Wie Elisabeth heilig wurde. (Teil 2)

Fortsetzung von Wie Elisabeth heilig wurde. (Teil 1)

Im Laufe der Kirchengeschichte ist es eigentlich immer schwieriger geworden, jemanden offiziell von Rom aus als heilig anerkennen zu lassen. In den ersten drei Jahrhunderten wurde praktisch jeder automatisch heilig, der im Namen des Christentums gefoltert und ermordet worden ist. Dieser Automatismus löste aber durchaus das Bedürfnis nach Regulierung von Seiten der Kirchenoberen aus. Man überprüfte bereit im 5. Jahrhundert, soweit möglich, die Identitäten der verehrten Märtyrer und ob es sich bei Ihnen auch wirklich um wegen ihres Glaubens ermordete handelte.[1]

Der Kult um Heilige im einfachen gläubigen Volk wurde auch Thema im 2. Konzil von Nicäa im Jahr 787. Dort legte man fest, dass Anbetung allein Gott zustünde (adoratio) und Heilige ausschließlich verehrt werden dürften (veneratio). Der Heilige nimmt so eine Art Mittlerrolle zwischen den Menschen und Gott ein und Gott wirkt dann die Wunder. Nun hatte dieses Dogma aber auf die Volksfrömmigkeit damals keinen Einfluss. Für die Leute ist der Heilige in seinem Grab bzw. in seinen Reliquien real präsent und es ist der Heilige der hilft, heilt oder straft.[2]

Ab dem 8. Jahrhundert wurde es allgemein üblich, dass man Heilige aus ihren Gräbern „erhob“ und diese entweder im Altar oder darauf in kostbaren Schreinen zur Verehrung ausstellte. Bei Heiligen, die keine Märtyrer der Christenverfolgung waren, bildete diese `Elevatio´, die `Erhebung´ eine Art Heiligsprechung  `per viam cultus´. Das Verfahren bildete eine eigene Liturgie, die von den örtlichen Bischöfen und immer auch im Beisein des Adels durchgeführt worden ist.[3]

Im Hohen Mittelalter wurden die Hürden, heilig zu werden, noch einmal verschärft. Es waren von nun an allein die Päpste, die jemanden nach eingehender Prüfung heilig sprechen konnten. Das ist auch heute noch so. Als erster Heiliger wurde Ulrich von Augsburg 993 durch Johannes XV heilig gesprochen.[4]

Bereits in diesen frühen Heiligsprechungsverfahren waren die wesentlichen Beweise für die Heiligkeit die Wunder, die auf den oder die Heilige zurückgehen sollen. Diese Wunder mussten auch glaubwürdig bezeugt werden.[5] Nun ist das so eine Sache mit den Wundern. In unserer Zeit mit weit entwickelten Naturwissenschaften ist die Wundergläubigkeit des Mittelalters schwer verständlich. Aber wenn man keine Erklärung für ein Phänomen oder eine spontane Genesung eines blinden Kindes etc. hat, führten es die Menschen auf ein Wunder zurück. Das war nun einmal so. Und diese Wunder waren dann Beweise für eine eventuelle Heiligkeit, vorausgesetzt, diese sind auch möglichst von mehreren Zeugen bestätigt worden.

Zurück zu Elisabeth von Thüringen. Kurz nach Elisabeths Tod schrieb Konrad von Marburg an Gregor IX einen Brief, dem er eine kurze Lebensbeschreibung Elisabeths, heute unter dem Namen `Summa vitae´ bekannt, und eine Zusammenstellung von Wundern beilegte. Papst Gregor beauftragte daraufhin eine Art Kommission, die die Zeugen der Wunder, aber auch des heiligmäßigen Lebens Elisabeths untersuchen sollten. Diese Kommission bestand aus dem Erzbischof Siegfried von Mainz, Abt Raimund von Eberbach und Konrad von Marburg, Elisabeths spirituellen Mentor.[6]

Dieses Verfahren kam allerdings in Stocken, weil Konrad 1233 in Beltershausen, unweit von Marburg, umgebracht worden ist. Historiker gehen davon aus, dass er es mit seiner Ketzerverfolgung womöglich etwas übertrieben hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es wurde also eine neue Kommission eingesetzt, bestehend aus Konrad von Hildesheim, Abt Hermann von Georgenthal und Abt Ludwig von Hersfeld, welche nun die Zeugenberichte zusammenstellen sollten und auch taten.[7]

Bereits 1235 wurde die Kanonisationsurkunde von Papst Gregor IX ausgestellt und ein Jahr später fand die feierliche Elevatio, die Erhebung der Reliquien Elisabeths unter Anwesenheit Kaiser Friedrich II aus ihrem Grab statt.

Das Verfahren wurde von Seiten Papst Gregors IX auffällig schnell abgewickelt. Gregor IX hatte nämlich ein politisches Interesse daran, die wichtigsten Persönlichkeiten der neuen Bettelordensbewegung heilig zu sprechen, denn diese war außerordentlich erfolgreich in ihrer Ausbreitung nördlich und südlich der Alpen. Für den Papst stand Elisabeth von Thüringen nämlich in einer Reihe mit Franziskus von Assisi, Antonius von Padua und Dominikus.[8]

Neben der Kurie in Rom hatten auch die Landgrafen von Thüringen ein Interesse, dass eine Angehörige ihrer Familie als Heilige verehrt wird, denn das konnte auch politisch nützlich sein. Das Hospitalgelände in Marburg war kurz vor der Heiligsprechung dem damals in seiner Blüte befindlichen Deutschen Orden übergeben worden. Dieser begann 1235 damit, eine gotische Kirche über dem Grab Elisabeths zu errichten, einem der frühesten rein gotischen Bauten auf deutschsprachigem Gebiet, der Elisabethkirche zu Marburg. Auch der Deutsche Orden hatte ein Interesse an einer Heiligsprechung Elisabeths, mehr aber noch an einer anhaltenden Elisabethverehrung durch die Gläubigen. Denn das schönste und prunkvollste Mausoleum, der prächtigste Reliquienschrein sind überflüssig, wenn die Gläubigen sich nicht dafür interessieren und sie die Kirche nicht besuchen.Und nebenbei bemerkt war, wie heute der Tourismus, damals das Pilgerwesen ein ein einträglicher Wirtschaftsfaktor.[9]

Und damit kommen wir zum Kernpunkt von Heiligkeit, es ist in erster Linie Volksfrömmigkeit. Es ist der Glaube der Menschen an die Wunder und an die Hilfe der heilige Elisabeth.[10] Die Verehrung der heiligen Elisabeth ist bis heute ungebrochen, auch wenn sich diese im Laufe der Zeit wandelte und inzwischen über die Konfessionsgrenzen hinweg reicht.

[1] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128

[2] S. Komm, Heiligengrabmäler des 11. und 12. Jahrhunderts in Frankreich. Untersuchungen zu Typologie und Grabverehrung (Worms 1990) 126

[3] A. Angenendt, Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart (München 1994) 173-174

S. Beissel, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter (Nachdruck  Darmstadt 1983) 106-111

[4] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128-129

[5] M. Wehrli-Johnes, Armenfürsorge, Spitaldienst und neues Büßertum in den frühen Berichten über das Leben der heiligen Elisabeth, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 153

[6] P. G. Schmidt, Die zeitgenössische Überlieferung zum Leben und zur Heiligsprechung der heiligen Elisabeth, In: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 1-6

[7] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 131

[8] O. Krafft, Papsturkunde und Heiligsprechung. Die päpstlichen Kanonisationen vom Mittelalter bis zu Reformation. Ein Handbuch. Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte Siegel und Wappenkunde Beiheft 9 (Köln 2005) 416-419/ M. Werner, Mater Hassiae B Flos Ungariae B Gloria Teutoniae, in: J. Petersohn (Hrsg.) Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Marburg 1994) 450-452

[9] B. Demel, Die heilige Elisabeth von Thüringen Patronin des Ordens, in: Archiv Kirchengesch. Böhmen-Mähren-Schlesien 12, 1993, 80

[10] W. Brückner, Zu Heiligenkult und Wahlfahrtswesen im 13. Jahrhundert. Einordnungsversuch der volksfrommen Elisabeth-Verehrung in Marburg, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 119-124

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1069

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