Robert Siodmak Retrospektive: Kopienrückschau (2): Frankreich

Die im Zeughauskino gezeigten 35mm Kopien der Filme, die in der Zeit von Robert Siodmaks Exil in Frankreich entstanden, stammen aus zwei Quellen: Die Archives françaises du Film du CNC, Bois d’Arcy stellten Kopien der von Siodmaks Cousin Seymour Nebenzahl mit seiner Firma Nero Film produzierten Filme Le sexe faible (1933), La crise est finie! (1934), La vie parisienne (1936) und Le chemin de Rio (1937) zur Verfügung, ebenso die Kopie von Mister Flow  (1936). Die Kopien von Mollenard (1938) und Pièges (1939) stammten aus dem 2002 von Gaumont übernommenen Télédis-Bestand.

Die Qualität der CNC-Kopien ist insgesamt sehr gut. Bei La crise est finie! scheint es sich um eine erst vor kurzem gezogene Kopie zu handeln, mit entsprechend exzellentem Bild und Ton. Auch die Kopien von Le chemin de Rio und La vie parisienne sind und optisch und mechanisch sehr gut; leider ist der Ton der Kopie von La vie parisienne sehr schwankend. Vermutlich durch eine Filterung wurde er zwar von Nebengeräuschen gesäubert, leise Passagen sind dadurch aber kaum noch hörbar, während laute Geräusche und Dialoge einwandfrei, beinahe zu sauber, klingen. Die Kopie von Le sexe faible wurde vom beschädigten Originalnegativ umkopiert. Die Schäden betreffen den Ton stärker als das Bild, vor allem im vierten und fünften Akt gibt es massive Störgeräusche (die mitunter ein wenig an einen kreisenden Helikopter erinnern). Die Kopie von Mr. Flow zeigt ein paar Gebrauchsspuren, war ansonsten aber völlig in Ordnung.

Beide Télédis/Gaumont Kopien sind in akzeptablem Zustand, aber weit entfernt von der optischen und mechanischen Qualität der CNC Kopien. Die Kopie von Mollenard ist auf ORWO (!) Material kopiert und hat schöne schwarz/weiß-Werte, wenn auch etwas körnig. Die Kopie von Pièges dagegen ist relativ hell und wenig kontrastreich.

Eine Schwierigkeit bei allen Filmen besteht darin, dass offenbar keine untertitelten Kopien in der oben beschriebenen Qualität existieren. Eine Live-Untertitelung war zumindest für vier Filme möglich, zu Mollenard und Pièges waren zur Berlinale Retrospektive 2013 digitale englische Untertitel angefertigt worden – die dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurden – zu La crise est finie! und Mister Flow wurden von SUBS Hamburg deutsche Untertitel für die Retrospektive im Zeughauskino hergestellt.

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/422

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Robert Siodmak Retrospektive: Kopienrückschau (1) – Weimarer Republik

Die letzte umfangreiche Robert Siodmak Retrospektive in Deutschland vor der Retrospektive im Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum (01. April bis 29. Juni 2014) fand anlässlich der Berlinale 1998 statt. In keiner Werkgruppe sind ihre Nachwirkungen so sichtbar wie bei den Filmen Siodmaks, die in der Weimarer Republik entstandenen sind. Für die Berlinale-Retrospektive wurden mehrere Filme restauriert oder es wurden neue Kopien hergestellt die nun auch im Zeughauskino gezeigt werden konnten:

Menschen am Sonntag: Kopie der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen; 1997/98 restauriert von der Deutschen Kinemathek und dem Nederlands Filmmuseum (heute EYE), auf Basis einer holländischen Nitrokopie und Materialien aus weiteren Archiven; vgl. dazu: MENSCHEN AM SONNTAG (1929/30) – Eine Fallstudie.

Abschied: Kopie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung; 1998 neu vom Originalnegativ gezogen.

Jim, der Mann mit der Narbe: Kopie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung; 1998 vom Originalnegativ gezogen und ergänzt um den aus einem Dup-Positiv aus den Beständen des Staatlichen Filmarchivs der DDR (SFA) stammenden ersten Akt, der im Originalnegativ nicht überliefert ist.

Stürme der Leidenschaft in der mit Musik unterlegten stummen italienischen Verleihfassung: Kopie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung; 1998 von einem Dupnegativ der italienischen Fassung aus dem Bestand der Fondazione Cineteca Italiana gezogen. Von der deutschen Fassung von Stürme der Leidenschaft ist in der Deutschen Kinemathek ein Fragment überliefert, es stammt aus der Sammlung Fidelius und wurde ebenfalls 1998 umkopiert.

Brennendes Geheimnis: Kopie des Bundesarchiv-Filmarchiv; 1998 wurde eine Neukopierung in Auftrag gegeben, auf dem Festival lief aber eine ältere Kopie aus den Beständen des SFA. Im Zeughauskino konnte nun eine sehr schöne und offenbar kaum gespielte Kopie gezeigt werden, vermutlich die 1998 in Auftrag gegebene.

Die Kopien von Quick (DIF) und Voruntersuchung, von denen leider keine restaurierten Fassungen existieren, stachen umso mehr heraus. Vor allem im Fall von Voruntersuchung wäre eine Restaurierung sehr wünschenswert. Ein oberflächlicher Vergleich der Benutzungskopien der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und des Bundesarchiv-Filmarchivs legt nahe, dass beide vom selben schlechten Ausgangsmaterial und nicht allzu sorgfältig umkopiert wurden. Vor allem die Kopie des Bundesarchivs ist teilweise flau, beide haben mitunter einen stark körnigen Dup-Charakter mit einem Hang zum Ausbrennen, wobei die Kopie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung noch ein wenig kontrastreicher ist und letztendlich auch im Zeughauskino gespielt wurde.

Mit Kopien in gutem Zustand konnten auch die französischen Sprachversionen von Voruntersuchung (Autour d’une enquête) und von Stürme der Leidenschaft (Tumultes) präsentiert werden.

Autour d’une enquête: Kopie der Archives françaises du film du CNC (Bois d’Arcy), vermutlich in den 1990er Jahren von einem gut erhaltenen Nitromaterial umkopiert.

Tumultes: Sendekopie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung; als Vorlage für eine Fernsehausstrahlung wurde die Kopie etwas heller kopiert als gewöhnlich, dafür war sie nahezu ungespielt.

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/192

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Ein filmographisches Mysterium: Ins Blaue hinein

Das Regiedebüt des Kameramannes Eugen Schüfftan, das Leinwanddebüt von Theo Lingen: Ins Blaue hinein heißt dieser Film. Entstanden ist er wahrscheinlich 1930, doch eigentlich weiß man nahezu nichts. Eine 35minütige Tonfilmskizze im Stil von Menschen am Sonntag (1930) an dem Schüfftan als Kameramann beteiligt gewesen war; wahrscheinlich ebenso wie dieser als privat finanziertes Experiment in Angriff genommen, um zu beweisen, dass sich Tonfilm und Außenaufnahmen nicht ausschließen. Öffentlich aufgeführt wurde Ins Blaue hinein womöglich erst zur Berlinale 1998 – umkopiert von einer Nitrokopie, die ein Schweizer Privatsammler im Centre National de la Cinématographie, Service des Archives du Film, Bois d’Arcy, deponiert hatte. Martin Koerber hatte den Filmtitel dort auf einer Liste ungesicherter Nitromaterialien entdeckt, den Film gesichtet, er „war gleich verliebt – ein kleines, unbekümmert frisches Experiment mit Bildern und Tönen, zugleich ‘Querschnittsfilm’ und Schauspielerübung, musikalische Komödie und Kamera-Manifest“ (Koerber). Recherchen ergaben: nichts. Keine Zensurkarte, kein Hinweis in den Zensurlisten oder der zeitgenössischen Presse. Eine Uraufführung in Deutschland ist nicht nachweisbar. Hinweise zur Entstehung und Geschichte dieses Films werden weiterhin gerne entgegengenommen.

Am Freitag dem 4. April 2014 wird die 35mm Kopie der Deutschen Kinemathek im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin gezeigt. Notfalls kann man sich den Film auch auf der bei Criterion erschienenen DVD oder Blu-ray People on Sunday anschauen, der Ins Blaue hinein als Bonusmaterial beiliegt.

Ins Blaue hinein, 1930 (?)

Regie: Eugen Schüfftan, Buch: Dr. Herbert Rona, Kamera: Laszlo Schäffer, Ton: Franz Schröter, Musik: Harry Ralton, Musikalische Leitung: Alfred Strasser, Regieassistenz: Dr. Herbert Rona, Darsteller: Toni van Eyck, Karl Balhaus, Aribert Mog, Theo Lingen, Wolfgang Staudte, Franz Stein, Werner Scharf, Alice Iversen, Helene Roberts, Produktion: Prisma-Produktion, Tonsystem: Lignose-Hörfilm, Tonkopie: Fitiko.

Kopie: Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, 966 m

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/177

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