Das Geschlecht der Öffentlichkeit

Titelbild: „Die praktische Berlinerin“, 1905, Ullstein Verlag
Titelbild: „Ženskoe Delo" (Die Sache der Frau), 1916, Aktiengesellschaft für Druck- und Verlagsangelegenheiten‚ Moskauer Verlag

Titelbild: „Ženskoe Delo“ (Die Sache der Frau), 1916, Aktiengesellschaft für Druck- und Verlagsangelegenheiten‚ Moskauer Verlag

Frauenillustrierte werden häufig als seichte Unterhaltungsblätter wahrgenommen, die ihr weibliches Publikum auf konservative Rollenmodelle und Konsum festlegen. Analyse und Vergleich der deutschen und russischen Frauenpresse am Beispiel von „Die Welt der Frau“ (1904-1920) und „Ženskoe Delo“ (Die Sache der Frau, 1910-1918) revidieren diese tradierte Auffassung über kommerzielle Frauenzeitschriften. Denn diese feministisch-populären Frauenblätter gehörten zu den ersten Fotoillustrierten, die eine emanzipatorische Programmatik mit den damals modernsten Visualisierungsstrategien propagierten: Mit jeder Ausgabe wechselnde Titelblätter, Fotoreportagen und ein modernes Layout unterstrichen Ansprüche nach Gleichberechtigung, Bildung und Berufstätigkeit und griffen damit Forderungen der in beiden Gesellschaften aktiven Frauenbewegungen auf. Ebenso modern präsentierten sich die Beiträge über Haushalt, Reisen, Mode und Sport und trugen damit zur Popularisierung von individualisierten Lebenswegen für die „moderne Frau“ bei.

Die feministisch-populären Frauenillustrierten „Die Welt der Frau“ und „Ženskoe Delo“ konstituierten als neuer Zeitschriftentyp gemeinsam mit den zahlreichen Blättern der Frauenbewegung, den ersten Berufszeitschriften und den unterhaltend-informativen Mode- und Hausfrauenzeitschriften das Geschlecht der Öffentlichkeit. Die inhaltlich wie formal heterogene Frauenpresse beider Länder war Teil der Frauenkultur um 1900 und trug wie Literatur und Kunst zum selbstbewussten Ausdruck von Frauenleben im Deutschen Kaiserreich und Russischen Zarenreich bei.

In Massenauflagen von mehreren zehntausend Exemplaren gedruckt, fanden „Die Welt der Frau“ und „Ženskoe Delo“ großen Anklang beim weiblichen Publikum und richteten sich in beiden Gesellschaften an Frauen der gebildeten und urban geprägten Mittelschichten.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/11/24/das-geschlecht-der-oeffentlichkeit/

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