Eine kurze Geschichte des Faschismus und Nationalsozialismus, Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Mussolinis Standarte
Vereinfachend kann man sagen, Liberalismus ziele auf die Selbstverwirklichung des Individuums, Sozialismus auf Gleichheit der Menschen und Kommunismus auf radikale Gleichheit aller Menschen. Der Faschismus hat keine so prägende Botschaft im Angebot. „Faschismus“ hat seinen Ursprung im italienischen „fascio“, das Rutenbündel der römischen Liktoren. Das verweist, etwas diffus, auf Gemeinschaft. Es ist eine Rücknahme auf ein Herrschaftssymbol des römischen Reiches, das durch das Rutenbündel den Anspruch verkündet, eine zerfallende Gesellschaft zusammenzuhalten. „Faschismus“ teilt sich dabei in zahlreiche Spielarten auf, meist nach Ländern und Parteien. Auftrieb beziehungsweise Gründung erhält der Faschismus mit dem Zerfall des Habsburger-Reiches; in Österreich der Austro-Faschismus, in Ungarn das Horthy-Regime, in Rumänien die „Eiserne Garde“, in Kroatien die Ustascha. Der Antisemitismus ist im Faschismus ein eher untergeordnetes Element; als Vernichtungsdrohung ist er eine Eigenart des Nationalsozialismus. Auch in Westeuropa gibt es Varianten. In Frankreich Jean Marais, in Spanien Franco (hier jedoch wegen der stark kirchlichen Prägung eher eine Katholo-Diktatur mit faschistischen Einschlägen als Faschismus, der eigentlich dezidiert anti-klerikal ist), in England Mosley (eher skurril und ohne Massenbasis), in Finnland, Belgien und Holland, sektenhaft auch in der Schweiz. Im Zweiten Weltkrieg entsteht in Norwegen ein faschistisches Marionettenregime unter Vidkun Quisling, der aber stark von Deutschland abhängig bleibt.

Meist wird von „dem“ Faschismus geredet. Dies geht auf den Ursprung in den 1920er Jahren zurück, als „die“ Faschisten in Italien in post-habsburgischer Subformation entstanden. Die Kommunisten mitteleuropäischer Länder diskutierten das Phänomen intensiv. Auf dem V. Weltkongress der Komintern 1924 wird „Faschismus“ zum Etikett für den ideologischen Feind: „Kampfbegriff der Großbourgeoisie gegen das Proletariat“. Selbstverständlich ist das äußerst simplifizierend und bleibt auch nicht unwidersprochen; Clara Zetkin in Deutschland, aber auch italienische Kommunisten hielten es für falsch, allesin kommunistischem Verständnis anti-demokratische automatisch als „faschistisch“ zu etikettieren und zu reduzieren, da man die Gegner sonst nicht differenzieren könne. Trotzdem nahm die Komintern diese Klassifikation vor. Dazu passt die KPD-Etikettierung der SPD als „Sozialfaschisten“ (siehe "Eine kurze Geschichte des Kommunismus"). In der Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde in den westlichen Ländern, die Kriegsgegner der NS-Diktatur waren, über „den“ Faschismus nachgedacht. Ab 1939/40 bildete sich langsam eine westliche Faschismustheorie, die in Gegensatz zur östlichen Theorie tritt, obwohl auch sie von „dem“ Faschismus redet. Die westliche Theorie nimmt natürlich viel weniger Bezug auf den Kapitalismus, sondern befasst sich in ihren Überlegungen vorrangig mit dem italienischen und deutschen Faschismus. Kennzeichnungen sind wichtig: die Symbole, die Uniformen, die Diktatur und die allgemeine Gewalttätigkeit. Damit fällt aber auch der Stalinismus in dieses Erklärungsraster, weswegen es vom Erklärungspotenzial her ungenügend ist. Deswegen differenziert man die rote und die braune Diktatur und fasst sie unter dem Topos „Totalitarismus“ zusammen, was auch eine Vergleichbarkeit impliziert. Bekannt ist hier vor allem Hannah Arendt, eine aus Königsberg stammende jüdische Intellektuelle und spätere Emigrantin mit ihrem „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Ernst Nolte versucht später, den Totalitarismus-Ansatz zu zerstören und den Faschismus als spezifisch europäisches Phänomen einer spezifisch europäischen Epoche zu erklären.

Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bezieht sich „Faschismus“ ausnahmslos auf den italienischen Faschismus, der schon allein wegen der nicht vorhandenen antisemitischen Komponente vom deutschen Faschismus abzugrenzen ist. Die italienischen Rutenbündel sind im italienischen Selbstverständnis als Form von Gemeinschaftsbildung enthalten. Der Repräsentant der italienischen Faschisten ist Benito Mussolini.

Benito Mussolini
Mussolini wurde 1883 geboren. Er war ab 1900 Mitglied der sozialistischen Partei und wurde 1912 Redakteur der Zeitschrift Avanti!. 1914 erfolgt durch Mussolinis Fürsprache für den Krieg der Bruch mit den Sozialisten. 1921 wurde die Fascio di Combattimento gegründet, die starke Ähnlichkeiten zur SA aufweist und bald Parteistatus erlangte. Sie machte rechte Politik, die in der durch die Nachkriegswirren stark verunsicherten italienischen Gesellschaft starken Anklang fand. 1922 wurde der „Marsch auf Rom“ initiiert, der eine Propagandamaßnahme zur Übernahme des Ministerpräsidentenamtes vom König durch Mussolini, gedeckt durch die konservativen Parteien Italiens war. Auf dieser Grundlage wurden die politischen Kompetenzen immer mehr auf Mussolinis Person hin zur Diktatur gebündelt, was 1928 seinen Abschluss fand. Ab dieser Zeit verschmolz die Begriffsbildung des „Duce“ mit der Person Mussolinis. 1929 schloss er die berühmten Lateran-Verträge mit dem Vatikan, der die Herrschaftsform Mussolinis akzeptierte, während Mussolini gleichzeitig dem Vatikan Immunität zusicherte. 1936 wurde Äthiopien, 1939 Albanien annektiert. 1940 trat Mussolini auf Seiten Hitlers in den Zweiten Weltkrieg ein, der kein Eroberungskrieg im faschistischen Sinne war, sondern Mussolini wird zum Partner einer imperialistischen Politik, die alte Strukturen entfernen und zerstören will, machte. 1943 wurde er abgesetzt und Chef einer Marionettenregierung in Norditalien; 1945 von italienischen Partisanen ermordet.

Mussolini wollte die Einheit der Nation durch Vereinigung der Volksmassen, ohne dabei die humanwirtschaftliche Form grundlegend zu verändern, was ihn deutlich vom Sozialismus unterscheidet. Mussolinis politisches Konzept fußt auf der Beseitigung des Parlamentarismus und der Begründung eines autoritären Ein-Parteien-Staats. Das ist eine explosive Verbindung von revolutionär-sozialistischen und imperialistischen Strömungen im Zeitalter der Weltkriege und der Massengesellschaft. Diese Verbindung ist die Grundbedingung des Faschismus. Dazu gehört die Stilisierung der Führungsfigur, oft mit archaischer Symbolik. Mussolini setzt damit für alle nachfolgenden „Führer“ das Vorbild. Der italienische Nationalismus kommt noch hinzu; er fußt auf der späten Bildung des italienischen Nationalstaats in einem über Jahrhunderte von fremden Mächten besetzten Land. Dazu kommt, dass sowohl in Italien als auch in Deutschland einzig der Erste Weltkrieg als Katalysator für Gemeinschaftsgefühl gelten kann.

Mussolini bei einer Rede, 1932
Ein ideologisches Element des Faschismus ist auch der Vitalismus, eine starke Lebensphilosophie mit Beschwörung des Lebens, innerhalb derer aufklärerische Geschichtskategorien wie Fortschrittsglauben nicht inhärent sind. Stattdessen wird die Gesetzmäßigkeit der Geschichte außer Kraft gesetzt und ein Bezug auf eine mystisch verklärte Vorzeit geschaffen. Damit ist auch eine ganz andere Vorstellung von Zukunft verbunden; ebenfalls anti-historistisch findet sie ihren Niederschlag beispielsweise in der Rede vom tausendjährigen Reich; es gibt quasi keine Zukunft mehr nach dem Sieg des Nationalsozialismus. Mussolini selbst beschwor die Vergangenheit des Römischen Reiches und schwor Italien auf dessen Wiedererrichtung ein. Der Faschismus richtet sich sowohl gegen die Individualisierung und Egoisierung des Liberalismus als auch die Gleichheit des Sozialismus. Auch gegen die konservative Vorstellung des „wir und anderen“ richtet sich der Faschismus, der eine massenorientierte, zusammengehörige Gesellschaft schaffen will. Er richtet sich also gegen die elitären Bestrebungen des Liberalismus wie die proletarisch-linke Massenbewegung des Bolschewismus.

Der Aspekt der Gemeinschaftsbildung findet sich auch im Nationalsozialismus, dort im Aspekt der „Volksgemeinschaft“, die älter als er ist und bereits im Ersten Weltkrieg entstand. Im Gegensatz zur italienischen Variante ist die deutsche rassistisch aufgeladen. Der zweite Aspekt des Faschismus ist der Vitalismus (durch die amerikanische Faschismus-Forschung in die Diskussion gekommen). Man beschwört „Leben“ als Bezugsgröße anstelle von „Vernunft“, „Fortschritt“, „Geschichte“ oder „Gesetz“. Leben folgt dabei eigenen, irrationalen Gesetzen. Es ist eine natürliche Größe und enthält die „Vernunft“ der Natur. Das impliziert eine Ähnlichkeit mit dem Konservatismus, die jedoch nicht besteht. Diese Ähnlichkeit im Begrifflichen führt zu der Unterstützung durch die Konservativen, die die Diskrepanz nicht rechtzeitig erkennen. Der dritte Aspekt ist die Theorie des nationalen Imperialismus, was bei Mussolini auffallender ist als bei Hitler, vor allem durch die Selbstinszenierung des „imperium romanum“ und der Zentrierung auf antike Figuren. Diese Stärke der Nation soll nach außen gewendet werden; bei den Italienern findet das im Abessenienkrieg statt. Bei den Deutschen findet als Stärkung der Volksgemeinschaft im Inneren statt, die dann nach außen gewendet werden soll; vordergründig als Revision des Versailler Vertrags, in Wahrheit ungemein aggressiv auf den „Ostraum“ gerichtet. Dort findet sich auch eine Parallele zum imperium romanum, wobei die Italiener nicht so stark in kulturelle Besonderheiten und Bevölkerungsgruppen eingreifen wollen. Dazu kommt der Herrscherkult des Duce, der auf die Errichtung eines möglichst starken Staates zielt (bei Mussolini als antiker Krieger, bei Hitler als Grabenkämpfer des Ersten Weltkriegs). Zur Erreichung dieser Ziele muss Gewalt angewendet werden. Das sagt die Propaganda zwar nicht, sie sorgt aber dafür, dass sich dieser Schluss von selbst einbürgert. Die Führerfigur nimmt dabei die Position eines Ersatz-Monarchen ein. Im Nationalsozialismus ist der Führerkult auch dazu da, den rassistischen Terror im Reich zu vernebeln. In der Geschichtsreflexion wird der Monarch sowohl in Deutschland als auch Italien als Militärlenker dargestellt.

Die Gliederung der italienischen Gesellschaft erfolgte politisch nach diesem Konzept nicht nach Parteien, sonder nach „Ständen“. Stände sind in diesem Verständnis Berufsstände (Bauernstand, Soldatenstand, …). Dieses System macht starke Anleihen, etwa bei der katholischen Soziallehre mit ihren Naturständen (Männer und Frauen, Jungmänner und Jungfrauen). Man wiederrief den Parlamentarismus und die Antithese Kapitalismus-Sozialismus. Letztlich geht es bei diesem korparativen Modell nur um eines: sämtliche arbeitenden Menschen sollen durch den Staat kontrolliert werden. Besonders der Nationalsozialismus übte dabei einen Rückgriff auf eine Bauernideologie aus, die am 19. Jahrhundert angelehnt ist, ohne auf realen Grundlagen zu fußen.

Mussolini und Hitler im Wagen
Der letzte Aspekt des Faschismus ist der radikale Antikommunismus. Er ist die wesentliche Position des Faschismus, weil er eine massive Gegnerposition aufbaut. Der Faschismus ist ein Todfeind des marxistischen Internationalismus und des Klassenfeindgedankens, was sämtliche Gemeinsamkeiten hinwegwischt. Ersetzt wird das durch den radikalen Nationalismus und den Gemeinschaftsdrang; im deutschen Fall wird der Klassenfeind allerdings durch den Rassenfeind ersetzt.

Sieht man den Nationalsozialismus als Spielart des europäischen Faschismus – und das muss man – muss man auf Antisemitismus, Führerkult, Gewaltbereitschaft und Feindschaft zum liberalen Parlamentarismus hinweisen. Er bildet die radikalste Variante des europäischen Faschismus. Damit ist der Nationalsozialismus eng mit dem eigentlich entgegengesetzten Stalinismus verwandt. Das ist auch der Grund, warum vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Pakts im Westen die Totalitarismustheorie entwickelt wurde. In einer starken Verallgemeinerung werden dabei Stalinismus und Hitlerismus generalisiert in Verbindung gesetzt – und eine ungemeine Begriffsverwirrung ausgelöst. Mit dem Nationalsozialismus gehen drei wichtige Topoi einher:

1)      Völkisches Denken
2)      Rassenantisemitismus
3)      Ideologie des Lebensraums (der nur „höherwertigen“ Rassen zusteht)

Diese drei Elemente heben den Nationalsozialismus vom europäischen Faschismus ab, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert haben.

Magazin
Das völkische Denken reflektiert den Grundtatbestand, dass es in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert lange keinen Nationalstaat gab. Es gab ebenso lange keine politische Nation. Diese leitet sich aus den Befreiungskriegen gegen Napoleon her; seine für das 20. Jahrhundert wichtige Ausprägung erhält das völkische Denken aber erst ab 1871 mit der Gründung des kleindeutschen Nationalstaats. Auf diesem Boden entstehen die Konzepte von "völkisch" und "Volk" und ihrer Bedeutungen. Das ist aber keine reine Angelegenheit der Deutschen, sondern in sich ein Zerfallsprodukt der Habsbjurger Monarchie, aber auch eine ideologische Reaktion auf die einbrechende Moderne, was in teils absurden Weltbildern resultiert. „Volk“ eliminiert die Grenzen des Nationalstaats vollkommen. Damit liegt es nahe, auch die internationalen Normen, in denen Nationalstaaten aufeinander Bezug nehmen und sich normieren, zu ignorieren. „Volk“ erhält seine Legitimität im Kampf gegen andere Völker, nicht Nationen. Juristisch wurde das vor allem von Carl Schmitt festgezurrt. Bis zum Ersten Weltkrieg ist das völkische Denken antimodernistisch; durch

den Ersten Weltkrieg wird es aggressiv. Dazu ist das völkische Denken offen für jede Form von Biologismus. Es bestreitet damit auch sämtliche Ideen von Menschenrechten, die seit dem 18. Jahrhundert besonders im angelsächsischen Raum formuliert wurden. Stattdessen habe jedes Volk natürliche Feinde, die es zu erkennen und bekämpfen gebe. Daraus ergibt sich die Metapher der Schädlingsbekämpfung, die sich im nationalsozialistischen Antisemitismus auch wiederfindet. Das gilt als Naturbegebenheit, der man nicht entrinnen kann. Man braucht also seine Feinde nicht zu hassen. Das wird im Völkermord wichtig, der vollkommen emotionslos organisiert und durchgeführt wird. Das ist auch der Grund, warum diese Intelligenz ihr Tun niemals als verbrecherisch akzeptieren konnte. Schon allein
wegen dieser expliziten Ablehnung der Nationalstaatlichkeit wurde der Massenmord im „rechtsfreien“ Osten durchgeführt.

Der Rassenantisemitismus ist auch in nicht-faschistischen Gesellschaften präsent. Der Antisemitismus ist ein europäisches Phänomen seit dem Mittelalter; der Rassenantisemitismus ist ebenso europäisches Phänomen seit dem 19. Jahrhundert. Die Verbindung von Rassenantisemitismus und völkischem Denken jedoch ist spezifisch deutsch und macht den Nationalsozialismus aus. Dieser erkennt somit die Juden als „natürlichen Feind“, will diesen selektieren und vernichten. Die deutsche Bevölkerung bis zum Ersten Weltkrieg hatte den Vernichtungsgedanken im völkischen Denken niemals realisiert; er war ihr völlig fremd. In den 1920er Jahren wird diese Form des Antisemitismus neben Hitler auch von den völkischen Studenten getragen. Das verkoppelt sich mit dem sozialdarwinistischen Denken; als weitere Feinde werden Slawen und Zigeuner (Roma und Sinti) ausgemacht.

Teil 2 folgt.

Bildnachweise: 
Wappen - Flanker (gemeinfrei)
Mussolini - George Grantham Bain (gemeinfrei)
Mussolini 2 - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Hitler - Zenner (CC-BY-SA 2.0)
Magazin - Hist. Lexikon Bayerns (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/02/eine-kurze-geschichte-des-faschismus.html

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Eine kurze Geschichte des Faschismus und Nationalsozialismus, Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Mussolinis Standarte
Vereinfachend kann man sagen, Liberalismus ziele auf die Selbstverwirklichung des Individuums, Sozialismus auf Gleichheit der Menschen und Kommunismus auf radikale Gleichheit aller Menschen. Der Faschismus hat keine so prägende Botschaft im Angebot. „Faschismus“ hat seinen Ursprung im italienischen „fascio“, das Rutenbündel der römischen Liktoren. Das verweist, etwas diffus, auf Gemeinschaft. Es ist eine Rücknahme auf ein Herrschaftssymbol des römischen Reiches, das durch das Rutenbündel den Anspruch verkündet, eine zerfallende Gesellschaft zusammenzuhalten. „Faschismus“ teilt sich dabei in zahlreiche Spielarten auf, meist nach Ländern und Parteien. Auftrieb beziehungsweise Gründung erhält der Faschismus mit dem Zerfall des Habsburger-Reiches; in Österreich der Austro-Faschismus, in Ungarn das Horthy-Regime, in Rumänien die „Eiserne Garde“, in Kroatien die Ustascha. Der Antisemitismus ist im Faschismus ein eher untergeordnetes Element; als Vernichtungsdrohung ist er eine Eigenart des Nationalsozialismus. Auch in Westeuropa gibt es Varianten. In Frankreich Jean Marais, in Spanien Franco (hier jedoch wegen der stark kirchlichen Prägung eher eine Katholo-Diktatur mit faschistischen Einschlägen als Faschismus, der eigentlich dezidiert anti-klerikal ist), in England Mosley (eher skurril und ohne Massenbasis), in Finnland, Belgien und Holland, sektenhaft auch in der Schweiz. Im Zweiten Weltkrieg entsteht in Norwegen ein faschistisches Marionettenregime unter Vidkun Quisling, der aber stark von Deutschland abhängig bleibt.

Meist wird von „dem“ Faschismus geredet. Dies geht auf den Ursprung in den 1920er Jahren zurück, als „die“ Faschisten in Italien in post-habsburgischer Subformation entstanden. Die Kommunisten mitteleuropäischer Länder diskutierten das Phänomen intensiv. Auf dem V. Weltkongress der Komintern 1924 wird „Faschismus“ zum Etikett für den ideologischen Feind: „Kampfbegriff der Großbourgeoisie gegen das Proletariat“. Selbstverständlich ist das äußerst simplifizierend und bleibt auch nicht unwidersprochen; Clara Zetkin in Deutschland, aber auch italienische Kommunisten hielten es für falsch, allesin kommunistischem Verständnis anti-demokratische automatisch als „faschistisch“ zu etikettieren und zu reduzieren, da man die Gegner sonst nicht differenzieren könne. Trotzdem nahm die Komintern diese Klassifikation vor. Dazu passt die KPD-Etikettierung der SPD als „Sozialfaschisten“ (siehe "Eine kurze Geschichte des Kommunismus"). In der Zeit des Zweiten Weltkriegs wurde in den westlichen Ländern, die Kriegsgegner der NS-Diktatur waren, über „den“ Faschismus nachgedacht. Ab 1939/40 bildete sich langsam eine westliche Faschismustheorie, die in Gegensatz zur östlichen Theorie tritt, obwohl auch sie von „dem“ Faschismus redet. Die westliche Theorie nimmt natürlich viel weniger Bezug auf den Kapitalismus, sondern befasst sich in ihren Überlegungen vorrangig mit dem italienischen und deutschen Faschismus. Kennzeichnungen sind wichtig: die Symbole, die Uniformen, die Diktatur und die allgemeine Gewalttätigkeit. Damit fällt aber auch der Stalinismus in dieses Erklärungsraster, weswegen es vom Erklärungspotenzial her ungenügend ist. Deswegen differenziert man die rote und die braune Diktatur und fasst sie unter dem Topos „Totalitarismus“ zusammen, was auch eine Vergleichbarkeit impliziert. Bekannt ist hier vor allem Hannah Arendt, eine aus Königsberg stammende jüdische Intellektuelle und spätere Emigrantin mit ihrem „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Ernst Nolte versucht später, den Totalitarismus-Ansatz zu zerstören und den Faschismus als spezifisch europäisches Phänomen einer spezifisch europäischen Epoche zu erklären.

Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bezieht sich „Faschismus“ ausnahmslos auf den italienischen Faschismus, der schon allein wegen der nicht vorhandenen antisemitischen Komponente vom deutschen Faschismus abzugrenzen ist. Die italienischen Rutenbündel sind im italienischen Selbstverständnis als Form von Gemeinschaftsbildung enthalten. Der Repräsentant der italienischen Faschisten ist Benito Mussolini.

Benito Mussolini
Mussolini wurde 1883 geboren. Er war ab 1900 Mitglied der sozialistischen Partei und wurde 1912 Redakteur der Zeitschrift Avanti!. 1914 erfolgt durch Mussolinis Fürsprache für den Krieg der Bruch mit den Sozialisten. 1921 wurde die Fascio di Combattimento gegründet, die starke Ähnlichkeiten zur SA aufweist und bald Parteistatus erlangte. Sie machte rechte Politik, die in der durch die Nachkriegswirren stark verunsicherten italienischen Gesellschaft starken Anklang fand. 1922 wurde der „Marsch auf Rom“ initiiert, der eine Propagandamaßnahme zur Übernahme des Ministerpräsidentenamtes vom König durch Mussolini, gedeckt durch die konservativen Parteien Italiens war. Auf dieser Grundlage wurden die politischen Kompetenzen immer mehr auf Mussolinis Person hin zur Diktatur gebündelt, was 1928 seinen Abschluss fand. Ab dieser Zeit verschmolz die Begriffsbildung des „Duce“ mit der Person Mussolinis. 1929 schloss er die berühmten Lateran-Verträge mit dem Vatikan, der die Herrschaftsform Mussolinis akzeptierte, während Mussolini gleichzeitig dem Vatikan Immunität zusicherte. 1936 wurde Äthiopien, 1939 Albanien annektiert. 1940 trat Mussolini auf Seiten Hitlers in den Zweiten Weltkrieg ein, der kein Eroberungskrieg im faschistischen Sinne war, sondern Mussolini wird zum Partner einer imperialistischen Politik, die alte Strukturen entfernen und zerstören will, machte. 1943 wurde er abgesetzt und Chef einer Marionettenregierung in Norditalien; 1945 von italienischen Partisanen ermordet.

Mussolini wollte die Einheit der Nation durch Vereinigung der Volksmassen, ohne dabei die humanwirtschaftliche Form grundlegend zu verändern, was ihn deutlich vom Sozialismus unterscheidet. Mussolinis politisches Konzept fußt auf der Beseitigung des Parlamentarismus und der Begründung eines autoritären Ein-Parteien-Staats. Das ist eine explosive Verbindung von revolutionär-sozialistischen und imperialistischen Strömungen im Zeitalter der Weltkriege und der Massengesellschaft. Diese Verbindung ist die Grundbedingung des Faschismus. Dazu gehört die Stilisierung der Führungsfigur, oft mit archaischer Symbolik. Mussolini setzt damit für alle nachfolgenden „Führer“ das Vorbild. Der italienische Nationalismus kommt noch hinzu; er fußt auf der späten Bildung des italienischen Nationalstaats in einem über Jahrhunderte von fremden Mächten besetzten Land. Dazu kommt, dass sowohl in Italien als auch in Deutschland einzig der Erste Weltkrieg als Katalysator für Gemeinschaftsgefühl gelten kann.

Mussolini bei einer Rede, 1932
Ein ideologisches Element des Faschismus ist auch der Vitalismus, eine starke Lebensphilosophie mit Beschwörung des Lebens, innerhalb derer aufklärerische Geschichtskategorien wie Fortschrittsglauben nicht inhärent sind. Stattdessen wird die Gesetzmäßigkeit der Geschichte außer Kraft gesetzt und ein Bezug auf eine mystisch verklärte Vorzeit geschaffen. Damit ist auch eine ganz andere Vorstellung von Zukunft verbunden; ebenfalls anti-historistisch findet sie ihren Niederschlag beispielsweise in der Rede vom tausendjährigen Reich; es gibt quasi keine Zukunft mehr nach dem Sieg des Nationalsozialismus. Mussolini selbst beschwor die Vergangenheit des Römischen Reiches und schwor Italien auf dessen Wiedererrichtung ein. Der Faschismus richtet sich sowohl gegen die Individualisierung und Egoisierung des Liberalismus als auch die Gleichheit des Sozialismus. Auch gegen die konservative Vorstellung des „wir und anderen“ richtet sich der Faschismus, der eine massenorientierte, zusammengehörige Gesellschaft schaffen will. Er richtet sich also gegen die elitären Bestrebungen des Liberalismus wie die proletarisch-linke Massenbewegung des Bolschewismus.

Der Aspekt der Gemeinschaftsbildung findet sich auch im Nationalsozialismus, dort im Aspekt der „Volksgemeinschaft“, die älter als er ist und bereits im Ersten Weltkrieg entstand. Im Gegensatz zur italienischen Variante ist die deutsche rassistisch aufgeladen. Der zweite Aspekt des Faschismus ist der Vitalismus (durch die amerikanische Faschismus-Forschung in die Diskussion gekommen). Man beschwört „Leben“ als Bezugsgröße anstelle von „Vernunft“, „Fortschritt“, „Geschichte“ oder „Gesetz“. Leben folgt dabei eigenen, irrationalen Gesetzen. Es ist eine natürliche Größe und enthält die „Vernunft“ der Natur. Das impliziert eine Ähnlichkeit mit dem Konservatismus, die jedoch nicht besteht. Diese Ähnlichkeit im Begrifflichen führt zu der Unterstützung durch die Konservativen, die die Diskrepanz nicht rechtzeitig erkennen. Der dritte Aspekt ist die Theorie des nationalen Imperialismus, was bei Mussolini auffallender ist als bei Hitler, vor allem durch die Selbstinszenierung des „imperium romanum“ und der Zentrierung auf antike Figuren. Diese Stärke der Nation soll nach außen gewendet werden; bei den Italienern findet das im Abessenienkrieg statt. Bei den Deutschen findet als Stärkung der Volksgemeinschaft im Inneren statt, die dann nach außen gewendet werden soll; vordergründig als Revision des Versailler Vertrags, in Wahrheit ungemein aggressiv auf den „Ostraum“ gerichtet. Dort findet sich auch eine Parallele zum imperium romanum, wobei die Italiener nicht so stark in kulturelle Besonderheiten und Bevölkerungsgruppen eingreifen wollen. Dazu kommt der Herrscherkult des Duce, der auf die Errichtung eines möglichst starken Staates zielt (bei Mussolini als antiker Krieger, bei Hitler als Grabenkämpfer des Ersten Weltkriegs). Zur Erreichung dieser Ziele muss Gewalt angewendet werden. Das sagt die Propaganda zwar nicht, sie sorgt aber dafür, dass sich dieser Schluss von selbst einbürgert. Die Führerfigur nimmt dabei die Position eines Ersatz-Monarchen ein. Im Nationalsozialismus ist der Führerkult auch dazu da, den rassistischen Terror im Reich zu vernebeln. In der Geschichtsreflexion wird der Monarch sowohl in Deutschland als auch Italien als Militärlenker dargestellt.

Die Gliederung der italienischen Gesellschaft erfolgte politisch nach diesem Konzept nicht nach Parteien, sonder nach „Ständen“. Stände sind in diesem Verständnis Berufsstände (Bauernstand, Soldatenstand, …). Dieses System macht starke Anleihen, etwa bei der katholischen Soziallehre mit ihren Naturständen (Männer und Frauen, Jungmänner und Jungfrauen). Man wiederrief den Parlamentarismus und die Antithese Kapitalismus-Sozialismus. Letztlich geht es bei diesem korparativen Modell nur um eines: sämtliche arbeitenden Menschen sollen durch den Staat kontrolliert werden. Besonders der Nationalsozialismus übte dabei einen Rückgriff auf eine Bauernideologie aus, die am 19. Jahrhundert angelehnt ist, ohne auf realen Grundlagen zu fußen.

Mussolini und Hitler im Wagen
Der letzte Aspekt des Faschismus ist der radikale Antikommunismus. Er ist die wesentliche Position des Faschismus, weil er eine massive Gegnerposition aufbaut. Der Faschismus ist ein Todfeind des marxistischen Internationalismus und des Klassenfeindgedankens, was sämtliche Gemeinsamkeiten hinwegwischt. Ersetzt wird das durch den radikalen Nationalismus und den Gemeinschaftsdrang; im deutschen Fall wird der Klassenfeind allerdings durch den Rassenfeind ersetzt.

Sieht man den Nationalsozialismus als Spielart des europäischen Faschismus – und das muss man – muss man auf Antisemitismus, Führerkult, Gewaltbereitschaft und Feindschaft zum liberalen Parlamentarismus hinweisen. Er bildet die radikalste Variante des europäischen Faschismus. Damit ist der Nationalsozialismus eng mit dem eigentlich entgegengesetzten Stalinismus verwandt. Das ist auch der Grund, warum vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Pakts im Westen die Totalitarismustheorie entwickelt wurde. In einer starken Verallgemeinerung werden dabei Stalinismus und Hitlerismus generalisiert in Verbindung gesetzt – und eine ungemeine Begriffsverwirrung ausgelöst. Mit dem Nationalsozialismus gehen drei wichtige Topoi einher:

1)      Völkisches Denken
2)      Rassenantisemitismus
3)      Ideologie des Lebensraums (der nur „höherwertigen“ Rassen zusteht)

Diese drei Elemente heben den Nationalsozialismus vom europäischen Faschismus ab, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert haben.

Magazin
Das völkische Denken reflektiert den Grundtatbestand, dass es in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert lange keinen Nationalstaat gab. Es gab ebenso lange keine politische Nation. Diese leitet sich aus den Befreiungskriegen gegen Napoleon her; seine für das 20. Jahrhundert wichtige Ausprägung erhält das völkische Denken aber erst ab 1871 mit der Gründung des kleindeutschen Nationalstaats. Auf diesem Boden entstehen die Konzepte von "völkisch" und "Volk" und ihrer Bedeutungen. Das ist aber keine reine Angelegenheit der Deutschen, sondern in sich ein Zerfallsprodukt der Habsbjurger Monarchie, aber auch eine ideologische Reaktion auf die einbrechende Moderne, was in teils absurden Weltbildern resultiert. „Volk“ eliminiert die Grenzen des Nationalstaats vollkommen. Damit liegt es nahe, auch die internationalen Normen, in denen Nationalstaaten aufeinander Bezug nehmen und sich normieren, zu ignorieren. „Volk“ erhält seine Legitimität im Kampf gegen andere Völker, nicht Nationen. Juristisch wurde das vor allem von Carl Schmitt festgezurrt. Bis zum Ersten Weltkrieg ist das völkische Denken antimodernistisch; durch

den Ersten Weltkrieg wird es aggressiv. Dazu ist das völkische Denken offen für jede Form von Biologismus. Es bestreitet damit auch sämtliche Ideen von Menschenrechten, die seit dem 18. Jahrhundert besonders im angelsächsischen Raum formuliert wurden. Stattdessen habe jedes Volk natürliche Feinde, die es zu erkennen und bekämpfen gebe. Daraus ergibt sich die Metapher der Schädlingsbekämpfung, die sich im nationalsozialistischen Antisemitismus auch wiederfindet. Das gilt als Naturbegebenheit, der man nicht entrinnen kann. Man braucht also seine Feinde nicht zu hassen. Das wird im Völkermord wichtig, der vollkommen emotionslos organisiert und durchgeführt wird. Das ist auch der Grund, warum diese Intelligenz ihr Tun niemals als verbrecherisch akzeptieren konnte. Schon allein
wegen dieser expliziten Ablehnung der Nationalstaatlichkeit wurde der Massenmord im „rechtsfreien“ Osten durchgeführt.

Der Rassenantisemitismus ist auch in nicht-faschistischen Gesellschaften präsent. Der Antisemitismus ist ein europäisches Phänomen seit dem Mittelalter; der Rassenantisemitismus ist ebenso europäisches Phänomen seit dem 19. Jahrhundert. Die Verbindung von Rassenantisemitismus und völkischem Denken jedoch ist spezifisch deutsch und macht den Nationalsozialismus aus. Dieser erkennt somit die Juden als „natürlichen Feind“, will diesen selektieren und vernichten. Die deutsche Bevölkerung bis zum Ersten Weltkrieg hatte den Vernichtungsgedanken im völkischen Denken niemals realisiert; er war ihr völlig fremd. In den 1920er Jahren wird diese Form des Antisemitismus neben Hitler auch von den völkischen Studenten getragen. Das verkoppelt sich mit dem sozialdarwinistischen Denken; als weitere Feinde werden Slawen und Zigeuner (Roma und Sinti) ausgemacht.

Teil 2 folgt.

Bildnachweise: 
Wappen - Flanker (gemeinfrei)
Mussolini - George Grantham Bain (gemeinfrei)
Mussolini 2 - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Hitler - Zenner (CC-BY-SA 2.0)
Magazin - Hist. Lexikon Bayerns (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/02/eine-kurze-geschichte-des-faschismus.html

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Eine kurze Geschichte des Kommunismus, Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Teil 1 findet sich hier. 

Sowjetunion und Kommunismus

Pin of the Flag of CPSU.png
Emblem der KPdSU
Anfang der 1920er Jahre wurden die „Kommunistische Partei der Sowjetunion“ und die Sowjetunion gegründet. Sehr schnell wurden dabei besonders in der westlichen Welt eine durch Lenin und die KPdSU durchaus gewollte Assoziation en vogue, nach der Kommunismus gleichbedeutend mit Terror und Diktatur ist. Diese Entwicklung wurde in Europa überwiegend negativ rezipiert. Ab 1924 begann die KPD in einen moskauzentrierten Sog zu geraten. Auf der III. Internationale der Kommunistischen Internationalen, die von 1929-1943 bestand, dominierte Moskau die KPs Deutschlands und Frankreichs, später auch der anderen europäischen Länder. Die KPs der europäischen Länder fungierten nun mehr als reine Sektionen der Moskauer Parteizentrale. Der Kommunismus wurde zur Staatsidee, in der Marx nur noch als Stichwortgeber fungierte – diese Entwicklung begann jedoch bereits mit Lenin. Der verbreitete Antikommunismus richtete sich gegen Ende der 1920er Jahre nicht mehr nur gegen die KPs, sondern auch gegen die Sowjetunion selbst. Im Rahmen des Fortschritts des Faschismus’ in den 1920er Jahren gewann auch der Kommunismus an Einfluss. Warum er in den 1930er Jahren nicht weiter an Einfluss gewann, sondern verlor, liegt an den großen Säuberungen und dem Nichtangriffspakt mit Hitler. Die bolschewistisch-kommunistischen Intellektuellen kamen nun in die Situation, ihre theoretische Überzeugung widerrufen müssen. Sie wandten sich dem New-Deal-Liberalismus zu, der sozialdemokratische Elemente enthielt und der zu dieser Zeit von Roosevelt betrieben wurde. Diese Leute wird man 1944 in den USA und um 1950 in Westdeutschland als energische Antikommunisten wieder finden.

KPD

Die KPD entstand in der so genannten Gründungskrise der Weimarer Republik. Diese Phase reicht von der Gründung der KPD Anfang 1919 über 1920, als sie mit dem linken Teil der USPD fusionierte, bis zum kurzfristigen Verbot 1923. In einer zweiten Phase von 1924 bis 1928 wurde die KPD nach bolschewistischem Vorbild stalinisiert und spätestens ab 1925 willenloses Organ der Komintern, die wiederum willenloses Organ der KPdSU war. Seit 1925 war Ernst Thälmann der Vorsitzende der KPD. Die dritte Phase reichte von 1928 bis 1933 und war ideologisch von der Theorie des Sozialfaschismus geprägt. Diese Ideologie besagt, dass der eigentliche Feind der Kommunisten nicht der Faschismus, sondern die Sozialdemokratie sei. Diese These führte letztlich zum Untergang des Kommunismus in Deutschland, da die KPD sich strikt weigerte, mit der SPD gegen den Faschismus und Nationalsozialismus zusammenzuarbeiten, was bereits 1925 zur Wahl Hindenburgs und 1932 in einem Streik zur Zusammenarbeit der KPD und NSDAP führt, mit denen diese eine SPD-geführte Regierung zu stürzen hoffen. Unter umgekehrten Vorzeichen ereignete sich dies 1949 wieder, als Schuhmann die Koalition mit der KPD kategorisch ausschloss. 

Karl-Liebknecht-Haus in Berlin
Die Gründung der KPD erfolgte in der Novemberrevolution 1918/19. Es gab den Rat der Volksbeauftragten, der aus MSPD und USPD bestand und der von Friedrich Ebert geleitet wurde. Selbiger wollte einen Waffenstillstandsvertrag schließen und die Demobilisierung organisieren. Zu diesem Zweck suchte Ebert den Schulterschluss mit dem Militär und damit den alten Eliten des Kaiserreichs. Dadurch wurden die Bestrebungen der Radikalen von der Revolutionsregierung unterdrückt. Die Radikalen der USPD, die sich mit den Namen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verbinden und im Spartakusbund organisiert sind, sind von der SPD-Linie abgespalten. Sie rebellierten gegen Ebert und den Rat, in dem die USPD die MSPD unterstützte. Auf einer Konferenz dieser Radikalen entstand (in Rückdeutung) die KPD. Sie hatte kein Programm, sondern nur eine vage politische Orientierung, die noch überhaupt nicht auf die Kader der Bolschewiki hin gerichtet und auf Eigenständigkeit bedacht war. Die KPD war dabei entgegen der SPD nicht bereit, mit „bürgerlichen“ Parteien zu koalieren. Dass die KPD von Arbeiter- und Soldatenräten sprach bedeutet dezidiert nicht, dass ein bolschewistisches System übernommen werden sollte. 

In der ersten Januarhälfte 1919 kam es zum so genannten „Spartakusaufstand“ - ein polemischer Begriff, den die MSPD prägte. Es handelt sich um einen Versuch der Radikalen, ihre Position zu stärken. Die Spartakisten verloren und wurden zum Teil umgebracht. Luxemburg und Liebknecht wurden in diesen Tagen von Freikorpssoldaten erschossen. Der Tod Luxemburgs war für die Entwicklung des radialen demokratischen Sozialismus’ eine Tragödie, denn mit Luxemburg starb der demokratische Kommunismus. Damit konnten sich die bolschewistischen, auf Diktatur der Räte (statt Rätedemokratie) gerichteten Kräfte durchsetzen. Im März 1919 trat die KPD der III. Internationalen als erste ausländische Partei bei. Die Taktik der Kommunisten zwischen 1920 und 1923 schwankte zwischen den Bemühungen um eine Arbeitsfront mit den Sozialdemokraten und an deren Ausschluss. Bis 1923 dominiert die Vorstellung der Arbeitsfront nicht zuletzt wegen der auf diese Vorstellung gerichteten EKKI (Exekutivorgan der Komintern). In der Situation des Ruhrstreiks 1923 stellt sich die KPD auf die Seite der Streikenden und versagt sich so gesehen der Internationalisierung und steuerte einen nationalbolschewistischen Kurs, während sie mit den rechtsradikalen Kräften zusammenarbeitete. Das hängt damit zusammen, dass die EKKI und Komintern die Interessen der sowjetischen Außenpolitik vertraten. Deren Interesse bestand zu jener Zeit in der Vereitelung jeder Chance eines Ausgleichs zwischen Deutschland und Frankreich, um die Entstehung einer geeinten Front gegen die SU zu verhindern. Generell war die Komintern bis zum Zusammenbruch des Ostblocks eine Interessensorganisation der sowjetischen Außenpolitik. Die Parole der Arbeiter aller Länder, sich zu vereinigen, wurde damit aus der Ideologie des Kommunismus entfernt. Wegen des Agierens im Ruhrkampf wurde die KPD bis April 1924 auch verboten, während das Reich unter extremistischen Regierungen in den Ländern auseinanderzubrechen drohte.

Ernst Thälmann 1932
Der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, wurde von der SU unterstützt, obwohl die deutschen Kommunisten ihn für unfähig hielten, weil Thälmann die Ideologie des „Sozialismus in einem Lande“ unterstützte und damit die KPD der KPdSU unterordnete. Das begann 1925 und wurde 1928 zum Prinzip erhoben. 1929 trat die KPD in ihre „ultralinke“ Phase ein. Damit grenzt sich die KPD entschieden gegenüber der SPD ab und nahm weitere, aber nicht so entschiedene Abgrenzungen gegen die NSDAP und die bürgerlichen Parteien vor. Damit kapselte sie sich ein und isolierte sich im Weimarer Parteiensystem, das zu jener Zeit noch immer ein Mehrparteiensystem war. Ab 1929 wurde mit der Keule des „Faschismus“-Begriffs auf alles propagandistisch eingeschlagen, was man vorfand: den „Sozialfaschismus“ der SPD, der „Nationalfaschismus“ der NSDAP, der „Brühning-Faschismus“ der Regierung Brüning und des Zentrums. 

Am so genannten „Blutmai“ des Jahres 1929 (1.5.1929) werden unbewaffnete kommunistische Demonstranten von der Polizei mit Gummiknüppeln und –geschossen auseinandergetrieben. Wichtig ist dabei, dass Preußen, zu dem Berlin gehört, eine Bastion der Sozialdemokraten war. Diese gingen also gewalttätig gegen die kommunistischen Demonstranten vor. Man handelte nach dem Prinzip, um jeden Preis die parlamentarische Stabilität zu verteidigen und so die „sozialistisch-demokratischen Reformen“ nicht zu gefährden. Deswegen konnte es von Seiten der SPD keine Kooperation mit den Kommunisten geben. Vielmehr mussten Kommunisten, seit der Begriff des „Sozialfaschismus“ in der KPD dominierte, von der SPD als Gegner betrachtet werden. Seit diesem 1. Mai 1929 gab es keine Möglichkeit mehr zur Kooperation der SPD, KPD und der Gewerkschaften gegen den realen Faschismus. Diese Chance wurde damit bereits vor der Ausbreitung der NSDAP vertan, die dann auch erst diese Wirkung entfalten konnte. Diese Gegnerschaft hielt sich auch in die Nachkriegszeit und bis heute in der Gegnerschaft der West-SPD gegenüber der Ost-SPD und der KPD bzw. deren Erbin, der Linkspartei. 

Magazin der Internationale
Als nächsten Schritt verbietot die SPD in Preußen den kommunistischen Rotkämpferbund, was die KPD in ihrer Position nur berstärkte. Die KPD und SPD bekämpften sich bald in den Betriebsräten und Gewerkschaften. Die KPD prägte das Credo: „Ohne im Kampf gegen die Sozialdemokratie zu siegen, können wir den Faschismus nicht besiegen.“ Das EKKI sprach von einer Verflechtung von Sozialdemokratie und NSDAP im Dienste des Finanzkapitals. Ab 1931 gab es zwischen der KPD und ihren Gliederungen auf der einen und der NSDAP und ihren Gliederungen auf der anderen Seite gab es zunehmend Mitgliederfluktuationen. Eine der Parolen, die das ermöglichten, war Thälmanns Wort von 1928, jeden Tag in den Dienst der Revolution zu stellen – was gleichzeitig den Kampf gegen den Parlamentarismus beinhaltete und die NSDAP für Aussteiger aus dem kommunistischen Umfeld zur Option machte. 

1932 kam es zu einem spontanen Streik in den BVG (Berliner Verkehrsbetriebe), zwei Tage vor den Reichstagswahlen. Der Anlass war die Entscheidung der BVG, den Stundenlohn abzusenken, da die BVG im Zuge der Wirtschaftskrise immer größere Defizite einfuhr – die Löhne waren jedoch seit 1929 bereits um ein Drittel gesunken. Zudem sollte die Absenkung nur vier Wochen gelten, was nach einem Monat eine weitere Senkung wahrscheinlich machte. Die SPD und Gewerkschaften sprachen sich für diese Senkung aus, um den Radikalen keinen Anlass für Krawall und Demonstration geben wollten. Es war abzusehen, dass der Aufruf zum Streik für Krawalle sorgen würde. Doch die SPD unterschätzte, wie weit die Arbeiterschaft durch Wirtschafts- und Staatskrise bereits der SPD entfremdet und radikaleren Argumenten zugänglich geworden war. Gegen das Votum von Gewerkschaften und SPD traten die Arbeiter der BVG auf Aufruf der KPD und NSDAP in den Streik. Diese Situation führte dazu, dass gegen die NSDAP eingestellte rechte Bürgerliche mit fassungslosem Entsetzen die Geschehnisse beobachteten: die SA arbeitete mit dem „Todfeind“ KPD zusammen. Sie bekamen für einen Moment die Ahnung, dass ihre Schicht nicht nur von der KPD, sondern auch der NSDAP bedroht war. Wer aus dieser Schicht das politische Verständnis hatte, konnte in diesem Spätherbst 1932 erkennen, dass eine Machtübernahme der Nationalsozialisten nur zwei Möglichkeiten lassen würde: Anpassung oder Flucht. Der Streik dauerte nur vier Tage, aber er hatte hohen Symbolcharakter. 

Stalin 1945
Bereits unter Lenin stellte sich das Dilemma, dass Kommunismus in der Theorie eine Ideologie der Befreiung von der durch die Produktionsverhältnisse aufgezwungen Entfremdung und Entmündigung war. Nun aber wurde Kommunismus mit den Interessen eines bestimmten Staates gekoppelt – in der Doktrin der KPdSU. Diese Doktrin war primär auf das staatliche Eigeninteresse der SU ausgerichtet. In der SU wurde zu dieser Zeit eine forcierte Industrialisierung betrieben, die mit gigantischen Kosten verbunden war – aber auch großen Erfolg hatte. Diese Kommandoindustrialisierung führte zu Zentralisierung und Bürokratisierung, da die gesamte Struktur erst aufgebaut werden - und nicht bestehende Strukturen umstrukturiert werden – mussten. In der Phase des zu Ende gehenden Stalinismus wurde eine zweite Phase gestartet, vor allem mit dem Versuch der Gewinnung von Energie durch Wasserkraft ab Mitte der 1950er Jahre. Zu dieser Kommandoindustrialisierung kam die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft hinzu, die effektiv eine Enteignung der mittelständischen und großbäuerlichen Güter war. 

Stalin war dabei ein Autokrat von ausgesuchter Rücksichts- und Skrupellosigkeit. Die SU war in dieser Zeit von vier Faktoren gekennzeichnet:
1) Eine aufgeblähte Bürokratie
2) Ein eklatanter Mangel an Flexibilität
3) Der Glaube, dass ein Fortschritt gegenüber dem Lebensstandard des Zarenreichs erreicht war – eine Sicherung des Minimalstandards
4) Der Glaube, dass man über diesen Lebensstandard hinauskam und ihn steigerte 

Die europäischen Volksbewegungen der Linken beriefen sich auf zwei Traditionen: die parlamentarische Demokratie oder direkte Demokratie und die zentralistisch-aktivistischen revolutionären Bestrebungen im Sinne der jakobinischen Phase des französischen Revolution. Die Arbeiterbewegungen vor der Jahrhundertwende waren allesamt in ihrer Ausrichtung konsequent demokratisch. Die kommunistische Bewegung brach unter Lenin, systematisiert unter Stalin, radikal mit dieser Tradition, wiewohl man sich weiterhin darauf berief. 1922 wurden demokratische Ideen und Diskussionen aus der KPD verbannt. Stalinisierung bedeutet also Entfremdung von den Ideen des Kommunismus von vor 1917. 

Es gibt zwei Faktoren, die die SU zum faszinierenden Anschauungsbeispiel für Fortschritt machen als auch zum gesuchten Bündnispartner: 

1) Der Fortschritt als Ideologie bot in der SU ein Beispiel von faszinierender Effizienz. Deswegen kam es geradezu zu Pilgerreisen aus England.

2) Gleichzeitig wurde die SU als Bündnispartner für die Staaten des europäischen und atlantischen Westens attraktiv, als ab 1922 der Faschismus in Europa seinen Siegeszug antritt. Besonders mit dem Machtantritt der Nazis 1933 avancierte die SU in der Sicht der Westeuropäer zum wichtigsten Gegner des Faschismus’. 

Dieser Artikel basiert auf der Vorlesung "Politisch-Ideologische Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts" von Prof. Dr. Anselm-Doering Manteuffel.

Bildnachweise: 
Pin KPdSU - Pekkos (gemeinfrei)
KPD Zentrale - Carl Weinrither (CC-BY-SA 3.0)
Thälmann - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Magazin - Carrite (gemeinfrei)
Stalin - US Army Signal Corps (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/02/eine-kurze-geschichte-des-kommunismus_17.html

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Eine kurze Geschichte des Kommunismus, Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Teil 1 findet sich hier. 

Sowjetunion und Kommunismus

Pin of the Flag of CPSU.png
Emblem der KPdSU
Anfang der 1920er Jahre wurden die „Kommunistische Partei der Sowjetunion“ und die Sowjetunion gegründet. Sehr schnell wurden dabei besonders in der westlichen Welt eine durch Lenin und die KPdSU durchaus gewollte Assoziation en vogue, nach der Kommunismus gleichbedeutend mit Terror und Diktatur ist. Diese Entwicklung wurde in Europa überwiegend negativ rezipiert. Ab 1924 begann die KPD in einen moskauzentrierten Sog zu geraten. Auf der III. Internationale der Kommunistischen Internationalen, die von 1929-1943 bestand, dominierte Moskau die KPs Deutschlands und Frankreichs, später auch der anderen europäischen Länder. Die KPs der europäischen Länder fungierten nun mehr als reine Sektionen der Moskauer Parteizentrale. Der Kommunismus wurde zur Staatsidee, in der Marx nur noch als Stichwortgeber fungierte – diese Entwicklung begann jedoch bereits mit Lenin. Der verbreitete Antikommunismus richtete sich gegen Ende der 1920er Jahre nicht mehr nur gegen die KPs, sondern auch gegen die Sowjetunion selbst. Im Rahmen des Fortschritts des Faschismus’ in den 1920er Jahren gewann auch der Kommunismus an Einfluss. Warum er in den 1930er Jahren nicht weiter an Einfluss gewann, sondern verlor, liegt an den großen Säuberungen und dem Nichtangriffspakt mit Hitler. Die bolschewistisch-kommunistischen Intellektuellen kamen nun in die Situation, ihre theoretische Überzeugung widerrufen müssen. Sie wandten sich dem New-Deal-Liberalismus zu, der sozialdemokratische Elemente enthielt und der zu dieser Zeit von Roosevelt betrieben wurde. Diese Leute wird man 1944 in den USA und um 1950 in Westdeutschland als energische Antikommunisten wieder finden.

KPD

Die KPD entstand in der so genannten Gründungskrise der Weimarer Republik. Diese Phase reicht von der Gründung der KPD Anfang 1919 über 1920, als sie mit dem linken Teil der USPD fusionierte, bis zum kurzfristigen Verbot 1923. In einer zweiten Phase von 1924 bis 1928 wurde die KPD nach bolschewistischem Vorbild stalinisiert und spätestens ab 1925 willenloses Organ der Komintern, die wiederum willenloses Organ der KPdSU war. Seit 1925 war Ernst Thälmann der Vorsitzende der KPD. Die dritte Phase reichte von 1928 bis 1933 und war ideologisch von der Theorie des Sozialfaschismus geprägt. Diese Ideologie besagt, dass der eigentliche Feind der Kommunisten nicht der Faschismus, sondern die Sozialdemokratie sei. Diese These führte letztlich zum Untergang des Kommunismus in Deutschland, da die KPD sich strikt weigerte, mit der SPD gegen den Faschismus und Nationalsozialismus zusammenzuarbeiten, was bereits 1925 zur Wahl Hindenburgs und 1932 in einem Streik zur Zusammenarbeit der KPD und NSDAP führt, mit denen diese eine SPD-geführte Regierung zu stürzen hoffen. Unter umgekehrten Vorzeichen ereignete sich dies 1949 wieder, als Schuhmann die Koalition mit der KPD kategorisch ausschloss. 

Karl-Liebknecht-Haus in Berlin
Die Gründung der KPD erfolgte in der Novemberrevolution 1918/19. Es gab den Rat der Volksbeauftragten, der aus MSPD und USPD bestand und der von Friedrich Ebert geleitet wurde. Selbiger wollte einen Waffenstillstandsvertrag schließen und die Demobilisierung organisieren. Zu diesem Zweck suchte Ebert den Schulterschluss mit dem Militär und damit den alten Eliten des Kaiserreichs. Dadurch wurden die Bestrebungen der Radikalen von der Revolutionsregierung unterdrückt. Die Radikalen der USPD, die sich mit den Namen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verbinden und im Spartakusbund organisiert sind, sind von der SPD-Linie abgespalten. Sie rebellierten gegen Ebert und den Rat, in dem die USPD die MSPD unterstützte. Auf einer Konferenz dieser Radikalen entstand (in Rückdeutung) die KPD. Sie hatte kein Programm, sondern nur eine vage politische Orientierung, die noch überhaupt nicht auf die Kader der Bolschewiki hin gerichtet und auf Eigenständigkeit bedacht war. Die KPD war dabei entgegen der SPD nicht bereit, mit „bürgerlichen“ Parteien zu koalieren. Dass die KPD von Arbeiter- und Soldatenräten sprach bedeutet dezidiert nicht, dass ein bolschewistisches System übernommen werden sollte. 

In der ersten Januarhälfte 1919 kam es zum so genannten „Spartakusaufstand“ - ein polemischer Begriff, den die MSPD prägte. Es handelt sich um einen Versuch der Radikalen, ihre Position zu stärken. Die Spartakisten verloren und wurden zum Teil umgebracht. Luxemburg und Liebknecht wurden in diesen Tagen von Freikorpssoldaten erschossen. Der Tod Luxemburgs war für die Entwicklung des radialen demokratischen Sozialismus’ eine Tragödie, denn mit Luxemburg starb der demokratische Kommunismus. Damit konnten sich die bolschewistischen, auf Diktatur der Räte (statt Rätedemokratie) gerichteten Kräfte durchsetzen. Im März 1919 trat die KPD der III. Internationalen als erste ausländische Partei bei. Die Taktik der Kommunisten zwischen 1920 und 1923 schwankte zwischen den Bemühungen um eine Arbeitsfront mit den Sozialdemokraten und an deren Ausschluss. Bis 1923 dominiert die Vorstellung der Arbeitsfront nicht zuletzt wegen der auf diese Vorstellung gerichteten EKKI (Exekutivorgan der Komintern). In der Situation des Ruhrstreiks 1923 stellt sich die KPD auf die Seite der Streikenden und versagt sich so gesehen der Internationalisierung und steuerte einen nationalbolschewistischen Kurs, während sie mit den rechtsradikalen Kräften zusammenarbeitete. Das hängt damit zusammen, dass die EKKI und Komintern die Interessen der sowjetischen Außenpolitik vertraten. Deren Interesse bestand zu jener Zeit in der Vereitelung jeder Chance eines Ausgleichs zwischen Deutschland und Frankreich, um die Entstehung einer geeinten Front gegen die SU zu verhindern. Generell war die Komintern bis zum Zusammenbruch des Ostblocks eine Interessensorganisation der sowjetischen Außenpolitik. Die Parole der Arbeiter aller Länder, sich zu vereinigen, wurde damit aus der Ideologie des Kommunismus entfernt. Wegen des Agierens im Ruhrkampf wurde die KPD bis April 1924 auch verboten, während das Reich unter extremistischen Regierungen in den Ländern auseinanderzubrechen drohte.

Ernst Thälmann 1932
Der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, wurde von der SU unterstützt, obwohl die deutschen Kommunisten ihn für unfähig hielten, weil Thälmann die Ideologie des „Sozialismus in einem Lande“ unterstützte und damit die KPD der KPdSU unterordnete. Das begann 1925 und wurde 1928 zum Prinzip erhoben. 1929 trat die KPD in ihre „ultralinke“ Phase ein. Damit grenzt sich die KPD entschieden gegenüber der SPD ab und nahm weitere, aber nicht so entschiedene Abgrenzungen gegen die NSDAP und die bürgerlichen Parteien vor. Damit kapselte sie sich ein und isolierte sich im Weimarer Parteiensystem, das zu jener Zeit noch immer ein Mehrparteiensystem war. Ab 1929 wurde mit der Keule des „Faschismus“-Begriffs auf alles propagandistisch eingeschlagen, was man vorfand: den „Sozialfaschismus“ der SPD, der „Nationalfaschismus“ der NSDAP, der „Brühning-Faschismus“ der Regierung Brüning und des Zentrums. 

Am so genannten „Blutmai“ des Jahres 1929 (1.5.1929) werden unbewaffnete kommunistische Demonstranten von der Polizei mit Gummiknüppeln und –geschossen auseinandergetrieben. Wichtig ist dabei, dass Preußen, zu dem Berlin gehört, eine Bastion der Sozialdemokraten war. Diese gingen also gewalttätig gegen die kommunistischen Demonstranten vor. Man handelte nach dem Prinzip, um jeden Preis die parlamentarische Stabilität zu verteidigen und so die „sozialistisch-demokratischen Reformen“ nicht zu gefährden. Deswegen konnte es von Seiten der SPD keine Kooperation mit den Kommunisten geben. Vielmehr mussten Kommunisten, seit der Begriff des „Sozialfaschismus“ in der KPD dominierte, von der SPD als Gegner betrachtet werden. Seit diesem 1. Mai 1929 gab es keine Möglichkeit mehr zur Kooperation der SPD, KPD und der Gewerkschaften gegen den realen Faschismus. Diese Chance wurde damit bereits vor der Ausbreitung der NSDAP vertan, die dann auch erst diese Wirkung entfalten konnte. Diese Gegnerschaft hielt sich auch in die Nachkriegszeit und bis heute in der Gegnerschaft der West-SPD gegenüber der Ost-SPD und der KPD bzw. deren Erbin, der Linkspartei. 

Magazin der Internationale
Als nächsten Schritt verbietot die SPD in Preußen den kommunistischen Rotkämpferbund, was die KPD in ihrer Position nur berstärkte. Die KPD und SPD bekämpften sich bald in den Betriebsräten und Gewerkschaften. Die KPD prägte das Credo: „Ohne im Kampf gegen die Sozialdemokratie zu siegen, können wir den Faschismus nicht besiegen.“ Das EKKI sprach von einer Verflechtung von Sozialdemokratie und NSDAP im Dienste des Finanzkapitals. Ab 1931 gab es zwischen der KPD und ihren Gliederungen auf der einen und der NSDAP und ihren Gliederungen auf der anderen Seite gab es zunehmend Mitgliederfluktuationen. Eine der Parolen, die das ermöglichten, war Thälmanns Wort von 1928, jeden Tag in den Dienst der Revolution zu stellen – was gleichzeitig den Kampf gegen den Parlamentarismus beinhaltete und die NSDAP für Aussteiger aus dem kommunistischen Umfeld zur Option machte. 

1932 kam es zu einem spontanen Streik in den BVG (Berliner Verkehrsbetriebe), zwei Tage vor den Reichstagswahlen. Der Anlass war die Entscheidung der BVG, den Stundenlohn abzusenken, da die BVG im Zuge der Wirtschaftskrise immer größere Defizite einfuhr – die Löhne waren jedoch seit 1929 bereits um ein Drittel gesunken. Zudem sollte die Absenkung nur vier Wochen gelten, was nach einem Monat eine weitere Senkung wahrscheinlich machte. Die SPD und Gewerkschaften sprachen sich für diese Senkung aus, um den Radikalen keinen Anlass für Krawall und Demonstration geben wollten. Es war abzusehen, dass der Aufruf zum Streik für Krawalle sorgen würde. Doch die SPD unterschätzte, wie weit die Arbeiterschaft durch Wirtschafts- und Staatskrise bereits der SPD entfremdet und radikaleren Argumenten zugänglich geworden war. Gegen das Votum von Gewerkschaften und SPD traten die Arbeiter der BVG auf Aufruf der KPD und NSDAP in den Streik. Diese Situation führte dazu, dass gegen die NSDAP eingestellte rechte Bürgerliche mit fassungslosem Entsetzen die Geschehnisse beobachteten: die SA arbeitete mit dem „Todfeind“ KPD zusammen. Sie bekamen für einen Moment die Ahnung, dass ihre Schicht nicht nur von der KPD, sondern auch der NSDAP bedroht war. Wer aus dieser Schicht das politische Verständnis hatte, konnte in diesem Spätherbst 1932 erkennen, dass eine Machtübernahme der Nationalsozialisten nur zwei Möglichkeiten lassen würde: Anpassung oder Flucht. Der Streik dauerte nur vier Tage, aber er hatte hohen Symbolcharakter. 

Stalin 1945
Bereits unter Lenin stellte sich das Dilemma, dass Kommunismus in der Theorie eine Ideologie der Befreiung von der durch die Produktionsverhältnisse aufgezwungen Entfremdung und Entmündigung war. Nun aber wurde Kommunismus mit den Interessen eines bestimmten Staates gekoppelt – in der Doktrin der KPdSU. Diese Doktrin war primär auf das staatliche Eigeninteresse der SU ausgerichtet. In der SU wurde zu dieser Zeit eine forcierte Industrialisierung betrieben, die mit gigantischen Kosten verbunden war – aber auch großen Erfolg hatte. Diese Kommandoindustrialisierung führte zu Zentralisierung und Bürokratisierung, da die gesamte Struktur erst aufgebaut werden - und nicht bestehende Strukturen umstrukturiert werden – mussten. In der Phase des zu Ende gehenden Stalinismus wurde eine zweite Phase gestartet, vor allem mit dem Versuch der Gewinnung von Energie durch Wasserkraft ab Mitte der 1950er Jahre. Zu dieser Kommandoindustrialisierung kam die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft hinzu, die effektiv eine Enteignung der mittelständischen und großbäuerlichen Güter war. 

Stalin war dabei ein Autokrat von ausgesuchter Rücksichts- und Skrupellosigkeit. Die SU war in dieser Zeit von vier Faktoren gekennzeichnet:
1) Eine aufgeblähte Bürokratie
2) Ein eklatanter Mangel an Flexibilität
3) Der Glaube, dass ein Fortschritt gegenüber dem Lebensstandard des Zarenreichs erreicht war – eine Sicherung des Minimalstandards
4) Der Glaube, dass man über diesen Lebensstandard hinauskam und ihn steigerte 

Die europäischen Volksbewegungen der Linken beriefen sich auf zwei Traditionen: die parlamentarische Demokratie oder direkte Demokratie und die zentralistisch-aktivistischen revolutionären Bestrebungen im Sinne der jakobinischen Phase des französischen Revolution. Die Arbeiterbewegungen vor der Jahrhundertwende waren allesamt in ihrer Ausrichtung konsequent demokratisch. Die kommunistische Bewegung brach unter Lenin, systematisiert unter Stalin, radikal mit dieser Tradition, wiewohl man sich weiterhin darauf berief. 1922 wurden demokratische Ideen und Diskussionen aus der KPD verbannt. Stalinisierung bedeutet also Entfremdung von den Ideen des Kommunismus von vor 1917. 

Es gibt zwei Faktoren, die die SU zum faszinierenden Anschauungsbeispiel für Fortschritt machen als auch zum gesuchten Bündnispartner: 

1) Der Fortschritt als Ideologie bot in der SU ein Beispiel von faszinierender Effizienz. Deswegen kam es geradezu zu Pilgerreisen aus England.

2) Gleichzeitig wurde die SU als Bündnispartner für die Staaten des europäischen und atlantischen Westens attraktiv, als ab 1922 der Faschismus in Europa seinen Siegeszug antritt. Besonders mit dem Machtantritt der Nazis 1933 avancierte die SU in der Sicht der Westeuropäer zum wichtigsten Gegner des Faschismus’. 

Dieser Artikel basiert auf der Vorlesung "Politisch-Ideologische Hauptströmungen des 20. Jahrhunderts" von Prof. Dr. Anselm-Doering Manteuffel.

Bildnachweise: 
Pin KPdSU - Pekkos (gemeinfrei)
KPD Zentrale - Carl Weinrither (CC-BY-SA 3.0)
Thälmann - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Magazin - Carrite (gemeinfrei)
Stalin - US Army Signal Corps (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/02/eine-kurze-geschichte-des-kommunismus_17.html

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