“Digitale Geschichtswissenschaft ist für mich…”

Heute Morgen wurde ich via Twitter von der AG digitale GW (@digigw) gebeten den Satz zu vervollständigen. Da Twitter (zum Glück) keine ausführlichen Statements erlaubt, führe ich unten weiter aus, was ich mit meiner Antwort meine:

Antwort: “…eine Chance.”

Für Historiker
Wenn ein Student der Geschichtswissenschaft sich im Kollegenkreis als solcher ‘outet’, wird er oder sie gleich in ein Schema eingeordnet: “Ach, du kramst also in Archiven rum und guckst dir verstaubte Bücher an, die keinen mehr interesssieren. Oder bist du einer von denen, welcher in Gizeh an den Pyramiden kratzt?” Umständlich ist dann zu erklären, dass das vielleicht, eventuell, möglicherweise ein Teil der Arbeit sein kann, aber dass noch viel mehr dahintersteckt und sowieso und überhaupt.
Digitale Geschichtswissenschaft macht den Historiker gegenwärtig. Damit ist gemeint, dass er mit seinen Hilfsmitteln und Untersuchungsgegenständen ‘plötzlich’ im Heute angekommen ist. Informatik ist modern und kann nicht angestaubt sein und wenn dann noch die neusten Gadgets eingesetzt werden, um eine dynamische Graphik zu präsentieren, kann er das Interesse der Zuhörer auf sicher.

Für die Geschichtswissenschaft (von aussen)
Mit dem persönlichen Interesse eines Zuhörers an der Tätigkeit eines ‘Digitalhistorikers‘ wird die Geschichtswissenschaft als solche interessant. Sie legt, wie der Digitalhistoriker, das angestaubte Image ab und wird modern. Dabei scheint mir, dass der Untersuchungsgegenstand irrelevant ist. Allein das Hantieren mit den modernen Hilfsmitteln und Kommunikationsmöglichkeiten macht (schindet?) Eindruck und nicht der Inhalt der Forschung. Auch das Beziehungsgeflecht einer italienischen Handelsfamilie im 16. Jh. ist dann ‘modern und interessant’.

Für die Geschichtswissenschaft (von innen)
Die seit rund dreissig Jahren in grossem Umfang eingesetzte elektronische Datenverarbeitung (Siegeszug des Personal Computers) bereitet der Geschichtswissenschaft und der Archivwissenschaft Sorge: Wie sollen die Informationen erhalten bleiben? Wie können Historiker auf diese zugreifen? Wie verwerten (Quellenkritik des Digitalen)? Die Digitale Geschichtswissenschaft muss sich um Methoden bemühen, welche die Nutzbarkeit dieser Daten gewährleisten. Sie muss dem neuen Image (s.o.) gerecht werden, indem sie mit modernen Mitteln die modernen Daten zur Verfügung hält und wissenschaftlich nutzt. Für viele, auf ‘alten’ Systemen generierten Daten ist die Chance bereits verpasst.

Für die Forschung
Unbestreitbar: mit den neuen, digitalen Hilfsmitteln eröffnen sich neue Forschungsfelder und neue/andere Erkenntnisse können gewonnen werden. Bspw. können nun grosse Datenbestände nun rasch und ‘fehlerlos’ verarbeitet werden – Beziehungen zwischen Objekten, Anzahl von Stichworten, Vergleich von Textkorpora, Suche nach Bildern etc. Sehr vieles ist (scheint?) möglich, was vor dreissig Jahren ein Traum war.

Question: “For me, Digital History ist…” – Answer: “…a chance.”
It is a chance for the single historian and for the whole field of history (or histories) to peel of the old prejudice of ‘dusty and boring’ – using computers and social media is cool and interesting, despite of the topic. If digital history developpes tools and methods not only to preserve digital data, but although to secure access and availability, then we will be able to secure the history of the modern time. Last, but not least, using digital tools expand the fields of research…

Quelle: http://hsc.hypotheses.org/288

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‘just a historian’

Wer sich mit digitalen Hilfsmitteln (elektronischen Eingabe- und Verarbeitungsmaschinen) sowie digitalen Objekten beschäftigt, wird im Englischen oft als ‘digital something’ bezeichnet. Im Falle eines Historikers als ‘digital historian’. Im Deutschen Sprachgebrauch wird manchmal ‘Digitaler Historiker’ verwendet – auch Digitale Archivare und Digitale Humanisten (digital humanists) sind bekannt. Wenn von digitalen Historikern (etc.) gesprochen wird, dann ist gemeint, dass sich diese Personen mit digitalen Objekten sowie Arbeitsmitteln und -methoden auskennen und damit arbeiten. ‘Echte’ Digitale Historiker würde ich wahrscheinlich (vorerst) nicht ernst nehmen. Somit stellt sich einerseits die Frage, wie solche Historiker bezeichnet werden sollten und ob es eine solche eigentlich benötigt. Digital historian or just a historian?

Wenn sich digital historians (die Englische Variante wird verwendet solange nicht geklärt ist, ob ein deutscher Begriff nötig ist) so selbstbewusst von den ‘anderen’ Historikern abheben (wollen), dann müssten signifikante Unterschiede zu den analog historians bestehen.

Analoge Geschichte
Eine Suche nach Analoger Geschichte oder analog history hat auf die Schnelle keine Resultate ergeben. Schämen sich analog historians als solche aufzutreten oder schlimmer für die digital historians: gibt es sie eigentlich gar nicht? Denn wenn es keine Analoge Geschichte oder analog historians gibt (es existiert aber eine Geschichte des Analogen), dann ist die Hervorhebung als digital historians müssig.

digital natives and digital immigrants
Eventuell hat es mit der Unterscheidung von ‘digital natives’ und ‘digital immigrants’ zu tun. Einem digital native würde es nicht in den Sinn kommen sich als digital zu bezeichnen, denn sein ganzes Leben hat er schon damit zu tun gehabt, eine Abgrenzung zu anderen seiner Altersgruppe ist nicht möglich. Für die immigrants hingegen ist eine Unterscheidung und die Betonung des ‘digital’ von grosser Wichtigkeit: es kann damit ausgesagt werden, dass man auf der Höhe der Zeit ist, moderne Methoden und Techniken anwendet und auch neue Forschungsfelder bearbeitet. Im Gegensatz zu Historikern die … ja nun was? Caesar untersuchen?

Hilfsmittel
Mittlerweile arbeiten auch die meisten Althistoriker mit Computern und anderen digitalen Hilfsmittel. 3D-Visualisierung von Funden und auch die computergenerierte Nachbildung von Anlagen (Häuser, Städte) sind ‘Altag’. Wenn alle Historiker mit digitalen Hilfsmitteln arbeiten, dann können wir getrost das ‘digital’ streichen und sind wieder ‘nur’ Historiker.

Analoge Datenbasis
An allen Veranstaltungen, an welchen ich teilgenommen habe, wurden Forschungsprojekte vorgestellt, deren Datenbasis analog war, aber daraus mit digitalen Hilfsmitteln neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Die Projektmitarbeiter arbeiten alle mit Computern und nutzen komplexe Programme, die sie teils selber geschrieben haben. Diesen Damen und Herren möchte ich keinesfalls unterstellen, dass sie ‘nur analoge’ Historiker sind, weil analoge Daten die Forschungsgrundlage bilden. Digitale Daten fordern zwar einen anderen Zugang, als dies mit analogen Daten der Fall ist, und das Verständnis über die Eigenschaften von digitalen Objekten muss vorhanden sein, aber digitalisierte Daten unterscheiden sich in der Nachbearbeitung nicht von genuin digitalen.

Forschungsfelder
Betreiben digital historians nur Forschung über das Digitale und die anderen über das Analoge? Digital historians haben Kenntnisse über die Eigenschaften von digitalen Objekten und nutzen etwas andere Arbeitsmethoden (Quellenkritik des Digitalen). Sie sind also Spezialisten im Umgang mit digital vorliegenden Informationen, die sich signifkant von anderen, bisher bekannten Quellen unterscheiden. Hier scheint die Bezeichnung eines Digitalen Historikers gerechtfertigt zu sein.

AusbildungDer Umgang mit digitalen Datenbeständen wird an den meisten Ausbildungsstätten nicht gelehrt oder beginnt sich erst langsam zu etablieren. Seit dem ‘computational turn’ sind jedoch viele Quellen nur noch digital vorhanden und immer mehr digitale Datenbestände müssen erschlossen werden. Gleichzeitig müssen diese digitalen Objekte auf analoge Informationen bezogen werden können, eine hybride Ausbildung ist also nötig. Solange aber der Umgang mit digitalen Datenbeständen nicht zum Curriculum gehört, ist die Hervorhebung als digital historian durchaus berechtigt.

digital historian or just a historian?
Peter Haber hat vor etwa vier Jahren gesagt, dass in naher Zukunft das ‘Digital’ wegfallen wird, weil alle digital arbeiten. Dies scheint mir heute schon der Fall zu sein, zumindest in den technisierten Ländern. Wer sich jedoch mit Fragen über das Digitale, den ‘computational turn’, digitale Daten (big data) nutzt und damit umzugehen weiss, ist unter den Historikern ein Spezialist, der den Titel eines ‘digital historian’ m.E. führen darf.

Bezeichnung
Die Übersetzung ist, wie zu beginn des Artikels dargestellt, ist mit ‘Digitaler Historiker’ nicht korrekt und bedarf einer Präzisierung. Bisherige Bezeichnungen von historischen Spezialisten beziehen sich auf ein Objekt (Sphragistiker) oder eine Epoche (Mediävist). Eine Epochenbezeichnung ist nicht angebracht, weil der ‘computational turn’ zwar neue methodische Arbeitsweisen erfordert, aber trotzdem keine neue Epoche einläutete (zugegeben, darüber wird gestritten). Der Bezug auf das (digitale) Objekt wäre korrekter und würde den Spezialisten auch als solchen bezeichnen. ‘Digitalist’ sagt zu wenig über das historische Element aus, Historischer Digitalist ist zu umständlich. ‘Digitalhistoriker’ hingegen scheint der gesuchte Begriff zu sein: einerseits wird damit ausgedrückt, dass es sich um einen Historiker (oder eine Historikerin) handelt, andererseits auch, dass sich der Historiker mit den Eigenschaften digitaler Objekte auskennt, digitale oder digitalisierte Daten bearbeitet, digitale Hilfsmittel und entsprechende Arbeitsmethoden anwendet und dass das Digitale an sich zu seinen Interessen gehört.

Bin ich also ‘just a historian’? Nein. Ich bin Historiker! Spezialisiert auf Digitalgeschichte und der sich als Digitalhistoriker bezeichnen darf.

just a historien?
What is the difference between a digital and an analog historian? Analog history doesn’t exist and most of the historians use digital equipment even if they’re research topic is ‘The roman empire’. Maybe a digital immigrant needs to separate himself from other people of the same age. A digital native can’t stand out, because everybody used digital objects and methods the whole life long.
But a digital historian has a better knowledge about digital objects, works with digital or digitized data, his (or her) field of research is connected to the digital and he uses slightly different methods of source criticsm.
In conclusion: there are a lot of historians and most of all are specialized: mediaevists, media historians, … and digital historians.

Quelle: http://hsc.hypotheses.org/241

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‘just a historian’

Wer sich mit digitalen Hilfsmitteln (elektronischen Eingabe- und Verarbeitungsmaschinen) sowie digitalen Objekten beschäftigt, wird im Englischen oft als ‘digital something’ bezeichnet. Im Falle eines Historikers als ‘digital historian’. Im Deutschen Sprachgebrauch wird manchmal ‘Digitaler Historiker’ verwendet – auch Digitale Archivare und Digitale Humanisten (digital humanists) sind bekannt. Wenn von digitalen Historikern (etc.) gesprochen wird, dann ist gemeint, dass sich diese Personen mit digitalen Objekten sowie Arbeitsmitteln und -methoden auskennen und damit arbeiten. ‘Echte’ Digitale Historiker würde ich wahrscheinlich (vorerst) nicht ernst nehmen. Somit stellt sich einerseits die Frage, wie solche Historiker bezeichnet werden sollten und ob es eine solche eigentlich benötigt. Digital historian or just a historian?

Wenn sich digital historians (die Englische Variante wird verwendet solange nicht geklärt ist, ob ein deutscher Begriff nötig ist) so selbstbewusst von den ‘anderen’ Historikern abheben (wollen), dann müssten signifikante Unterschiede zu den analog historians bestehen.

Analoge Geschichte
Eine Suche nach Analoger Geschichte oder analog history hat auf die Schnelle keine Resultate ergeben. Schämen sich analog historians als solche aufzutreten oder schlimmer für die digital historians: gibt es sie eigentlich gar nicht? Denn wenn es keine Analoge Geschichte oder analog historians gibt (es existiert aber eine Geschichte des Analogen), dann ist die Hervorhebung als digital historians müssig.

digital natives and digital immigrants
Eventuell hat es mit der Unterscheidung von ‘digital natives’ und ‘digital immigrants’ zu tun. Einem digital native würde es nicht in den Sinn kommen sich als digital zu bezeichnen, denn sein ganzes Leben hat er schon damit zu tun gehabt, eine Abgrenzung zu anderen seiner Altersgruppe ist nicht möglich. Für die immigrants hingegen ist eine Unterscheidung und die Betonung des ‘digital’ von grosser Wichtigkeit: es kann damit ausgesagt werden, dass man auf der Höhe der Zeit ist, moderne Methoden und Techniken anwendet und auch neue Forschungsfelder bearbeitet. Im Gegensatz zu Historikern die … ja nun was? Caesar untersuchen?

Hilfsmittel
Mittlerweile arbeiten auch die meisten Althistoriker mit Computern und anderen digitalen Hilfsmittel. 3D-Visualisierung von Funden und auch die computergenerierte Nachbildung von Anlagen (Häuser, Städte) sind ‘Alltag’. Wenn alle Historiker mit digitalen Hilfsmitteln arbeiten, dann können wir getrost das ‘digital’ streichen und sind wieder ‘nur’ Historiker.

Analoge Datenbasis
An allen Veranstaltungen, an welchen ich teilgenommen habe, wurden Forschungsprojekte vorgestellt, deren Datenbasis analog war, aber daraus mit digitalen Hilfsmitteln neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Die Projektmitarbeiter arbeiten alle mit Computern und nutzen komplexe Programme, die sie teils selber geschrieben haben. Diesen Damen und Herren möchte ich keinesfalls unterstellen, dass sie ‘nur analoge’ Historiker sind, weil analoge Daten die Forschungsgrundlage bilden. Digitale Daten fordern zwar einen anderen Zugang, als dies mit analogen Daten der Fall ist, und das Verständnis über die Eigenschaften von digitalen Objekten muss vorhanden sein, aber digitalisierte Daten unterscheiden sich in der Nachbearbeitung nicht von genuin digitalen.

Forschungsfelder
Betreiben digital historians nur Forschung über das Digitale und die anderen über das Analoge? Digital historians haben Kenntnisse über die Eigenschaften von digitalen Objekten und nutzen etwas andere Arbeitsmethoden (Quellenkritik des Digitalen). Sie sind also Spezialisten im Umgang mit digital vorliegenden Informationen, die sich signifkant von anderen, bisher bekannten Quellen unterscheiden. Hier scheint die Bezeichnung eines digital historian gerechtfertigt zu sein.

Ausbildung
Der Umgang mit digitalen Datenbeständen wird an den meisten Ausbildungsstätten nicht gelehrt oder beginnt sich erst langsam zu etablieren. Seit dem ‘computational turn’ sind jedoch viele Quellen nur noch digital vorhanden und immer mehr digitale Datenbestände müssen erschlossen werden. Gleichzeitig müssen diese digitalen Objekte auf analoge Informationen bezogen werden können, eine hybride Ausbildung ist also nötig. Solange aber der Umgang mit digitalen Datenbeständen nicht zum Curriculum gehört, ist die Hervorhebung als digital historian durchaus berechtigt.

digital historian or just a historian?
Peter Haber hat vor etwa vier Jahren gesagt, dass in naher Zukunft das ‘Digital’ wegfallen wird, weil alle digital arbeiten. Dies scheint mir heute schon der Fall zu sein, zumindest in den technisierten Ländern. Wer sich jedoch mit Fragen über das Digitale, den ‘computational turn’, digitale Daten (big data) nutzt und damit umzugehen weiss, ist unter den Historikern ein Spezialist, der den Titel eines ‘digital historian’ m.E. führen darf.

Bezeichnung
Die Übersetzung von ‘digital historian’ ist, wie zu beginn des Artikels erwähnt, mit ‘Digitaler Historiker’ nicht korrekt und bedarf einer Präzisierung. Bisherige Bezeichnungen von historischen Spezialisten beziehen sich auf ein Objekt (Sphragistiker) oder eine Epoche (Mediävist). Eine Epochenbezeichnung ist nicht angebracht, weil der ‘computational turn’ zwar neue methodische Arbeitsweisen erfordert, aber trotzdem keine neue Epoche einläutete (zugegeben, darüber wird gestritten). Der Bezug auf das (digitale) Objekt wäre korrekter und würde den Spezialisten auch als solchen bezeichnen. ‘Digitalist’ sagt zu wenig über das historische Element aus, Historischer Digitalist ist zu umständlich. ‘Digitalhistoriker’ hingegen scheint der gesuchte Begriff zu sein: einerseits wird damit ausgedrückt, dass es sich um einen Historiker (oder eine Historikerin) handelt, andererseits auch, dass sich der Historiker mit den Eigenschaften digitaler Objekte auskennt, digitale oder digitalisierte Daten bearbeitet, digitale Hilfsmittel und entsprechende Arbeitsmethoden anwendet und dass das Digitale an sich zu seinen Interessen gehört.

Bin ich also ‘just a historian’? Nein. Ich bin Historiker! Spezialisiert auf Digitalgeschichte und der sich als Digitalhistoriker bezeichnen darf.

just a historien?
What is the difference between a digital and an analog historian? Analog history doesn’t exist and most of the historians use digital equipment even if they’re research topic is ‘The roman empire’. Maybe a digital immigrant needs to separate himself from other people of the same age. A digital native can’t stand out, because everybody used digital objects and methods the whole life long.
But a digital historian has a better knowledge about digital objects, works with digital or digitized data, his (or her) field of research is connected to the digital and he uses slightly different methods of source criticsm.
In conclusion: there are a lot of historians and most of all are specialized: mediaevists, media historians, … and digital historians.

Quelle: http://hsc.hypotheses.org/241

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