Talking Historians
75 Jahre spanischer Bürgerkrieg: Die Rolle der IG FARBEN
Am 17. Juli 1936 erhoben sich die Truppen Francisco Francos gegen die demokratisch legitimierte Regierung von Spanien. Die faschistischen Staaten Italien und Deutschland sowie zahlreiche Konzerne unterstützten die Putschisten. Zum 75. Jahrestag des Kriegsbeginns am Sonntag veröffentlicht die Coordination gegen BAYER-Gefahren heute einen Artikel zur Zusammenarbeit der IG Farben mit dem Franco-Regime.
15. Juli 2011 (CBG) — Die IG Farben, die 1925 aus einem Zusammenschluss von BASF, BAYER, HOECHST und AGFA hervorging, war seinerzeit der größte Konzern Europas. Die IG besaß in Spanien 14 Niederlassungen und war dort das größte ausländische Unternehmen.
Anlässlich des 75. Jahrestags des Kriegsbeginns am 17. Juli erinnert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) an die Rolle der IG Farben im Bürgerkrieg. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Die IG Farben stand von Beginn an auf Seiten der Putschisten und leistete ihnen auf jede erdenkliche Art und Weise Beistand. Mehrmals wurden hohe Geldsummen an Franco gespendet. Die IG Farben unterstützte die Legion Vidal, die Sanitätstruppe der Putschisten. Und an die Kampftruppen lieferte die IG alles, was für die Kriegsführung benötigt wurde – Zellwolle für die Uniformen, Quecksilber, Chemikalien für den Bau von Bomben und Experten für chemische Kampfstoffe.“
Stolz hieß es in einem Memorandum der IG Farben: „Während der ganzen Dauer des spanischen Bürgerkriegs hat Deutschland und innerhalb Deutschlands 100-prozentig die AGFA es fertiggebracht, Spanien, d. h. die spanische Wehrmacht mit den unbedingt erforderlichen Mengen (…) zu versorgen“. In internen Schreiben rühmten IG-Manager den „vorbildlichen Kampfesmut“ der Franco-Truppen und erklärten die Eroberung von Toledo zum „Ruhmesblatt in der Geschichte Spaniens“.
Bei den Luftangriffen der „Legion Condor“ auf Guernica und andere baskischen Städte kam die von der IG Farben produzierte Brandbombe B1E zum Einsatz. Diese entwickelte eine Hitze von bis zu 2.400 Grad und entfachte eine Feuersbrunst, der mit Löschwasser nicht beizukommen war. Die genaue Zerstörungsleistung – in Guernica starben fast 1.700 Menschen – untersuchten Experten minutiös. Hitler persönlich brüstete sich später, dass es ohne die Hilfe aus Deutschland und Italien „heute keinen Franco“ gäbe.
Eine wichtige Rolle spielte die IG Farben auch beim 1936 veröffentlichten Vierjahresplan, mit dem die Umstellung zu einer Kriegs-Ökonomie organisiert wurde. Der Konzern konzipierte wichtige Teile des Programms, weshalb das Unterfangen auch bald „IG-Farben-Plan“ hieß. Auch über die Umsetzung wachten zahlreiche Beschäftige des Konzerns, die in die neue Vierjahresplan-Behörde abgestellt wurden. Spanien kam in der Kriegsplanung wegen seiner Bodenschätze eine wichtige Rolle zu.
Der IG-Direktor Heinrich Gattineau war direkt zu Kriegsbeginn nach Spanien gereist, um die Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen. Gattineau warnte vor der sehr gefährlichen Situation, nicht mehr genügend Schwefelkies für die Schwefelsäure-Produktion einführen zu können; über die Hälfte des Bedarfs deckte das Deutsche Reich damals aus spanischen Quellen. Doch bereits im Oktober 1936 leisteten die deutschen Stellen Vorauszahlungen „von ca. RM 200.000, à Conto der bereits unterwegs befindlichen und weiter noch zu verschiffenden Mengen Schwefelkies“. Ein Großteil davon ging an die IG FARBEN; über die Jahre lag ihr Anteil am Gesamt-Import bei 80 Prozent.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Geschichte der chemischen Industrie im Dritten Reich. Die CBG veröffentlichte das Buch „Von Anilin bis Zwangsarbeit – die Geschichte der IG Farben“. In den 90er Jahren kämpfte die Coordination gemeinsam mit überlebenden Sklavenarbeitern für Entschädigungszahlungen der IG-Nachfolger BASF, BAYER und HOECHST.
weitere Informationen:
- Artikel zur Kooperation von Franco und IG Farben
- Artikel zum Umgang des BAYER-Konzerns mit der Geschichte im Dritten Reich
- French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Núria Puig and Rafael Castro
- Kampagne zur Entschädigung von Zwangsarbeitern
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"Heute" verwechselt Alfred mit Victor Adler
Ziemlich jenseitig: Das Gratisblatt "Heute" verwechselt nicht nur Alfred mit Victor Adler und schreibt letzteren dann auch noch falsch. [via Beppo Beyerl]
Suchen und finden vor Google
Tantner, Anton: Suchen und finden vor Google. Eine Skizze, in: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare, 64.2011/1, S. 4269. http://phaidra.univie.ac.at/o:103096
Schwarzbuch statt Kapuzinergruft!
Gut auch, dass die passende Lektüre für die Farce am Samstag als Taschenbuch vorliegt:
Leidinger, Hannes/Moritz, Verena/Schippler, Berndt: Das Schwarzbuch der Habsburger: Die unrühmliche Geschichte eines Herrschergeschlechtes. Wien/Innsbruck: Haymon, 2010. ISBN 978-3-85218-822-5
Anfrag- und Adressbüro, München 1825ff (Update)
Viel ist es bislang nicht, was ich über das im Dezember 1825 in München angekündigte Anfrag- und Addreß-Bureau in Erfahrung habe bringen können: Es wurde von den Herren Bernhardt, Lieberich, F. Hänlein und Kitzinger - allesamt honorige Beamte - betrieben und war in der Residenz-Schwabingerstraße 48 zu ebener Erde situiert. Die Dienstleistungen des Instituts richteten sich an Einheimische und Fremde und umfassten Auskunftserteilungen über die Adressen von Behörden und sonstige öffentliche Einrichtungen, Botschaften, Beamten, Ärzte, Sehenswürdigkeiten und Handlungshäuser genauso wie Arbeitsvermittlung, Geld- und Wohnungsvermittlung sowie Schreibarbeiten.1 Anfang 1826 eröffnete das Büro; über seine Angebote und Gebühren informierte eine eigens aufgelegte, um zwölf Kreuzer verkaufte Broschüre.2 Schon bald wurde ihm Erfolg attestiert, wenn auch bedauert wurde, dass ihm noch einige alte festgewurzelte Mißbräuche und Vorurtheile entgegenstünden und manche Dienstmägde sich lieber von alten Maklerinnen um einen ganzen Taler vermitteln lassen würden als um ein paar Groschen die Dienste des Büros in Anspruch zu nehmen.3
1 Bekanntmachung, in: Augsburger Allgemeine Zeitung, 13.1.1826, Nr. 13, Beilage, S. 51f. (GBS); vgl. auch BRUCKBRÄU, Friedrich Wilhelm: Neuestes Taschenbuch der Haupt- und Residenzstadt München und den Umgebungen für Einheimische und Fremde. München: Joseph Lindauersche Buchhandlung, 1828, S. 36.
2 Bekanntmachung, in: Königlich-Baierisches Intelligenz-Blatt für den Unterdonau-Kreis, Stück 3, Passau 18.1.1826, S. 30 (GBS).
3 Das Anfrag- und Addreß-Bureau in München, in: Der Bayerische Volksfreund, 11.11.1826, 3. Jg., Nr. 134, S. 589 (GBS).