Und es regnete: aus Anlass der Bücherverbrennung vor 80 Jahren

Im Rahmen der universitätweiten Gedenkwoche aus Anlass der Bücherverbrennung vor 80 Jahren befassen sich alle (oder zumindest viele) Seminarsitzungen des Instituts für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin diese Woche in irgendeiner Weise mit der Bücherverbrennung bzw. mit der damit zusammhängenden Erinnerungsarbeit.

Wir haben also heute einen kleinen Abstecher über die Wikipedia-Artikel zur Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin gemacht. Mein einziges klares Ziel war dabei, die deutsche Fassung mit den anderen Sprachversionen zu vergleichen. Was darüber hinausgehen konnte, wusste ich nicht so recht.

Ich hatte ich mir vorgestellt, dass wir einen solchen Artikel in all den im Seminar vertretenen Sprachen vorfinden würden: englisch, italienisch, spanisch, französisch. Nun stellte sich heraus, dass es keine spanische Version gibt, dass die französische Version eine Übersetzung der deutschen Fassung ist (mit einigen Übersetzungsfehlern und ohne die Passagen über Magnus Hirschfeld) und dass die italienische Version ebenfalls eine Übersetzung ist, diesmal der englischen Version, die wiederum unter dem Titel “Nazi book burning” Farbe bekennt und dennoch einen Absatz zu Bücherverbrennungen während der “Denazification” enthält. Dass die Erinnerungsarbeit sich in all diesen kulturellen Zusammenhängen anders entwickelte, damit war wohl zu rechnen. Umso erstaunlicher schien mir die Tatsache, dass es neben der deutschsprachigen und der englischsprachigen Doxa keine Alternative zu geben scheint.

Nach einer Dreiviertel Stunde äußerten die Studenten den Wunsch, die Artikel zu ergänzen. Selbst dem langen, offensichtlich bereits stabilen deutschen Artikel fehlten Quellenangaben, nach denen recherchiert wurde. Es wurden in den weniger umfangreichen Artikeln Informationen aus dem deutschen Artikel eingebaut. Im allgemeinen Artikel über Bücherverbrennungen, den die spanische Wikipedia vorliegen hatte sowie in demjenigen der türkischen Wikipedia – ein äußerst karger Eintrag – wurden neue Absätze zur Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 in Berlin eingebaut.

Immer wieder wurde die deutsche Fassung als Orientierungspunkt herangezogen. Ich musste  mich selbst ob der Genauigkeit dieses Artikels wundern. Und wie dort den so bekannten, symbolträchtigen Vorstellungen und Bildern entgegengearbeitet wird, etwa durch die Präzision der Schilderung der Vorbereitungen. Und durch die wiederholte Angabe, dass es regnete und regnete, in Berlin und in den anderen Städten auch, und das Feuer nicht starten wollte.

Zur Arbeit an den genannten Einträgen werden studentische Beiträge folgen.

 

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/265

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Auslöser

Diese Woche haben wir bei uns am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität per Email eine Umfrage zur Zitierfähigkeit von Wikipedia gestartet. Sie ist so einfach gestaltet, dass die Beantwortung höchstens 2 Minuten in Anspruch nehmen soll:

Halten Sie Wikipedia für zitierfähig?

-> wenn ja, warum?

-> wenn nein, ordnen Sie bitte folgende, von den Studentinnen ausformulierte Gründe in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit (das wichtigste Argument als Nr 1):

Status als Tertiärquelle

Qualitätskriterien

(Unbekannter bzw. Nicht nachvollziehbarer) Autor

Wandelbarkeit der Artikel (durch Veränderungen)

Ungenügende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens von Wikipedia

Nicht längerfristig garantierbare Verfügbarkeit

Die jetzigen Antworten deuten tendenziell darauf hin, dass eine komplexere Ausformulierung nicht fehl am Platz gewesen wäre. Zugleich aber verweisen sich mich – damit hätte ich rechnen sollen/können – auf das Unbehagen, das der Auslöser zur Lehrveranstaltung selbst war.

Nachdem ich Semester lang beinahe jedes einzelne Referat mit dem Vorlesen eines Wikipedia-Artikels (ohne Verweis auf die Quelle) gehört habe, hatte ich die Idee, dass man auf BA-Ebene eine Lehrveranstaltung zur besseren Handhabung von Tertiärquellen anbieten sollte. Dann berichtete eine Mitarbeiterin von mir, dass sie auf einer internationalen Tagung – weil sie in dem Moment online war – feststellen konnte, dass eine namhafte Professorin genau das Gleiche machte: den Wortlaut eines Wikipedia-Artikels in der Einleitung zum Vortrag einzubetten. Anders gesagt: Es ist nicht – oder nicht nur – ein Problem der Technik, wie man ein Referat zu halten hat (liebe Studierende, besucht bitte dennoch fleissiger die Tutorien hierzu!!), sondern eine grundsätztlichere Frage, wie sich die Literaturwissenschaft zu Internetwissen verhält.

Besonders interessant finde ich dabei die offensichtliche Unfähigkeit – die habe ich an mir auch schon gemerkt – sich von den Wikipedia-Formulierungen loszureissen, wenn man deren Informationen weiterverwenden möchte. Eigentlich dürfte es gar nicht so schwierig sein – zumal es sich um eine Tertiärquelle handelt – nur den Informationsinhalt zu übernehmen und umzuformulieren. Dass die Ausdrucksweise haften bleibt, zeigt meines Erachtens, dass die interpretative Komponente eigentlich immer mitspielt und sich so einfach nicht herausnehmen lässt. Der Grund, warum mich die Kollision zwischen Wikipedia und Literaturwissenschaft so sehr interessiert, ist eben der, dass man gezwungen wird, nach den tieferliegenden epistemologischen Prinzipien beider Bereiche als Wissenspeicher zu fragen.

Wer die Umfrage auch an seinem Institut durchgehen lassen mag, ist herzlich willkommen; auf mehr Ergebnisse freuen wir uns. In der Auswertung wird niemand namentlich genannt, es bleibt alles anonym.

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/226

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Besuch eines Wikipedianers

Ein Beitrag von Rebecca Araya

Für diese Sitzung war der Vortrag vom Wikipedianer Marcus Cyron vorgesehen. Da ich

mich mit der Struktur und Arbeitsweise der sogenannten Wikipedia-Community schlecht

auskenne, kamen mir vor zwei Wochen sowohl der Name Marcus Cyron als auch der Begriff “Wikipedian in Residence” völlig unbekannt vor. Den Gebrauch, den ich von Wikipedia seit der Schulzeit mache, hat sich immer auf das strenggenommene Enzyklopädische beschränkt – namlich auf das “Nachschlagen” von unbekannten Begriffen. Bis dahin hatte ich mir keine so großen Gedanken darüber gemacht, was sich hinter dieser Online-Enzyklopädie eigentlich verbirgt. Erst im Rahmen dieses Seminares bin ich allmählich darauf aufmerksam gemacht worden, wie komplex und spezialisiert sie aufgebaut ist und welchen Stellenwert sie in der Wissensgemeinschaft besitzt. Der besagte Vortrag, den Herr Cyron gehalten hat, hat wesentlich dazu beigetragen.

Weil ich, wie schon gesagt, vor der betreffenden Sitzung mit dem Namen Cyron nichts anfangen konnte, machte ich mir zur Aufgabe, den Namen des Wikipedianers bei Google-

Suche einzugeben und etwas über ihn und seine Tätigkeit als „Wikipedian in Residence

zu erfahren. Bei dieser Suche stieß ich auf einen Artikel vom Tagesspiegel geschrieben

von Astrid Herbold, der genau das Thema behandelte, das mich interessierte. Die Überschrift lautete: “Wikipedia forscht mit.” In ihrem Artikel beschrieb Frau Herbold ein

wichtiges Projekt des deutschen Wikipedia-Vereins, in dem Marcus Cyron in der Rolle des

„Wikipedian in Residence“ als eine Art Vermittler zwischen Wikipedia und der Forschergemeinde figurierte. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) sollte Herr Cyron, auf Initiative des wissenschaftlichen Direktors für Informationstechnologie am DAI, Reinhard Foertsch, anhand von Workshops die Funktionsweise des Online-Lexikons den Archäologen und Mitarbeitern am Institut näher bringen. In ihrer Beschreibung dieses für Deutschland erstmaligen Projektes bezog sich Frau Herbold ferner auf die sogenannte GLAM-Bewegung, unter welcher Initiative das erwähnte Residence- Programm geführt werden sollte. GLAM, Abkürzung für Galleries, Libraries, Archives und Museums, wurde von der Wikipedia-Community mit dem Ziel ins Leben gerufen, mit den Forschern in den unterschiedlichen Themenbereichen, welche vom Lexikon abgedeckt werden, in Kontakt zu treten und womöglich Zugang zu vorhandenen Primärquellen zu erlangen.

Als ich darüber las, dass es bei den Wikipedia-Autoren ein Bestreben vorhanden ist, in Zusammenarbeit mit der Forschung zu treten, musste ich an die anfänglichen Ängste um die angezweifelte wissenschaftliche Zuverlässigkeit Wikipedias denken. Bereits in meinen letzten Schuljahren habe ich eine Art Indoktrinierung von sämtlichen Lehrern erlebt, welche in Wikipedia eine unzuverlässige sogar kontraproduktive Informationsquelle zu erkennen meinten. Diese Idee hat mich seitdem im Verlauf meines akademischen Vorhabens immer begleitet und ist sogar im Rahmen meines Studiums an Kraft gewachsen. Nach dem Motto „lieber nach den anerkannten Standard-Referenzwerken zu greifen als Wikipedia als Referenzquelle angeben zu müssen“ gestaltete ich alle meine Hausarbeiten und Recherchearbeiten – was mir öfters der guten Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Wikipedia-Artikel wegen Leid tat.

Somit ist es leicht nachzuvollziehen, wie gerne ich über solche Initiativen wie GLAM und

ihre Residence-Programme erfuhr.

Frau Herbolds Artikel erschien im August des vorigen Jahres, als das Projekt mit dem DAI noch nicht abgeschlossen war, weshalb ich aus dem Artikel nicht erfahren konnte, wie  erfolgreich das Program gewesen war. Schon hatte ich meine erste Frage an Herrn Cyron.

Mich interessierte besonders, wie Wikipedia und ihre Bemühungen zur  Wissensvermittlung bei den unterschiedlichen Forschern ankommt – ob sie sich wie meine ehemaligen Schullehrer verhalten und das Online-Lexikon vom akademischen Bereich wegweisen oder ob sie es als ein künftiges Instrument bei der Forschungstätigkeit betrachten können.

Der Vortrag von Herrn Cyron beantwortete diese und andere Fragen, die ich zur Funktionsweise „hinter den Kulissen“ Wikipedias – wie er es selbst nannte – hatte. Angefangen mit der Finanzierung Wikipedias über ihre Verwaltungsstruktur, die Zusammensetzung und Herkunft der mitwirkenden Kräfte bis hin zu Fragen der Themenbereiche, Forschungsprojekte und Qualitätssicherung, gab uns Herr Cyron eine ausführliche Übersicht vom Gefüge, das hinter der weltberühmten Online-Enzyklopädie steckt.

Was meine erste Frage betrifft, so erfuhr ich, dass ein nennenswerter Anteil der Wikipedia-Autoren Akademiker sind und dass nach dem Projekt mit dem DAI einige Forscher im Zusammenhang mit einem archäologischen Befund in der Türkei anhand von einem Wikipedia-Artikel zu der Ausgrabung weiterhin Kontakt mit der Wikipedia-Community pflegten.

Im Rahmen unseres literaturwissenschaftlichen Interesses bezog er sich auf die Schwierigkeiten, welche wir als Artikelschreiber in diesem Themenbereich zu bewältigen hätten – hauptsächlich handelt es sich hierbei, so Herr Cyron, um das Einhalten der „No Original Research Policy“ (deutsch: keine Theoriefindung), denn zu leicht kann der Autor zu einer wertenden Stellung bezogen auf Werke von Autoren neigen und eigene Interpretationen oder Thesen liefern – was dem Zweck einer Enzyklopädie zuwiderläuft.

Nichtsdestotrotz machte er uns Mut, uns in der Wikipedia-Community wissenschaftlich zu

engagieren und erteilte uns ausreichendes Material, um uns den Einstieg in das Schreiben

von Wikipedia-Artikeln zu erleichtern.

Ich werde mich nun auf die Suche nach einem literaturwissenschaftlichen Thema, worüber

ich meinen Artikel schreiben könnte, begeben und bin Herrn Cyron für die hilfreichen und

interessanten Hinweise sehr dankbar.

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/39

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Schreiben – aber worüber?

Die erste Sitzung des Seminars fand am 8. April statt. Neben der Anmeldung bei moodle, bei Wikipedia und auf diesem Blog (so viele neue Accounts auf einmal!!) konnten die Studenten ihre Interessenschwerpunkte zum Ausdruck bringen.

Mit einigen Erwartungen bzw. Schwerpunkten hatte ich gerechnet: die vielen Fragen zu den Moderatoren und zur Autorität, die ihnen zuerkannt werden soll, die Sorge um die Überprüfbarkeit der WP-Informationen, die Frage der interpretatorischen Eingriffe im Kontext von literaturwissenschaftlichen Artikeln, die schwer objektivierbar seien. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war die Gruppenzusammensetzung. Aus dem Master Europäische Literaturen kommend bringen die Studenten überraschend viele unterschiedliche Sprachkompetenzen mit und interessieren sich grundsätzlich für die Unterschiede der Wikipedias je nach Sprache. Das wird auf jeden Fall ein Punkt sein, auf den wir uns in diesem Semester stärker konzentrieren werden.

Einige Teilnehmer haben sich bereits als Blogger geoutet. Anderen schien die Idee etwas fremd zu sein, über die Arbeitsergebnisse zu bloggen. Aber was soll ich denn schreiben? Die Frage kam mehrmals. Nun hoffe ich auf Antworten darauf…

Quelle: http://wppluslw.hypotheses.org/21

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