“Share and follow research” – Academia.edu

Neben den allgemeinen sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Google+, die inzwischen auch von Wissenschaftler/innen – teilweise intensiv – genutzt werden, um sich zu vernetzen, ein Profil anzulegen, Informationen auszutauschen, zusammenzuarbeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, gibt es spezielle soziale Netzwerke für Wissenschaftler/innen, die zunehmend auch im deutschsprachigen Raum genutzt werden: Ein Beispiel dafür ist Academia.edu. Im Dezember konnte Gründer Richard Price nun stolz twittern, dass sich bei Academia.edu 2 Millionen Mitglieder registriert haben; inzwischen sind es schon knapp 2250000. Academia.edu [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2663

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Unter dem Schutz des Kaisers

Sicherheit stellte auch schon in der vormodernen Gesellschaft einen hohen Wert dar. Und doch war es eine ausgesprochen fragile Komponente im Ordnungsgefüge dieser Zeit. Gerade in Kriegszeiten war die Sicherheit mehr als sonst bedroht. Wie konnte man sich ihrer vergewissern? Salvaguardien, Schutzbriefe also, erschienen als das probate Mittel, um sich vor Einquartierungen, der Erhebung von Kriegssteuern und anderem Unbill zu schützen. Wenig überraschend also, daß Schutzbriefe in dieser Zeit ein Massenphänomen darstellten.

Doch an wen sollte man sich wenden, um eine solche Salvaguardia zu erhalten? Nach den herkömmlichen Ordnungsvorstellungen war die eigene Obrigkeit dafür zuständig, Schutz und Schirm für die eigenen Untertanen zu gewährleisten; diese Schutzleistung stellte nicht zuletzt eine wichtige Legitimierung für jeden Herrschaftsträger dar. Schnell zeigte sich jedoch in Kriegszeiten, daß die eigene Obrigkeit, egal ob es ein Stadtmagistrat oder ein Reichsstand war, schnell an ihre Grenzen stieß. Deshalb war es nicht unüblich, daß sich Schutzsuchende – und das konnten Einzelpersonen jedweden Standes oder auch Kommunen bis hin zu Reichsständen sein – direkt an eine Kriegspartei wandten. Zwar ging vom Militär ja eigentlich die Gefahr aus, gleichzeitig erblickte man gerade in ihr die Instanz, den nötigen Schutz zu gewährleisten. Je nach Situation war es sogar naheliegend, sich von beiden, miteinander verfeindeten  Armeen Schutzbriefe ausstellen zu lassen und so für jede Eventualität vorgesorgt zu haben.

Eine andere Möglichkeit war es, sich direkt an den Kaiserhof oder an den Reichshofrat zu wenden. Tobias Schenk, der schon seit einiger Zeit im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv wichtige archivarische Erschließungsarbeiten zum Reichshofrat betreibt, hat in zwei jüngst erschienenen Beiträgen aufschlußreiche Beispiele dafür angeführt: Reichsgeschichte als Landesgeschichte. Eine Einführung in die Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 90 (2012), S. 107-161; Das Alte Reich in der Mark Brandenburg. Landesgeschichtliche Quellen aus den Akten des kaiserlichen Reichshofrats, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 63 (2012), S. 19-71.

Wie die Titel zeigen, ist die Stoßrichtung beider Aufsätze eine ganze andere, doch geht er in beiden Fällen auch auf die Phase des Dreißigjährigen Kriegs ein und bietet für unser Thema der Salvaguardien einmal westfälische (S. 121 f.), ein anderes Mal brandenburgische Exempel (S. 41-46). Besonders letztere sind bemerkenswert, zeigen sie doch die Schwäche der Hohenzollernherrschaft in dieser Zeit. Nicht nur brandenburgische Untertanen suchten Schutz beim Kaiser, sondern die Kurfürstin Elisabeth Charlotte selbst, als strenge Calvinistin kaum einer prohabsburgischen Haltung verdächtig, erbat sich Anfang 1631 kaiserliche Schutzbriefe für ihre Güter.

Was brachten nun solche Schutzbriefe? Viele Episoden aus diesen Kriegsjahren belegen, daß Salvaguardien oftmals nur ein Stück Papier waren. Deswegen gab es nicht nur papierne Salvaguardien, sondern auch „lebendige“ (wie man sie zeitgenössisch nannte) – echte Soldaten also, die als Wachmannschaft einem Konvoi oder Reisenden beigegeben wurden. So etwas kostete natürlich noch mehr als ein Dokument, und auch diese Trupps garantierten nicht immer die ersehnte Sicherheit. Wichtig in dem Kontext ist aber die generelle Frage, welchen Effekt kaiserliche Schutzbriefe hatten: Hat man dem Reichsadler mehr Respekt entgegengebracht als dem Siegel irgendeines Kommandeurs? Dieser Frage geht Tobias Schenk nicht mehr nach, und im Zusammenhang seiner Aufsätze ist dies auch nicht seine Aufgabe gewesen. Doch genau hier lohnt es sich, die bereitgestellten Indizien weiterzuverfolgen und zu überprüfen, ob die kaiserlichen Schutzbriefe tatsächlich dazu beitragen konnten, die Präsenz des Reichs und des Kaisers in kriegsbedrohten Regionen aufrechtzuerhalten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/93

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Über Sprache und Tierkommunikation

  Kürzlich erschien in einer populären Wissenschaftszeitschrift ein Artikel1 zur “Gabe der Sprache”, in dem auch thematisiert wurde, ob und in wie weit sich menschliche Sprache von so genannten “Tiersprachen” unterscheidet. In der Klärung dieser Frage blieb der Artikel allerdings sehr vage, was mich ein wenig ärgerte und letztlich dazu veranlasste, selbst etwas darüber zu schreiben. Gradueller oder fundamentaler Unterschied? Die Beschäftigung mit dem Thema blickt auf eine lange Tradition zurück: Schon Aristoteles und Epikur stellten Mutmaßungen über den Status der Verständigung von Tieren untereinander an. Für René Descartes, der in seinem Dualismus streng zwischen Geist und Materie trennte, ist die Sprache Ausdruck des Verstandes, also auf der geistigen Seite der Welt verortet, während Tiere als seelenlose Automaten keine solche haben können. Einen derart fundamentalen Unterschied zwischen menschlicher Sprache und Tierkommunikation nimmt im 20. Jahrhundert auch der Linguist Noam Chomsky an, der Sprache als spezifisch menschliches Organ ansieht, das zwar genetisch determiniert ist, in der Evolution aber lediglich den Menschen zufiel. "Gandhiji's Three Monkeys" von Kalyan Shah, CC-BY-SA Die Gegenposition wird von den Anhängern der Kontinuitiätstheorie vertreten, die von einem Stufenmodell tierischer Kommunikation ausgehen, in dem die menschliche Sprache die höchste bekannte Stufe einnimmt. Einer ihrer Vertreter ist Charles Darwin, der viele Parallelen in der nichtsprachlichen Kommunikation von Menschen und höheren Tierarten ausmacht und die Tatsache der Entwicklung einer komplizierten Lautsprache vor allem auf die Größe und Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns zurückführt. Die Kontinuitätstheorie hat auch in unserem Jahrhundert noch Anhänger, welche sich vor allem auf Studien zur Kommunikation von Tieren berufen. Natürliches Verhalten oder gezieltes Training? Kommunikation mit Artgenossen ist für viele Tierarten überlebenswichtig, etwa wenn es um die Suche nach Nahrung oder um die Warnung vor Feinden geht. Die komplexesten bekannten Beispiele sind dabei sicherlich der Schwänzeltanz von Honigbienen und das Alarmrufsystem von Meerkatzen. Neben der Beobachtung dieser natürlichen Verhaltensweisen wird oft auch versucht, der Sprachfähigkeit von Tieren über speziell entwickelte Versuchsanordnungen auf die Spur zu kommen. Dazu wird entweder das Vorhandensein von für die menschliche Sprache als grundlegend angenommene Fähigkeiten überprüft (z.B. Kombinationsfähigkeit, Verarbeitung rekursiver Strukturen; darauf gehe ich unten noch genauer ein), oder es wird sogar versucht, mit Tieren über eigens geschaffene Sprachkonstrukte zu kommunizieren. Hinsichtlich solcher sprachbasierter Mensch-Tier-Kommunikation wurden die besten Ergebnissen mit Primaten erzielt. Da Affen nicht über einen Sprechapparat verfügen, der mit dem menschlichen vergleichbar ist, konnte dabei nicht auf verbale Kommunikation zurückgegriffen werden. Stattdessen wurden Gesten oder Symbolbilder entwickelt und den Primaten beigebracht. Diese begriffen mal mehr, mal weniger schnell, dass bestimmte Symbole bzw. Gesten für bestimmte Konzepte standen und sich daraus produktiv eigenständige Kombinationen bilden ließen. So antwortete die trainierte Schimpansendame Washoe etwa, als sie aufgefordert wurde, sich zu Radieschen zu äußern (für die sie keine eigene Geste gelernt hatte) mit einer Kombination der Gesten für “Weinen”, “wehtun” und “Frucht”. Sonderlich geschmeckt hatten sie ihr also nicht. Inhaltliche oder formale Unterschiede? Die Kluft zwischen Mensch- und Tiersprachen scheint also gar nicht so weit und tief zu sein, wie manche bis zur Durchführung der Primaten-Experimente annahmen. Zumindest der produktive Einsatz von Sprachsymbolen scheint auch Tieren gelingen zu können. Ohnehin rütteln neuere Forschungsergebnisse an so gut wie jedem kategoriellen Unterschied, der zwischen der menschlichen Sprache und den Kommunikationssystemen von Tieren postuliert wurde. Der Linguist Charles Hockett erarbeitete eine Aufstellung von 13 Merkmalen, die lautsprachliche Kommunikation auszeichnen. Hockett selbst ist Anhänger der Kontinuitätshypothese, geht also davon aus, dass kein kategorieller Unterschied zwischen der Kommunikation von Tieren und menschlicher Sprache existiert. So finden sich dann auch viele der von Hockett angeführten Merkmale bei verschiedenen Ausprägungen der Tierkommunikation, etwa der Transport von Bedeutung und – wie oben gesehen – die Produktivität.2 Was bleibt also noch an spezifischen Merkmalen für die menschliche Sprache übrig? Lassen sich vielleicht auf inhaltlicher Seite Unterschiede ausmachen, also bei dem, was Anlass der Verständigung ist? Oft heißt es, animale Kommunikation sei an den Moment gebunden, Tiere verständigten sich nicht über Zukünftiges oder Vergangenes. Sie seien auch nicht fähig zur Metasprache, also der Verständigung über die Sprache selbst. Ich halte diese inhaltlich motivierten Unterschiede für schwer überprüfbar, so lange wir z.B. Vogel- und Walgesänge nicht wirklich verstehen. Bleiben die Unterschiede, welche die Form / die Organisiertheit von Sprache betreffen. Nach Chomsky ist ein Wesensmerkmal menschlicher Sprachen, dass sie rekursive Strukturen enthalten. Diese sorgen dafür, dass man mit einem begrenzten Inventar sprachlicher Einheiten und Verknüpfungsregeln prinzipiell unendlich viele Sätze erzeugen kann. Solche rekursiven Strukturen lassen sich z.B. bei sogenannten Schachtelsätzen, also der Einbettung immer neuer Relativsätze, beobachten: Der Löwe, der den Kojoten, der das Pferd, das graste, fraß, jagte, [hat schöne Augen]. Ungeachtet dessen, dass Sätze dieser Art schnell inakzeptabel werden, sind ihre Bildungen prinzipiell möglich. Sie gehorchen dem Schema anbn, das heißt für jedes a (hier: Subjekt) muss genau ein b (hier: Verb) folgen. Und zwar nicht umgehend (das entspräche dem Muster (ab)n und wäre ohne rekursive Bildungsregeln zu erfassen), sondern erst, nachdem alle a aufgezählt wurden. Um einen solchen Satz zu prozessieren ist ein sogenannter Kellerspeicher notwendig, mit dem protokolliert werden kann, wie viele a denn nun auftraten. Gemäß der Chomsky-Hierarchie formaler Sprachen ist ein solches Kommunikationssystem mindestens auf der zweiten, der kontextfreien Stufe anzusiedeln, deren Beherrschung Chomsky eben nur den Menschen zutraut. Tatsächlich schienen Studien an Liszt-Äffchen zu bestätigen, dass diese rekursive Strukturen nicht erkennen konnten. Spätere Forschungen ergaben allerdings, dass Stare damit offensichtlich kein Problem hatten. Damit bleibt eigentlich nur noch ein Strukturmerkmal übrig, das der menschlichen Lautsprache vorbehalten ist: Das Prinzip der doppelten Artikulation Das Prinzip der doppelten Artikulation oder der zweifachen Gliederung, wie es vielleicht weniger irreführend bezeichnet werden könnte, geht auf den französischen Linguisten André Martinet zurück und wird für Zeichensysteme verwendet, die mehrere Gliederungsebenen aufweisen. So findet sich in allen natürlichen Sprachen eine Ebene, welche die grundlegenden sprachlichen Einheiten enthält (Phoneme oder in der Schriftsprache Grapheme), aus denen alle anderen Einheiten zusammengesetzt sind. Diese Einheiten tragen selbst keine Bedeutung, können aber sehr wohl Bedeutung unterscheiden. Aus der Kombination dieser Grundbausteine resultieren größere Einheiten (die kleinsten davon sind Morpheme, die wiederum zu Wörtern, Phrasen, Sätzen usw. kombiniert werden können), welche dann auch mit Bedeutungen verknüpft sind. Ein Beispiel: H und F tragen an sich keine Bedeutung, unterscheiden aber auf formaler (nicht inhaltlicher) Ebene Hund von Fund (ich erspare den Lesenden hier die lautsprachliche Transkription). Dadurch, dass es ein Inventar von Einheiten gibt, die nicht an eine Bedeutung gekoppelt sind, aber Bedeutungen unterscheiden und dazu auf vielfache Art kombiniert werden können, ist die menschliche Sprache so extrem produktiv. Zwar war auch die Schimpansin Washoe produktiv – allerdings nur auf einer Ebene: Sie kombinierte bereits bedeutungstragende Einheiten miteinander. Das gleiche gilt auch für die natürlichen tierischen Kommunikationssysteme Bienentanz und Meerkatzenruf: Ein Symbol trägt eine Bedeutung, kann aber mit anderen bedeutungstragenden Symbolen kombiniert werden. Ist das Prinzip der doppelten Artikulation also die differentia specifica, die menschliche Sprachen von allen anderen Kommunikationssystemen unterscheidet? Das dachte ich zumindest noch bis vor kurzem, fand dann aber diese Studie zu lesenden Pavianen. Offenbar sind die Paviane in der Lage, kleine, an sich nicht bedeutungstragende Einheiten – hier Buchstaben/Grapheme in für sie bedeutungstragende (nämlich Futter versprechende) Wörtern zu identifizieren. Auch wenn die Autoren das nicht thematisieren (ihnen geht es vor allem darum, statistisches Lernen und visuelle Objekterkennung als artübergreifende Fähigkeiten darzustellen), ist die Studie, wenn sie bestätigt wird, ein starker Hinweis darauf, dass nicht nur Menschen doppelt gegliederte Systeme verarbeiten können. Damit wäre auch das letzte der exklusiv der menschlichen Sprach-Kommunikation vorbehaltenen Merkmale gefallen. ———— 1 Im “Gehirn und Geist” Sonderheft “Streit ums Gehirn”, erschienen 01/2013, online leider nur für Abonnenten zugänglich. Dafür hat der Spektrum Verlag aber eine große Themenseite für den Komplex Sprache eingerichtet, wo viele der Artikel frei verfügbar sind. 2 Eine Aufstellung der Hockett’schen Merkmale nebst einer übersichtlichen Tabelle findet sich etwa im (von mir immer sehr enthusiastisch empfohlenen) Buch “Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache | The Cambrige Encyclopedia of Language” von David Crystal, CC-BY-SA     

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/744

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Einführungsvortrag in Colmar am 13. Februar 2013

Von Pierre Monnet, Studiendirektor an der École des Hautes Etudes en Sciences Sociales, Paris und Direktor des Institut Français d’Histoire en Allemagne in Frankfurt (Main)

Les sciences historiques dans la coopération franco-allemande

Je tiens à remercier les organisateurs pour l’honneur qui m’est ainsi fait d’introduire par ce bref exposé le projet qui nous réunit aujourd’hui. Je m’exprime non seulement à titre de directeur d’un institut français de recherche en Allemagne mais aussi en qualité d’historien médiéviste et de spécialiste de l’histoire franco-allemande. C’est sous ce double paradigme du contenu historique d’une part et de la méthode scientifique de l’autre que je souhaiterais avancer quelques remarques générales aboutissant à souligner l’originalité de l’entreprise dont nous célébrons ce jour le lancement. Celle-ci me paraît en effet admirable non seulement par son ambition de connaissance mais aussi par sa manière de faire. Elle s’inscrit en vérité dans une logique qui situe la valeur ajoutée de son propos à la rencontre d’une mise en réseau de plus d’une vingtaine d’archives, de quatre régions, de deux consortiums et d’une approche qui entend faire du croisement des sources et des ressources une plus-value au service du savoir historique. Autrement dit ce projet interrégional et fédératif est une forme-sens puisqu’il parie sur la mise en commun de plusieurs institutions contemporaines pour faire apparaître une mémoire résultant elle-même de la circulation et de la production passées de l’écrit entre plusieurs institutions et régions historiques. Ainsi se noue me semble-t-il le dialogue qui peut intéresser le chercheur, entre une modernité consciente des enjeux de ses constructions sociales, territoriales et mémorielles et une prémodernité elle-même productrice de mémoire par la trace de l’écrit.

Mais il y a davantage encore, me parait-il, dans le projet exposé : il reflète comme je le crois un moment d’entrelacement entre la recherche français et allemand et une étape de la production et du transfert historiographiques entre ces deux pays.

 Il n’est sans doute pas utile dans cette enceinte de rappeler le rôle qu’a pu jouer l’histoire depuis des siècles dans la production et la diffusion de l’image de l’autre entre les Etats et les nations d’Europe, et singulièrement entre la France et l’Allemagne. Il conviendrait juste de rappeler combien la défaite de 1871, interprétée en France entre autres comme la produit d’une infériorité technologique et intellectuelle, a pu constituer un puissant aiguillon à la mise en place de chaires, d’institutions, de centres dédiés à l’édition de sources, à la constitution de corpus, à la rédaction de grandes collections destinées à faire reposer un grand récit d’histoire nationale sur une érudition puisée alors aux standards de la science germanique. Dans cette crise allemande de la pensée française pour reprendre le beau titre de l’ouvrage classique de Claude Digeon paru en 1959, l’histoire a bien été mobilisée, aux côtés de la géographie, dans ce qui fut à la fois, et c’est sans doute le grand paradoxe, une forme de concurrence des cerveaux mais aussi d’échanges et de transferts culturels d’une rare intensité. Jusqu’en 1933 et au-delà la science historique française lisait, recevait, jugeait la production historiographique allemande. Il suffira pour s’en convaincre, et incarner cette période, de rappeler la figure de Marc Bloch, historien médiéviste au destin intellectuel franco-allemand si tragique. Dans son discours demeuré célèbre appelant à une histoire comparée des sociétés européennes prononcé en 1928 lors du congrès international des sciences historiques d’Oslo, c’est aussi et c’est sans doute avant tout à la France et à l’Allemagne qu’il songeait. 1928, année de Briand et de Stresemann, de la détente entre les deux pays, année également de la réunion d’une commission d’historiens français et allemands destinée à s’accorder sur les points de jugement posant problème entre les deux pays, en vue peut-être sinon d’un manuel d’histoire commun, du moins d’une démarche d’élucidation raisonnée des conflits historiographiques et interprétatifs, et singulièrement à cette époque sur la première guerre mondiale qui n’avait alors pas encore 15 ans d’âge. Il va sans dire que dans ce domaine comme dans tous les autres1933 a constitué une rupture radicale et brutale renvoyant tout examen partagé et toute possibilité de coopération à l’après-guerre.

Après 1945, et si l’on songe à la coopération scientifique, linguistique et culturelle entre la France et l’Allemagne, au sein de laquelle s’inscrit par définition la matière historique, c’est évidemment la date de 1963 qui vient à l’esprit, puisqu’aussi bien l’on en célèbre cette année le demi-siècle. Pour légitime que soit sa commémoration, il est salutaire qu’elle n’occulte pas pour autant le rôle justement historique qu’ont pu tenit, dès après le 8 mai, des visionnaires dont un grand nombre avaient vécu dans leur chair et derrière des barbelés l’incompréhension et la haine entre les peuples et les religions. Que l’on songe ici à Schumann, Monnet, Rovan, Grosser, qui dès après 1945 ont insufflé l’esprit d’un premier dialogue politique, culturel et social entre les deux pays, reposant précisément sur le rapprochement des sociétés civiles auxquelles il revenait aux historiens d’expliquer, dans la longue durée, qu’un destin et des références communs les rassemblait plus qu’ils ne les séparaient. Il faut bien dire de ce point de vue que trois guerres récentes, avec leurs lots d’occupation de territoires, d’annexions, de prisonniers, de travailleurs forcés… avaient par la force créé une confrontation-fréquentation, une habitude contrainte de l’autre. Sous cet angle, 1963 est une date évidemment importante, essentiellement sur le plan politique, mais dont la symbolique consensuelle est une reconstruction postérieure qu’il convient de relativiser et de démythifier. L’impulsion donnée est certes décisive, à commencer par la création de l’OFAJ, mais elle n’aurait pas eu cette ampleur sans le concours parallèle, souterrain, modeste des deux sociétés civiles qui ont entretenu et développé un appétit pour l’autre, qui demeure à mon sens la clé de toute la relation franco-allemande, en 1963 comme en 2012-2013 : l’indifférence entre ces deux pays n’a jamais été une bonne chose, et il appartient bien aux historiens d’en démontrer les aspects mortifères, précisément parce que ces deux ensembles ne se ressemblent pas, n’ont pas et n’auront pas, Dieu soit loué, la même histoire, et que de ce fait il n’existe guère d’autre choix que la complémentarité ou l’écartement.

Reste que c’est bien après 1963 que, portés par la volonté politique et par les rituels de la réconciliation et des couples président-chancelier bien connus, des supports et facteurs importants du dialogue culturel et scientifique se sont créés. Que l’on songe aux trois lycées franco-allemands de Buc, Fribourg et Sarrebruck, à la chaine franco-allemande Arte en 1991-1992, à l’UFA créée en 1997… En matière historique, le rapprochement et les transferts qui existaient déjà avant 1945, se sont institutionnalisés par la création de l’Institut franco-allemand de Ludwigsburg en 1948, de l’Institut Historique Allemand de Paris en 1958, par la création dela Mission HistoriqueFrançaiseen Allemagne à Göttingen en 1977 devenue IFHA de Francfort en 2009, par la création du Centre Marc Bloch en 1992 à Berlin, par celle du Forum allemand d’Histoire de l’art en 1997, par celle du CIERA en 2001. L’ensemble de ces institutions consacrées à une recherche franco-allemande en histoire, à la mise en place de cursus communs d’études supérieures, pouvait et continue de pouvoir par ailleurs prendre appui sur un tissu de classes préparant de part et d’autre à l’Abibac créé en 1994 et désormais proposé dans 76 établissements français et 65 établissements allemands, sur un entrelacs de doubles diplômes dont 8 sur les 40 que compte aujourd’hui l’UFA en SHS sont exclusivement consacrés aux études historiques, et sur un réseau d’instituts français en Allemagne et allemands en France qui demeure, en dépit des restrictions budgétaires, le plus dense au monde entre deux pays. Que les programmes Abibac, et avec eux les classes européennes qui enseignant la discipline dite non-linguistique dans la langue de l’autre, prennent les sciences historiques comme cœur d’un enseignement croisé, bilingue et biculturel, et non pas le latin ou les mathématiques comme on aurait pu le penser puisque ces matières emploient par nature un langage commun, reflète donc à la fois la place que l’histoire a toujours tenue dans la fabrication de l’image de l’autre entre les deux pays depuis au moins les Lumières, mais surtout traduit le travail de décapage, d’actualisation et d’harmonisation réalisé par les communautés scolaires, pédagogiques, universitaires et scientifiques entre nos deux pays depuis plus de 50 ans. Quelques chiffres frappants peuvent en souligner l’acquis : 5000 lycéens inscrits dans les trois classes de lycée préparant l’Abibac, 8 millions de jeunes mobiles entre la France et l’Allemagne dans le cadre de 300.000 programmes d’échanges et 11.000 rencontres par an organisés par l’OFAJ depuis 1963, 14.000 étudiants français et allemands partant étudier chaque année dans le pays partenaire pour une durée d’études d’au moins un semestre, 37.000 étudiants ayant suivi un double diplôme de l’UFA depuis sa mis en place en 1999, 1.000 double diplômés par an, sans parler des quelque 300 cotutelles de doctorat et des trente collèges doctoraux franco-allemands placés sous le toit de cette institution, dont un tiers en SHS (parmi lesquels la moitié relève des études historiques), enfin une trentaine de projets de recherche doctorale et post-doctorale franco-allemande dans le cadre des appels d’offres communs ANR/DFG lancés depuis 2006 en SHS et dont un tiers en moyenne relève là encore des sciences historiques.

Le produit de ces échanges, de cette aventure propulsée par 1963, qui fut en même temps une méthode, est désormais assez connu : le manuel d’histoire franco-allemand, initié par un vœu émis en 2003 par le parlement des jeunes réuni à Berlin pour la célébration des 40 ans du Traité de l’Elysée, et décliné en trois volumes identiques au mot près en deux langues pour la seconde, la première et la terminale entre 2006 et 2011. Son pendant universitaire est d’ailleurs en cours de publication sous la forme de la collection de l’histoire franco-allemande en onze volumes piloté par le DHIP de Paris, commencée en 2005, destinée à couvrir la période allant de 800 à nos jours, et éditée en deux versions identiques français et allemande, prévue pour s’achever en 2014.

Conçu par une équipe binationale d’universitaires, d’enseignants, de pédagogues et d’éditeurs, le manuel d’histoire franco-allemand (et non pas d’histoire franco-allemande, c’est la démarche qui est commune et non pas l’histoire elle-même !) a été publié en trois tomes pour les classes de seconde/10e, première/11e et Terminale/12e des lycées entre 2006 et 2011. Sa réalisation montre qu’un manuel bilingue parfaitement semblable dans son contenu, sa maquette, sa documentation, sa cartographie, sa chronologie et situé au carrefour de 17 programmes différents (un programme français et 16 programmes régionaux allemands) est possible et introduit une véritable révolution méthodologique, historiographique et pédagogique en proposant non pas une histoire franco-allemande mais un regard franco-allemand sur une histoire partagée souvent plus pacifique en vérité que conflictuelle quand on la regarde sur le temps long,  c’est-à-dire observée à travers le prisme des convergences, des divergences et des interactions. Il s’agit là d’un exemple unique au monde, actuellement suivi par l’Allemagne et la Pologne, qui peut former modèle au niveau européen et déboucher sur un enseignement du fait européen dans les pays de l’Union, redonnant donc au couple franco-allemand sa valeur de laboratoire innovant pour lui-même et pour les autres et conférant à l’histoire une vertu d’aide à la compréhension des rapports entre les peuples.

Sans doute n’a-t-il finalement pas connu l’usage massif que l’on aurait pu en attendre. Mais il est notable qu’à défaut d’être un manuel régulier, il bénéfice dans de nombreuses classes d’histoire et de géographie d’usages braconniers et parallèles qui risquent même de lui conférer une longévité plus grande qu’un manuel ordinaire dont l’espérance de vie est lié aux programmes. On sait ainsi que le manuel est utilisé en DNL de classes européennes, en cours de langue, dans les facultés de pédagogie, et même d’histoire et de civilisation germanique en premier cycle du bachelor. Ces utilisations variées tendent à lui redonner les caractères qui me paraissent faire son originalité et lui conférer la fonction d’un bon reflet de ce que peut continuer à être une relation durable et réflexive entre deux sociétés et deux pays, autrement dit ce qui en fait sa plus-value, sa valeur ajoutée qui peuvent tenir en résumé dans les 7 points suivants :

  • L’importance du travail sémantique entre les deux langues, qui va au-delà de la simple traduction car on sait que l’équivalence de mots entre deux langues reflète des traditions culturelles et historiographiques diverses, tant des concepts aussi simples que nature, culture, religion ou Etat, ou même mémoire,  n’ont ni le même poids, ni la même portée.
  •  L’importance du renouvellement documentaire pour actualiser les savoirs patrimoniaux historiques que chaque pays possède, transmet et soumet au regard de l’autre. Espérons par exemple que le centenaire de 1914 en 2014 aboutira aussi par exemple à un tel renouvellement de la documentation commune.
  • L’importance des pages regards croisés qui relève de la méthodologie de l’histoire comparée, de l’histoire des transferts, de l’histoire croisée, pour examiner ce qu’il y a de commun, de ressemblant, de divergent, de complémentaire, d’interactif ou d’incompatible entre deux sociétés, à commencer par la place du militaire, le rôle des femmes, la défense de la langue, le poids accordé à l’Etat, le rôle des migrations et immigrations, la position vis-à-vis de la mondialisation, les choix énergétiques, l’évolution démographique, les structures territoriales entre fédéralisme et centralisme.
  • L’importance des imaginaires différents, des temporalités différentes puisque les deux pays n’ont pas les mêmes ruptures, à commencer par 1945 ou 1989, ce qui d’ailleurs conduit à penser que ce livre n’aurait pas été pensable avant 1989, c’est-à-dire avant la réunification de deux Etats allemands issus d’une histoire commune, qui introduit une sorte de fin du Sonderweg allemand au titre que pour la première fois dans son histoire ce pays a fait une révolution sans guerre ni changement de régime en aboutissant à une forme raisonnée et apaisée d’alignement entre Etat et nation.
  •  L’importance des traditions pédagogiques différentes entre une culture française de l’apprentissage et une culture allemande de la discussion.
  •  L’importance de l’enseignement du fait européen à partir de ce livre qui montre qu’il n’existe pas d’identité de l’Europe, mais des identités en Europe, en sorte que ce manuel possède aussi une vertu civique. Tout n’est pas européen dans l’histoire mais il y a à travers le prisme franco-allemand la reconnaissance de moments européens.
  •  L’importance de la leçon d’histoire qu’il délivre : l’histoire n’est pas seulement transmission de faits construits du passé, elle est aussi par nature récit actualisé des interprétations et des significations de ce passé aujourd’hui, qu’il soit mort ou vivant, manière de dire que le fait est inséparable de sa représentation.

De la sorte, le manuel d’histoire est le produit et le signe d’un dialogue qui, en histoire, se développe du secondaire au supérieur et dans les institutions de recherche entre les deux pays. Avec sa base de données de 1800 recensions et sa Revue annuelle l’IFHA y contribue sur le plan des publications, tout comme l’IHAP avec la revue Franciaet ses recensions, ou bien la revue électronique en SHS franco-allemande Trivium. Il existe aujourd’hui une génération de jeunes chercheurs français et allemands habitués à circuler, à monter des projets, tel le dernier en date intitulé ‘Saisir l’Europe », constitue comme une fédération de recherche franco-allemande en histoire unissant le CMB,la HU Berlin, l’IFHA,la JGU Francfort, l’IHAP, la MSH et le CIERA avec 18 doctorants et postdoctorants pour 5 ans. Il appartient à la feuille de route franco-allemande délivrée le 4 février 2010 par le conseil franco-allemand des ministres sous le titre « agenda 2020 » dont le chapitre 3, comportant 2 pages sur dix de la déclaration, concerne la recherche, l’innovation, l’éducation et l’enseignement supérieur.

Parmi les mesures annoncées à ce sujet, figurent les plans suivants d’action :

  • D’ici 2020, le nombre des cursus bilingues dans l’enseignement supérieur doit doubler.
  •  D’ici 2020, le nombre d’étudiants, d’étudiants en doctorat et de jeunes chercheurs participant à des programmes financés par l’Université franco-allemande doit doubler.
  • D’ici 2020, un Français sur deux ou un Allemand doit avoir visité au moins une fois l’autre pays.
  •  L’apprentissage de la langue du partenaire doit être encouragé et soutenu et le rapprochement des systèmes éducatifs poursuivi (manuels scolaires, programmes, certification, échanges d’enseignants et de cadres).
  • D’ici 2020, au moins 200 écoles maternelles bilingues franco-allemandes devront être créées.
  • Encouragées par l’introduction du manuel d’histoire franco-allemand, la France et l’Allemagne ont l’intention de préparer un manuel scolaire commun sur l’Europe et l’histoire de la construction européenne, ouvert à la participation d’autres partenaires européens.
  •  En matière de recherche et d’innovation, la coopération entre les organismes compétents (y compris les agences de financement de la recherche) doit s’intensifier, notamment dans le cadre européen, à commencer par la coopération entre la Deutsche Forschungsgemeinschaft et l’Agence Nationale de la Recherche, entre la Société Max Planck et le CNRS ; des programmes conjoints de recherche doivent être engagés, en commençant par le domaine médical (en particulier en ce qui concerne des maladies neuro-dégénératives comme la maladie d’Alzheimer) et avec l’objectif de créer à terme des laboratoires de recherche communs Carnot-Fraunhofer dans le cadre des pôles d’excellence à l’échelle mondiale.
  • La coopération franco-allemande déjà bien établie dans le domaine de la politique spatiale européenne sera poursuivie.

 Il me semble au total, car il faut bien conclure et boucler la boucle, que le projet Eucor, Icarus et Interreg sur les archives du Rhin supérieur qui nous rassemble et se place exactement dans le droit chemin de cette ambition à la fois politique, scientifique et régionale, raison pour laquelle il convient de lui souhaiter plein succès et longue vie.

 

Quelle: http://archives.hypotheses.org/166

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Mein Dissertationsvorhaben – Erklärt für Nicht-Mediävisten

In den letzten Tagen ist mir bewusst geworden, dass das Potential eines Blogs wohl verschenkt ist, wenn es sich ausschließlich an das eigene Fachpublikum wendet. Daher habe ich hier mal mein Dissertationsvorhaben explizit für Nicht-Mediävisten niedergeschrieben.

Auch heute gilt das Mittelalter für Viele leider noch als ein weitgehend kulturfreier Raum, als Dunkles Zeitalter. Vor allem, was die Naturwissenschaften betrifft: Bis Columbus, so das gängige Vorurteil, dachten die Zeitgenossen westlich von Spanien die Erdscheibe runter zu plumpsen. Das stimmt natürlich nicht, wie ich hiermit beweise:

Auf diesem privaten Foto vom Schöpfungsportal des Freiburger Münster (mein persönliches Lieblingsdetail) sieht man links unten ein Sphärenmodell mit einem Globus im Zentrum.

Im Gegenteil, auch im Mittelalter gab es durchaus ein professionelles Interesse an den Abläufen der Natur. Wer hiervon einen kleinen Eindruck bekommen möchte, dem empfehle ich wärmstens die englische Übersetzung mit Kommentar zu Bedas De natura rerum von Wallis und Kendall.

Bis ins 12. Jahrhundert sind mit Blick auf die Naturwissenschaften (wobei das natürlich ein moderner Begriff ist, den man nicht unbesehen auf das Mittelalter anwenden sollte!) vor allem zwei Bereiche relevant:

  • Zum einen die sogenannte Komputistik, also Kalenderwissenschaft, die in den Klöstern auf hohem Niveau gepflegt wurde. Man muss sich vorstellen, zu dieser Zeit die Berechnung eines Kalenders, vor allem aber des wichtigen Osterfestes ganz schön viel astronomisches Know-how notwendig war. Einen kleinen Eindruck gewährt zum Beispiel diese Handschrift der UB Darmstadt
  • Zum anderen das Quadrivium, das zusammen mit dem Trivium die Sieben freien Künste bildete und eine Art Lehrplan des mittelalterlichen Unterrichts bildete. Es bestand aus den vier Fächern Arithmetik, Geometrie, Musik (ja, das war eine Naturwissenschaft!) und Astronomie. Dargestellt zum Beispiel in einer bekannten Abbildung im Hortus deliciarum

Die Mittelalterforschung weiß natürlich schon seit einer ganzen Weile, dass das man auch im christlichen Mittelalter intellektuell nicht ganz so weit hinterm Mond lebte. Einen wichtigen Anteil an dieser Erkenntnis hat dabei sicher der amerikanische Wissenschaftler Charles Homer Haskins, der 1927 ein Buch mit dem etwas trotzigen Titel The Renaissance of the Twelfth Century publizierte, in dem er auch für das Mittelalter, genauer dem 12. Jahrhundert, eine Renaissance vor der Renaissance postulierte.

Seit Haskins gilt es als gesichert, dass es in dieser Zeit einen allgemeinen intellektuellen Aufschwung gegeben hat, der sich unter anderem in Literatur, Recht, Theologie, Philosophie, Kunst, und Architektur niederschlug und der vor allem in den Domschulen und Städten Nordfrankreichs vonstatten ging.

Auffälligerweise, und hier setzt nun mein Projekt an, lässt diese ‚Erzählung‘ besonders zwei Aspekte außer Acht:

Diese Region gilt in intellektueller Hinsicht als weitgehend rückwärtsgewandt und konservativ, weil es zu dieser Zeit nur sehr wenig einflussreiche ‚deutsche‘ Autoren gegeben hat (Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe bekannter deutscher Autoren, die aber in der Regel in Frankreich lebten und schrieben).

Wenn man sich aber nicht nur die Produktion von Texten durch Autoren anschaut, sondern auch die Produktion von Handschriften – denn im 12. Jahrhundert mussten Texte ja noch mühsam von Hand kopiert werden – dann stellt man fest, dass gerade das Reich eine führende Stellung in dieser Produktion einnahm. Auch die alten Bibliothekskataloge geben Hinweise darauf, dass man hier modernes Wissen zumindest rezipiert hat, wenn man es schon nicht selbst verfasste.

Genau diese Vermutung möchte ich mir nun für den Bereich der Naturwissenschaften genauer anschauen. Anhand der Kataloge mittelalterlicher Bibliotheken und den erhaltenen Handschriften bzw. der Spuren, die die Zeitgenossen darin hinterlassen haben, erhoffe ich mir, Folgendes herauszufinden:

  • Was genau wurde wo gelesen und rezipiert?
  • Auf welchen Wegen verbreitete sich dieses Wissen?
  • Welchen Stellenwert hatte es?
  • Und wie genau ging man mit diesen Texten bzw. Handschriften um?
  • Und letztlich: Wie unterscheidet sich dieser Umgang von unserer modernen Einstellung zu diesem Wissen?

Wieso, mag der ein oder andere fragen, wieso der ganze Aufwand für ein paar handgeschriebene und veraltete Bücher? Weil ich glaube, dass es für eine Gesellschaft die so stark auf Wissen angewiesen ist, dass sie sich selbst als Wissensgesellschaft bezeichnet, wichtig ist, sich dem historischen Werden, aber auch den Brüchen ihres Wissens bewusst zu werden. Das eigene Wissens ist eben nicht universell gültig, sondern abhängig von der jeweiligen Kultur.

Vor allem beschäftige ich mich aber mit diesen Dingen, weil ich sie unglaublich spannend und faszinierend finde. Das sollte eigentlich reichen.

Quelle: http://quadrivium.hypotheses.org/22

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Was Jacob Nielsens Studie über Teenage Usability mit Museen zu tun hat


Jacob Nielsen, Web-Usability Experte, hat jüngst auf seiner Homepage einen Artikel über eine Studie veröffentlicht, in der er Webseiten auf Usability für Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass Teenager ihre eigenen Fähigkeiten in Bezug auf das Web als äußerst selbstbewusst einschätzen, dabei aber mit der Ausübung mehr Probleme haben als Erwachsene, weil sie

  • meist schlechter lesen könnten,
  • wesentlich ungeduldiger seien und
  • über unzureichende Recherchefähigkeiten verfügten.

Als ich das las, sah ich meinen Eindruck von der jüngeren Generation in Bezug auf den Umgang mit den neuen Technologien bestätigt. Bevor man an dieser Stelle die Jüngeren aber in einem allzu pessimistischen Licht sieht, sollte die Chance, die hier für alle anderen User liegt, nicht übersehen werden:

Unübersichtliche Webseiten gibt es zuhauf. Interessant ist, dass die Jungen aufgrund ihrer eingeschränkten Fähigkeiten gepaart mit einer guten Portion Ungeduld, nicht lange fackeln und Seiten, auf denen sie sich nicht zurecht finden, einfach wieder verlassen. Laut Nielsen beträgt der Unterschied in der Erfolgsrate, eine Aktion erfolgreich im Web abzuschließen, bei Erwachsenen bei 83% und bei Teens bei 71%. D.h. 29 von 100 Teens (das ist fast ein Drittel) und 17 von 100 Erwachsenen können eine Aufgabe im Web nicht bearbeiten. Das heißt dann gleichzeitig, dass sie z.B. einen Einkauf nicht tätigen oder eine gesuchte Information nicht erhalten. Und dann klicken sie weg und kommen so schnell nicht wieder.

Was heißt das für Museen?

Laut Nielsen haben Teens die wenigsten Probleme beim Besuch von E-Commerce-Seiten und die meisten Probleme beim Besuch von Non-Profit- Seiten sowie Seiten öffentlicher Institutionen und Schulen. In den letzten Bereich fallen auch die Museen.

In dem Artikel „Nehmt euch das Netz!“ schreibt Swantje Karich in der FAZ u.a. über den Webauftritt der Staatlichen Museen zu Berlin:

„Jedoch gibt es in Deutschland einen Museumsverbund, der zwar die schönsten Kunstwerke der Welt aus allen Epochen hütet, große Umbauten plant, aber auf diesem Feld Verantwortung vermissen lässt: die Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre Internetseite ist reduziert. Sie ist eher etwas für Kenner, die schon um den Reiz dieser Museen wissen und allenfalls Öffnungszeiten abrufen wollen. Ab und an ist ein nettes Video zu sehen, die Orientierung auf der Seite ist jedoch eine Herausforderung.“

Das ist sehr treffend beschrieben. Neugierig macht die Seite jedenfalls nicht. Mit dieser Homepage wird lediglich die formale Aufgabe von Informationsvermittlung erfüllt (Übersicht der Ausstellungen, Öffnungszeiten, Anfahrt).

Aber reichen dermaßen gestaltete Webseiten für die Zukunft?

Kann man es sich so einfach machen und die Ansprache des jungen Publikums auf Facebook auslagern – falls das überhaupt geschieht? Und wird der Inhalt dort tatsächlich jugendlich-kompatibler dargestellt?

Nielsen gibt für die Gestaltung von Webseiten hinsichtlich junger Webnutzer folgende Ratschläge:

  • Für ungeduldige Leser schreiben, kurze Texte, mit kurzen Sätzen, leicht verständliche Wortwahl. Genug „white space“ lassen, Information in Chunks (Einheiten) präsentieren, so lässt sie sich besser merken.
  • Teens und Erwachsene mögen gleichermaßen keine zu kleinen Schriftgrößen. Eine zu geringe Schriftgröße in Kombination mit einer geringeren Lesekompetenz führt zu erschwertem Textverständnis bei den Jüngeren. Ältere ab 40 Jahren ziehen größere Schriften aufgrund der nachlassenden Sehschärfe im Nahbereich vor.
  • Langweiligen Inhalt und „Entertainment Overload“ vermeiden. Der Einsatz von verschiedenen Feedback-Features wie Quizfragen, Online-Abstimmungen, Spiele, Foren, Formulare, über die Fragen gestellt und Rückmeldungen gegeben werden können, etc. wird empfohlen.
  • Webseiten sollten schnell geladen werden können. Das bedeutet Verzicht auf rechen- und speicherintensiven Design-Schnickschnack.
  • Soziale Funktionen als „kann“-Option einbauen, nicht als „muss“. E-Mail-Funktion ist hilfreich.
  • Das Design der Webseiten für kleinere Geräte (Tablets und Handys) anpassen.

Vielleicht haben Sie beim Lesen des einen oder anderen Punktes gerade gedacht: „Das hätte ich doch auch gern“. Ja sehen Sie, gerade darin liegt die Chance für alle Menschen, ein anwenderfreundlicheres Web zu bekommen.

Begreifen wir das Unvermögen als Chance, denn es ist längst überfällig, Dinge im Web (das gilt für Anwender-Software ebenfalls) leichter bedienbar zu gestalten. Ob die Jüngeren nicht richtig lesen können und die Älteren nicht viel lesen wollen spielt doch keine Rolle: Wenn die Webseiten bezüglich der oben genannten Hinweise gestaltet werden, ist allen geholfen.

Leider wird dies von kommerziellen Unternehmen eher erkannt, als von nicht-kommerziellen Institutionen, wie Museen, die meist am öffentlichen Tropf hängen und das nicht nötig haben.

Nielsens Studie zeigt, dass jüngere Anwender auf einer Webseite, auf der sie sich nicht zurechtfindeen, schneller wegklicken als Ältere. Und hier liegt die nicht erkannte oder nicht beachtete Dramatik für die Museen: Wer wegklickt, kommt auch nicht. Und was das für die Zukunft bedeutet, brauche ich nicht auszuführen.

„In reality, teen overconfidence combined with developing cognitive abilities means they often give up quickly and blame the website’s design. They don’t blame themselves, they blame you.” (Jacob Nielsen)

Quelle: http://games.hypotheses.org/914

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Kulturgeschichtliches zu den Himmelsrichtungen (II): der Osten

Die Himmelsrichtungen hatten in der Kulturgeschichte Chinas ihren festen Platz in den – in ihren einzelnen Zuschreibungen zum Teil höchst unterschiedlichen – kosmologischen Systemen. (vgl. auch (I) der Norden)

Das chinesische Schriftzeichen für Osten (dong 東) zeigt eine Sonne, die hinter einem Baum aufgeht. Analog dazu steht im Schriftzeichen gao 杲 (d. i. hell, strahlend, grell) die Sonne über dem Baum und im Zeichen yao 杳 (d. i. “weit entfernt sein, ohne eine Spur hinterlassen zu haben”, verschwinden) die Sonne unter dem Baum. Nach traditioneller Auffassung korrespondierte der Osten mit dem Frühling, mit dem Planeten Jupiter, mit der Farbe blaugrün (qing 青), mit der Wandlungsphase/dem Element “Holz” und mit dem Körperorgan Leber. [1] Zudem galt der Osten bzw. die linke Seite “als Platz des Fürsten; daher ist sie auch – und mit ihr der Osten – die geehrte Seite.” [2]

In alten  Vorstellungen wurden vor der Ostküste die “Inseln der Seligen” vermutet. Nach Wolfgang Bauer könnten die Namen dieser drei Inseln – Penglai 蓬萊 (“Wucherndes Unkraut”), Fangzhang 方丈 (“Vierecksklafter”) und Yingzhou 瀛洲 (“Weltmeerkontinent”) – “ursprünglich ganz gewöhnliche Ortsnamen gewesen sein, obgleich alle drei jeweils ein Zeichen enthalten, das an Übernatürliches denken läßt” [3] Auf der Suche nach einem Elixier der Unsterblichkeit sandte der Erste Kaiser (reg. 221-210 v. Chr.) den Magier Xu Fu 徐福 (Xu Shi 徐市) mit einer Expedition zur Erkundung dieser Inseln aus. [4]


Donghuamen 東華門 (Östliches Blütentor), Kaiserpalast, Beijing – Foto: Georg Lehner

Der Leichnam des verstorbenen Herrschers wurde durch das Donghuamen 東華門 (“Östliches Blütentor”), das Tor  an der Ostseite des Palastareals, aus dem Kaiserpalast gebracht [5].

[1] Grand Dictionnaire Ricci de la langue chinoise VI 342 (no. 11836). Die Etymologie des Zeichens dong (Osten) wurde wiederholt besprochen, in einem “westlichen” Nachschlagewerk wohl zuerst bei Robert Morrison: A Dictionary of the Chinese Language. In Three Parts. Part II. Vol. I (Macao 1819), S. 950. [nach oben]

[2] Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996), 178 (“Links und Rechts”). [nach oben]

[3] Wolfgang Bauer: China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen in der Geistesgeschichte Chinas (München: 2. Aufl., 1989 [1. Aufl. 1974]) 144. [nach oben]

[4] Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and enlarged (Cambridge, Mass., 2000) 743. [nach oben]

[5] Wilkinson: Chinese History, 825. [nach oben]

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/180

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Natalia Rostislavleva: Konzepte persönlicher Freiheit in der Russlandrezeption Max Webers

Das Bemühen, die originelle große Persönlichkeit Max Webers zu entwirren und seine Welt zu entzaubern, war Impuls für zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen seiner Arbeiten, sowohl im Westen als auch in Russland. Nun soll gezeigt werden, auf welche Weise Webers situationsbedingte Analyse der Ereignisse der Ersten Russischen Revolution mit seiner Aneignung des Erbes des deutschen Liberalismus zusammenhängt.

Max Weber war überzeugt, dass die Wahl des Untersuchungsgegenstandes immer in einer Wertbeziehung steht und eine »objektive« Analyse kultureller und sozialer Erscheinungen, die unabhängig ist von individuellen und wertenden Anschauungen, nicht existiert. Deshalb soll hier die Herausbildung der Persönlichkeit Webers betrachtet und die Aufmerksamkeit auf den Vorrang liberaler und protestantischer Werte in seiner Familie gelenkt werden. Weber war von den Ereignissen der Ersten Russischen Revolution ergriffen. Er lernte innerhalb von zwei Monaten Russisch; in schwierigen Fragen stützte er sich auf die Hilfe B. A. Kistjakowskijs.

In den Jahren 1905–1906 verfasste Weber die Werke: »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus« (1905), »Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Russland« (1906) und »Russlands Übergang zum Scheinkonstitutionalismus« (1906). In der Historiographie existieren verschiedene Versionen, die Webers Behandlung der Ereignisse der Ersten Russischen Revolution erklären. In den Arbeiten A. Kustarevs wird Webers Verständnis von Freiheit im Kontext seiner Analyse »russischer Untersuchungen« politischer Programme und Prozesse dargestellt. J. Davydovs Meinung nach können die Arbeiten von 1906 fruchtbar im Kontext der religiösen Erfahrungen Webers betrachtet werden.

Es soll im Weiteren versucht werden, zu präzisieren, ob das Konzept der Freiheit Grundlage für die Wahrnehmung der Entwicklungen der Ersten Russischen Revolution war und, falls ja, welche Interpretation von Freiheit für den Gelehrten bei der Untersuchung der russischen Ereignisse der Jahre 1905–1906 maßgebend war. W. Mommsen merkt an, dass in den reifen liberalen Anschauungen Webers nationale vor liberalen überwiegen. Weber war sehr beunruhigt über die Zersplitterung des deutschen Liberalismus. Deshalb spielten in seinem politischen Wertesystem die Konzepte »Nation«, »Macht« und »Kultur« eine große Rolle. Aus dieser Position heraus kritisierte er sowohl den Liberalismus des wilhelminischen Deutschlands als auch den klassischen Liberalismus.

Bereits bis zum Jahr 1905 schien es Weber klar, dass die Chanсen einer unabhängigen und erfolgreichen liberalen Politik in Deutschland verspielt waren. Und so kann behauptet werden, dass in Webers Vorstellungen von Freiheit ein Widerhall der Ideale des frühdeutschen Liberalismus, der in vielem durch einen doktrinären Charakter gekennzeichnet war, zu finden ist.

Der Zugang Webers zu Russland im Rahmen seines Freiheitsbegriffs, der charakteristisch war für den deutschen Frühliberalismus, ist in diesem Zusammenhang fruchtbar, weil Russland im Jahr 1905, was die politische Entwicklung betrifft, dem Niveau Deutschlands im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts entsprach. In dieser Zeit begann in Deutschland die frühe Industrialisierung. (Russland erlebte eine solche Periode erst seit den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts.)

Der klassische Freiheitsausdruck im »protestantischen Geist« gehört nach Weber in die Epoche des Frühkapitalismus. Der reife Kapitalismus objektiviert diese Freiheit in formalen sowie bürokratischen Strukturen, und so hört der Kapitalismus auf, Art und Weise freier Entscheidung von Individuen zu sein. Aber das Individuum bedarf dennoch einer kreativen Beanspruchung, dank derer der Westen klassische Manifestation der Freiheit der Wahl, unabhängiger selbständiger Handlungen und wahrer demokratischer Ordnung des gesellschaftlichen Lebens darstellt.

Tatsächlich stellt Weber die Realität der Formalisierung und Bürokratisierung der gesellschafts-politischen Beziehungen fest und schreibt in seiner Arbeit »Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Russland«: »Alle ökonomischen Wetterzeichen weisen nach der Richtung zunehmender ›Unfreiheit‹«. Auf diese Weise sind Freiheit und Kapitalismus, nach Weber, Gegensätze; der Druck des reifen Kapitalismus auf die demokratischen Institutionen sowie das freie Individuum wird erhöht.

Im Werk »Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Russland« merkt Weber ebenso an, dass in der russischen Gesellschaft importierte neue Kräfte mächtigen Kapitals wirken. Aber diese Gesellschaft basiere noch auf der Grundlage einer archaischen bäuerlichen Form des Kommunismus, und nirgendwo werde der Kampf um Freiheit unter so schweren Bedingungen geführt wie in Russland. Der doktrinäre – von der Industrialisierung unabhängige – Liberalismus Rottecks, Welckers, Dahlmanns und Humboldts wurde zu einer besonders wichtigen Etappe in der Entwicklung der Freiheit in Deutschland.

Dort liegen zwischen der Etablierung der Ideale der Freiheit und dem aktiven Prozess der Industrialisierung mehrere Jahrzehnte. Weber verstand, dass Freiheit für Russland am Anfang des 20. Jahrhunderts eine Illusion war, während sie zu dieser Zeit im Westen eine Alltagskategorie war, die der Westen in der frühliberalen Phase erworben hatte. Webers Meinung nach war die Entwicklung des Kapitalismus mit einem unentwegten Prozess der Rationalisierung des Lebens und Bürokratisierung verbunden. Bezüglich der Freiheit in Russland klingt Pessimismus an.

A. Kustarev bestätigt, dass die Freiheit in Russland am Anfang des 20. Jahrhunderts keine Perspektive hat und möglicherweise nur ein wohlwollender Wunsch sei, der jeglicher Grundlage entbehre. Weber suchte kleine Körnchen von Freiheit in Russland und fand sie in der Tätigkeit einer Gruppe von Angehörigen der konstitutionell-demokratischen Bewegung (Souz Oswobozdenija) und Semstwo-Organisation, die sehr aktiv für die Liberalisierung und Ausarbeitung einer Verfassung plädierten. Er verglich die Semstwo-Tagungen mit der Tätigkeit des Vorparlaments und des Frankfurter Parlaments 1848. Eben diese Sitzungen des Frankfurter Parlaments in den Jahren 1848–1849 wurden zur Kulmination in der Entwicklung des Frühliberalismus in Deutschland. Der Idealismus der Souz Oswoboydenija beim Entwurf der Verfassung lässt Parallelen mit der frühliberalen Phase in Deutschland zu.

Wesentliche Schlussfolgerungen:
- Der Orientierungspunkt der Freiheitsvorstellungen Webers ist der »protestantische Geist«.
- Freiheit und Kapitalismus sind nach Weber Gegensätze.
- Die Freiheit behält in der Vorstellung Webers ihre Bedeutung als Freiheit der Wahl und Unabhängigkeit der Handlungen.
- In den Jahren der Ersten Russischen Revolution sah Weber in Russland »ein Drama der Freiheit«. Die Suche nach Freiheit schien nur möglich in Richtung des Idealismus und der Semstwo-Bewegung.
- Die Etablierung der Freiheit in Russland am Anfang des 20. Jahrhunderts hätte, nach Weber, nur aufgrund einer tiefen Abwendung von der Tradition verwirklicht werden können.

 

Prof. Dr. Natalia Rostislavleva ist Co-Direktorin des Russisch-Deutschen Zentrums der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität Moskau (RGGU).

Der Text basiert auf einem Vortrag, den sie am 27. November 2012 am DHI Moskau gehalten hat.

Quelle: http://maxweber.hypotheses.org/758

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Politische Testamente aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs

„Was macht eine gute Regierung aus? Frühneuzeitliche Antworten im Spiegel ausgewählter Quellen“: Unter diesem Titel stand meine Veranstaltung des abgelaufenen Wintersemesters, in der ich mit einigen Studierenden intensive Quellenlektüre betrieben habe. Eine typische frühneuzeitliche Quellengattung für diese Thematik sind bekanntermaßen Politische Testamente. Ausgewählt hatte ich dasjenige des bayerischen Kurfürsten Maximilian aus dem Jahr 1641 sowie das des sächsischen Kurfürsten Johann Georg von 1652. Damit standen Texte der beiden vielleicht bedeutendsten und mächtigsten Reichsfürsten ihrer Zeit im Mittelpunkt. Beide Kurfürsten haben zudem gemein, dass sie während der gesamten 30 Kriegsjahre regiert haben.

Gerade vor dem Hintergrund war es reizvoll, beide Testamente parallel zu behandeln. Die in beiden Texten behandelten Inhalte ließen sich gut vergleichen: Natürlich spielte die Konfession eine große Rolle, zur Sprache kamen u.a. auch die politische Ausrichtung und das Verhältnis zu Kaiser und Reich und nicht zuletzt Hausangelegenheiten sowie die Regelung der Nachfolge im Herrscheramt. Dies alles sind Aspekte, die dazu beigetragen haben, daß die Forschung sie als wichtige Meilensteine auf dem Weg zur frühmodernen Staatswerdung begriffen hat. Dazu paßte auch das Anliegen der Fürsten, ihren Regelungen eine möglichst (rechts)verbindliche Form zu geben, die über das rein moralische Gewicht hinaus den verpflichtenden Charakter des Testaments verdeutlichen sollte. Oftmals sollte der Nachfolger eidlich auf die Bestimmungen des Testaments verpflichtet werden, im Falle der Minderjährigkeit eines Nachfolgers wurden andere Testamentsvollstrecker und Vormundschaften bestimmt; in manchen Fällen wurden auch die Landstände eingebunden.

Vor dem Hintergrund solcher Bemühungen um Absicherung bietet das kursächsische Testament besondere Befunde, wie sich zunächst an der kaiserlichen Konfirmation zeigt, die einige Monate später, aber auch noch im Jahr 1652 eingeholt wurde. Vor allem aber wurde Johann Georgs Verfügung zusammen mit der kaiserlichen Konfirmation ungefähr im Jahr 1657 publiziert. Hier wurde also ganz bewußt und offensiv die Öffentlichkeit gesucht. Bemerkenswert ist dies insofern, als derartige Dokumente ansonsten dem arkanen Bereich des Politischen zugeordnet wurden; daß dieses Testament bereits zeitgenössisch in den Druck gegeben wurde, erscheint außergewöhnlich.

Wie läßt sich nun erklären, daß man in Kursachsen in dem Fall einen anderen Weg wählte? Man wird die Publikation kaum als voraufklärerischen Schritt bezeichnen, im Zuge dessen Kursachsen nun seine politischen Prinzipien der Reichsöffentlichkeit offen darzulegen sich anschickte. Man weiß vielmehr, daß der Kurfürst zu Lebzeiten die Nachfolgeregelung nicht bekannt machte, um internen Streit zu vermeiden (auch auf die Verpflichtung der Söhne auf das Testament durch deren Unterschriften hatte er verzichtet, wie ein Kodizill von 1653 erkennen ließ). Allerdings waren die Spannungen nach seinem Tod im Hause Wettin umso heftiger, und der Entschluß zur Publikation des Testaments war offenbar eine Flucht nach vorn gewesen, von der man sich eine stabilisierende Wirkung erhoffte. Gleichzeitig läßt sich daran erkennen, wie verzweifelt man um den Bestand jener Regelung kämpfte, die Kurfürst Johann Georg im Jahr 1652 verabschiedet hatte.

Beide Texte sind übrigens gut verfügbar. Maximilians Testament liegt bequem in der bekannten Edition der Politischen Testamente von Heinz Duchhardt vor (1986) sowie in der Ausgabe der Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern (bearb.v. Walter Ziegler, 1992). Das sächsische Pendant ist ca. 1657 im Druck erschienen; dieser ist mehrfach im VD17 nachgewiesen und als Digitalisat frei verfügbar (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sammlung Ponickau). Für den universitären Unterricht hat sich der Mix aus zeitgenössischem Druck und moderner Edition gut bewährt: hier der Reiz des Authentischen, dort die moderne wissenschaftliche Aufbereitung einer Quelle. Anspruchsvoll für Studierende bleiben freilich beide Texte, das bedingen schon die frühneuhochdeutsche Sprache und der Inhalt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/100

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Anlässlich des Workshops “Fälschung als Mittel der Politik? Pseudoisidor im Licht der neuen Forschung“, der am 22./23. Februar 2013 in Köln stattfindet, hat Clemens Radl (@rotula) in einem sehr lesenswerten Beitrag auf Archivalia wichtige online verfügbare Quellen und Literatur zusammengestellt: “Pseudoisidor. Wegweiser zu Online-Ressourcen“.   Zur Tagung “Benedikt – gestern und heute. Norm, Tradition, Interaktion”, die im November in Mannheim stattfand, ist nun ein Tagungsbericht, den Daniela Hoffmann verfasst hat, online: Benedikt – gestern und heute. Norm, Tradition, Interaktion. 22.11.2012-23.11.2012, Mannheim, in: H-Soz-u-Kult, 21.01.2013, [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2313

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