Angeregt durch Mareike Königs Anregungen aus der französischen Wissenschafts-Blogosphäre und die Notizen zum 1. Geburtstag von de.hypotheses stellt sich einmal mehr die Frage, was mind the gap(s) sein soll/will/kann? Wie sieht das Feld der China-Blogs aus – und wo steht dieses Blog?
Die China-Blogosphäre
Nachdem The China Beat mit dem 1000. Post im Juni 2012 eingestellt wurde (aber weiter twittert) und zahlreiche Old China Hands 2011/2012 China verlassen und ihre Blogs eingestellt haben [1], ist die China-Blogosphäre in einer Umbruchsphase. Die Mehrzahl aller China-Blogs widmet sich dem ‘aktuellen’ China, dem Tagesgeschehen im weitesten Sinn: dem Markt China (und ‘Anleitungen, um auf diesem Markt zu reüssieren [3]), der politischen Lage, der Menschenrechtssituation – oder generell dem ‘China-watching’.
Es lassen sich grob Gruppen unterscheiden (wobei die Übergänge fließend sind):
- Expat-Blogs und Blogs für China-Reisende wie z.B. Lost Laowai (Gruppenblog), Country Fried Egg Roll, Mark’s China-Blog, The Peking Duck, das Gruppen-Blog Rectified.Name 正名 etc. etc. – ein breites Spektrum zwischen praktischen Tipps für alle Lebenslagen und sehr persönlichen Aufzeichnungen über individuelle Strategien zur Bewältigung des Alltags in China
- “Blogs” (eher Artikel-Feeds) von China-JournalistInnen wie z.B. James Fallows/The Atlantic, Evan Osnos’ Letter from China/The New Yorker, China Real Time Report/The Wall Street Journal, Damian Grammaticas/BBC, Jonathan Kaiman/The Guardian, Tania Branigan/The Guardian, Felix Lee/Die Zeit, ChinaFile, Jaime FlorCruz’s Jaime’s China/CNN,etc. etc. – mit mehr oder weniger hoher Frequenz, manche nur mit Kurzmeldungen, mache mit umfangreichen Reportagen und Kommentaren.
- Blogs von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern wie Warp, Weft & Way (Gruppenblog, chinesische Philosophie), Frog in a Well|China (Gruppenblog, Geschichte, Kulturgeschichte, Politik), die Blogs von Chris Fraser 方克濤 (klassische chinesische Philosophie), Jeremiah Jenne [Jottings from the Granite Studio (Geschichte Chinas)], Maura Cunningham/The Wandering Life, Tom Mazanec (PhD student/Princeton University), David Prager Branner/& verbiage overflow, Chelsea Wang (Grad Student, Columbia University)/Miscellaneous Notes from the Studio of Easy Knowing (Yìzhīzhāi zájì 易知齋雜記), Georg Lehner/De rebus sinicis oder das Blog des China Policy Institute / University of Nottingham etc.
- Blogs die Projekte begleiten, wie viele der China- und Asien-Blogs (Auflistung von Jean Stouff) bei fr.hypotheses zu Projekten an EHESS, Ecole Normale Supérieure de Lyon, Fondation Maison des Sciences de l’Homme, etc.
Die deutschsprachige China-Blogosphäre erscheint sehr überschaubar:
- Blogs von Institutionen, Gesellschaften, Vereinigungen mit China-Bezug, die in der Regel nur Veranstaltungen ankündigen
- Presseschauen wie Chinablätter (Sammlung/Katalog/Links zu China-Berichten in deutschsprachigen und englischsprachigen Medien), Asienspiegel mit News aus Japan, China und Korea (will “der deutschsprachigen Berichterstattung über Ostasien einen neuen Anstrich” geben), Doppelpod | Netzkultur zwischen Deutschland und China, Stimmen aus China | Ein Blog der Asienstiftung (ein Gruppenblog, das chinesische Online-Essays und Blog-Beiträge übersetzt und analytisch aufbereitet), etc.
- Blogs zu China-Marketing/Doing Business in China als Tools zum Eigenmarketing (weshalb hier auf Beispiele verzichtet wird)
- Blogs zu Zeitschriften, z.B. 思辨 SiBian (Zeitschrift der jungen Chinawissenschaften) und DianMo (von Studierenden der Uni Leipzig gemacht) oder und zu studentischen Initiativen.
- Blogs von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern sind rar – außer De rebus sinicis und mind the gap(s) gibt es (vorerst noch) außerhalb von hypotheses die Bibliotheca Sinica 2.0 (die demnächst den 2500. Beitrag bringt). Aber sonst? Hinweise auf bloggende China-WissenschafterInnen herzlich willkommen!
Einige dieser Blogs sind sehr aktiv und bringen regelmäßig neueBeiträge, andere sind ständig in Gefahr, bei der nächsten RSS-Feed-Entrümpelung gelöscht zu werden, weil nur sehr unregelmäßig Neues kommt. Viele der ‘aktiven’ Blogs haben ihren Schwerpunkt in Veranstaltungsankündigungen und/oder Verweisen auf Neuerscheinungen (und wären IMHO bei Twitter wesentlich besser aufgehoben).
Was bedeutet das für mind the gap(s)?
Das Blog ist als ‘carnet de recherche’ intendiert:
- als Raum, Themen auszuprobieren und anzudenken
- als Ort, Trouvaillen festzuhalten, die zu neuen Themen werden könnten
- als Notizbuch, Überlegungen zu laufendenProjekten festzuhalten
Im Raum steht auch das Abwägen, ob es nicht sinnvoller wäre, in (oder auch in) englischer Sprache zu bloggen. [4] Strategisch wäre das mittel- bis langfristig sicher sinnvoll – der Kreis potentieller LeserInnen würde sich dadurch massiv erweitern. mind the gap(s) will nicht ‘China erklären’, sondern Überlegungen aus dem Forschungsalltag festhalten. Obwohl Mareike König die zögernde Haltung in den Geisteswissenschaften zur Popularisierung kritisch anmerkt, zieht mind the gap(s) eine klare Grenze: Popularisierung mag sein, Trivialisierung auf keinen Fall. Das Blog setzt bewusst einen Kontrapunkt zu ‘Sunzi für EinsteigerInnen’, ‘Wie viel yin ist in 100g Gurke?’, ‘Fengshui beim Entrümpeln’ etc. [5] Der Reiz des Exotischen und die Faszination eines ‘rätselhaften’ Orients inkl. vermeintlicher Sensationen bleibt ebenso wie das Sich-Weiden am Ungewöhnlichen anderen überlassen. Es wird daher keine ‘einfachen’ oder vereinfachenden Erklärungen komplexer Sachverhalte geben.
Two roads diverged in a wood, and I—
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference. (Robert Frost)
—
[1] Beispiele: Will Moss/ImageThief, Mark Kitto (der seine Beweggründe in You’ll Never be Chinese dargelegt hat) oder C. Custer/ChinaGeeks (s. Why I am m leaving China) – und zahlreiche andere, deren China-Experten-Status zum Teil sehr kontrovers diskutiert und kommentiert wurde. ↑
[2] Vergleicht man Artikel zum Handel in/mit China aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts mit aktuellen Meldungen, so müsste man eigentlich nur Wortung und Orthographie ein bisschen modernisieren, der Inhalt ist weitgehend deckungsgleich. ↑
[3] Die Auswahl ist willkürlich, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt keine explizite Unterstützung/Billigung der in den genannten Blogs dar. ↑
[4] Ein Plug-in, das mehrsprachige Varianten erlaubt, steht auf der Wunschliste für hypotheses.org ganz weit oben. ↑
[5] Ein Blick in die Buchläden zeigt allerdings, dass es für derartige Titel einen Markt zu geben scheint – aber das wäre ein anderes Thema (dazu demnächst mehr). ↑