Gemeinsam mit einer Bekannten besuchte ich die Ausstellung Dialog mit der Zeit. Die Erlebnisausstellung im Museum für Kommunikation Berlin. Ich habe diesen Ort als Treffpunkt vorgeschlagen, weil ich hoffte, dass eine inspirierende Ausstellung schöne Gesprächsanlässe gibt.
An der Kasse werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir nur die umherfahrenden Roboter im Erdgeschoss fotografieren dürfen und sonst nichts. Aha, wo sind wir gleich nochmal?
Am Eingangsbereich der Ausstellung im 2. Stock werden wir begrüßt und auf die in einigen Minuten stattfindende Führung hingewiesen. Wir könnten uns ruhig ein bisschen umsehen derweil. Derweil besprechen wir zwei Besucherinnen uns aber, dass wir einfach so durch die Ausstellung schlendern wollen. Es ist immer interessant zu sehen, welche Themen auf welche Weise angesprochen werden. Man muss ja nicht alles bis ins kleinste Detail mitmachen, auch nicht in einer Erlebnisausstellung – dachten wir.
Im zweiten Raum probiere ich zunächst die Telefonansage aus. Übrigens sind schwer verständliche Telefonansagen kein altersspezifisches Problem. Da kommt eine resolut wirkende ältere Dame auf uns zu. Die Ausstellung könnten wir nur mit einer Führung besuchen und wir möchten bitte mitkommen, es würde ein interessanter Film gezeigt. Wir blicken uns an und gehen mit. Der Film zeigt ein zunächst junges Gesicht, das altert und faltiger wird. Ganz so wie bei der Agingbooth-App von iTunes. Als ich merke, worum es in dem Film geht, zücke ich mein Tablet und setze den Tweet Im Museum für Kommunikation in Berlin darf man keine Fotos machen und z.B. twittern ab. Dann führt eine ältere Dame mit einigen Worten in die Ausstellung ein. Sie blickt mich strafend an: ¨Wenn Sie vielleicht auch zuhören und ich Ihre Aufmerksamkeit haben könnte. Schließlich wollen Sie ja etwas von hier mitnehmen und da wäre es von Vorteil, wenn Sie zuhören würden.¨
Ein Zeitsprung! Ich fühle mich nicht wie 50 sondern wie 15 und meine Lehrerin tadelt mich, weil ich nicht aufpasse.
So geplättet stecke ich mein Tablet in die Tasche zurück.
Wir zwei entscheiden uns, jetzt wirklich allein weiterzugehen. Kaum entfernen wir uns einige Schritte von der Gruppe, ruft uns die ältere Dame zu:
Sie müssen bei der Gruppe bleiben!
Wir möchten aber alleine durch die Ausstellung gehen.
Aber die Ausstellung ist nur mit einer Führung interessant.
Wir möchten gerne selbst entscheiden, was wir interessant finden. Worin besteht das Problem?
Es gibt kein Problem. Aber am Eingang steht ein Schild, auf dem steht, dass Sie nur mit einer Gruppe in die Ausstellung dürfen.
Welches Schild? Wir haben keines gesehen.
Das Schild am Eingang! Außerdem haben Sie diese Anhänger um, Sie wurden am Eingang darauf aufmerksam gemacht, dass Sie nur mit einer Führung durch die Ausstellung können.
Nein, das war ein allgemeiner Hinweis, das gleich eine Führung stattfindet. Wir möchten bitte selbst für uns entscheiden.
Ja, dann entscheiden Sie für sich selbst.
Wir tun das und kehren in den zweiten Raum zurück. Dort probiere ich die Station aus, wie es sich für ältere Menschen anfühlt, eine Tür zu öffnen. Wieder kommt eine ältere Dame auf uns zu. Es folgt ein sehr ähnlicher Dialog.
Nächste Station: Sehtest. Die junge Dame vom Eingang der Ausstellung nähert sich uns: ¨Ich hörte von einem unserer Senior-Guides, dass es ein Problem gibt?” Spätestens jetzt fühlen wir uns wie Randalierer. Dialog s.o.
Wir sind jetzt schnell fertig mit der Besichtigung. Ich fühle mich sehr unwohl und auch fassungslos. Dem Bedürfnis, mich mit meiner Begleiterin auszutauschen, kann ich hier nicht nachkommen. Auch habe ich das Gefühl, das man uns einfach nicht Ernst nimmt und fühle mich in meiner Privatsphäre verletzt. Beim Verlassen der Ausstellung sehen wir das besagte Schild im Din-A-4 Format. Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich bereits bei der Recherche zur Ausstellung im Internet einen entsprechenden Hinweis gelesen hätte oder wir spätestens an der Kasse darauf hingewiesen worden wären, dass der Besuch der Sonderausstellung nur mit Führung erlaubt ist. Dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, uns gleich einen anderen Ort für unsere Kommunikation zu suchen.
Fazit: Das war der absurdeste Museumsbesuch, den ich jemals erlebt habe. Auch hätte ich mir – zumal ich mich in einem Museum befand, und nicht an einem Krankenkassen-Info-Stand – tiefergehende Zukunfts-Themen und Denkanstöße als dargeboten erhofft. Warum wird eine Ausstellung so einseitig konzipiert? Wenn die Zukunft des Alters darin besteht, andere zu reglementieren und festzulegen, wie sie die Dinge zu sehen haben, dann wird mir Angst vor dem Alter. Und daran ändern auch keine zweisprachigen Beschriftungen (dt./engl.) etwas.
Mein persönlicher Tipp: Widmen Sie Ihre Zeit einem älteren Menschen in Ihrer direkten Umgebung und treten Sie mit diesem in einen Dialog mit der Zeit. Das ist keine Zeitverschwendung und bereichert beide Seiten.
Digitale Bildquelle (Bild oben): www.artigo.org
Künstler: Meister des Hausbuchs, Titel: Der Jüngling und der Tod, Ort: Wien, Albertina, Zeit: letztes Viertel 15. Jh.
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Künstler: Ferdinand Georg Waldmüller, Titel: Die Ermahnung, Ort: Wien, Museen der Stadt Wien, Zeit: 1846
Quelle: http://games.hypotheses.org/1932