Handyverbot oder “Wie ich trotz Jeans in die Gemäldealerie Alte Meister gelassen wurde”

Versucht man in der Galerie Alte Meister  sich mit Hilfe eines Telefons Notizen zu machen, wird man schnell aber bestimmt darauf hingewiesen, dass die Benutzung von Telefonen oder Tablets dort nicht gestattet ist. Wiederkehrendes Argument ist: “Das ist wie eine Kirche hier.” Was ist damit gemeint und wieso das Verbot?

Bringen  Telefone oder Rechner Aktivitäten in die heiligen Hallen des Museums, die ohne technische Unterstützung nicht möglich wären? Fotografieren:  ist ohnehin verboten. Lautes Sprechen: wäre auch analog möglich und verbietet sich durch die Etikette. Übersetzen von Wörtern: können nicht-deutschsprachige Besucher mit mitgebrachten Wörterbuchern erledigen. Einholen von Informationen: geschieht, wie vielfach zu beobachten ist, qua Audioguide, Reiseführer in Buchform oder freundliche Mitarbeiter des Museums.

Wenn also all diese Aktivitäten keineswegs durch die Technik in das Museum gebracht werden, sondern dort schon praktiziert werden, wo ist dann das Problem mit den Geräten? Schäden an den Bildern oder Irritationen der Überwachungstechnik  durch Strahlung oder Elektrosmog sind schließlich nicht zu befürchten, das bestätigt sogar das Museumspersonal.

Nein, der Grund ist, “es ist wie eine Kirche hier.” Das Museum wird zu einem sakralen Ort erklärt, dessen besonderer Status gewahrt bleiben soll. Von Telefonen und Tablets wird vermutet, dass sie per se mit dieser quasi-Transzendenz unvereinbar sind. Die Angst ist, dass die bloße Anwesenheit von Technik die Außeralltäglichkeit der Galerie zerstört: “Wenn einer anfängt, dann benutzen das hier alle.” Dieser Auffassung wiird allerdings nicht konsequent gefolgt, da für die Ausstellung Die Sixtinische Madonna. Raffaels Kultbild wird 500 eine App angeboten wurde.

Eine weitere Befürchtung sind Verstöße gegen das Urheberrecht. “Nicht alle Besucher”, so erfährt man, “wissen, dass sie Fotos nicht einfach ins Internet stellen können, ohne Rechte zu verletzen.” Da das Fotografieren allerdings ohnehin verboten ist und die Rechtsverstöße ja in der individuellen Verantwortung der Besucher liegen, ist das vorbeugende Verbot bestimmter Geräte wenig nachvollziehbar.

Grundlegend für das Technik- und Selbstverständnis der Alten Meister scheint jedoch der Einwand, die Technik würde die Konzentration auf die Kunst vermindern. Anders als Audio-Guides (die bei Maximallautstärke eine erhebliche Lärmbelästigung darstellen können) und Führungen, deren Teilnehmer dem nichts ahnenden Betrachter der Werke unvermittelt den Blick verstellen können, würden Telefone und Tablets auch nicht-kunstbezogene Beschäftigungen erlauben. Ganz anderer Fall als das Gespräch eines Pärchens, dass sich von den Bildunterschriften der Renaissance-Gemälde Inspiration für die Namensgebung ihres Nachwuchses inspirieren lassen wollte–

Was in der Gemäldegalerie Alte Meister zur Zeit mit Strenge durchgesetzt wird, ist eine Einschränkung der Freiheit, mit Hilfe von Technik auf Informationen zuzugreifen, die  nicht von den Ausstellungsmachern bedacht und ausgewählt wurden. Das wenig überzeungende Argument ist eine Störung der Sakralität dieses “Heiligthumes der Kunst”. Da von den Besuchern  analoge (d.h. gedruckte oder menschliche) Informations- und Störquellen durchaus in Verwendung genommen dürfen, bleibt nach dem Besuch des Museums der Eindruck, dass es sich um eine rein ästhetische Entscheidung handelt.

Beim Hinausgehen auf die Straße war ich daher nachträglich verwundert, dass ich mit Jeans bekleidet überhaupt in die heiligen Hallen vorgelassen worden war.

 

Quelle: http://dss.hypotheses.org/659

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Immer wieder am Semesteranfang… die Geldfrage

Wissenschaft als Beruf
Bei der Brotgelehrten, einem der schönen Blogs in Sachen wissenschaftliches Dasein, gibt es pünktlich zum Semesteranfang nützliche Tipps für Studierende. Überhaupt ist das Weblog von Mareike Menne, die auch den bei Kohlhammer erschienenen Ratgeber Berufe für Historiker verfasst hat, eine wahre Fundgrube. Und nachdem das gab_log Nachfragen erhalten hat, wer denn alles zum wissenschaftlichen ‘Nachwuchs’ gehört, sei versichert, dass wir dabei immer auch an die Studierenden denken.

Zur Geldfrage weist sie u.a. auf einen gestern erschienen Artikel der Süddeutschen zu “Geld-Tipps zum Semesterstart” nebst Links zum Stipendienlotsen oder zu den Studentenrabatten hin. Außerdem bekommt man bei der Verbraucherzentrale NRW für 9,95€ einen guten Ratgeber: “Verbraucherzentrale NRW: Clever studieren – mit der richtigen Finanzierung”, Düsseldorf (3)2009. [Dort gibt es generell viel in Sachen Studium zu finden.]

Treffend ist die Darstellung in Sachen Übergangszeiten, also den plötzlichen Leerstellen, die sich nach Abschlüssen ergeben:

Allerdings bleibt eine gute Übersicht für die Transferzeiten ein Desiderat: Wie finanziere ich mich, wenn ich den Bachelor abgeschlossen habe (also exmatrikuliert bin), aber das Masterprogramm noch nicht startet? In vielen konsekutiven Programmen, auch im Geschichtsstudium, werden Module angeboten, die bereits während des Bachelors für den Master absolviert werden können oder ein Bachelormodul, das mit in den Master genommen werden kann, damit diese Lücke nicht entsteht. Aber falls ein Uniwechsel damit einhergeht oder der Wechsel in einen interdisziplinären Master, kann es passieren, dass eine Unterbrechnung des Studierendenstatus eintritt – mit entsprechenden Konsequenzen für Finanzierung, Versicherung etc.

Zur Übergangsphase in den Beruf empfiehlt Mareike Menne übrigens die Website www.beruf-start.de, bei der man sich nicht daran stören sollte, dass Ingenieure, Informatiker und Ärzte die Hauptzielgruppe darstellen. Und ich für meinen Teil freue mich, dass die wirklich nützliche PDF-Ergänzung von Berufe für Historiker online zu finden ist.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/290

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Information vs. Erkenntnis und Erfahrung

In Rückblick auf die letzte Woche, die für mich durch dialektische Wortpaare wie Digitalisierungswahn vs. Informationsgesellschaft, Aura vs. Reproduktion, Original vs. Digitalisat geprägt war, bildet sich in meinem Kopf eine einfach Frage: Welche Rolle können wir als Wissenschaftler und Kulturproduzenten in diesem Prozess spielen? Und die Antwort ist vielleicht so banal wie einfach: Kritisch reflektieren und vermitteln. Denn – die reine Verfügbarkeit der Information macht noch keine Erkenntnis.

Daran erinnert mich der Philosoph Byung-Chul Han in “Duft der Zeit: Ein philosophischer Essay zur Kunst des Verweilens” von 2009: “Die Erkenntnis ist genauso zeitintensiv wie die Erfahrung. Sie zieht ihr Kraft sowohl aus dem Gewesenen als auch aus dem Zukünftigen. Erst in dieser Verschränkung von Zeithorizonten verdichtet sich die Kenntnis zur Erkenntnis. Diese temporale Verdichtung unterscheidet die Erkenntnis auch von der Information, die gleichsam zeitleer oder zeitlos im privaten Sinne ist. Aufgrund dieser temporalen Neutralität lassen sich Informationen abspeichern und beliebig abrufen. Wird den Dingen das Gedächtnis genommen, werden sie zu Informationen oder auch zu Waren.”

Mit diesen Worten im Kopf wird mir auch deutlich, was mich an den mit Gegenständen aus verschiedensten Sammlungen in den bisher unbeschrifteten Vitrinen im Collegium Bohemicum genaus irritiert wie der Kommentar einer Mitarbeiterin der SLUB in der Digitaliserungsabteilung zu der Eintönigkeit und der zum Teil körperlichen Anstrengung beim Digitalisierungsprozess: ” Wir können nur hoffen, dass es irgendjemandem nutzt.” – Das Ding selbst bleibt genauso leer in seiner Bedeutung wie das reine Digitalisat. Erst seine Kontextualsierung, seine (soziale) Einordnung generiert Sinnhaftigkeit. Wie können wir diese Kontextualisierung sicherstellen? Wie verhindern wir, das im Zuge einer Idee der totalen Transparenz kulturelles Gedächtnis nicht der Logik der universalen Verfügbarkeit im Geiste des Neoliberalismus unterworfen wird?

Mir fällt nur eins ein: Dem Erkenntnisprozess wieder Zeit und Raum einräumen, die Institutionen in ihrer Funktion als Diskursräume wiederbeleben. Oder anders ausgedrückt: Der Weg vom Container für Bücher (Informationen) zum Container für Menschen (Austausch), führt für mich wieder aus dem Ort des Digitalisats (Internet) zum Ort des zwischenmenschlichen Austauschs. Und das macht uns zu Kuratoren (im alten Wortsinne des Behütens und Pflegens) von temporären aber auch institutionaliserten Orten der gemeinsamen Erkenntnisgewinnung und Erfahrung. Was wir dabei vermitteln müssen, ist weniger die Information, sondern die Lust, sich dieser mit Muße gemeinsam zu widmen.

 

Quelle: http://dss.hypotheses.org/623

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Vom Segen der Digitalisierung oder Wieviel Vergangenheit verträgt die Gegenwart?

Zwei Gedächtnisinstitutionen haben sich während der ersten Woche der Summer School mit ihren Digitalisierungsstrategien vorgestellt: die SLUB – Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek und die Sammlungen der TU Dresden. Bei beiden stellt die digitale Erfassung der Bestände aktuell ein zentrales Vorhaben dar, wenn auch die Umsetzung recht unterschiedlich ausfällt – die Ausstattung, sowohl personell als auch materiell – setzt Grenzen.

Auffällig ist die Faszination, die für die Mitarbeiter dieser Einrichtungen von den Möglichkeiten einer digitalen Sammlung ausgeht. Man könnte es fast als Heilsversprechen bezeichnen: Wenn erst einmal alle Bestände als Datensatz vorliegen, kann man endlich bisher unentdeckte Schätze bergen, neue Zusammenhänge herstellen, sich neue Öffentlichkeiten erschließen. Wissenschaftler weltweit können zu ihren spezifischen Fragen Antworten finden, die vormals, im analogen Zeitalter unmöglich gewesen wären.

Die Arbeit an der digitalen SLUB ist in der Tat  beeindruckend: Ein Dutzend Mitarbeiter scannt Bücher und schafft das digitale Pendant zum Originaldruck aus dem 18. Jahrhundert. Und trotzdem beschlich mich ein etwas unangenehmes Gefühl beim Anblick der Bücherregale, die gerade bearbeitet werden: Wird das alles jemals gebraucht und von wem? Verlieren wir uns im Versuch, die Vergangenheit in Gänze auf Servern abzulegen und wo bleibt bei diesem Vorhaben die Gegenwart? Was passiert mit den Daten in zehn, zwanzig, fünfzig Jahren, wenn die Technik fortgeschritten ist und wir wiederum vor der Aufgabe stehen, bereits produziertes Kulturgut aus veralteten digitalen Strukturen zu bergen und neu zugänglich zu machen?

Es steht außer Frage, dass sich Einrichtungen wie die SLUB und TU Dresden den aktuellen Entwicklungen nicht verschließen dürfen. Zu viel überlassen kulturelle Einrichtungen bereits privaten Unternehmen wie Google. Oftmals bleibt ihnen nur, mit einigen Jahren Verspätung deren Neuerungen nachzuholen. Daher wäre es umso wichtiger, kreativ und vielleicht auch ein wenig risikofreundlicher an die Aufgabe Wissensvermittlung mittels Digitalisierung heranzugehen. Vermisst habe ich bei beiden Einrichtungen Pilotprojekte, die jenseits bekannter Pfade die Potentiale digitaler Informationsangebote aufzeigen möchten.

In der realen Welt sind Bibliotheken und Sammlungen als Institutionen und letztlich Gebäude zentrale Orte einer Stadt, eines Landes. Im digitalen Raum, im Internet stehen sie gleichberechtigt neben privaten Anbietern, z.B. aus der Unterhaltungsindustrie. Sichtbar ist in Zukunft nur, wer auch dort zu finden ist – und genutzt wird. Sich hier zu positionieren, ist eine Herausforderung speziell für öffentliche Bildungs- und Kultureinrichtungen und ich bin gespannt, welche Wege sie dabei gehen.

Quelle: http://dss.hypotheses.org/573

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Liber Vitae des Abts Peter Gremmelsbach von St. Peter im Schwarzwald ist online

Die Universitätsbibliothek Freiburg digitalisiert mit der Virtuellen Bibliothek St. Peter die barocke Sammlung des Schwarzwaldklosters. Noch heute erinnert der prachtvolle Bibliothekssaal an die staunenswerte frühneuzeitliche Kollektion. Nicht weniger als 149 Handschriften der Provenienz St. Peter hat inzwischen die Badische Landesbibliothek Karlsruhe ins Netz gestellt. So gut wie nichts ist aber von dem mittelalterlichen Handschriftenbestand der Benediktinerabtei überliefert. In seiner grundlegenden Studie über Peter Gremmelsbach, Abt von St. Peter im Schwarzwald 1496 – 1512, aus dem Jahr 2001 (auf Freidok online)  hat Dieter Mertens ganze drei [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/315

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Presseschau und Blog-Nachlese zum Historikertag (Update)

Nachdem die Max Weber Stiftung live vom Historikertag gebloggt hat, ist es nun Zeit für eine kleine Presseschau in Sachen “Nachwuchs” auf dem Historikertag. Eines sei vorweg gesagt: Bei einem Großereignis dieser Art ist es schwer, den Überblick zu behalten. So fällt durchaus auf, dass Bodo Mrozek im Tagesspiegel die beschränkte Präsenz junger Forscher und Forscherinnen kritisiert:

“Ein hierarchisches Anmeldeverfahren führt zur Marginalisierung der eigentlichen Trendsetter der Forschungsthemen: der Doktoranden. Stattdessen dominieren meist etablierte Felder. Neue Themen wie die boomende Ding- oder die Tiergeschichte, die sich vom Menschen als alleinigem Gestalter der Geschicke abwendet und die Rolle anderer natürlicher Faktoren ausloten will, fehlten im Mainzer Programm denn auch fast völlig.”

Logo Historikertag 2012
Diesem Ruf nach etwas mehr Akteur-Netzwerk-Theorie (wie generell einem entspannt-produktiven Verhältnis zum Theorieeinsatz) würde ich mich ja gerne anschließen. Ein wenig unfair erscheint der pauschale Marginalisierungs-Vorwurf dann doch. Denn Präsenz haben die frischen Forschungsthemen schon erlangt, wenn auch in befragenswerten Modi. So durften die Preisträger und Preisträgerinnen der Nachwuchswettbewerbe zwar am Donnerstagabend ihre wohlverdienten Blumen abholen. Aber man hätte zu dieser Gelegenheit ja schon gerne mehr von ihnen gehört, etwa von Ulrike Weckel, die den Carl-Erdmann-Preis für die beste Habilitation gewonnen hat (Beschämende Bilder. Deutsche Reaktionen auf alliierte Dokumentarfilme über befreite Konzentrationslager; hier ihr Beitrag beim Historikertag). Oder persönliche Wortmeldungen zu den beiden englischsprachigen Dissertationen von Jan Hennings und Julia Tischler, die mit dem Hedwig-Hintze-Preis ausgezeichnet wurden. Eine eigene Preisträger-Sektion wäre wünschenswert. Beim Plakatwettbewerb blieb immerhin die Möglichkeit, sich mit eigenem Auge der Preiswürdigkeit zu versichern. Die Preise hier gingen an Anne Günther, Katja Wüllner und Dagmar Bellmann.

[Update]: Die Plakate werden übrigens in dieser Woche beim Portal L.I.S.A. der Gerda Henkel Stiftung auch online zu sehen sein (Vielen Dank an den Historikerverband für diese Information).

Auffällig oft erwähnt die Berichterstattung die Selbstzerstörungsmechanismus des fortwährenden Schreibens von Anträgen, das Forschende und die Universität als Institution in eine unsichere Zukunft schauen lässt. Ludger Fittkau machte für den Deutschlandfunk daraus gleich ein Feature-Thema, das sich hier nachhören lässt. Ebenfalls ein Thema: Die großen Kontroversen fehlen dem Historikertag mittlerweile. Ob das an den gewandelten Themen, unterschiedlichen Generationen oder einer allgemeinen Gediegenheit liegt? Bodo Mrozek, Sven Felix Kellerhoff und Berthold Seewald jedenfalls argumentieren in diese Richtung.

Und wenn schon in den Onlinemedien niemand die munteren Tweets und Blogbeiträge zum Historikertag aufgreift, dann macht es halt das gab_log (weitere Hinweise gerne an uns):

Online weiterhin:

Und leider bis dato nur offline:

  • Stephan Speicher in der Süddeutschen Zeitung vom 1.10.2012, S. 13: Ideenverkehr und Illusionsverlust.
  • Johann Schloemann in der Süddeutschen Zeitung vom 27.9.2012: Blut und andere Ressourcen.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/250

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Dokumentation: Die studentische Festrede auf der Absolventenfeier des Historischen Seminars der Universität Hamburg am 13. Juli 2012

Marc-Simon Lengowski (eingeleitet von Anton F. Guhl) Die Wissenschafts- und Universitätsgeschichte vernachlässigt häufig jene Personengruppe, die in der Regel die Mehrheit an den untersuchten Einrichtungen stellt: die Studierenden. Gründe sind vor allem ihre hohe Fluktuation, ihre geringere Wirkungsmacht und eine … Weiterlesen

Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/1479

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Bibliothek und Forschung


Rechtzeitig zur Dresden Summer School 2012 ist das BIS Sonderheft Bibliothek und Forschung erschienen. Mit 15 Beiträgen von Wissenschaftlern und Bibliothekaren ist es Fragen der Zukunft von Bibliotheken als Forschungsinfrastruktur gewidmet.

Bislang galten reiche historische Sammlungen als Forschungsbibliotheken, wenn sie optimale Bedingungen für die geisteswissenschaftliche Forschung vor Ort boten. Im digitalen Zeitalter sind darüber hinaus neue, innovative Formen der Zusammenarbeit über räumliche und institutionelle Grenzen hinweg möglich. Es entstehen digitale Sammlungen, virtuelle Forschungsumgebungen und Online-Publikationen, die Forscher und Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen und Sparten in neuer Qualität und Geschwindigkeit miteinander verbinden.

Das neue Heft regt aus verschiedenen Blickwinkeln zu Reflexionen und Diskussionen an. Museen, Archive und Bibliotheken als vernetzte Forschungsinfrastruktur zu begreifen heißt freilich auch: sie in Teilen neu zu erfinden. Die 24 Teilnehmer der Dresden Summer School, großzügig gefördert durch Henry Arnhold  nehmen sich bis zum 12. Oktober Zeit, Ideen zu sammeln und zu diskutieren. Die Summer School ist Bestandteil des DRESDEN.concepts der Exzellenzuniversität Dresden.

Prof. Dr. Thomas Bürger ist Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek

 

 

Quelle: http://dss.hypotheses.org/299

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800 Jahre Zisterzienserabtei Marienstatt: Neue Monografie zum Geburtstag

1212 gegründet, 1803 aufgelöst, 1888 wiederbesiedelt. Das sind die Eckdaten der nunmehr 800 Jahre alten Zisterzienserabtei im Tal der Nister im Westerwald. Die Monografie zur Geschichte Marienstatts betrachtet erstmals den gesamten Zeitraum seit der Gründung der Abtei aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel. Sie schildert die schwierige Gründungsphase, in der die Abtei vom Erzbistum Trier in das Erzbistum Köln verlegt wurde, und widmet sich der vielfältigen Vernetzung des Zisterzienserordens sowie den Beziehungen zu den übrigen kirchlichen und weltlichen Institutionen der Region. Außerdem untersucht sie das Verhältnis [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/264

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Stadtarchiv Speyer@web.2.0. Aus der social-media-Praxis eines Kommunalarchivs

Entwurfsfassung (Vorabversion): Beitrag zur “Informationsveranstaltung: Social media – Chance oder Gefahr” (Deutscher Archivtag, Köln, 28.9. 2012).

Der Kurzbericht aus der Praxis des Stadtarchivs Speyer wird an dieser Stelle vorab (in ausformulierter Entwurfsfassung) veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Für Hinweise und Ergänzungen (gerne auch im Hinblick auf den 28.9.)  bin ich dankbar. Auf den Nachweis von Links wurde aus Zeitgründen verzichtet. Nach der Veranstaltung wird ergänzend die PPT veröffentlicht werden.  

 

Ich beginne meinen Praxisbericht zunächst mit einem Zitat:

Das Netz ist kein virtueller Raum. Es gehört zur Lebensrealität einer immer größer werdenden Gruppe von Menschen. Zu meiner kulturellen Identität gehört das Jazz-Konzert, der Besuch der Oper, ein gutes Computerspiel, Blogs und Twitter etc. Alle diese Komponenten sind ein Teil meiner gelebten Kulturwelt. Und diese Welt hat sich durch die digitalen Angebote massiv verändert. Nun bin ich kein „Digital Native“. Ich kenne eine Welt ohne Computer und Internet – und ich möchte auf keinen Fall dahin zurück. Bei allem Trash, bei all der Masse an Angeboten … – ich habe gelernt damit zu arbeiten … Wir brauchen die Kulturinstitutionen im Netz. Und die Kulturinstitutionen brauchen das Netz, um ihre eigene Realität weiter entwickeln zu können. … die kulturellen Inhalte und ihre Rezipienten sind bereits im Netz – es sind nur die Institutionen, die bis jetzt in der Breite noch nicht in der digitalen Welt angekommen sind. Christoph Deeg (Jahrbuch für Kulturpolitik 2011, S. 193f.; http://crocksberlin.wordpress.com)

Die sozialen Medien sind wenn man so will der aktuelle Stand des Internets und schon allein aufgrund ihrer Größe kaum noch zu ignorieren. Soviel steht fest und m.E. gilt das auch für Kulturgut verwahrende Einrichtungen wie Archive. Zahlreiche kleine und große Bibliotheken, auch viele Museen usw. machen uns mittlerweile vor, wie ein Einsatz der sozialen Medien auch im Archivwesen aussehen könnte. Gar nicht so wenige ausländische Archive und Archivverwaltungen im Web 2.0 unterwegs. Aus meiner Sicht im Vordergrund steht bei vielen Einrichtungen zunächst die Funktion als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch das „offene, transparentere“ Archiv erscheint wie ein Gebot der Stunde. Dazu gehört die direkte Kommunikation z.B. über Facebook oder Twitter, dazu könnte aber auch die „Kollaboration“ bei der Erschließung, Verschlagwortung oder Transkription ausgewählter Bestände und Archivalien zählen – eine ganze Reihe zumeist nichtdeutscher Archive (von den US-National archives angefangen und bis hin zu kleinen Einrichtungen und Projekten) macht uns vor, was in Sachen nutzergenerierter Erschließung möglich ist.

In meinem kurzen Bericht möchte ich jetzt die typischen Fragen und Argumente pro und contra nur am Rande streifen: Ja, die Zahl der Beitragsaufrufe, gemessen bei Facebook, ist für ein kleineres Archiv immens und überstieg in knapp 12 Monaten die Millionengrenze. Wir liegen bei aktuell knapp 680 Fans aus über 20 Staaten. Wir sind damit mit dem Stadtarchiv Amberg und dem ÖSTA nach Zahlen „führend“, was sich natürlich angesichts der immer noch kleinen Zahl deutschsprachiger Web 2.0-Archive wieder relativiert. Hinweisen möchte ich dabei allerdings auf das Stadtarchiv Linz am Rhein, das als Beispiel eines nebenamtlich betriebenen, gleichwohl digital sehr präsenten Archivs gelten kann. Weiter könnte man die Stadtarchive Heilbronn und Bielefeld erwähnen, die z.B. schwerpunktmäßig über Umbauten und Umzugsmaßnahmen berichten; dann das kleine Stadtarchiv Brilon, das mit einigem Erfolg „Fundstücke“ postet. Dass auch Archivare mit ihren privaten Accounts „Archivisches“ posten und eine Gruppe namens „Archivfragen“ existiert – das nur am Rande. Aber genug davon.

Wir holen das Netzpublikum dort ab, wo es mittels einer einfachen Internetseite nur noch teilweise abgeholt werden will. Bei Twitter stehen wir derzeit bei über 6.000 Kurznachrichten und haben über 400 Follower, die diese Nachrichten lesen und manchmal auch weiterverteilen. Die als PPT im Netz stehenden Vorträge aus der Arbeit des Archivs werden in der Regel mehrere Hundert mal angesehen, also um ein mehrfaches im Vergleich zum analogen Publikum; in Einzelfällen kommen wir auf mehrere Tausend Zugriffe. Ähnliches gilt für unsere derzeit knapp 20 Alben mit Fotosammlungen und kleinen virtuellen Präsentationen auf Flickr.

Nein, dies hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich die Nutzerzahl im Lesesaal geradezu verdoppelt hätte. Die Zahl unserer Online-Kunden, Freunde und Follower hat sich aber vervielfacht, wenn man auf die bis Anfang 2011 bestehende eher kümmerliche Homepage zurückblickt. Wir sind gut vernetzt und werden wahrgenommen, in der Region und auch durchaus in der weiteren „Archivwelt“. Die Nachrichten und Informationen werden auch von Personen rezipiert, von denen man dies nicht erwarten würde (Stichwort „silver surfer“). Gleichzeitig ist der Arbeitsaufwand – und das ist eine oft gestellte Frage – relativ gering. Web 2.0 heißt bei uns: ein halbes Dutzend Anwendungen werden von 2-3 Mitarbeitern in der Regel ca. 2-3h pro Woche „bedient“. Wir beschränken uns nicht nur auf Facebook. Facebook ist bei weitem nicht optimal, stellt seine Nutzer aufgrund von Änderungen immer wieder vor neue Probleme und Fragen, technisch und auch rechtlich. Andererseits: es bietet ziemlich gute Optionen für die Online-Präsentation von Kultureinrichtungen.

Ein Teil unseres „klassischen“ und ein erheblicher Teil des möglichen erweiterten Zielpublikums bewegt sich in Facebook. Das soziale Netzwerk zu ignorieren wäre, wie wenn man vor einigen Jahren das Internet als Ganzes boykottiert hätte.

Neben dem sozialen Netzwerk betreiben wir wie gesagt für das Stadtarchiv einen Twitter-Account, ebenso Auftritte bei Flickr und Slideshare; ebenso sind wir bei der Wikipedia. Dazu kommt ein kleines regionalgeschichtliches Blog, das über mehrere Monate befüllt wurde – es ging um das Bloggen eines Hausbuchs der Zeit um 1800. Für die Tagung „Offene Archive?“, die wir im November 2012 in Speyer veranstalten, nutzen wir ebenfalls ein Weblog: Archive 2.0 läuft als Blog unter dem Dach des deutschsprachigen geisteswissenschaftlichen Blogportals „hypotheses“. Eine Fortsetzung über die Tagung hinaus ist natürlich beabsichtigt. Ein gleichnamiger Twitter-Account dient der Verbreitung von Neuigkeiten.

Wir nutzen also derzeit noch kein institutionelles Blog für das Archiv. Ein frühes Beispiel hierfür wäre z.B. das nicht mit Archivalia zu verwechselnde Blog des Hochschularchivs Aachen, in jüngerer Zeit z.B. das Blog der Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein (siwiarchiv). Ein Grund für die derzeitige Nichtnutzung bei uns ist sicherlich, dass wir uns nach der Web 2.0-Strategie der Stadt Speyer richten müssen, die eine Fokussierung auf die gängigen Anwendungen vorsieht. Ein Blog im „Hintergrund“, hinter Facebook & Co. ist allerdings durchaus überlegenswert und gerade Archive 2.0 zeigt, dass hier Potential vorhanden ist.

Daneben nutzen wir eine ganze Reihe weiterer Anwendungen und kleiner Programme, die man dem weiten Web 2.0-Kosmos zuordnen könnte. Vom kollaborativen Arbeiten a lá Dropbox, über Terminfindungen via Doodle bis hin zu Hilfsmitteln wie Tinyurl, Twitpic und Tweetdeck als „Dashboard“. Zu den Hilfsmitteln im weiteren Sinn zähle ich auch eine regelmäßige Nutzung von Digitalkamera und Smartphone – das Posten von Bildern peppt Nachrichten ungemein auf, das mobile Posten (Twittern – so etwa hier vom Archivtag) ist ebenfalls wichtig.

Wir sind als Teilprojekt eines Anfang 2011 gestarteten Web 2.0-Pilotprojekts der Stadtverwaltung Speyer online gegangen. Das Projekt ist nach einem guten Jahr abgeschlossen und als erfolgreich gewertet worden. Neben uns verfügt auch die Pressestelle der Stadt, die Tourist-Information und die Stadtbibliothek über Web 2.0-Auftritte. Zumeist steht eine Facebook-Fanpage im Mittelpunkt, das Profil der Stadt soll allerdings mit einer komplett neuen Gesamthomepage geschärft werden, d.h. es wird jetzt auch Sharing-Funktionen geben (zum Verbreiten von Neuigkeiten der Homepage); es wird auch explizite Hinweise geben zu den Auftritten der Stadt im Web 2.0 (und dann mit Videokanal usw.). Verwendet wird dabei eine Zwei-Klick-Lösung, auf die direkte Einbindung von sozialen Plugins wird verzichtet. Der Impressumpflicht ist derzeit wohl Genüge getan. Eine Dienstanweisung regelt seit einiger Zeit den Umgang der involvierten Mitarbeiter mit den sozialen Netzwerken – hierzu gibt es ja mittlerweile genügend Beispiele. Die datenschutzrechtliche Debatte um Facebook ist sicher dazu angetan, dass sich die Web 2.0-Arbeitsgruppe in Zukunft noch öfter treffen wird. Aus meiner Sicht ist der Graben zwischen kommunalen Öffentlichkeitsarbeitern und Kultureinrichtungen auf der einen Seite und den Datenschutzbeauftragten der Länder erheblich und schwer zu schließen.

 

Jetzt noch ein Blick auf Facebook und Twitter konkret. Was wird von uns ins Netz gestellt? Sicherlich nicht „alles“, wie manche vermuten. Facebook wird unter der Woche täglich mit ca. 2-3 Nachrichten befüllt. Wir haben denke ich eine ganz gute Mischung gefunden:

  • Da sind einerseits Fotos und Berichte über das, was sich gerade im Archiv „abspielt“ oder etwas beendet wurde. Das können Arbeiten im Magazin sein, neu ins Archiv geholte Abgaben, neu verzeichnete Bestände oder auch aktuelle Fotos von Vortragsabenden im Archiv. Ebenso findet sich vieles zum Jüdischen Museum in Speyer sowie zu den verschiedenen Gedenkstätten, da das Archiv hier eine koordinierende Funktion hat.
  • Dann bieten wir Hinweise auf eigene und fremde Veranstaltungen, Pressemitteilungen u.ä. (die wir ergänzend auf FB verbreiten)
  • Archivfachliche Informationen und generell die Interaktion mit anderen Archiven
  • Und schließlich kommen historische Fotos mit kurzen Erläuterungen sehr gut beim regionalen Publikum an. Von Einzelfotos (Straße, Kirche, Gebäude XY) über kleine Serien etwa zur Sportgeschichte bis hin zu größeren Zusammenstellungen mit Speyer-Bezug: Rheinhochwasser, Jahrhundertwinter 1929, 1. Weltkrieg (jeweils auch Flickr-Alben).

Vielleicht noch ein Wort zum Umgangston in den sozialen Medien: zu sehr amtlich klingende Verlautbarungen (Schließung, Aktentransporte) sollte man eher vermeiden. Zumindest sollten sie nicht im Zentrum des Auftritts stehen. Andererseits muss man nicht zwanghaft in der Kommunikation ins „Du“ verfallen. Es gibt Mittelwege wie eine Ansprache mit „Ihr“ und das gute alte „Sie“. Was die Verwendung von Fotos angeht: man sollte durchaus kreativ sein und nicht nur saubere Archivkartons und schön beleuchtete Magazine online stellen. Ein Foto mit einer blubbernden Kaffeemaschine kann sehr gut mit dem Hinweis, dass gerade eine Teambesprechung ist, verbunden werden.

Jetzt abschließend noch ein Blick auf Twitter: Der Kurznachrichtendienst ist nicht nur einfach zu erlernen; er erlaubt vor allem, mit seinen Kurzblogs von maximal 140 Zeichen schnell und häufig an die Öffentlichkeit zu kommen und auf dem Laufenden zu bleiben. Wir informieren unsere Follower z.B. über geplante Vorträge und Veranstaltungen sowie allgemein gesprochen über die Tätigkeit und Arbeitsfelder des Archivs – also das, was gerade „eben“ im Archiv passiert. Auch das Bloggen von Tagungen gehört zu den Möglichkeiten, die wir gerne nutzen. Natürlich habe ich auch die Möglichkeit, Facebook-Posts analog auf Twitter erscheinen zu lassen, aber das sollte auch nicht die einzige Form des „Twitterns“ sein. Die Herstellung von Netzwerken, in unserem Fall neben Archiven und Bibliotheken auch mit vielen Kollegen, Historikern und Studenten, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt; gerade Twitter erscheint mir in vielem noch zielgruppenrelevanter als z.B. Facebook zu sein, auch wenn die typischen Spam-Follower etwas nerven. Nicht betonen muss ich, dass die Fachcommunity in Deutschland immer noch klein ist, was die Twitternutzung angeht. Man hat es also eher mit twitternden Bibliothekaren, Kulturmanagern, Historikern, Studenten und dazu auch vielen Kollegen in Europa und Übersee zu tun.

Ich komme zum Schluss: Viele Fragen sind in Sachen Web 2.0 noch nicht endgültig geklärt. Manche Schwächen und Modifizierungen einzelner Anwendungen müssen natürlich im Blick behalten werden, worauf ich ja bereits hingewiesen hatte. Aber wir können nicht mehr zurück, der digital-soziale „Tiger“ will geritten werden.

Ich habe versucht, einen kurzen Einblick in die Web 2.0-„Praxis“ des Stadtarchivs zu geben. Ein digital-soziales Archiv ist jedenfalls möglich und ich bin gespannt, was uns die Zukunft bringen wird. Eine komplette Ignorierung der sozialen Medien im Archivwesen und durch die Archivare zeugt jedenfalls von Realitätsverlust. Und das wäre bedauerlich.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/225

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