zürcher Erklärung zur digitalen Kunstgeschichte“ veröffentlicht, die den Anliegen der kunstwissenschaftlichen Community Ausdruck gibt.

Weitere Informationen und die Möglichkeit die Erklärung zu unterzeichnen gibt es unter: http://sik-isea.ch/Aktuell/Veranstaltungen/DigitalArtHistory/tabid/359/Default.aspx

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Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3801

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