“miles dicitur a malo arcendo. ergo hodierni non sunt milites, quia omne malum adferunt.” – Eigentlich erwartet man von den Soldaten, daß sie für den Schutz der Bevölkerung sorgen und Unheil abwehren. Doch in diesen Zeiten ist alles anders, denn nun es ist das Militär, das allem Übel Tür und Tor öffnet. Daher kann man eigentlich nicht mehr von Soldaten sprechen, weil ihr Handeln dem Verständnis des Wortes widerspricht.
Der oben zitierte Satz stammt von Georg Mengershausen, einem Ratsherrn und Steuereinnehmer der Stadt Göttingen im 17. Jahrhundert. Er hat ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen, in dem er weniger das eigene Leben als vielmehr die Ereignisse seiner Zeit, so wie sie ihm vorkamen, aufgeschrieben hat – ein faszinierendes Zeitzeugnis (StA Göttingen, AB III 5). Dem zweiten Band (von vieren insgesamt) hat er die eingangs zitierte Sentenz vorneweg gestellt, gleichsam ein Motto für das, was in diesen Jahren passierte. Dieser Band des Diariums setzt im April des Jahres 1631 ein und reicht bis zum Dezember desselben Jahres; in dieser Zeit kam es nicht nur zur Zerstörung Magdeburgs, sondern auch in Göttingen erlebte man hautnah, was die Präsenz von Militär für Beschwernisse mit sich brachte – eine Erfahrung allerdings, die den Erlebnishorizont der vergangenen Jahre erweiterte, als man schon einmal eine Besatzung von Soldaten der Ligaarmee in den Mauern der Stadt hatte.
Ob Mengershausen sich wirklich für die Etymologie des Wortes miles interessiert hat, bleibt fraglich. Ihm ging es wohl eher um die Pointe in diesem Sinnspruch, durch die letztlich das Verkehrte-Welt-Motiv variiert wird – statt zu beschützen, bringt das Militär nur Unheil. Eine Erkenntnis, die womöglich das Zeitgefühl und die Wahrnehmung der eigenen Lebenswirklichkeit widerspiegelt.
Offen bleibt, woher Mengershausen diese Sentenz und diese Etymologie kennt. Im Diarium ist zwar ein Hinweis gegeben, dessen Abkürzungen allerdings für mich kaum lesbar und daher auch nicht zu identifizieren waren. Weitere Nachweise sind nur äußerst spärlich. Ich habe eine Stelle im „Speculum vitae humanae“ (zuerst 1468) von Rodericus Sancius de Arevalo / Rodericus Zamorensis nachweisen können. Aber darauf bezieht sich Mengershausen offenbar nicht. Auch gibt es in Spinozas „Tractatus theologico-Politicus de officiis hominum circa ius naturae“, Lund 1685, eine Referenz, doch auf dieses spätere Werk kann sich der Göttinger natürlich nicht berufen haben. Die großartige Sammlung der “Proverbia sententiaeque Latinitatis medii ac recentioris aevi” von Hans Walther hat mir in dem Fall nicht weitergeholfen.
Wenn jemand aber eine Idee hat oder einen weiteren Nachweis kennt, wäre ich für einen Hinweis dankbar. Denn daß allein das „Speculum vitae humanae“ als Ursprung dieser Etymologie in Frage kommen soll, will mir nicht ganz einleuchten. Die Ableitung „miles a malo arcendo“ ist übrigens nicht haltbar, wobei die sprachgeschichtliche Wurzel des Wortes miles ohnehin nicht geklärt ist (vgl. Walde / Hofmann: Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1938, S. 87).
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/165