„Can the Subaltern speak“ – on a chocolate bar? Repräsentationen menschlicher Arbeit im „fairen Handel“

„Can the Subaltern speak“ – on a chocolate bar? Repräsentationen menschlicher Arbeit im „fairen Handel“

 

Abb. 1: Produktverpackung Schokolade „Ethiquable“, Privatfotografie: Benjamin Möckel

Das Bild ist relativ unscheinbar: ein Mann mittleren Alters mit aufgeknöpftem Poloshirt, der drei Kakaofrüchte in den Händen hält. Die Früchte dienen als Insignien, um ihn als Kakaobauern zu markieren. Allerdings wird er dezidiert nicht in einem näher konkretisierten Arbeitskontext abgebildet. Er schaut dem – vermutlich westlichen – Konsumenten des Produktes direkt in die Augen, ohne dabei eine explizite emotionale Regung zu zeigen.

Das Bild zeigt eine Schokoladenverpackung, die zurzeit in einer deutschen Supermarktkette verkauft wird. Das Portrait des Mannes ist Bestandteil einer relativ komplexen Produktgestaltung.

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Quelle: https://moralicons.hypotheses.org/59

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Pophistorische Zugänge zu Native Americans nach 1945: eine Plattenkritik

Bei der Wiederveröffentlichung „vergessener“ Popmusik ist nicht selten eine gewisse Skepsis angebracht: Die Liste verkannter Meisterwerke ist endlich und die wenigsten Veröffentlichungen können das Versprechen einlösen, einen völlig neuen Blick auf popkulturelle Traditionslinien zu eröffnen. Dies gilt umso mehr, als in diesem Feld seit längerer Zeit ein Trend zu immer ausgefalleneren Genres zu beobachten ist, der das Prinzip popkultureller Distinktionsbildung beständig zu neuen Entdeckungen treibt. Konnte man eben noch mit dem Abspielen kambodschanischer Beat-Musik oder Rumba-Rhythmen aus dem franquistischen Spanien punkten, so ist die Musikindustrie schon längst auf dem Weg zu neuen Milieus und Subgenres, deren Nichtkenntnis einem zuvor nicht als Mangel aufgefallen war.

Mittlerweile haben sich hierbei eine Reihe von Musiklabels etablieren können, die immer neue Platten, Künstler und Genres wiederentdecken und für den Musikmarkt neu aufbereiten – oft mit großem Aufwand sowohl in der aufnahmetechnischen Rekonstruktion, opulenter ästhetischer Gestaltung und fundierter redaktionellen Aufbereitung. Man liegt vermutlich nicht ganz falsch, dieses expandierende Veröffentlichungsfeld mit jenem Phänomen in Verbindung zu setzen, das Simon Reynolds jüngst als „Pop Culture’s Addiction to it’s Own Past“ beschrieben hat. In einigen Fällen können solche Zusammenstellungen jedoch nicht nur wertvolle Musik neu zum Vorschein bringen, sondern auch einen neuen Blick auf pop- und gesellschaftsgeschichtliche Fragen stimulieren.

The Chieftones, image courtesy of artist (lightintheattic.net)

Die vorliegende Veröffentlichung ist ein Beispiel eines solchen Falles. Es handelt sich um die Platte „Native North America (Vol. 1): Aboriginal Folk, Rock, and Country 1966–1985“, die im Herbst 2014 auf dem Label „Light in the Attic“ erschienen ist. Das Album beinhaltet ein beeindruckendes Spektrum an Musik von Native Americans aus den kanadischen Territorien und den nördlichen US-Bundesstaaten und vereint auf diese Weise Songs aus so unterschiedlichen Gebieten wie Newfoundland, Nova Scotia, den in Nunavut lebenden Inuit und der nördlichen Pazifikküste von Oregon bis nach Alaska. Eine zweite LP, welche die südlichen Bundesstaaten der USA in den Blick nimmt, ist in Planung. Kevin Howes, der die Musik über Jahre gesammelt hat und in einem kurzen Text im Booklet in den gesellschaftlichen Kontext einführt, schreibt hierzu: „Beginning in the 1960s and well into the 1980s, a movement of Aboriginal musicians, artists, writers, and poets from across North America crafted a new blend of music: folk, country, rock, pop, blues, jazz, and classical, all reflected through their distinct cultural heritage.“

Flöten und Wassertrommeln sucht man auf den Veröffentlichungen demnach vergebens: Stattdessen lassen sich in vielen Fällen sehr klassische Besetzungen von Sängern/Gitarristen in der Tradition der zeitgenössischen Folk-Welle bis zu klassischen Rock-Besetzungen wie man sie bei der aus Inuit bestehenden Rockband Sugluk finden kann. Nicht alle Aufnahmen klingen revolutionär, einiges klingt sogar ausgesprochen konventionell, aber jede der drei Platten birgt unbekannte Künstler von überraschender Qualität und Originalität, wobei vielleicht Willy Mitchell und der in Kanada nicht völlig unbekannte Willie Dunn hervorgehoben werden können.

Willie Thrasher, image courtesy of artist (lightintheattic.net)

Wichtiger als die musikalische Qualität ist für den Kontext popgeschichtlicher Fragestellungen die Tatsache, dass mit der Musik, den Songtexten und den sie begleitenden biographischen Darstellungen des Booklets die – zumindest in Deutschland – historiographisch wenig präsente Geschichte der Native Americans in den USA und Kanada der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Blick gerät. Gerade der hier fokussierte musikalische Kontext ist dabei überaus spannend, weil hierdurch implizit immer wieder die Phänomene einer sowohl vom kanadischen als auch vom US-amerikanischen Staat noch lange nach 1945 forcierten kulturellen Einordnung zu Gehör kommen, aber eben auch die hierauf reagierenden Widerstände und sich verstärkenden Emanzipationsbewegungen der Nachkriegsjahrzehnte.

Wie dieser ambivalente Prozess zu hybriden popkulturellen Phänomen der Identitätsbildung führte, stellt einen äußerst spannenden Forschungsgegenstand der Popgeschichte dar, der in der Verbindung von Musik, Texten und biographischen Angaben auf den Platten immer wieder neue Bezüge eröffnet. Die Veröffentlichung bildet auf diese Weise einen vielversprechenden Zugang zur Kultur- und Gesellschaftsgeschichte von Native Americans nach 1945, wie sie in klassischen Veröffentlichungen und Curricula zur „Amerikanischen Geschichte“ nur selten eine zentrale Rolle spielen.

Für die wissenschaftliche Beschäftigung mit popgeschichtlichen Fragestellungen können solche Veröffentlichungen ein Anstoß sein, um sich (noch) weiter von den durch Verkaufszahlen beglaubigten „wirkungsmächtigen“ Feldern der Popkultur wegzubewegen und nach alternativen popmusikalischen Vergangenheiten zu fragen, die immer auch zu einem neuen Blick auf allgemeine kultur- und gesellschaftsgeschichtliche eröffnen können.

V.A.: Native North America (Vol. 1): Aboriginal Folk, Rock, and Country 1966–1985.
Label: Light In The Attic (CD / LP / MP3)

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1694

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