Verführung ist nicht Hypnose

In der letzten Zeit hatte ich in meinem privaten Umfeld ohne Bezug zu aktuellen Ereignissen immer wieder eine Debatte zu einem Thema, das mich seither nicht mehr loslässt. Konkret geht es um die Frage der "Verführung" besonders der Jugend im Dritten Reich. Wer 1933 um die 5-10 Jahre alt war, kann man dem tatsächlich einen Vorwurf machen, wenn er 1945 mit fanatischer Begeisterung in den Endkampf zieht und dazwischen ebenso begeistert in der Hitlerjugend mitgemacht hat? Viele Narrative sagen "nein" - von Filmen wie "Napola" zu Büchern wie "Die Welle". Die Grundidee ist immer dieselbe: die massive Propaganda, gepaart mit der attraktiven Mitgliedschaft in Organisationen wie der HJ, habe die Leute verführt - sie konnten sich praktisch gar nicht mehr eine eigene Meinung bilden, konnten nicht klar sagen, ob das was sie taten "richtig" war oder nicht, weil ihre Maßstäbe für "richtig" von den Nazis hemmungslos verschoben worden waren. Ich habe ziemliche Probleme mit dieser Story.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2018/06/verfuhrung-ist-nicht-hypnose.html

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Die loyale Opposition

Im Jahr 1939 wurde auch den naivsten Beobachtern der politischen Szene Europas klar, dass das Deutsche Reich unter Adolf Hitler an einer Aufrechterhaltung internationaler Normen und friedlicher Zusammenarbeit nicht interessiert war. Für Großbritannien und Frankreich war die Situation verheerend. Sie hatten einen Großteil der 1930er Jahre ihre jeweiligen Armeen vernachlässigt, während Deutschland massiv aufgerüstet hatte. Die französische Armee war zudem doktrinal veraltet. Nach dem endgültigen Scheitern des Münchner Abkommens versuchten die beiden Verbündeten frenetisch, ihren Rückstand aufzuholen und sich auf den kommenden Konflikt mit Deutschland vorzubereiten. Die Art in der sie dies jedoch taten wies entscheidende Unterschiede auf, die sich aus den jeweiligen innenpolitischen Begebenheiten der Westeuropäer erklären lassen. Es ist lohnenswert, diese Umstände kurz zu rekapitulieren, denn die französische und britische Innenpolitik 1938-1940 unterscheiden sich drastisch durch die Art der Opposition, und diese Unterscheidung durchzieht auch heute wie eine Kluft die westlichen Länder und teilt sie in unterschiedliche Lager ein. Eine Betrachtung dieser Zeit hilft uns daher zu verstehen, was eine loyale Opposition ist, ehe wir sehen können wie es sich in der westlichen Welt heute damit verhält und warum sie von so entscheidender Bedeutung ist.


Frankreich war von den Wirren der Weltwirtschaftskrise ähnlich stark erschüttert wie Deutschland und litt immer noch unter den Verheerungen des Ersten Weltkriegs. Die Vorstellung, mit der leidenden Wirtschaft auch noch ein militärisches Aufrüstungsprogramm finanzieren zu müssen, das zudem im Kriegsfall wieder zu gewaltigen Zerstörungen und Verlusten führen würde, war der Republik verständerlicherweise ein Graus (der deutschen Bevölkerung auch, aber die wurde nicht gefragt).

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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2018/05/die-loyale-opposition.html

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Unbewältigte Vergangenheit in Polen

Polen erlebt seit den letzten Wochen eine ungeheur aufgeladene Debatte über seine Rolle im Holocaust. Hintergrund ist ein Gesetz, das von der rechtsradikalen Regierung verabschiedet wurde und unter Strafe stellt, die nationalsozialistischen Vernichtungslager "polnische Lager" zu nennen. Ist hier nur die Sensibilität der Polen (nicht zu Unrecht) berührt, wird das Gesetz problematisch, wo es darüber hinausgeht. Unter Strafe gestellt wird nämlich auch zu erklären, dass Polen am Holocaust beteiligt waren - und das ist nachweislich der Fall. Nicht als Massenphänomen, selbstverständlich, aber es kam vor. Und wie in ganz Osteuropa gab (und gibt) es auch in Polen einen virulenten Antisemitismus. Und über alledem darf man nicht vergessen, dass die Polen selbst ein Hauptopfer der Nationalsozialisten waren. Das Thema insgesamt ist also hoch komplex und auf vielerlei Ebenen problematisch.

Zuerst die historischen Fakten. Vom ersten Tag des nationalsozialistischen Aggressionskriegs gegen die Polen verübten die Wehrmacht und die ihr nachfolgende SS Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung.

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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2018/02/unbewaltigte-vergangenheit-in-polen.html

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Im Zweiten Weltkrieg nichts Neues

Die Firma Activision ist in Gamer-Kreisen für viele Blockbuster-Spiele bekannt. Einer der größten Hits des Konzerns aber ist die First-Person-Shooter Serie "Call of Duty". Von ihren Wurzeln als Zweiter-Weltkrieg-Shooter (Teile 1-5) entwickelte die Serie dann mit "Modern Warfare" ein zweites Standbein, das sich durch äußerst kontroverse (sprich: geschmacklos effektheischende) Spielinhalte und Storyelemente in einer fiktiven nahen Zukunft auszeichnete. Nachdem die Serie russische und laeinamerikanische Invasoren sowie arabische Terrororganisationen als Gegner ausgeschlachtet hat, kehrt sie nun mit "Call of Duty: World War 2" zu ihren Wurzeln zurück und lässt Spieler als aufrecher alliierter Soldat über den europäischen Kriegsschauplatz fechten. Das ist aus mehreren Gründen mehr als problematisch. 


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/09/im-zweiten-weltkrieg-nichts-neues.html

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Der lange Weg nach Charlottesville – Von Truman bis Trump (Gesamtartikel)

Anmerkung: Dieser Artikel ist eine ge-updatete (upgedatete?) Gesamtversion meiner fünfteiligen Reihe. Einige Details wurden hinzugefügt bzw. korrigiert, mehr Links gesetzt und ähnliche Kleinigkeiten korrigiert. Diese Version ist daher aktueller als die Einzelteile. Viel Vergnügen!


Wenn du dich mit dem Teufel einlässt

Verändert sich nicht der Teufel

Der Teufel verändert dich.

- Max California

Die Ereignisse in Charlottesville im August 2017, bei denen Neonazis und andere Rechtsextremisten ihren Hass verbreiteten und ein Rechtsterrorist eine Gegendemonstratin ermordete und weitere schwer verletzte, waren traumatisch. Nicht nur wegen des Gewichts der Ereignisse selbst - die USA sind nicht gerade ein Neuling auf dem Gebiet rechter Gewalt - sondern wegen der Reaktion des Präsidenten, der die Nazis verteidigte und der Ermordeten eine Mitschuld an ihrem Tod gab. Entsprechend viel Händeringen gab es in Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, als habe sich Trump just in diesem Moment als der rassistische Kretin entlarvt, der er ist, und als ob das nicht schon immer sichtbar gewesen wäre. Interessanter als der orangene Schandfleck im Weißen Haus ist aber die Partei, die ihn dorthin gebracht hat. Kongressabgeordnete der Republicans etwa waren schockiert - schockiert! - dass so etwas passieren konnte. Dabei ist Charlottesville keine Anomalie, sind die rechten Hetzer keine Randgruppe ohne Bezug zur GOP. Charlottesville, die Präsidentschaft Trumps und seine Wähler sind vielmehr der logische Schlusspunkt einer langen Entwicklung.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-von.html

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Der lange Weg nach Charlottesville, Teil 5 (Trump)

Teil 5 der Serie. Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier.

Die Nominierung Trumps ging nicht ohne Widerstand von sich, so viel muss man zugeben. Aber dieser Widerstand war sehr verhalten. Die große Lehre aus dem Vorwahlkampf von 2012 war für viele Bewerber und Beobachter, dass Trump - genauso wie andere aufgeblasene Amateure wie Herman Cain - implodieren würde, und dass seine bisherigen Unterstützer dann von dem aufgesammelt werden könnten, der ihn nicht direkt angegriffen hatte. Entsprechend äußerten sich die Kandidaten selten gegen Trump, wenn es sich vermeiden ließ, und attackierten sich gegenseitig. Selbst als nach dem Super Tuesday deutlich wurde, dass Trump eine ernstzunehmende Gefahr war, waren sie nicht in der Lage, für das Ganze zusammenzuarbeiten. Chris Christie blieb lange genug im Rennen um Marco Rubio zu demontieren, John Kasich hoffte bis zum Schluss auf einen Putsch bei der RNC-Convention, Marco Rubio hielt weit länger aus als dass er eine realistische Chance besaß, und keiner von ihnen konnte sich dazu durchringen, das kleinere Übel Ted Cruz zu unterstützen. So siegte Trump am Ende nicht, weil er eine Mehrheit der Republicans hinter sich hatte, sondern weil seine Gegner diese Mehrheit unter sich aufspalteten.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-teil_29.html

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Der lange Weg nach Charlottesville, Teil 4 (Obama)

Teil 4 des Artikels. Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

In einem extrem knappen Wahlkampf setzte sich Barrack Obama 2008 gegen Hillary Clinton durch. Als erster schwarzer Präsidentschaftskandidat sah er sich einer Reihe von Untersuchungen und Diskursen ausgesetzt, die weiße Kandidaten so natürlich nicht kannten. War er als Sohn einer weißen Frau "schwarz genug"? War er auf Rassenkrieg aus? Unterstützte er Reparationen? War er vielleicht am Ende kein loyaler Amerikaner, weil er den Staat ablehnte, der Schwarze unterdrückte? Besonders die letzte Frage zeigte dabei das versteckte schlechte Gewissen der weißen Mehrheit im Land. Am Ende war an allen Befürchtungen wenig dran. Auch wenn schwarze Aktivisten wie Ta-Nehisi Coates oder Cornell West weiterhin von der mangelnden Radikalität Obamas enttäuscht sind, so war dieser Präsident doch der Traum eines jeden moderaten Zentristen. Moderate Zentristen allerdings gab es nur bei den Democrats. Die Republicans, geschockt vom Sieg Obamas, vollzogen innerhalb von kaum zwei Jahren die Wandlung in eine rechtsradikale Partei.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-teil_26.html

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Der lange Weg nach Charlottesville, Teil 3 (Clinton bis Bush)

Teil 3 des Artikels, Teil 2 hier, Teil 1 hier.

Dieser Rechtsschwenk kam nicht ohne Grund. Die Democrats waren nach drei verlorenen Präsidentschaftswahlen fest entschlossen, den verlorenen Boden wieder gut zu machen, den die Republicans seit Reagans Wahl besetzt hielten. Ihr Problem waren die großen Verluste in der weißen Mittelschicht, die sich von der law&order-Rhetorik der Republicans auf der einen Seite angezogen und von der Konzentration der Democrats auf Arme und Arbeiterschicht auf der anderen abgestoßen fühlten. Da die Schwarzen inzwischen mit satten Mehrheiten jenseits der 80% die Democrats wählten, kam ein Nachvollziehen des Rassismuschwenks der GOP nicht in Frage. Es war ein Politiker aus Arkansas, der den Gordischen Knoten durchschlug: Bill Clinton. Der junge Gouverneur erfand eine neue Strategie für die Democrats, die den Erfolg der Republicans für ihre eigene Klientel adaptierte und die Mehrheitsverhältnisse im Land dramatisch und dauerhaft verändern sollte: triangulation.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-teil_25.html

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Der lange Weg nach Charlottesville, Teil 2 (Ford bis Bush)

Teil 2 des Artikels. Teil 1 hier.

Im Zusammenhang mit dem Wahlkampf 2015/16 hatte ich einen Erklärartikel geschrieben, der die moderne Republican Party sezierte und zwei Säulen ausmachte: auf der einen Seite die Business Republicans, auf der anderen Seite die social conservatives. Die erste Säule war mit der Präsidentschaft Nixons bereits fest verankert: die Republicans hatten sich mit den Interessen des Kapitals verflochten und hingen der Idee an, dass Deregulierung und niedrige Steuersätze der Schlüssel zum Durchbrechen der ökonomischen Malaise der 1970er Jahre (stagflation) sein mussten, eine Idee, die in dem Jahrzehnt deutlich an Einfluss gewann und ab Mitte der Dekade auch die Democrats erreicht hatte - die New-Deal-Koalition war endgültig tot. Das lange Sterben der Gewerkschaften begann, und mit ihnen die kurze Zeit der Bindung der Arbeiter an die Democrats. Es würde bis Bill Clinton dauern, ehe die Democrats einen Ausweg aus diesem Dilemma finden würden. Auf der anderen Seite war die geringe Breitenattraktivität dieses ökonomischen Programms durch die Klammer eines verhohlenen Rassismus' und Versprechens auf law&order mit einer soliden (weißen) Bevölkerungsmehrheit verbunden. Dieses Fundament allerdings war wackelig.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-teil_20.html

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Der lange Weg nach Charlottesville, Teil 1 (Truman bis Nixon)


Wenn du dich mit dem Teufel einlässt
Verändert sich nicht der Teufel
Der Teufel verändert dich.
-Max California
Die Ereignisse in Charlottesville vergangene Woche, bei denen Neonazis und andere Rechtsextremisten ihren Hass verbreiteten und ein Rechtsterrorist eine Gegendemonstratin ermordete und weitere schwer verletzte, waren traumatisch. Nicht nur wegen des Gewichts der Ereignisse selbst - die USA sind nicht gerade ein Neuling auf dem Gebiet rechter Gewalt - sondern wegen der Reaktion des Präsidenten, der die Nazis verteidigte und der Ermordeten eine Mitschuld an ihrem Tod gab. Entsprechend viel Händeringen gab es in Medien, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, als habe sich Trump just in diesem Moment als der rassistische Kretin entlarvt, der er ist, und als ob das nicht schon immer sichtbar gewesen wäre. Interessanter als der orangene Schandfleck im Weißen Haus ist aber die Partei, die ihn dorthin gebracht hat. Kongressabgeordnete der Republicans etwa waren schockiert - schockiert! - dass so etwas passieren konnte. Dabei ist Charlottesville keine Anomalie, sind die rechten Hetzer keine Randgruppe ohne Bezug zur GOP. Charlottesville, die Präsidentschaft Trumps und seine Wähler sind vielmehr der logische Schlusspunkt einer langen Entwicklung.


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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2017/08/der-lange-weg-nach-charlottesville-teil.html

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