Die Forschungskultur der Digital Humanities in 7 Schlagworten #dhiha5

Mein Beitrag zur Blogparade im Vorfeld der Tagung Forschungsbedingungen und Digital Humanities: Welche Perspektiven hat der Nachwuchs? Hier in sieben Schlagworten mein Blick auf die digitalisierte Forschungskultur:

1. Beschleunigung

Spezialisiertes Fachwissen blieb vor DH bei Spezialisten oder manifestierte sich in beständig überholten Handbüchern. Methoden wie Topic Modeling leben und entwickeln sich im digitalen Raum, in Blogs, Twitter-Gesprächen, Kommentaren usw. Das bedeutet einerseits einen extrem schnellen Austausch von Wissen aber auch die Akzeptanz des rohen, unfertigen work in progress. Das Warten auf einen im peer review erschienen Artikel wirkt demgegenüber anachronistisch.

2. Ent-Hierarchisierung der öffentlichen Kommunikation

Die klassischen Hierarchien zwischen Nachwuchs und etablierten Wissenschaftlern drücken sich nicht mehr (wie zumindest in Deutschland heute noch häufig zu sehen) im Kommunikationsverhalten aus. Ein Beispiel:

3. Verspieltheit

Mit Blick auf die geisteswissenschaftliche Forschung mit vor allem (aber nicht nur!) Methoden der Computerlinguistik scheinen wir uns im Moment in einer Phase der spielerischen Entdeckung zu befinden. Häufig  zu hören ist der Vorwurf, mit Technik spielen zu wollen ohne dabei ein  ernsthaftes, begründbares geisteswissenschaftliches Forschungsinteresse  zu verfolgen. Momentan werden Forschungsprogramme erst noch sondiert, sie existieren noch nicht. Ein Beispiel hierfür ist Ted Underwoods Artikel “We don’t already understand the broad outlines of literary history”

4. Tunnelblick

Ein weiterer Punkt der nicht zum ersten und letzten Mal von Birgit Emich auf dem Historikertag gemacht wurde: Digital vorliegende Texte/Quellen führen zu einer freiwilligen Verscheuklappung von Forschungsarbeit: Bevorzugt wird natürlich digitalisiertes Material verwendet, nichtdigitalsiertes Bestände bleiben schneller unberücksichtigt. Das führt zu dem Problem, dass einmal nicht die Technik die geisteswissenschaftliche Forschung bestimmt sondern die mehr oder weniger zahlreich vorliegenden Materialien.

5. Interdisziplinarität

Bemerkenswert sind die Anstrengungen von Informatikern et al. und Geisteswissenschaftlern, sich in die Domäne des anderen einzuarbeiten. Allerdings scheitern die disziplinübergreifenden Gehversuche noch immer regelmäßig an Missverständnissen, Ausbildungsmangel und unterschiedlichen Wissenschaftsverständnissen.

6. Ästhetisierung

Zusammen mit dem Aufschwung von Informationsvisualisierungen als eigenem Forschungsfeld werden Arbeiten in den DH zu Designobjekten. Prezi mag das Paradebeispiel hochästhetisierter, effektgeladener Ergebnispräsentation sein, im Bereich der Netzwerkforschung haben u.a. Gephi und NodeXL neue Standards gesetzt. Das erfordert eine neue Kritikfähigkeit, um angemessen auf die massive Suggestionskraft der “bunten Bilder” reagieren zu können. Um nicht geblendet zu werden, müssen Kompetenzen in diesem Feld (Statistik, Methode, Reproduktion etc) ausgebildet werden.

7. Reproduzierbarkeit und Open Source

Bei allen Beschränkungen, die in der Anwendung von Software auf geisteswissenschaftliche Fächer bestehen, bleibt doch das Potenzial, die erzielten Ergebnisse zu reproduzieren. Realistischerweise wird es möglich sein, Arbeitsvorgänge bis zum Punkt der Interpretation der erzielten Ergebnisse zu rekonstruieren, die vor allem dann, wenn diese im Sinne der Open Source Philosophie offen zugänglich und transparent gemacht werden.
Dies führt im besten Fall zu einer explizit dokumentierten Vorgehensweise, die offenlegt (was zumindest in den Geschichtswissenschaften) oft implizit bleibt und damit nur schwer rekonstruierbar ist.
In diesem Sinne werden auch enhanced publications relevant, die u.a. Fußnoten durch Links ersetzen und dadurch eine realistische Chance der Überprüfung von Referenzen eröffnen.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1615

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